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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Grab eines unbekannten deutschen Soldaten



Wolfgang
11.08.2013, 19:18
Schönen guten Nachmittag,

ich habe heute in Schöneberg (Ostaszewo) das Grab eines unbekannten deutschen Soldaten besucht von dem ich bereits vor Längerem gehört hatte. Es befindet sich auf der linken Seite der Ruine der alten katholischen Kirche die -so hörte ich- von deutschen Soldaten Ende des Krieges in Brand gesteckt worden sein soll. Das Grab wird auch heute noch frisch geschmückt.

Auf einem kleinen Grabschildchen heißt es: "Nieznany żołnierz niemiecki rozstrzelany przez swoich dlatego że niech ciał podpalic koscioła" was nach meiner Übersetzung heißen müsste "Unbekannter deutscher Soldat von den Seinen erschossen weil er die Kirche nicht in Brand stecken wollte".

Wer weiß Näheres zu den Vorgängen um die Zerstörung der katholischen Kirche? Wann ist das geschehen? Konnte ein Soldat von seinen Kameraden erschossen werden weil er sich weigerte ein Gotteshaus anzuzünden? Wo könnte man evtl. Näheres über diesen Vorgang erfahren?

Sollte sich das so zugetragen haben, wäre dies für mich sehr irritierend, da ich dies nicht für möglich hielte.

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

Marc Malbork
11.08.2013, 21:30
Siehe bitte

http://www.marienburg.pl/viewtopic.php?t=3396 (http://www.marienburg.pl/viewtopic.php?t=3396)

dort Beitrag starykot

Ohne Sachinformationen aber mit Bildern und einem vergleichenden historischen Hinweis auf Langfuhrs Hindenburgallee 1945:

http://www.forum.eksploracja.pl/viewtopic.php?t=995

Wolfgang
11.08.2013, 22:02
Schönen guten Abend,
hallo Rüdiger,

ganz herzlichen Dank, dass Du "gegoogelt" hast und fündig wurdest... - hinterher frage ich mich immer, warum ich nicht selber auf die Idee kam zu googeln.

Jetzt weiß ich ein bisschen mehr. Vor allem das Datum 05.04.1945 an dem lt. einer polnischen Schöneberg-Chronik sich zurückziehende SS-Einheiten durch Schöneberg kamen, einen befehlsverweigernden Kameraden erschossen und die Kirche in Brand steckten.

Für mich stellen sich da viele neue Fragen. Wenn das am 05.04.45 um 17:00 Uhr war, gab es da noch Zivilisten, die das später berichten konnten? Aus welchen Quellen stammen die Informationen?

Wenn sich diese tragische Geschichte bewahrheiten sollte, dann war dieser erschossene Soldat wahrscheinlich ein gläubiger Christ, ein Held. Und dann sollte dieses Grab nicht namenlos bleiben.

Ich werde in Schöneberg vor Ort recherchieren und versuchen, auch etwas über deutsche Dienststellen herauszubekommen. Wer wäre in Deutschland erste Ansprechadresse? Sind evtl. über das Militärgeschichtliche Institut nähere Einzelheiten zu erfahren?

Für jeden Tipp bin ich dankbar.

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

Peter von Groddeck
12.08.2013, 09:41
Hallo Wolfgang,
dafür gibt es drei Ansprechstellen.
1. WAST, Berlin
2. Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Kassel
3. DRK-Suchdienst, Münschen.
Gruß Peter

Wolfgang
12.08.2013, 11:28
Schönen guten Morgen,
hallo Peter,

danke für Deine Tipps! Ich werde versuchen, dort etwas zu erfahren.

Erste Recherchen werfen aber immer neue Fragen auf.

- die Bevölkerung soll bereits Januar/Februar geflüchtet sein
- am 25.02.45 wurde der Weichseldamm bei Schöneberg gesprengt wodurch große Teile des Werders (bis hin zur Elbinger Weichsel die die letzte Verteidigungslinie bildete) unter Wasser gesetzt wurde
- Ende März sollen die letzten deutschen Einheiten aus diesem Gebiet abgezogen worden sein
- WARUM wurde die Kirche abgebrannt? Sie hatte weder für Deutsche noch für Russen einen strategischen Wert. Für Artilleriebeobachter oder -einweiser wäre der höhere Turm der evangelischen Kirche wesentlich interessanter gewesen, aber der blieb unbeschädigt... - warum also die Zerstörung der katholischen Kirche?
- wer hat den unbekannten Soldaten beerdigt? Wann? Wer konnte die Geschichte überliefern?

Das Ganze klingt recht mysteriös. Vor allem weil sich offenbar alles auf mündliche Überlieferungen stützt und schriftliche Berichte ohne jede Quellenangaben angefertigt wurden. Einer schreibt vom Anderen ab oder zitiert ganz einfach die Inschrift auf der Grabtafel.

Es wäre wirklich interessant, gelänge es, die Geschehnisse mit belegbaren Fakten zu untermauern.

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

Rudolf
12.08.2013, 11:28
Wolfgang ,
vielleicht gelingt es Dir , über die von Peter genannten Stellen etwas mehr zu erfahren . Allerdings habe ich wenig Hoffnung , daß es von damals dort befindlichen Zivilisten Augen- oder Ohrenzeugen geben könnte . Ich erinnere mich sehr gut , daß damals - Ende März/Anfang April 1945 - , wir saßen im Keller des Hauses Dampfbootstraße ( ul. Hoza ) 3 in Heubude , die Feldgendarmerie , die sogenannten " Kettenhunde " , mehrmals täglich Haus und Keller durchsuchten und wenn sie auf männliche Personen ohne Papiere bzw. Dokumente trafen , diese sofort mitnahmen .
Es ist für mich in Kenntnis der damaligen Ereignisse schwer vorstellbar , daß Zivilisten die Ermordung dieses in der Tat sehr mutigen Soldaten beobachten konnten .
Die Bestie Nationalsozialismus wütete umso brutaler , je näher ihr Ende nahte . Als wir Zivilisten aus Heubude und Umgebung Anfang April 1945 einige Tage unter freiem Himmel auf dem Karrenwall lagerten , holten die Russen einmal mehrere Frauen - darunter auch meine Mutter - mit LKW zur " Arbeit " ab . Auf diesen LKW waren hölzerne Gestelle/Leitern befestigt . Als meine Mutter am Abend wieder zurück war , erzählte sie , daß mit Hilfe dieser Gestelle in der Halben Allee , aber auch in einigen Gegenden von Langfuhr und Oliva erhängte deutsche Soldaten und Flakhelfer , aber auch Zivilisten , von Bäumen und Masten geholt wurden . Die Leichen wurden außerhalb der Stadt in Waldgebieten verscharrt .
Wer - egal , ob Zvilist oder Soldat - , sich den Befehlen oder Anordnungen der fanatischen Nazis in irgendeiner Form widersetzte oder auch nur öffentlich am " Endsieg " zweifelte , wurde skrupellos ermordet .
Vor einigen Jahren war ich mal im Münstertal/Baden-Württemberg und besuchte dort u.a. die katholische Kirche St. Trudpert . Dort wurde der langjährige Dekan Willibald Strohmeyer am 22.04.1945 - kurz , bevor die Alliierten den Ort erreichten - von der SS ermordet .
Auf jeden Fall finde ich es sehr gut , daß die heutigen Anwohner in Schöneberg dieses sehr mutigen Mannes gedenken .
Eine schöne Woche wünsche ich Dir und allen Forumern - der Heubuder Rudi

Peter von Groddeck
12.08.2013, 16:26
Hallo,
auch wenn alle Dorfbewohner weg waren, waren offentsichtlich meherer Soldaten zugegen. Dadurch könnte vielleicht doch etwas überliefert sein.
Greuß Peter

Wolfgang
12.08.2013, 17:16
Schönen guten Nachmittag,

vielen Dank für alle bisherigen Tipps, Anregungen und Infos.

Ich habe bereits die Deutsche Dienststelle (WAST) und den DRK-Suchdienst angeschrieben. Und zudem googelnd recherchiert um evtl. herauszubekommen, ob es weitere Fälle gab in denen die SS eine deutsche Kirche offenbar grundlos abbrannte. Selbst wenn die Kirche bzw. deren Turm strategische Bedeutung hatte, warum hat man ihn dann nicht gesprengt wie das z.B. in Bohnsack der Fall war? Auch die hölzernen Windmühlen wurden ja gesprengt -wie z.B. in Fürstenwerder- obwohl gerade die perfekt gebrannt hätten...

WENN also die SS die Kirche abbrannte, was könnten die Gründe gewesen sein?

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

waldkind
12.08.2013, 19:49
Hallo Wolfgang,
grundlos geschah wohl selten irgendetwas in dieser Art. Das Abbrennen von Kirchen erinnere ich als Methode unliebsame Menschen loszuwerden. Diese wurden unter irgendeinem Vorwand in die Kirche geschickt, dann Türe von außen verriegelt und Ende war es. Es ging dabei wohl darum, Zeugen oder Missetaten zu beseitigen. Man weiß ja auch von "unsinnigen" Erschießungen Ende des Krieges durch die Nazis, um Zeugen zu beseitigen. Tatsächlich wurden die Leute, die sich weigerten an solchen Massakern teilzuhaben, schlicht weg erschossen.


Wie es sich nun in diesem speziellen, von dir geschilderten, Falle verhielt, weiß ich natürlich nicht. Gute Grüße, wk.

Wolfgang
12.08.2013, 21:02
Schönen guten Abend,

es wird immer wieder behauptet, dass Soldaten die sich nicht an Erschießungs- oder anderen Mordaktionen beteiligen wollten, selber erschossen wurden. Und fast genauso oft wird behauptet, dass es dafür keinen einzigen Nachweis gibt. Und bisher ist auch mir nicht bekannt, dass jemals ein solcher Nachweis erbracht werden konnte.

Dass es in NICHT-deutschen Kirchen durch SS und Wehrmacht zu Untaten kam ist unbestritten. In Schöneberg stand jedoch eine alte deutsche Ordenskirche und ich konnte bisher keinen Anhaltspunkt finden, dass weitere leere Kirchen auf deutschem Gebiet in Brand gesteckt wurden.

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

Stejuhn
12.08.2013, 22:40
Guten Abend Wolfgang,

kennst Du das Buch "Der Vorleser" von Bernhard Schlink?
Darin erzählt Hanna während ihres Prozesses, dass sie KZ-Häftlinge während ihrer Verlegung in einer Kirche untergebracht hat. Die Türen der Kirche wurden lt. ihrer Aussage verschlossen um eine Flucht der Häftlinge zu verhindern. Als die Kirche brannte wurden die Türen nicht geöffnet, weil die Häftlinge hätten fliehen können.
Schön und gut, dies ist ein Roman!
Aber was ist, wenn es wirklich solche Praktiken gab?
Könnte es nicht sein, dass man so diese Häftlinge loswerden wollte?
Manchmal beziehen Autoren die Wirklichkeit in ihre Erzählungen mit ein.

Viele Grüße Sigrid

Wolfgang
12.08.2013, 23:54
Schönen guten Abend,
hallo Sigrid,

ich schrieb in meinem letzten Beitrag um 21:02 Uhr: "Dass es in NICHT-deutschen Kirchen durch SS und Wehrmacht zu Untaten kam ist unbestritten. In Schöneberg stand jedoch eine alte deutsche Ordenskirche und ich konnte bisher keinen Anhaltspunkt finden, dass weitere leere Kirchen auf deutschem Gebiet in Brand gesteckt wurden."

In diesem Thema möchte ich das Schicksal des unbekannten deutschen Soldaten und die Geschehnisse um die Schöneberger Kirche ansprechen und evtl. Hilfestellung für eine Klärung erhalten. Rüdiger hat gestern um 21:30 Uhr zwei Links genannt, und selbst wer nicht ausreichend polnisch spricht, kann den Sinn der dortigen Beiträge mittels Übersetzungen bei Google oder Bing erfassen. Es ist in einer offensichtlich nach 1992 geschriebenen Kirchenchronik genau geschildert, was passiert sein soll. Und das möchte ich verifizieren.

Von abrückenden Einheiten ist beim Rückzug viel zerstört worden (Kirchtürme, Brücken, Dämme, wassertechnische Einrichtungen, Windmühlen usw.), aber bisher habe ich dafür meist nachvollziehbare Gründe vernommen, nämlich militärische bzw. strategische. Sollte es notwendig gewesen sein, die Kirche aus einem solchen Grund zu zerstören, warum wurde dann nicht der der Turm GESPRENGT? Und warum nicht der Turm der evangelischen Kirche? Natürlich kann es sein, dass sie möglicherweise gar keinen Sprengstoff mehr hatten, aber das sind eben noch die zu klärenden Punkte.

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

Wolfgang
11.11.2013, 21:07
Schönen guten Abend,

heute Abend habe ich im Gemeindemuseum ein bisschen nachgehakt. Laut Überlieferung soll es einen Brief eines vertriebenen Schönebergers geben/gegeben haben, in dem er sagte, die SS habe die Kirche, eine Mühle und das Feuerwehrgebäude in Brand gesteckt. Bei der Inbrandsetzung der Kirche soll es nicht nur einen sondern zwei Befehlsverweigerer gegeben haben, die von ihren SS-Kameraden erschossen wurden. Ein dritter Soldat, der Brandstifter, soll im Feuer umgekommen sein. Diese Geschichte hört sich noch mysteriöser an als die bisherigen Schilderungen.

Sowohl vom Volksbund als auch von der WASt (Deutsche Dienststelle) erhielt ich bereits per Brief die Auskunft, sie könnten mir aufgrund meiner vagen Angaben nicht weiterhelfen.

Das Rätsel um diese Vorkommnisse harrt also weiterhin einer Lösung.

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

Wolfgang
25.08.2014, 18:29
Schönen guten Abend,

als ich am Samstag (23.08.2014) erneut an der Kirche und dem Grab des unbekannten Soldaten war, hörte ich erneut die Geschichte, die ich bereits am 11.11.2013 schilderte. Sie wurde mir von einer ehrenamtlichen Reiseführerin als Fakt erzählt, als Tatsache.

Nach vielen Recherchen vermute ich, dass dies eine Legende ist, nichts anderes als eine lieb gewordene Legende.

WARUM??? Warum soll die Kirche von Deutschen abgebrannt worden sein? Es war ein Bauwerk, ein "Bollwerk deutscher Kultur", zu Deutschordenszeiten errichtet, und es gab immer noch die weit verbreitete Hoffnung, man könne eines Tages wieder in die verlassene Heimat zurück kehren.

Warum soll also ein deutsches Kulturdenkmal von deutschen Soldaten abgebrannt worden sein? Ich hörte dann die Antwort an der noch stehenden evangelischen Kirche: "Ja, ja, die Deutschen haben eben die alte katholische Kirche abgebrannt weil sie katholisch war und die evangelische haben sie stehen lassen weil sie evangelisch war".

Gab es je den Fall, dass abziehende Einheiten Kameraden erschossen weil sie sich weigerten ein deutsches Kulturdenkmal, zudem eine religiöse Stätte, zu zerstören? Militärstrategische Gründe können nicht maßgebend gewesen sein, da sonst die evangelische Kirche hätte daran glauben müssen.

Die Frage, die ungeklärte Geschichte um die frühere Deutschordenskirche treibt mich nach wie vor um, weil sie immer noch als Beweis für das Vandalentum der Deutschen gilt.

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

AxelH
26.08.2014, 18:43
Hallo Wolfgang,

das Abbrennen der Kirche durch die SS kann ideologische Gründe haben, die SS wollte sich selbst als "Ersatz-Religion" betätigen, was aber nicht den radikalen Schritt in diesem Falle rechtfertigen würde.

In der Brutalität des Krieges war es vielleicht eine individuelle Entscheidung eines einzelnen Mannes. Leider wird das ein Geheimnis bleiben, da trotz aller Mühen nicht mehr herauszufinden war.

Ansatzpunkte könnte noch das Grab des unbekannten Soldaten sein. Wenn Du den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge über das Grab informierst und eventuell lange genug nachfragst, könnten die eventuell an einer Umbettung interessiert sein..... Und dann müssten sie graben und man würde die Überreste finden. Das ist nur eine vage Möglichkeit.

Viel Glück Dir weiterhin!

Bernstein
26.08.2014, 21:11
Hallo, ich habe mich als geschichtlich Interessierter ein bischen befasst mit den (Un-)Taten der SS und der Wehrmacht und ich habe bisher noch nirgendwo gehört, dass sie deutsche Kulturdenkmäler oder Kirchen ohne zwingende Gründe zerstört haben. Im April 45 ging es gerade noch darum, der Bevölkerung die Flucht zu ermöglichen. Die dort stationierten Einheiten hatten zu diesem Zeitpunkt kaum noch eine Chance, selber über See verschifft zu werden.

Wenn die Zerstörung der Kirche militärisch keinen Sinn machte, dann ist der Befehl sie niederzubrennen auch sehr unwahrscheinlich. Und dass da eine kämpfende Einheit, eine Kompanie, eigene Kameraden erschossen hat, weil sie angeblich eine Kirche nicht angezündet haben, ist auch unwahrscheinlich.

Ich glaube kein Wort von dem ganzen Märchen, denn ich halte das nur für ein Märchen.

Ulfried

Bartels
26.08.2014, 23:01
Einen schönen guten Abend,

ich denke nach dem Fall von Danzig war im Werder nichts mehr mit rationalen Maßstäben zu messen.

War es Waffen-SS oder Wachmannschaften von Stutthof? Diese Vorkommnisse wird möglicherweise niemand offiziell dokumentiert haben. - Dass Zivilisten ihre Heimat nicht verlassen haben, ist unbestritten.

Man könnte den unbekannten Soldaten exhumieren und feststellen, ob er noch eine Erkennungsmarke hat und einer SS-Einheit angehört hat. (Dafür gibt es Spezialisten auf freiwilliger Basis.)

NB: Mein Grossonkel Rudolf ist auch nicht beim Volksbund verzeichnet, er starb nach Verwundung 1916 im Lazarett Hermannstadt in Rumänien, und mein Grossvater und ein Bruder haben ihn im Familiengrab in Kaiserslautern begraben. Meine pfälzische Ururgrossmutter musste erleben. dass drei Enkel auf beiden Seiten der Front fielen, der vierte fiel 1920 an der Ruhr.

Wolfgang
27.08.2014, 12:05
Schönen guten Morgen,

ich kann nicht sagen ob sich die Umstände die zur Zerstörung der Kirche führten, noch klären lassen.

Nach allen bisherigen von mir gelesenen Aufzeichnungen und Berichten klingt die bisherige offizielle als Tatsache geschilderte Version als recht zweifelhaft.

Anfang April war der Kreis "Großes Werder" weitestgehend überflutet. Fast alle Einheimischen waren dem Räumungsbefehl nachgekommen. Im Kriegstagebuch (IV. Lagebuch) vom 06.04.1945 zur 2. Arme heißt es: "... soll die Verbindung zwischen der Danziger Niederung und der Frischen Nehrung aufrecht erhalten werden. Aufgabe der Truppen bleibt es, weiterhin den Feind zu fesseln." Dies bezieht sich nur auf Nehrung und Niederung, über Truppen im Großen Werder wird nicht mehr berichtet. Das Werder war zu diesem Zeitpunkt auch komplett eingekesselt, Einheiten haben sich aber noch über die Weichsel absetzen können um von dort Richtung Schiewenhorst und Nehrung vorzustoßen.

Bisher ist nicht geklärt, ob und welche Einheiten oder versprengte Gruppen sich noch am 05.04.1945 im Werder und im Raum Schöneberg aufgehalten haben.

Bei all dem geht es vor allem um die grundsätzliche Frage, ob sich die als Tatsache dargestellten Ereignisse so ereignet haben bzw. so ereignet haben können. Als Tatsache kann lediglich festgestellt werden, dass die Kirche zerstört ist - auch für einen Brand sind keine Belege mehr zu finden. Schriftliche Schilderungen der Ereignisse erfolgten bisher ohne Quellenangaben. Ich habe zwar gehört, es solle auch mal einen Brief aus der direkten Nachkriegszeit gegeben haben, in dem über diese Ereignisse berichtet wurde, aber bisher konnte auch das nicht verifiziert werden.

Mir geht es darum, dass, wenn die Berichte wirklich stimmen sollten, das Grab des unbekannten Soldaten einen Namen tragen sollte, dass dieser geehrt wird. Sollte sich all das nicht belegen lassen, sollte es sich im Gegenteil als zweifelhaft oder unwahrscheinlich herausstellen, dann trete ich dafür ein, dass die heute mit gezeigter Betroffenheit als Wahrheit verkaufte Geschichte in Zukunft lediglich als "Es wird erzählt, ..." oder "nach nicht mehr prüfbaren Aussagen ist überliefert ..." an die Öffentlichkeit gelangt.

Das was passierte ist schlimm genug. Es ist nicht notwendig, da noch etwas hinzudichten zu wollen. Vor allem aber sind wir der Wahrheit verpflichtet, oder zumindest sollten wir versuchen, herauszubekommen, was wahr war.

Schöne Grüße aus dem herbstlich werdenden Werder
Wolfgang

Wolfgang
27.08.2014, 12:15
Schönen guten Morgen,
hallo Rudolf,

noch eine Anmerkung zu Deiner Frage: "War es Waffen-SS oder Wachmannschaften von Stutthof?"

Zuerst: Wenn dort noch Truppen waren, dann die Frage ob es überhaupt die SS war. Die SS ist in Polen der Inbegriff des Bösen. Jede Schandtat wird glaubhaft wenn sie in Verbindung mit der SS gebracht wird.

SS Stutthof: Extrem unwahrscheinlich. Das Werder war überflutet, es galt zig-tausende Häftlinge Richtung Westen zu bringen. Dies geschah auf der Nehrung. Die Grenze von der Niederung zum Werder hin, und damit zum Überschwemmungsgebiet, bildete die Elbinger Weichsel. Es gab keine Überquerungsmöglichkeiten, weder für die angreifenden russischen Verbände noch für Flüchtlinge noch für deutsche Einheiten. Dass dies im Einzelfall vielleicht doch einmal gelungen sein mag... - ich weiß es nicht, ich habe aber bisher nichts davon gehört.

Schöne Grüße aus dem Werder
Wolfgang

Bernstein
27.08.2014, 15:19
Hallo Wolfgang und Rüdiger, auch von mir eine Anmerkung zur SS Stutthof: Kommandant Hoppe setzte sich mit fast der ganzen SS (bis auf 40 Leute) am 04.04.1945 geschlossen und auf direktem Weg nach Hela ab um von dort in den Westen zu kommen. Die Lagerevakuierung mit den Todesmärschen erfolgte ab 25.04. über Nehrung und Weichsel.

Ulfried

Bartels
27.08.2014, 21:59
Danke Wolfgang

für Deine Ausführungen zu den letzten Kriegsmonaten im Werder.

Google doch mal "Vermisstenforschung" - die Leute die ich persönlich kenne, graben ehrenamtlich Flugzeugwracks beider Seiten aus - so konnten 40 Flieger exhumiert, identifiziert und in ein Ehrengrab umgebettet werden.

Müsste es eigentlich auch in Polen geben? - Mit der Erkennungsmarke könnte man Person und Truppenteil feststellen und auch die Angehörigen informieren. -

Meine Mutter würde auch immer noch gerne wissen, wie ihr Bruder bei Stalingrad umgekommen ist. Letzte Auskunft: Er marschierte nach der Kapitulation in russische Gefangenschaft. - Auch der Bruder eines englischen Piloten wollte noch erleben, dass sein 68 Jahre lang "vermisster" Bruder ein Grab neben den 1946 umgebetteten Kameraden erhält. Aber die RAF-Bürokratie mahlt langsam, die vier der Cockpitcrew sind nach drei Jahren noch unbeerdigt und der jüngere Bruder ist jetzt mit 94 Jahren gestorben.

Falls der Soldat ein Loch im Schädel hat, ist er mit Sicherheit hingerichtet worden; falls er keine halbe Erkennungsmarke mehr haben sollte, - wollte man ihm auch die Identität nehmen ...

Bartels
27.08.2014, 22:03
Hallo Ulfried,

war das erst am 4. April, dass sich Hoppe & Co. abgesetzt haben?
Gibt es dafür Quellen / Belege?
Er war noch Kdt. vom KZ Wöbbelin, ab wann?

Beste Grüsse
Rudolf H. Böttcher

Bartels
27.08.2014, 22:17
Hallo,

der 4.4. steht in der polnischen Wikipedia
(ich weiss jetzt was April auf poln. heisst :D).

Aber was wurde aus dem KZ-Verwaltungsführer SS-Hauptsturmführer Engelbrecht von Bonin und Hoppes "Nachfolger" Paul Ehle?

Beste Grüsse
Rudolf H. Böttcher

Bernstein
27.08.2014, 22:22
Hallo Rudolf,

entschuldige dass ich nicht gleich die Quelle mitgenannt habe: "Historischer Wegweiser Museum Stutthof" von Janina Grabowska-Chalka, 2004, Seite 113. Paul Werner Hoppe war KZ-Kommandant ab 01.09.42 und er setzte sich über Hela ab nach Schleswig-Holstein am 04.04.45.

Ulfried

Wolfgang
28.08.2014, 00:43
Schönen guten Abend,
hallo Ulfried,

Deine Feststellung, die Evakuierung des KZ Stutthof habe am 25.04.1945 begonnen, bedarf noch einer kleinen Ergänzung.

An diesem Tag begann die Auflösung des KZ, also die finale Evakuierung. Und diese erfolgte ab Nickelswalde über See. Bereits Ende Januar 45 gab es erste Evakuierungen mit den von Dir erwähnten Todesmärschen. Was nicht vergessen werden darf: Alle Nebenlager wurden ebenfalls schon frühzeitig geräumt, auch deren Häftlinge gerieten in Todesmärsche.

Rein theoretisch hätten auch SS-Wachmannschaften Stutthofs in Schöneberg gewesen sein können, aber das halte ich für extrem unwahrscheinlich.

Zu diesem Thema habe ich auch Fragen im "Forum der Wehrmacht" unter http://www.forum-der-wehrmacht.de/index.php/Thread/40997-Zerst%C3%B6rung-einer-Deutschordenskirche-Sch%C3%B6neberg-a-d-Weichsel-Gro%C3%9Fes-Werder/?postID=428065#post428065 gestellt. Auch dort erhielt ich bereits erste Mosaiksteinchen.

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

Rudolf
28.08.2014, 11:23
Hallo an die an dieser Thematik Interessierten ,
diverse Details zu den Kampfhandlungen bis zur Kapitulation im Bereich Westteil der Frischen Nehrung / Danziger Niederung kann man dem Buch " Letzte Schlacht an der Ostfront " von Hans Jürgen Pantenius entnehmen . Pantenius war Kommandeur des Volksgrenadierregimentes 690 .
Als damals 12-jähriger habe ich im März/April zumeist nur Angehörige der Wehrmacht/Luftwaffe an ihren Uniformen erkennbar gesehen , wenn diese mitunter unseren Keller aufsuchten . Am 31.03.1945 erschienen abends einige Soldaten in Uniformen ( Tarnanzügen ) der Waffen-SS und wollten uns Zivilisten aus dem Keller des Hauses Dampfbootstraße 3 in Danzig-Heubude vertreiben . Wegen des Protestes aller Kellerinsassen konnten wir dort verbleiben und sie bezogen Stellung mit ihrem Maschinengewehr in einer darüber liegenden Wohnung . Am anderen Tag - 01.04.1945 - schossen sie seit dem frühen Morgen ununterbrochen bis zum zeitigen Vormittag . Danach kehrte schlagartig Ruhe ein und kurz darauf kam vom Hintereingang des Hauses der Ruf " Dojtsche raus " , damit war der Krieg für uns ( fast ) vorbei .
Als wir Zivilisten aus dem Kampfgebiet in Richtung Danzig von Sowjetsoldaten geleitet wurden , sah man in der Heubuder Straße , an der Eisenbahnüberführung , mehrere tote deutsche Soldaten liegen , darunter auch einige in SS-Tarnuniformen .
Ich weiß nicht , ob es damals geschlossene SS- Einheiten waren , die an den Kampfhandlungen teilnahmen . Auf jeden Fall haben sie aktiv Widerstand geleistet , denn es war allgemein bekannt , daß sie - wenn sie in sowjetische Gefangenschaft gerieten - nichts mehr zu erwarten hatten , was auf die von ihnen verübten Verbrechen zurückzuführen war .
Beste Grüße vom Heubuder Rudi

Gerhard Jeske
15.07.2017, 12:35
AxeH #15 Gerhard Jeske informiert. Manche Äußerungen entstehen durch Unkenntnis der Kriegsführung. So waren alle hohen Gebäude in der Landschaft Beobachtungsposten. Das galt auch für Kirchen. Joachim Scholz schreibt in seinem Buch" Von Danzig nach Danzig: Später leitete ich von dieser Stelle aus artilleristisch den Gegenangriff auf den Kienberg. Achtundvierzig Stunden verbrachte ich auf dem Kirchturm. Noch heute verstehe ich nicht, warum der Gegner die beiden Türme nicht zerschossen hatte."

Insel2008
15.07.2017, 13:27
Hallo Wolfgang,

habe mir gerade nochmal diesen thread durchgelesen und dann auf der nachfolgenden Seite eine Antwort (19.6.17) zu Deiner Frage gesehen.
http://www.forum-der-wehrmacht.de/index.php/Thread/40997-Zerst%C3%B6rung-einer-Deutschordenskirche-Sch%C3%B6neberg-a-d-Weichsel-Gro%C3%9Fes-Werder/?postID=428065#post428065

Frage: Hat sich dieser "AFW" schon gemeldet? Klingt ja höchstspannend!

Wolfgang
02.11.2019, 19:02
Schönen guten Abend,

auch in diesem Jahr waren wir zu Allerheiligen/Allerseelen auf noch vorhandenen und untergegangenen Friedhöfen unterwegs um den dort beigesetzten Menschen zu gedenken.

Auch am Grab des unbekannten deutschen Soldaten der an der Mauer der niedergebrannten alten Ordenskirche beigesetzt ist, haben wir eine Kerze entzündet. Überrascht waren wir, dass das bisher unscheinbare Grab nun von einer schweren Grabplatte abgedeckt ist (siehe zum Vergleich das Grabfoto im ersten Beitrag dieses Themas).

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Bisher habe ich noch nicht klären können, was Anfang April 1945 tatsächlich in Schöneberg geschah. In einem anderen Forum hatte sich einmal ein Augenzeuge berichtet der die Kirche brennen sah, aber eine Kontaktaufnahme zu ihm war nicht möglich. Ich werde mich aber erkundigen, wie es zu der Grabplatte kam und durch wessen Initiative/Finanzierung sie zustande kam. Vielleicht werde ich da einige weiterführende Informationen erhalten.

Schöne Grüße aus dem Werder
Wolfgang