Wolfgang
11.08.2013, 22:33
Schönen guten Abend,
ich weiß (noch) nicht wann, aber der alte Fährkrug an der Schöneberger Fähre ist abgebrannt. Vor drei Jahren, als ich das letzte Mal dort war, stand er noch, mit Anbau. Nun steht nur noch die ausgebrannte Ruine.
Bemerkenswert ist, dass mir erst jetzt die noch lesbare alte deutsche Bezeichnung auffiel: "Gasthaus Schönebergerfähre".
Der Fährkrug steht auf geschichtsträchtigem Boden. Dort soll sich ein Ordensschloss befunden haben, manche sagen auch, eine Ordensburg. Nach alter Überlieferung soll es dort angeblich auch einen erst in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts gefundenen uralten Tunnel geben (gegeben haben) der bis zur weit über einen Kilometer entfernten katholischen Kirche führte. Darüber werde ich aber ein eigenes Thema aufmachen.
Der Fährkrug wird sicher nicht wieder aufgebaut. Ihn ereilte das Schicksal vieler anderer alter Bauten die sich ganz plötzlich in Feuer, Rauch und Asche auflösten. Ein Stück alter lokaler Geschichte droht in Vergessenheit zu geraten.
Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang
Moin, Wolfgang,
ich habe im Juli 2012 die gleichen Photos mit dem abgebrannten Dachstuhl gemacht ...
Beste Grüße,
Rainer MueGlo
Wolfgang
14.08.2013, 11:41
Schönen guten Morgen,
hier eine kleine Geschichte mit einem Bezug zum Schöneberger Fährkrug:
Aus "Unser Danzig", 1988, Heft Nr. 20, vom 20. Oktober 1988
Paul Freter
Es war ein Danziger und, dazu, ein ganz "guter". War er doch einst, wie's nun mal sein Schicksal wollte, mitten in Danzigs Herzblut geboren, nämlich in einem alten Hinterhaus auf der Langen Brücke, direkt an der Mottlau. Allerdings hatte er es, zumal als Kleinkind, stets recht schwer, von einem seiner Wohnungszimmerfenster aus bogenartig und voll in die Mottlau spucken zu können, denn das Hinterhaus hatte ja den Fluss nicht direkt vor der Nase!
Dafür jedoch erlebte er von früh bis spät das Leben auf seiner geliebten Mottlau, hörte die Lebensflut von Schiffen und Matrosen, atmete das fließende Pulsen des Fischmarktes, der Kaffeehäuser und der Kneipen ein. So verliefen Paul schnell einige Jahre dahin; schließlich schaffte er sich nach Verlauf der Kinder- und Jugendjahre aus der weiteren Nachbarschaft am anderen Ende der Lange Brücke eine süße Elli als Ehefrau an. Sie waren glücklich und liebten sich sehr.
Aber Paul liebte, wie so viele Danziger auch, Schiffe und volle Buddels über alles. Er stand seit längerer Zeit schon als Steuermann auf dem hübschen Weichseldampfer "Diana" in Lohn und Brot, der der Reederei "Weichsel AG" gehörte und die Linie "Lange Brücke - Schöneberg (a.d.W.)" befuhr. Der Dampfer legte in den späten Nachmittagsstunden am Kai der Langen Brücke ab, und nach drei bis vier Stunden gegen die Strömung ankämpfend, zu Schöneberg bei der dortigen Dampferanlegestelle an. Hier verlebte das Schiff, festgezurrt und gehalten von mächtigen und dicken Pollern, die Nächte - und unser Paul!
Paul litt nun - im Gegensatz zum Dampfer - immer mächtig unter der Flagge "Durst!". Er kratzte ihm die Kehle und die Seele heiß: Damit er nicht einschlafe, versinke und versauere, meinte er des öfteren und des notwendigen "trinken" zu müssen. Und damit war er zu Schöneberg tatsächlich in den rechten Händen! Denn Machandel, vom besten, und Kurfüsten, ebenfalls vom besten, wie es nun mal die Seele und die Gurgel Pauls schmeichelte, fand er in seiner alten Stammkneipe in dem großen Werderdorf zu Hauf.
Es war das "Gasthaus zur Fähre". Der Besitzer dieses Fähr- und Fahrhauses war ein gewisser Theodor Hellwig. Er war in der Tat ein "Gönner", denn er schenkte die Gläser immer randvoll ein, auch die großen! Und daher wohl kam es, dass unser Paul Freeter sich derart stets so vollflutete, dass er nicht mehr imstande war, seine "Diana" gesund und munter nach Danzig zu steuern! So musste dann, oft und öfter, Morgen um Morgen, an der fernen Mottlau die süße Elli auf den guten Steuermann, auf Paul Freeter verzichten und warten, warten...
Das Warten machte jedoch, wie man reihum feststellte, die Elli seltsamerweise immer hübscher und begehrter... Manchmal blieb Paul drei und gar auch vier Tage im Schöneberger Sternenhimmel: Das Schiff jedoch blieb stets in guten Händen, denn ein alter Vollmatrose, Hellmut, ein intimer Freund von Paul, führte den Dampfer und das Kommando zu voller Zufriedenheit aller Passagiere.
Einmal, es war im schönen August, die Tage voll heftiger Hitze, die Kehle entsprechend heiß und trocken, so klebte Paul Freeter in jener Schöneberger Kneipe eine volle Woche fest! Dazu meinte er, immer wieder und wieder, diese Woche sei ihm genauso köstlich vorgekommen wie etwa acht tolle Hochzeitsnächte hintereinander! Aber dann - plötzlich - verlangten Pauls Sinne doch wieder einmal nach seiner Elli! Kurz entschlossen stieg er in einen Linienbus und fuhr, entlang der trockenen, tristen Landstraße, gen Danzig. In den späten Abendstunden, immer noch selig von dem großen "Sternenhimmel" zu Schöneberg, stand er dann vor seiner Wohnungstür. Die hübsche Elli eilte schnell auf ihn zu, umarmte ihn, küsste ihn heiß und innig. Gerade wollten Sie beide hastig ins Schlafzimmer wechseln, da klingelte das Telefon. Paul langte schnell zu und hörte hinein. Dann, barsch und ungehalten, antwortete er: "Woher soll ich das wissen, rufen Sie doch das Wetteramt an!" Nach jeder süßesten Liebkosung tritt auch immer eine kleine Pause ein, auch bei den beiden im Schlafzimmer. Und in der Pause fragte Frau Elli ihren Paul: "Sag mal, wer hat denn da vorhin angerufen?" Und Paul antwortete: "Ach, das war nur so ein Verrückter. Er wollte doch tatsächlich wissen, ob die Luft rein ist." Dann drehte er sich um und schlief ein.
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