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Christkind
30.09.2013, 11:01
Günter Pogatzki

Die Vögel sind nun wieder stumm geworden,
die Erde hält den vollen Atem an,
und duftend ruhn die Früchte in den Borden,
mit denen uns der Herbst so wohlgetan.

Der Segen ist nun in das Haus getragen,
der kürzlich noch die Felder überloht,
und unsrer harrt aus reifeschweren Tagen
der Wein im Keller und im Fach das Brot.

Der Boden furcht bereits mit neuen Wellen
ergeben sich zu künft'ger Opfertat,
die Keime,die ihm zagend erst entquellen,
verheißen still schon nächsten Jahres Mahd.

Der Herbstzeitlose violettes Flammen
beherrscht der Wiesen ausgelebtes Sein.
Das letzte Sonnenlicht drängt sich zusammen
und geht tief in den Schoß der Erde ein.

Aus: Unser Danzig /68
_________________________
Schöne Grüße, Christa

Uwe
01.10.2013, 19:43
Hallo Christa,

ganz stumm sind die Vögel aber noch nicht. In kürze werde ich Abends wenn ich mit dem Hund gehe wieder die Wildgänse bei Ihrem Vogelzug nach Süden hören. Bei uns finden sie in der Nähe des Steinhuder Meeres genug Futter um sich etwas über Nacht zu stärken. Finde diese riesigen Vogelgruppen von insgesamt mehreren tausenden Vögeln beeindruckend. ;)

Herzliche Grüße

Uwe

Heibuder
02.10.2013, 10:32
Danke, Christa!

Hier noch ein herbstliches Gedicht aus Pogatzkis Werken:
(Vorgestern wäre er 101 Jahre alt geworden!)

Oktoberfalter

Jetzt, da das Herz nach müdem Trost verlangt,
da rings die Gärten langsam müde werden,
bist du der Seele, die so sehnend bangt,
nach all der frohen Sonnenlust auf Erden,
ein Freudeborn, du zartes Hauchgespinst,
das zitternd trinkt der letzten Kelche Labe.
Und wenn du morgen schon zu Duft zerrinnst,
uns bist du dankbar hingenommene Gabe.
Vielleicht bist du der letzte Farbentraum
in dieser Zeit, erwählt mich zu entzücken.
O möge doch der Aster zarter Saum
mit süßer Honigwürze dich beglücken!
Nun schwebst du hin nach einem neuen Ziel:
Mir warst du Trost. Nun sei es auch den andern!
Erfreue, letztes Sornmerfarbenspiel,
die zagend in die Dunkelheiten wandern.


p.s.: Vor einer Woche verstummte in meinem Dorf ein ständiges geschwätziges Gezwitscher;
nach und nach sind alle Schwalben nach Süden abgereist!

Christkind
07.11.2013, 17:18
Nun möchte ich noch ein Gedicht von Pogatzki hinzufügen.
Und, lieber Heibuder, vielleicht kannst du mir beipflichten:
die Generation vor uns konnte Gefühle und Stimmungen so wunderbar in Gedichten ausdrücken. Dafür war unsere deutsche Sprache bestens geeignet.
"Oktoberfalter" - manche Zeile ist wunderbar in Worte gefasste Poesie.
Für mich.
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Schauer und Trost der Vergänglichkeit
(Günter Pogatzki)
Es hängt unser aller Leben
an einem seidenen Faden,
die Erde kann überall beben,
der Blitz über uns sich entladen.
Es kann die Flut uns verschlingen,
der fallende Baum uns erschlagen,
es kann uns der Hunger bezwingen
und der Herzschlag plötzlich versagen.
Es können uns Stürme verwehen
und feindliche Bomber vernichten,
wir können vor Schmerzen vergehen
und auf alles Schöne verzichten;
wir sind hier auf Erden Nomaden,
der Willkür des Tags preisgegeben,
wir sind alle mit Schicksal beladen
und können nicht Anspruch erheben
auf Vorrang,Glück, eigene Stärke,
es helfen uns Ruhm nicht und Ehren
noch vermeintliche gute Werke,
wir können uns noch so sehr wehren,
es drohen gewaltige Schlünde
ohn' Gnade und menschlich Erbarmen,
doch wie tief auch die finstersten Gründe:
Gott umfängt uns mit rettenden Armen.
_______________
Schöne Grüße, Christa

Heibuder
07.11.2013, 21:20
Natürlich pflichte ich Dir bei, Christa; aber ich denke, dass die jüngeren Generationen es heute auch noch können, wenn sie sich nicht von der schnelllebigen, hektischen, sehr technisierten Zeit oder von täglichen Sorgen oder Überlebensproblemen gehindert werden.
Das gilt ja auch für's Musizieren und Malen; auch dabei braucht man "Gefühle und Stimmungen" sowie Muße, innere Abgeklärtheit, Kreativität und ein entsprechendes Talent, diese auszudrücken.

Danke für das zitierte Gedicht.
Ich kannte es noch nicht; sein Thema beschäftigt mich allerdings zunehmend.