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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Rita Müller:Erlebnisbericht



Rudi Bellon, + 24.08.2010
23.04.2008, 09:29
Mein Name ist Rita Müller,geb.Reinkowski,ich komme aus
Danzig-Neufahrwasser.Wir haben den Russeneinmarsch
zu Hause erlebt.Ich selbst war 17 Jahre alt.Mein Vater war
bei der Bierbrauerei Richard Fischer in Danzig-Neufahrwasser
beschäftigt und zu Hause,also nicht zur Wehrmacht eingezogen.
Kurz bevor die Russen Danzig besetzten-das war im März 1945-
fuhren wir mit zwei deutschen Soldaten,die Pferdewagen hatten,
in die Innenstadt Danzigs,um noch zu flüchten.Doch die Tiefflieger
sprengten die Brücken und wir saßen fest.Mein Vater und mein
9-jähriger Bruder wurden von uns getrennt.Meine Mutter und mein
kleiner Bruder-damals fünf Jahre-liefen in einen Luftschutzbunker
in Danzig-Mitte,wo viele verwundete Soldaten lagen.Meine Mutter
war von Bombensplittern verletzt und konnte ein paar Tage gar
nicht sprechen.Zu essen gab es nichts-nur Zigaretten waren in
Hülle und Fülle da.Meine Mutter hat dort angefangen zu rauchen,
ich konnte es nicht und habe es bis heute nicht gelernt.
Nach vielen Bombeneinschlägen kamen die Russen in den Bunker
rein.Alles,was laufen konnte,musste raus.Ich war jung-17 Jahre alt,
keine Sexerfahrung,da ich bis dann noch mit keinem Mann was zu
tun hatte.Man trennte mich von meiner Mutter und Bruder,hielt
meiner Mutter die Pistole hin.Man vergewaltigte michin einem fort.
Am nächsten Morgen wurden junge Mädchen aufgegriffen und in
eine Wohnung gesperrt.Man verschleppte uns nach Graudenz in
ein Wehrmachtsgefangenenlager.Tagelang waren wir unterwegs.
Am Abend gab es dann was zu essen.Da stellten wir fest,dass auch
viele Landser nach Graudenz marschierten.Viele junge und ältere
Männer haben sich erhängt.Wer nicht mehr laufen konnte,sollte
eigentlich in einem LKW migenommen werden.Doch viele,wurden vor unseren Augen erschossen.In Graudenz waren wir vier Mädchen in
einem Zimmer.Einmal am Tag gab es ein Stück Brot und Suppe.Auf
dem Gefängnishof,wo wir einmal am Tag rausdurften,waren russische Frauen,die uns beaufsichtigten.Man sagte uns,wir kommen nach
Sibirien.Ich weiß nicht mehr,wie lange ich dort war,aber eines Tages
hieß es "Panienka dawei dadomu",also nach Hause.Tagelang sind wir
umhergeirrt und haben bei polnischen Bauern um Essen gebettelt und
im Heu geschlafen.Viele Polen hatten Mitleid mit uns und haben uns
auch was zu essen gegeben.Doch viele,Die Hass auf Deutsche schürten
haben uns verraten und uns wieder an Russen ausgeliefert.Die uns dann wieder vergewaltigten.
Als ich wieder nach Hause kam nach Danzig-Neufahrwasser,waren
meine Brüder und meine Mutter in unserem Haus.Meine Mutter war schon sehr krank.Wir erfuhren dass mein Vater im Narvik-Lager in Danzig,
Paul-Beneke-Weg,gefangen gehalten wird.Wir haben ihn nie mehr gesehen
und auch nichts von ihm gehört.
Dann kam der Tag,als wir von Polen aus unserem Haus vertrieben wurden.
Wir durften nichts mitnehmen.Man brachte uns aufs Land,von wo die Deutschen lange nach dem Westen geflohen waren.in den Räumen stank es,Wasser stand in den Kellern und Kadaver lagen überall.
Meine Mutter hatte wohl noch etwas,was sie einem Polen geben konnte,
der brachte uns dann wieder nach Danzig-Lauenthal.Die Häuser waren kaputt,und es regnete überall rein.Ernährt haben wir uns von Kartoffeln
und Gemüse,die wir auf den Feldern in der Nacht bei polnischen Bauern
stehlen gegangen sind.Im Juni 1945 verstarb meine Mutter im Alter von
39 Jahren,und ich stand mit 17 Jahren mit zwei kleinen Brüdern (9 und 5)
allein da.Eines Tages hieß es,Deutsche müssen Polen verlassen.Mein
9-jähriger Bruder war bei einem polnischen Bauern,ich konnte ihn nicht
so schnell zurückholen.So bin ich mit dem kleinen Bruder von fünf Jahren
im Viehwaggon zur DDR nach Stendal in ein Waisenhaus gekommen.Von
dort haben sich dann Verwandte aus dem Westen gemeldet und uns dann
die Zuzugsgenehmigung geschickt,so dass wir 1947 im Westen waren.

Rita Müller, Duisburg

Quelle:Deutsche auf der Flucht.Buch von Ralf Georg Reuth