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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wie der Scherbelberg bei Stutthof entstand



Christkind
11.02.2014, 20:17
von Gert. Schoenhoff



Es war zu der Zeit, daDanzig noch ein kleines Fischerdorf war, etwas dor gelegen,wo die Mottlau sich in die Weichsel ergießt,die sich damals auf dieser Seite nur als ein flacher versandeter Arm hinzog, während der Hauptstrom ostwärts dem Frischen Haff zufloß ,das in die Gegend von Stuthof reichte.
Das Frische Haff führte damals auch noch nicht diesen Namen, sondern wurde das Kleine Haff genannt, im Gegensatz zum Großen Haff, der jetzigen Danziger Bucht, denn Haff heißt- wie das skandinavische haf oder hav- Meer, See.
In jener fernen Zeit erhob sich auf einem hohen Dünenwall am Gestade der Kleinen See, zwischen den späteren Nehrungsdörfern Steegen und Stutthof , eine starke Burg, auf der nach der Sage ein Räuberfürst hauste,einer der zahlreichen verwegenen Kerle, die überall auf den Höhen und den Ufern der Weichsel ihr schreckhaftes Unwesen trieben.
Auf der Nordseite schaute die Räuberfeste bis zu der Landzunge der jetzigen Halbinsel Hela hinüber,die damals noch aus einzelnen kleinen Inseln bestand, deren vordere zwei den einst hier ansässigen Goten als irdische Wohnstätte ihrer nordischen Gottheiten galten. Auf der Südseite überblickte die Burg die Kleine See bis zu den heiligen Waldhallen der Elbinger Höhe, in denen die Götter der Pruzzen - Perkunos, Porrimpos, Pikollos- ihr Erdenheim hatten, während sich südwärts die Urwälder des flachen Weichsellandes dehnten, an die bis in unsere Zeit noch einige Ortsnamen erinnern.
Just an dieser Stelle hatte der Räuberfürst seine Feste errichtet,um einerseits die auf der Großen See vorüberfahrenden hochbordigen Wikingerkähne mit ihren kostbaren Lasten jagen und andererseits die Anwohner der Kleinen See der Erträgnisse ihrer mühsamen Arbeit berauben zu können.
Zu jener Zeit, als als die neue Glaubenslehre aus dem Süden eben den Weg hierher in den hohen Norden gefunden hatte,trug sich diese Geschichte zu,die wohl wahr sein muß, sonst hätte sie sich kaum bis auf den heutigen Tag erhalten, denn Lügen haben bekanntlich nicht so lange Beine.
Da war von einem Wikingerschiff, das der Räuberfürst durch trügerische Signale auf Sand gelockt hatte, mit dem Strandgut ein Jungfräulein an Land geschwemmt und von dem Ritter in seine Burg worden, denn es war wunderschön und sanften Gemüts.Aber- so sanft und demütig die junge Frau auch war – sie mochte den wilden Mann, den sie ihren Gatten nennen sollte,nicht leiden; sie verabscheute sein Gewerbe und verschmähte die kostbaren Beutestücke, mit denen er ihre Liebe zu erringen trachtete.
Einsam und traurig, einem Marmorbilde gleich, saß sie in ihrem prächtig ausgestatteten Gemach. Verhaßt war ihr der Anblick der Großen See, die manchmal so wild tobte, daß ihre Wogen bis an die Grundmauerndes Schlosses peitschten und ihr Getöse die Luft mit Donnergebraus erfüllte. Sie schaute lieber nach der anderen Seiteauf das liebliche Bild des Kleinen Haffs, das zwar auch recht bewegt sein konnte, doch nie so arg, wie die Große See draußen vor den Inseln der nordischen Göttinnen. Stundenlang saß sie regungslos da und sah der stillenArbeit der Fischer zu, die ihre Boote mühsam ins Waaer ließen, mit geschwelltem Segel weit hinausschifften und wiederkehrend das schwere Boot mit dem silbernenFischsegen aufs Ufer zogen und bedächtig ihre Netze zum Trocknen spannten. Oft schritt sie auch zum Gestade hinunter, den Leuten näher zuzusehen; ganz nahe heranzugehen hatte ihr Herr und Gebieter verboten, weil er fürchtete, man könne ihr ein Leid antun, denn er liebte sie auf seine rauhe Art und wütete nur im stillen darüber, daß ihre Liebe sich ihm versagte.
Unter den Fischern war einer,dem die schöne Burgfrau besonders gern zusah. Es war ein hochgewachsener Jüngling mit dichtem Blondhaar, das ihm gelockt bis auf die Schultern fiel, und aus seinemlänglichen, von Sonne und Wind gebräuntem Antlitz strahlten kühne , helle Augen, die sich rasche senkten, wenn sie dem Blick der Frau begegneten. Doch die Liebe spann bald sichtbare Fäden zwischen den beiden jungen Menschen, die sich immer mehr zueinander hinzogen, bis sie sich einmal Auge in Auge gegenüberstanden und ihre Lippen in zärtlichen Worten zueinander fanden.
Fortan trafen der Fischer und die Burgfrau sich öfter heimlich im nahen Walde, und da sie nicht immer vorsichtig waren, konnte es dem Burgherrn nicht verborgen bleiben. Er schwor grausame Rache, lauerte dem Fischer auf und erschlug ihn dicht unter dem Auslug, an dem die schöne Burgfrau ahnungslos der Heimkehr des Geliebten zuschaute.Als der erste Bann des Entsetzens von ihr gewichen war, eilte sie hinunter, stürzte sich verzweifelt über den teuren Leichnam und fluchte in wilden Worten dem Mörder, der, überrascht von diesem Leidenschaftsausbruch der sonst so sanften Frau, sprachlos dastand.
„Perkunos soll mich rächen!“ schrie sie gellend.Ehe der Mann es hindern konnte, war sie in das Boot des Fischers gesprungen. Ein jäher Windstoß packte das Segel und pfeilschnell glitt das Fahrzeug auf dem weiten Wasser hin zu den Götterhöhen im Osten. Dunkles Gewölk zog plötzlich von dorther auf, raste näher; Böen wogten die Flut empor; Sand wirbelte in gelben Wolken hoch.Plötzlich zuckte es aus dem Gewölk wie eine flammende Hand und krachte zündend in die Mauern, die,im nächsten Augenblick von grellen Flammen umloht, barsten und vornüber in die hochschäumende Flut stürzten.Ein Schrei, wie Triumph, klang durch die tobenden Luft; kieloben trieb das Boot auf den wogenden Wassern, und unter den Trümmern der Burg begraben lag, von Perkunos rächendem Blitzstrahl gefällt, der gerichtete Mörder.
Als die Flut allmählich verebbte, tauchte der Dünenwall wieder auf, von Sand und Wasser um und um gewühlt, übersät mit einer Unmenge von schwarzgebrannten Steinen und Scherben. Bis in unsere Zeit hieß der Hügel im Volksmund der „Scherbelberg“.
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