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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Beschlagnahmungen / Zwangsenteignungen / Entrechtungen Zoppoter Juden



Wolfgang
10.03.2014, 20:42
Auszug aus dem Staatsanzeiger für die Freie Stadt Danzig, Nr. 88, 25.08.1939:

Erlasse und Verordnungen des Senats (Staatsverwaltung)

Beschlüsse betreffend Beschlagnahme von Grundstücken pp.

377 / Auf Grund der Verordnung betr. die Entjudung der Danziger Wirtschaft und des Danziger Grundbesitzes vom 22. Juli 1939 (G.Bl. S.375) wird
das Grundstück Zoppot, Mackensenallee 6,
Grundbuchbezeichnung: Zoppot, Bl. 197,
Eigentümer: Rentier Franz Berendt, Berlin-Charlottenburg, Schlüterstr. 33,
beschlagnahmt und der Verwaltung durch einen Treuhänder unterstellt.
Zum Treuhänder wird der Sparkassenoberinspektor Karl Schumann, Zoppot, Schäferstr. 9, bestellt.
Danzig, den 25. August 1939
Der Senat der Freien Stadt Danzig
F.Fz.1551 / Greiser / Huth / Dr. Hoppenrath

Ulrich 31
10.03.2014, 23:06
Man beachte: Der Senat der Freien Stadt Danzig 08/1939 (also noch vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs):
"Verordnung betr. die Entjudung der Danziger Wirtschaft und des Danziger Grundbesitzes vom 22. Juli 1939 (GBl. S.375)"!

Alter Danziger
11.03.2014, 00:13
Man beachte auch wer da verantwortlich unterschrieben hat, so z.B. ein Dr. Hoppenrath, Finanzsenator, auch nach dem Krieg zeitlebens hochgeschätzt u.a. auch beim Bund der Danziger. Er hat sich nach dem Krieg reingewaschen weil er damals glaubhaft gemacht hat, daß er nichts gewußt hat und daß er sich immer nur innerhalb der geltenden Gesetze bewegt hat.

Alter Danziger

Bartels
11.03.2014, 00:18
Hier zu finden: wikipedia: Julius Hoppenrath (https://de.wikipedia.org/wiki/Julius_Hoppenrath), MdB-Kandidat von "Gesamtdeutscher Block / Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten"

Belcanto
11.03.2014, 11:57
Man nahm den Menschen einfach ihr Hab und Gut ab.Welch ein Unrecht!

Bartels
11.03.2014, 14:37
Wilhelm Huth (https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Huth) wurde nach steiler NS- und SS-Karriere noch Bankvorstand in Hamburg!

Ulrich
11.03.2014, 16:38
Endlich, endlich, nach 75 Jahren eine öffentliche Diskussion über dieses Thema, mit Namen der Opfer, der Nutznießer und der Verantwortlichen.
Einen schönen Gruß
Ulrich

Bartels
11.03.2014, 17:30
Merksatz:

Wer Unrecht zu tun gedenkt,
sollte auch vorher die passende Verordnung
in das Gesetzblatt schreiben lassen!

Dann können sich die Täter nachher Persil-Scheine ausstellen lassen!

mottlau1
11.03.2014, 19:40
Hallo Rudolf,

dazu paßt auch das von Dr. K.Adenauer: http://www.gelsenzentrum.de/deutsche_nazi_karrieren.htm

Gruß Jutta

asgaard
11.03.2014, 21:37
Hallo Jutta,

danke für den interessanten Link, wie steht es da so schön: "man könnte Knochen kotzen" selbst Strauß der Volkstribun mit Naziflecken auf der Weste .

Wie sagte doch Filbinger der unmenschliche ehemalige Nazi Marinerichter: was damals Recht war kann heute nicht Unrecht sein.

Einen schönen Abend

Wolfgang

Wolfgang
12.03.2014, 15:04
Schon lange bevor es die "Verordnung betr. die Entjudung der Danziger Wirtschaft und des Danziger Grundbesitzes" gab, wurde seitens des Senates und der ihm unterstellten Steuerbehörden alles getan, um jüdische Mitbürger auszurauben und zu plündern. Der Trick dabei war, dies über willkürliche und aus den Fingern gesogene Steuerfestsetzungen in zum Teil absurder Höhe umzusetzen. Dies vollzog sich nicht klammheimlich, still und leise sondern wurde in Form von Beschlüssen öffentlich im Danziger Staatsanzeiger und in den großen Zeitungen verkündet.

Beschlagnahmtes Vermögen oder unter Treuhand gestellte Firmen wurden dann häufig zu einem Bruchteil des tatsächlichen Wertes verschleudert bzw. an treue Parteigenossen abgegeben.


Auszug aus dem Staatsanzeiger für die Freie Stadt Danzig, Nr. 113, 30.10.1938:

457 / Beschluß
Dem Senat der Freien Stadt Danzig - Steueramt I - stehen gegen den Kaufmann Leo Gurwitsch, Zoppot, Schlageterstraße 11a, ein Steueranspruch von
rund 12000 G (Zwölftausend Gulden)
zu.
Das inländische Vermögen des Leo Gurwitsch ist beschlagnahmt worden.
Gemäß §359 Steuergrundgesetz wird die Beschlagnahme hiermit bekannt gemacht.
Mit der ersten Veröffentlichung verliert der Steuerpflichtige das Recht, über das in Beschlag genommene Vermögen unter Lebenden zu verfügen (§359 Abs.2 StGrG.).
Die Bekanntmachung hat im Staatsanzeiger, den Danziger Neuesten Nachrichten und dem Danziger Vorposten zu erfolgen.
Danzig, den 29. Oktober 1937
Der Vorsteher des Steueramtes I
i.V.
Bez.19 Stz.54193 / Dr. Schmidt

=====

458 / Beschluß
Dem Senat der Freien Stadt Danzig - Steueramt I - stehen gegen den Kaufmann Moses Gurwitsch und seine Ehefrau Golda Gurwitsch, Zoppot, Schlageterstraße 11a, Steueransprüche von
rund 521000 G
in Worten: Fünfhunderteinundzwanzigtausen Gulden
zu.
Das Inlandsvermögen der Steuerpflichtigen ist beschlagnahmt worden.
Gemäß §359 Steuergrundgesetz wird die Beschlagnahme hiermit bekannt gemacht.
Mit der ersten Veröffentlichung verliert der Steuerpflichtige das Recht, über das in Beschlag genommene Vermögen unter Lebenden zu verfügen (§359 Abs.2 StGrG.).
Die Bekanntmachung hat im Staatsanzeiger, den Danziger Neuesten Nachrichten und dem Danziger Vorposten zu erfolgen.
Danzig, den 29. Oktober 1937
Der Vorsteher des Steueramtes I
i.V.
Bez.19 Stz.54194 / Dr. Schmidt

=====

459 / Beschluß
Dem Senat der Freien Stadt Danzig - Steueramt I - stehen gegen den Kaufmann Nathan Gurwitsch, Zoppot, Schlageterstraße 11a, ein Steueranspruch von
rund 10000 G (Zehntausend Gulden)
zu.
Das Inland befindliche Vermögen des Steuerpflichtigen ist beschlagnahmt worden.
Gemäß §359 Steuergrundgesetz wird die Beschlagnahme hiermit bekannt gemacht.
Mit der ersten Veröffentlichung verliert der Steuerpflichtige das Recht, über das in Beschlag genommene Vermögen unter Lebenden zu verfügen (§359 Abs.2 StGrG.).
Die Bekanntmachung hat im Staatsanzeiger, den Danziger Neuesten Nachrichten und dem Danziger Vorposten zu erfolgen.
Danzig, den 30. Oktober 1937
Der Vorsteher des Steueramtes I
i.V.
Bez.19 Stz.54196 / Dr. Schmidt

Ulrich
12.03.2014, 16:43
Hallo Wolfgang und alle Threadleser,

Du zitierst:

- "Auszug aus dem Staatsanzeiger für die Freie Stadt Danzig, Nr. 113, 30.10.1938:

457 / Beschluß
Dem Senat der Freien Stadt Danzig - Steueramt I - stehen gegen den Kaufmann Leo Gurwitsch, Zoppot, Schlageterstraße 11a, ein Steueranspruch von
rund 12000 G (Zwölftausend Gulden)".

Du hast dich dort, glaube ich, verschrieben. Nicht 1938, sondern schon 1937, wie der Vergleich mit dem Auszug aus dem "Staatsanzeiger" zeigt.

- Es gab noch weitere Techniken, sich in den Besitz des geraubten jüdichen Vermögens zu setzten, zusätzlich zu den von dir genannten, z.B. die Alteigentümer nur Schritt für Schritt - und für die Öffentlichkeit weniger augenfällig - aus dem Betrieb zu drängen. Eine Technik war, die Zeichnungsberechtigung des Firmenvorstands oder der Firmenvorstände davon abhängig zu machen, ob neu hinzugekommene Nazifirmenvorstände der Zeichnung der Alteigentümer zustimmen. So geschehen bei Gurwicz:

"Zwar wurde die Beschlagnahme am 11. November aufgehoben, doch finden wir unter dem 19. November die handelsgerichtliche Eintragung von K. Martens und J. Krogell als Vorstandsmitglieder, wobei die bisherigen Mitglieder nur mit einem der neu bestellten Mitglieder zusammen zeichnungsberechtigt blieben." (S. Echt, Die Geschichte der Juden in Danzig, Leer 1972, S. 173)
Das Ziel der Nazis war dann, die Alteigentümer mittels neuer Hetze vollständig aus dem Betrieb zu drängen.

- Was ich weiter an diesem Fall interessant und wichtig finde: Die Neueigentümer, Nutznießer werden namentlich genannt. Ich wüsste gern, ob die Neueigentümer arisierter Firmen stets auch im "Staatsanzeiger" nachzulesen sind.


- Um einmal einen Eindruck zu vermitteln, welchen Umfang diese Arisierungen in Danzig hatten, sei noch einmal Samuel Echt zitiert:

"Die letzten 100 Seiten des Danziger Staatsanzeigers, die diese Fälle für November und Dezember 1937 aufzählten, zeigen mit grausamer Deutlichkeit, zeigen mit grausamer Deutlichkeit, wie man die jüdischen Inhaber großer Handels- und Industriefirmen durch Druck und Erpressung loszuwerden, aber ihr Vermögen festzuhalten bemüht war (Echt, S. 173).


Einen schönen Gruß

Ulrich

Wolfgang
12.03.2014, 18:19
Hallo Ulrich,

ja, bei der Nennung der Ausgabe des Staatsanzeigers ist mir ein Fehler unterlaufen. Es war, wie Du berichtigend sagst, bereits 1937. Danke für die Korrektur.

Aus dem Staatsanzeiger (TEIL 1 - und nur in diesem lese ich gerade) gehen keine Firmen-Arisierungen hervor. Es werden dort lediglich die bestellten Treuhänder genannt und auch Wechsel der Treuhänder. Ein möglicher Hinweis auf erfolgte Arisierungen sind Aufhebungen von Vermögens- / Firmen-Beschlagnahmungen. Begünstigte Personen / Neueigentümer werden nicht benannt. Ich kann mir aber vorstellen, dass aus dem separat erschienenen Teil 2 auch diese Angaben hervorgehen.

Neben Samuel Echt, der in dem von Dir genannten Buch aufzeigt welchen Repressionen Juden ausgesetzt waren, geht auch Erwin Lichtenstein in "Die Juden der Freien Stadt Danzig unter der Herrschaft des Nationalsozialismus" detailliert auf diese Geschehnisse ein. So schreibt er z.B. auf Seite 64: "Da die Staatskasse vor allem an den bedeutenden jüdischen, als pünktliche Steuerzahler bekannten Firmen in Danzig interessiert war, so wurde in derartigen Fällen ein besonderes Verfahren angewandt: der Inhaber wurde verhaftet, in seiner Abwesenheit eine Revision durchgeführt, die stets zu sensationellen Ergebnissen führte, und der Verhaftete dann vor die Wahl gestellt, die bei der Revision errechnete "Steuerschuld" anzuerkennen und auf freien Fuß gesetzt zu werden oder in Haft zu bleiben." Auch Lichtenberg nennt zahlreiche Fälle im Detail.

Die ab Ende Oktober 1937 verstärkt durchgeführten Schikanen seitens der Steuerbehörden sind auf eine Anweisung ("Bekämpfung der Steuerflucht") des Leiters des Landessteueramtes vom 25.10.1937 zurückzuführen.

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

Liselotte Fischer
13.03.2014, 17:19
13.03.2014

Hallo zusammen,
mich würde mal interessieren, wer sich nach Zwangsenteignung z. B. in die Mackensenallee 6 eingenistet hat.

Grüße aus dem Schwabenland von Lilofee

Rahmenbauer14, + 1.11.2021
13.03.2014, 17:51
Hallo Lilofee,

im Adressbuch 1939 steht: 18037 und 1942: 18038

Schöne Grüße aus Rerik

Rainer

Bartels
13.03.2014, 18:14
Hallo Lilofee,

Eigentümerin (1940/41):
Frl. Antonie Musolff (A-Hitler-Str 745 = Tankstelle, Auto- & Vulkanisierwerkstatt)
Beruf: Fürsorgerin

Mieter:
Major Götz
Handelsvertreter Graeser
Frau Jesikiewicz
RegBaurat Trinné

NB: Falls es zu einem süddeut. Forumstreffen kommt, wird das nach aktuellem Stand in Augsburg oder München stattfinden.

Ulrich
14.03.2014, 03:22
Hallo Lilofee,

von der Adresse des oder der Arisierten ausgehend nach den Ariseuren forschen - eine tolle Methode! (Ich bin immer auf der Suche nach Forschungsmethoden und Archiven bei Arisierungen). Vielen Dank!


Ulrich

Bartels
14.03.2014, 10:35
Hallo,

ob Antonie Musolff ein Stroh"fräulein" war?

Beste Grüsse
Rudolf H. Böttcher

Ulrich
14.03.2014, 13:47
Hallo Rudolf,

Mit dem "Strohfräulein" - das kann sein. Eine Möglichkeit des Weiterforschens ist, sich an die Bundeszentralkartei in Düsseldorf zu wenden. (Adresse, T.-Nr., Vordrucke in Google, Suchwort "Bundeszentralkartei"). Dort kann jeder anrufen und nachfragen, ob und wenn ja, wo es eine Entschädigungsakte nach BEG für eine bestimmte Person gibt. Die Bundeszentralkartei ist die Kartei aller entsprechenden Entschädigungsverfahren. (Danzig ist selbstverständlich dabei).
Darüber hinaus sind in der BZK in Düsseldorf auch die meisten der vorhandenen Akten an Ort und Stelle einsehbar, wenn nicht, wird dem Frager der Verwahrort der Akten mitgeteilt.
Der Haken an der Sache ist, dass zwar jeder mitgeteilt bekommt, ob unter einem bestimmten Namen ein Antrag nach BEG gestellt wurde, aber eben nur Betroffene und ihre Nachkommen Einsicht in diese Akten bekommen.
Einsicht in diese Akten bringt viele Erkenntnisse, da dort die ganze Arisierungsgeschichte mitsammt aller Beteiligten namentlich aufgeführt ist - so sind diese Akten auch wertvolle Dokumente der Ortsgeschichte. Nach meinen Informationen sind sie nicht einmal der Forschung zugänglich. Das ist ärgerlich.


Einen schönen Gruß


Ulrich

Wolfgang
14.03.2014, 15:00
Schönen guten Nachmittag,
hallo Ulrich und Rudolf,

"Strohfräulein" scheint auf den ersten Blick logisch zu sein, aber warum Strohfräulein? Da wurden Vermögenswerte doch ganz offiziell verschachert. Oder war es tatsächlich üblich, dass exponierte Leute bzw. Nazigrößen und ihnen Nahestehende sich so viel unter den Nagel rissen, dass selbst sie es nicht riskieren konnten damit in Verbindung gebracht zu werden? Das würde Strohleute erklären...

Es ist eigentlich haarsträubend und durch keinerlei humane Logik erklär- bzw. nachvollziehbar, dass der schon in Vorkriegszeiten gestrickte Mantel des Schweigens bis heute nicht gelüftet werden kann. Im letzten "Spiegel" (Nr. 11 /10.03.2014, Seiten 110-112) steht ein Artikel unter Raubkunst "Als die Gestapo kam" (leider für Nicht-Abonnenten nicht online lesbar). Dort wird aufgezeigt, dass aus offiziellem Nazi-Schriftverkehr belegbar ist, dass Vermögenswerte für teils weit weniger als 1% des tatsächlich zu erzielenden Wertes von jüdischen Mitbürgern "gekauft" -besser gesagt erpresst- wurden.

Ich habe in den letzten Tagen einige "verschnupfte" Mails bzw. Nachrichten von Forum-Teilnehmern erhalten, die sich darüber beklagten, dass wir hier dieses Thema "breit wälzen". Aber ist das nicht auch die Geschichte Danzigs? Ist es nicht geradezu Pflicht, das zur Sprache zu bringen wozu die Entrechteten, die Beraubten, die Ermordeten nicht in der Lage sind?

Die ungeheuer große Themenvielfalt in unserem Forum zeigt, dass wir über alles sprechen und sprechen können. Wer nur über Teilaspekte der Geschichte Danzigs lesen oder schreiben möchte, wer den Punkt "Juden in Danzig" nicht in unserem Forum behandelt sehen möchte, ist im falschen Forum und sollte entsprechende Schlüsse ziehen.

Wolfgang

Ulrich 31
14.03.2014, 15:49
Guten Tag Wolfgang,

ich finde es gut und richtig, dass in unserem Forum über Themen wie diesem geschrieben wird, über die sich manche beklagen. Letztere sind möglicherweise jene, die immer noch glauben, die Menschen der Freien Stadt Danzig wären bessere Menschen gewesen als die im Dritten Reich.

Durch solche Themen wie diesem wird indes deutlich, dass es in Fragen der Gesinnung keine Unterschiede zwischen der Mehrzahl der Danziger (Freie Stadt) und der Mehrzahl der Reichsdeutschen gab. Das zeigte sich eklatant schon erstaunlich früh bereits 1930 durch die Art, wie Albert Forster in der Freien Stadt aufsteigen konnte und wieviele Sraßen nach der Machtergreifung eines A.H. in vorpreschender Gefolgschaft sehr schnell dessen Namen (zu Lebzeiten!) trugen.

Viele Grüße
Ulrich

Alter Danziger
14.03.2014, 17:24
Also bitteschön sollte nicht irgendwann mal Schluss sein mit den ganzen`?

Peter von Groddeck
14.03.2014, 18:55
Hallo Alter Danziger,
Nein! Geschichte beschreibt die Entwicklung der Menschheit und ihrer Kulturleistungen. Dies beinhaltet gute und schlechte Entwicklungen. Die Geschichtswissenschaft arbeitet gegen das Schwinden des Geschichtsbewusstseins und setzt sich kritisch mit der Vergangenheit auseinander. Zum Glück interessieren sich viele Menschen für ihre Geschichte und so auch viele hier im Forum.
Gruß Peter

Ulrich
14.03.2014, 19:01
Hallo Alter Danziger,

die Schlussstrichforderung wurde seit 1945 erhoben, gern noch vor der sogenannten Entnazifizierung.
Ich finde, allmählich wird es mal Zeit, unter die Schlussstrichforderung einen Schlussstrich zu ziehen. Wie soll denn sonst eine Erinnerung an den Holocaust möglich bleiben?

Einen schönen Gruß

Ulrich

Wolfgang
14.03.2014, 19:14
Guten Abend,
hallo Ulrich,

danke für Deine Aufforderung unter die "Schlussstrichforderung einen Schlussstrich zu ziehen".

Mit der Erinnerung an das was war, beschmutzen wir nicht das Andenken an Unschuldige, im Gegenteil, wir ehren der Opfer. Wir erinnern auch Jener die gegen den Naziterror eintraten, auch wenn gerade sie zumeist Opfer dieser Terrors und der damit einhergehenden unmenschlichen Maßnahmen wurden.

Es hat Täter gegeben. Die zumeist später ihre Hände in Unschuld wuschen. Wie z.B. der auch noch nach dem Krieg noch hochgeehrte Herr Finanzsenator Hoppenrath, der angeblich unwissend den gegen jüdische Mitbürger gerichteten willkürlichen Steuerterror verantwortlich im Staatsanzeiger unterschrieb.

Es muss Schluss sein mit der Schlussstrichforderung!

Wolfgang

Geigersohn
15.03.2014, 12:19
Hallo Alter Danziger,
sei so nett und bleibe bitte von diesem Forum fern, wenn Dich dieses
berechtigte Thema stören sollte.
Mit freundlichen Grüßen Geigersohn

StampCollector
15.03.2014, 15:17
Also ich persönlich finde, daß wir Deutschen unsere Vergangenheit noch immer nicht richtig aufgearbeitet haben. Hier wurde zuviel verdrängt, vergessen und verschwiegen.
Daher finde ich diese Thema notwendig.
Sicher, es ist nicht angenehm zu realisieren, daß die eigenen Vorfahren teilweise in das NS-System verstrickt waren. Ich merke das an meiner eigenen Familiengeschichte. Mein Großvater ist nach dem Krieg als "Mitläufer" eingestuft worden. Trotzdem frage ich mich, was er als SA-Mitglied während der sogenannten "Reichskristallnacht" bei uns im Ort gemacht hat. Vielleicht hatte er ja an diesem Tag auch einfach nur in seinem Betrieb gearbeitet...
Wenn das der Fall war, ergibt sich eine neue Frage: Inwiefern hat er diese Ereignisse toleriert, für gut befunden oder auch verbal unterstützt...
Meine Mutter möchte ich nicht fragen, weil sie damals ein Säugling war und weil es ihr gesundheitlich nicht so gut geht.
In diesem Thema habe ich bisher gelernt, daß die Freie Stadt Danzig in den 1930ern schon vor der "Heimkehr" so etwas wie ein Satellitenstaat des Dritten Reiches war.
Auch die Dimension der Beschäftigung von Altnazis im Kabinett Adenauer war mir so bisher nicht bekannt. Altnazis gab es übrigens auch in den anderen Parteien – sogar in der SED...

Anmerkung: Der recht geläufige Ausdruck "Reichskristallnacht" entstammt der "NS-Sprache".
Er verharmlost die damaligen Ereignisse so, als hätte es nur materielle Schäden gegeben.
Die Erforschung der Sprache des Regimes haben wir primär dem selbst betroffenen Sprachwissenschaftler Victor Klemperer zu verdanken.
http://de.wikipedia.org/wiki/Victor_Klemperer

Bartels
15.03.2014, 16:19
Hallo,

dies Thema ist mit der Geschichte Danzigs und der unsrer Vorfahren untrennbar verbunden, denn das Wegsehen und die Gleichgültigkeit weitester Kreise der Bevölkerung führte in der Endabrechnung zum Verlust Danzigs und zur Vertreibung von Millionen von Flüchtlingen aus ihrer Heimat.

Auch alle Freistaats-Nostalgiker müssen die Tatsache anerkennen, dass die braune Herrschaft über Danzig länger währte als die Zeit einer "FREIEN Stadt Danzig"!

Reichspogromnacht / Novemberpogrome 1938:

Dabei wurden vom 7. bis 13. November 1938 etwa 400 Menschen ermordet oder in den Selbstmord getrieben. Über 1.400 Synagogen, Betstuben und sonstige Versammlungsräume sowie tausende Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe wurden zerstört.

Zu der Verhöhnung der Opfer zählte, dass sie die Täter für die Schäden dieser Nacht entschädigen mussten!

Bartels
15.03.2014, 16:35
Im speziellen zum "Strohfräulein":

Während in der Mackensenallee fast alle Mieter wechseln, fällt doch auf, dass Antonie Musolff selbst als Mieterin über der Vulkanisierwerkstatt wohnen bleibt und auch noch später ein Verwalter eingesetzt wird. - Ob sie sich als Fürsorgerin ein Mietshaus mit vier Parteien leisten konnte?

Beste Grüsse
Rudolf H. Böttcher

NB1: Mit Kriegsausbruch verschwinden auch fast alle polnischen Mieter und von der Mackensenallee 14 aus, wird das beschlagnahmte polnische Immobilienvermögen aus verwaltet.

NB2: Betreff Arisierung: Bei uns im Westen konnte man eine Vielzahl von Geschäften beobachten, die 1998/99 oder 2008/09 ihr 60- oder 70-jähriges Jubiläum feierten.

StampCollector
15.03.2014, 18:00
Danke für die Erinnerung! Auch als Philatelist (Briefmarkensammler) habe ich mittlerweile einige Bedenken an diversen Einzelstücken: Ein jüdischer Sammler (Sudetenland) hatte eine der bedeutensten Ganzsachensammlungen (Postformulare mit eingedruckter Marke). Auch er ist "enteignet" worden.
Da gibt es garantiert diverse Sammlerstücke, die problematisch sind!

Heinzhst
16.03.2014, 00:15
Unsere Vorfahren haben für ihre Verbrechen gebüßt.

Die Progrome:

https://www.google.de/search?q=danzig+1945&source=lnms&tbm=isch&sa=X&ei=Ts8kU6X3HIfnygOW44Jg&sqi=2&ved=0CAcQ_AUoAQ&biw=1280&bih=821

Die Enteignung:

https://www.google.de/search?q=danzig+1945&source=lnms&tbm=isch&sa=X&ei=Ts8kU6X3HIfnygOW44Jg&sqi=2&ved=0CAcQ_AUoAQ&biw=1280&bih=821#q=Flüchtlingstreck+1945&tbm=isch

Schönen Sonntag, Heinz

Wolfgang
16.03.2014, 10:52
Schönen guten Morgen,
hallo Heinz,

in diesem Thema soll Jener erinnert und gedacht werden, die zu den ersten Opfern von Antisemitismus und Nationalsozialismus gehörten.

Deine Feststellung, unsere Vorfahren hätten für ihre Verbrechen gebüßt, möchte ich dennoch nicht unkommentiert lassen. Es waren Alle schwer gestraft die ihre Heimat, ihre Angehörigen, ihre Freunde, und vielleicht auch ihre Gesundheit oder gar ihr eigenes Leben verloren. Darunter gab es schier unendlich Viele deren einzige Schuld es war deutsch zu sein. Aber viele Jener, die wirklich Schuld auf sich luden, nachweisbar, kamen nicht nur mit dem Leben davon, sondern konnten sich reinwaschen und ihr Leben im Nachkriegsdeutschland häufig fast nahtlos weiterführen, oft in verantwortlicher Stellung in Vertriebenenverbänden, Wirtschaft, Staatsdienst und Politik.

Aber hier soll es nicht um pauschale Schuldzuweisungen gehen. Sondern um die Erinnerung an das was geschah. Es geht darum, gegen das Vergessen, das Verschweigen, das Verdrängen anzugehen. Es soll auch ein kleiner Beitrag zur Geschichtsaufarbeitung sein, denn wenn wir dies nicht tun, wird sie uns immer wieder auf die Füße fallen. Reaktionen auf solche Bemühungen wie z.B. "es muss mal Schluss sein" oder "wir haben genug gebüßt" sehen manchmal aus wie Abwehrreflexe, die selten dazu beitragen, sich tatsächlich diesem Kapitel der Geschichte zuzuwenden.

Ein Gespräch darüber was war, hilft die Geschichte zu verstehen. Lange, lange hörte ich, die meisten Menschen seinerzeit hätten damals nichts gewusst und hätten auch nichts wissen können. Mit der Öffnung der Archive und der Online-Zurverfügungstellung von Dokumenten die aufzeigen was damals öffentlich an Informationen verfügbar war, bedürfen diese und ähnliche Aussagen einer kritischen Würdigung und Überprüfung. Es stellt sich die Frage ob das Nichterhaltenkönnen von Informationen über den verbrecherischen Charakter des Nationalsozialismus nicht in das Reich der Mythen überwiesen werden müsste.

Aber noch einmal: In diesem Thema soll an jüdische danziger Mitbürger erinnert werden. An das was ihnen angetan wurde.

Schöne Grüße aus dem Werder
Wolfgang

Wolfgang
16.03.2014, 13:58
Schönen guten Nachmittag,

neben diesem das Schicksal der jüdischen Mitbürger Zoppots aufzeigenden Thema besteht parallel dazu ein gleichgelagertes Thema für Danzig und seine Vororte: "Beschlagnahmungen / Zwangsenteignungen / Entrechtungen Danziger Juden (http://forum.danzig.de/showthread.php?10890-Beschlagnahmungen-Zwangsenteignungen-Entrechtungen-Danziger-Juden)"

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

Ulrich
16.03.2014, 16:22
Hallo Heinz,

du schreibst: "Unsere Vorfahren haben für ihre Verbrechen gebüßt".

Für mich geht das schon arg in Richtung Schlussstrichforderung.

Einen schönen Tag,


Ulrich

Heinzhst
16.03.2014, 23:16
Hallo Ulrich,
großes ? Verstehe dein Kommentar nicht.

Für Verbrechen an der Menschlichkeit kann man keinen Schlussstrich ziehen.

Schönen Abend, Heinz

Ulrich
17.03.2014, 01:49
Hallo Heinz, was willst du denn damit sagen: "Unsere Vorfahren haben für ihre Verbrechen gebüßt"? Ich verstehe das so: "Sie haben als Vertriebene und Kriegsopfer viel durchgemacht und haben damit für ihre Verbrechen z.B. an den Juden, genug gebüßt".

Verstehe ich dich da falsch? Das würde mich freuen.


Einen schönen Gruß


Ulrich

Christkind
17.03.2014, 01:49
In diesen 35 Beiträgen sind für mich sehr informative Nachrichten enthalten.Ehrlicherweise muss ich gestehen, dass ich mich mein Leben lang nicht so sehr in das politische Geschehen vor meiner Zeit vertieft habe. Ich habe das gelernt, was gelehrt wurde.Und weil ich bis 1960 in der DDR lebte,habe ich immer nur gelernt, dass im Westen Nazis regieren, die die Feinde der DDR, also des Arbeiter-und Bauernstaates sind. Nun muss ich feststellen, dass es stimmte.Dass in der Bundesrepublik viele Nazis das Sagen und die Fäden in der Hand hatten. Ein spezieller Feind in der DDR war Gehlen.Wie ich nachlesen konnte,stimmte das,was ihn mir als Feindbild machte.Also überall alte Nazis?Unter dem Schutz der Amerikaner? Die werden doch nicht ahnungslos gewesen sein? Gut, das ist jetzt nicht speziell zum Thema "Beschlagnahmungen in Danzig".Wenn aber eine Diskussion gewünscht ist, dann muss man auch mal Gedanken äußern dürfen, die einem dabei kommen.Dass viele Fakten aus den Verordnungen hier zu lesen sind, vertiefen das vermutete Wissen:es haben sich Deutsche jüdisches Eigentum angeeignet.Gesetzlich erlaubt, oder wie auch immer. Und dann die Menschen entfernt- getötet! Wie steht es überhaupt mit der Schuld.Gibt es bei Mord Unterschiede, wieviele Millionen Menschen ermordet wurden ? Für mich gibt es das nicht. Für mich gibt es auch nicht: Töten aus Rache ist erlaubt.Nur einen Grund könnte ich mir vorstellen:Um mein Leben oder das Leben meines Kindes.Was ist: eine Schuld relativieren ? Verstehe ich nicht.Relativiere ich eine Schuld,wenn ich Hitler und Stalin in einem Atemzug nenne?
Am Ende meiner späten Gedanken möchte ich nur sagen: Es ist für mich gut, dass ich durch diese Informationen hier erfahre, wie nach und nach in Danzig die jüdische Bevölkerung entrechtet wurde. Wie Nazis in der BRD wieder Fuß fassten.
Eine Frage wird mir keiner mehr beantworten können: Warum hing in unserem Wohnzimmer in Danzig unter der Uhr ein Hitlerbild? Weder waren meine Eltern in der Partei, noch waren meine älteren Geschwister in den Jugendverbänden.Wir waren Katholiken, und doch hing ein Hitlerbild im Wohnzimmer.
Es grüßt, Christa

Wolfgang
17.03.2014, 09:55
Schönen guten Morgen,
hallo Heinz,

Du schreibst "Für Verbrechen an der Menschlichkeit kann man keinen Schlussstrich ziehen." Ich stimme mit Dir vollkommen überein. Genau diese von Dir getroffene Aussage ist der Grund, dass neben den vielen Beiträgen die sich mit Flucht, Vertreibung und Elend der deutschen christlichen Vertriebenen befassen, nun auch einmal etwas stärker der Fokus auf die frühen Opfer des nationalsozialistischen Terrors gerichtet wird.

Die "Verbrechen an der Menschlichkeit" begannen nicht erst Ende des Krieges, ihre Anfänge waren schon lange vor Kriegsbeginn zu finden.

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

smaccy08
17.03.2014, 18:24
Schönen Tag euch allen!
Ich, als Teil einer jungen Generation, schließe mich der Schlussstrichforderung an. Es geht so nicht weiter, dass unser Land immer weiter als Tätervolk betrachtet wird. Wir, die Jungen der Nation, haben damit nichts mehr zu tun. Soll es so sein wie in der Bibel: Die Alten haben saure Trauben gegessen und den Jungen sind die Zähne davon stumm geworden?
All das ist Ballast, der der Jugend übergeben wird, Generation für Generation. Im Geschichtsunterricht hört man genug davon, dass man davon lernen kann.
Allerdings sind schon vor den Weltkriegen Greueltaten an der Menschheit begangen worden, schon allein wenn man Caesar liest. Wer hat daraus gelernt?
Wieso gönnt keiner den späteren Generationen ein unbeschwertes und ohne diese "Erbsünde" belastetes Leben?

Viele Grüße, Sarah

Wolfgang
17.03.2014, 20:21
Guten Abend,

ich ziehe hiermit einen Schlussstrich unter die Schlussstrichdebatte. Dieses Thema ist gedacht um jüdischen Opfern des nationalsozialistischen Terrors zu gedenken und nicht um es mit Forderungen nach Schlussstrichen zu entwürdigen. Ich bin fassungslos wie hier versucht wird, dieses der Erinnerung und des Gedenkens dienende Thema zu torpedieren und damit zu entehren. Weitere Beiträge bzw. Forderungen nach "Schlussstrich" in diesem Thema werden sofort gelöscht.

Hier die öffentliche Bekanntmachung einiger weiterer Beschlagnahme- bzw. Enteignungsbeschlüsse zur "Entjudung des Danziger Grundbesitzes":

Aus dem Danziger Staatsanzeiger Nr. 88 vom 25.08.1939:


378 / Grundstück Zoppot, Wäldchenstr. 16
Grundbuchbezeichnung. Zoppot Bl. 346
Eigentümer: Frau Irma Bythiner geb. Auerbach und Frau Else Auerbach geb. Menasse, beide wohnhaft Zoppot, Südstr. 12
Treuhänder: Sparkassenoberinspektor Karl Schumann, Zoppot, Schäferstraße 9
Verantwortlich Unterzeichnende: Greiser / Huth / Dr. Hoppenrath

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Else Auerbach und ihr Mann Paul lebten lt. Auskunft der Online-Datenbank von Yad Vashem während des Krieges in Frankreich und wurden ermordet:
http://db.yadvashem.org/names/nameDetails.html?itemId=1885895&language=de
http://db.yadvashem.org/names/nameDetails.html?itemId=1826014&language=de
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380 / Grundstück Zoppot, Elisabethstraße 5
Grundbuchbezeichnung. Zoppot Bl. 922
Eigentümer: Frau Chana Korngold vel Korengold geb. Buchweic, Warschau, ul. Piekna 35
Treuhänder: Sparkassenoberinspektor Karl Schumann, Zoppot, Schäferstraße 9
Verantwortlich Unterzeichnende: Greiser / Huth / Dr. Hoppenrath

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385 / Grundstück Zoppot, Promenadenstr. 24/26
Grundbuchbezeichnung. Zoppot Bl. 275
Eigentümer: Kaufmann Saul Rafel Landau, Krakau, ul. Zyblikiewicza 16
Treuhänder: Sparkassenoberinspektor Karl Schumann, Zoppot, Schäferstraße 9
Verantwortlich Unterzeichnende: Greiser / Huth / Dr. Hoppenrath

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Saul Rafel Landaul lebte lt. Auskunft der Online-Datenbank von Yad Vashem während des Krieges in Krakau und wurde ermordet:
http://db.yadvashem.org/names/nameDetails.html?itemId=332327&language=de
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388 / Grundstück Zoppot, Südstr. 16
Grundbuchbezeichnung. Zoppot Bl. 67
Eigentümer: Kaufmann Albert Kiewe, Zoppot Südstr. 36 und Kaufmann Abram Saul Kronmann, Warschau
Treuhänder: Sparkassenoberinspektor Karl Schumann, Zoppot, Schäferstraße 9
Verantwortlich Unterzeichnende: Greiser / Huth / Dr. Hoppenrath

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389 / Grundstück Zoppot, Wäldchenstr. 47
Grundbuchbezeichnung. Zoppot Bl. 329 und 2336a,
Eigentümer: "Miramare" Fremdenpension G.m.b.H., Zoppot, Wäldchenstr. 45/47
Treuhänder: Sparkassenoberinspektor Karl Schumann, Zoppot, Schäferstraße 9
Verantwortlich Unterzeichnende: Greiser / Huth / Dr. Hoppenrath

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409 / Grundstück Zoppot, Georg-Hotz-Weg 8,
Grundbuchbezeichnung. Zoppot Bl. 1443,
Eigentümer: Eheleute Fabrikbesitzer Aron Kagan und Maria Kagan geb. Maszbiz, beide wohnhaft Warschau, Aleje Ujazdowskie 32 m.8
Treuhänder: Sparkassenoberinspektor Karl Schumann, Zoppot, Schäferstraße 9
Verantwortlich Unterzeichnende: Greiser / Huth / Dr. Hoppenrath

Bartels
18.03.2014, 21:05
Guten Abend,

Danziger Staatsanzeiger Nr. 88:
Es werden jetzt nicht nur Danziger und deutsche Juden enteignet, sondern auch Juden in Warschau und Krakau!

Datum: 25.08.1939 - Im Hafen liegt bereits das Schulschiff "Schleswig-Holstein" mit dem "Marinestoßtrupp Nr. 1" an Bord und macht sich bereit am 1. September "zurück zu schiessen".

Wikipedia: Der Massenmörder Arthur Greiser (https://de.wikipedia.org/wiki/Arthur_Greiser) und sein Vetter Harry Siegmund (https://de.wikipedia.org/wiki/Harry_Siegmund), der dank Filbinger doch noch Ministerialrat werden durfte ...

Wolfgang
18.03.2014, 21:15
Guten Abend,
hallo Rudolf,

vielen der erst im August 1939 enteigneten Juden war bereits Jahre zuvor eine legale Ausreise bzw. Flucht unter Zurücklassung ihres Eigentums gelungen. Dieses Vermögen der "Auslandsjuden" wurde erst im Rahmen der im Juli 1939 beschlossenen "Entjudungsmaßnahmen" beschlagnahmt. Aber sicherlich werden sich unter den Enteigneten auch Juden befunden haben, die keine Danziger Bürger waren.

Viele der Namen finden sich in den Yad-Vashem-Listen der später Ermordeten...

Wolfgang

Bartels
19.03.2014, 14:12
Einen schönen guten Tag,

danke Wolfgang für diese zusätzliche Information - im Prinzip wird es den braunen Machthabern gleich gewesen sein, wen sie Ende August enteigneten.
Der Krieg war beschlossene Sache ...

danli, + 23.01.2015
19.03.2014, 14:39
vielleicht interessant


Auch ich habe so einen Ausszug aus dem Zoppoter Grundbuch.
Es betrifft das Gundstueck und das Haus meines Grossvaters Dr.Max Lindemann.
Es muste verkauft !!?? werden ,da meine Grossmutter die Steuerschulden!!? nicht tragen konnte.
danli

Bartels
19.03.2014, 15:26
Hallo Dan,

weiter unten schreibt Wolfgang: "Im letzten "Spiegel" (Nr. 11 /10.03.2014, Seiten 110-112) steht ein Artikel unter Raubkunst "Als die Gestapo kam" (leider für Nicht-Abonnenten nicht online lesbar). Dort wird aufgezeigt, dass aus offiziellem Nazi-Schriftverkehr belegbar ist, dass Vermögenswerte für teils weit weniger als 1% des tatsächlich zu erzielenden Wertes von jüdischen Mitbürgern "gekauft" -besser gesagt erpresst- wurden."

Die "Steuerschulden" waren auch nicht real, sondern fiktiv und konstruiert, um den Eigentümern Vermögen abzupressen!

NB: Da der Spiegel jetzt über eine Woche alt ist, sollte er online lesbar sein.

Ulrich
19.03.2014, 17:09
Hallo Rudolf,

du schreibst: "im Prinzip wird es den braunen Machthabern gleich gewesen sein, wen sie Ende August enteigneten".
Der Krieg war beschlossene Sache ..."
Das kann missverstanden werden. Nur um Missverständnissen vorzubeugen: Es geht nur um Eigentum und Grundbesitz von Juden, in erster Linie um das Eigentum danziger Juden, aber auch um das der Juden in Krakau und Warschau.

Einen schönen Gruss

Ulrich

Ulrich
19.03.2014, 17:11
Hallo Danli, wann musste das Haus von deiner Großmutter verkauft werden?

Einen schönen Gruß

Ulrich

danli, + 23.01.2015
20.03.2014, 20:03
Guten Abend Ulrich

Adresse :Seestrasse 46 :ab !906- 1945 :am Markt 10

nach allem was ich weiss :Juni1939 verkauft an Florentiene Eibel; Juli 1940 an Kaufmann A.Tilist;
May 1943 Stadtgemeinde Zoppot.

Alles Gute

Danli

Martschinke
24.04.2014, 21:39
Das gesamte Verbrechen in Deutschland sollte nicht den Deutschen alleine zur Last gelegt werden,
schließlich wurde das gesamte Land von dem Faschismus eingeholt und nahm seinen Anfang
nicht in München, nicht in Berlin oder darüber hinaus in der Freien Stadt Danzig, sondern in
Versailles. Der Versailler Vertrag war für einen nächsten Krieg mit seinem ganzen Grauen
vorprogrammiert. Es war ein Vertrag zur Fortsetzung des ersten Welt Krieges ohne der
Deutschen Regierung beschlossen worden. Richtig ist, das Hitler mit seinem Gesinnungs-Gehilfen
dies teuflische Werk in Deutschland von Zaum gebrochen hat. Ich bin mir nur nicht ganz sicher,
ob nicht doch so ein grausames Verbrechen im Deutschen Reich zu Stande gekommen wäre,
wenn es Hitler gar nicht gegeben hätte, und es von einem andern Menschen-Verächter ausgeführt worden.

Dieser Bricht ist mein Abschied von dem Danziger Forum.

Mit nachdenklichen Gruß

kurt Martschinke
30880 Laatzen
Im Leine Center
Albert-Schweitzer Straße 4
Tel. 0511 433450

Ulrich 31
24.04.2014, 22:25
Lieber Kurt Martschinke,

ich bin verwundert über Deinen hier mitgeteilten Abschied vom Forum Danzig. Was hat Dich zu diesem Schritt bewogen?

Das fragt Dich mit besten Grüßen Dein Forum-Freund
Ulrich

PS: Solltest Du Dich nicht mehr melden, wünsche ich Dir alles Gute.

Bartels
24.04.2014, 22:34
Lieber Kurt,

Völkermord an den Juden,
Beschlagnahmungen / Zwangsenteignungen / Entrechtungen,
und den Krieg gegen das eigene deutsche Volk

darfst Du nicht als Folge des Versailler Vertrags sehen.

Über Versailles haben wir an anderer Stelle schon geschrieben, - nicht zuletzt hat Bismark die Vorlage dazu geliefert, indem er 1871 den Franzosen Elsass, Lothringen und Reparationen bis zum geht nicht mehr abnahm.

Für den preussischen Kriegsminister und Chef des Generalstabes Erich von Falkenhayn (https://de.wikipedia.org/wiki/Erich_von_Falkenhayn) war der Erste Weltkrieg - bevor er zum Weltkrieg wurde - am 18. November 1914 VERLOREN!

Verantwortlich für millionenfachen Tod und den Versailler Vertrag sind damit auch Hindenburg, Ludendorff und der Kaiser.


Dir zum Abschied weiterhin alles Gute und ein gute Gesundheit

Mit ebenfalls nachdenklichen &

Ulrich
31.01.2015, 02:08
Hallo Heinz, du schreibst am 18.3.2014: "Unsere Vorfahren haben genug gebüßt". Diese Aussage wurde im Fortgang der Diskussion - vermutlich ganz richtig - so verstanden, als stelltest du die Schlussstrichforderung.
Wolfgang hat dann darüberhinausgehend spezifiziert, dass es in diesem Thread um die Enteignungen von Juden in den späten dreißiger Jahren geht.
Ich möchte jetzt ergänzen: Auch die Danziger Juden, ob ermordet oder nicht, haben - genau wie die christlichen Danziger - ihre Heimat und ihre Freunde, ihre Familien verloren. Est ist mir nicht verständlich, dass die Juden aus dem Leidensdiskurs der Danziger Vertriebenen als "die Anderen" herausgenommen werden. Gochler, ein Historiker, vermutet allgemein, dass hier eine unselige historische Kontinuität am Werke ist.
Einen schönen Gruß
Ulrich.

Ulrich
31.01.2015, 03:02
Pardon, Heinz, 17.3.2014.
Ulrich

Heinzhst
31.01.2015, 14:36
Hallo Ulrich,
ich verstehe deine Fragestellung nicht. Ich habe dir mit einen ?-Zeichen geantwortet.

Ich kann dir heute auch nur mit einem großen ? antworten.

Ich habe das Gefühl, dass du Äpfel und Birnen verwechselt.

Schönes Wochenende wünscht dir Heinz.

Christkind
01.02.2015, 13:50
Guten Tag, Ulrich,
mir ist es nicht verständlich, wie man die Leidensgeschichte des jüdischen Volkes mit der Leidensgeschichte der Vertriebenen gleichstellen kann.(52)
Die geplante und durchgeführte systematische Ausrottung einen Volkes ist meiner Meinung nach mit nichts zu vergleichen.
Wir hatten das Schicksal, aus unserer Heimat vertrieben zu werden, weil unsere Heimat neuen Grenzen zum Opfer fiel.
Es war keine geplante Massenvernichtung.
Die Vermutungen des Historikers sind für mich nicht nachzuvollziehen.
Ich verstehe es nicht, wo er, der Historiker Gochler, da eine "unselige historische Kontinuität " sieht.
- Oder, wie Heinz schrieb: Äpfel und Birnen.
Schöne Grüße, Christa

Wolfgang
23.11.2015, 22:44
Schönen guten Abend,

hier ein Auszug aus dem Danziger Staatsanzeiger Nr. 75 vom 08.08.1939:

Sonder-Ausgabe
Erlasse und Verordnungen des Senats (Staatsverwaltung).
Beschlüsse.

323 / Aufgrund der Verordnung betr. die Entjudung der Danziger Wirtschaft und des Danziger Grundbesitzes vom 22. Juli 1939 (G.Bl. S.375) beschlagnahmt der Senat der Freien Stadt Danzig
das Grundstück Zoppot, Seestr. 13/13a
Grundbuchbezeichnung. Zoppot Bl. 656
Eigentümer: Lidzbarski'sche Erben und der Kaufmann Moses Kasriel aus Pabjaniece, ul. Marianska Nr. 3
und unterstellt es der Verwaltung eines Treuhänders.
Zum Treuhänder wird der Stadtinspektor Hellmuth Rückert, Danzig=Langfuhr, Michaelsweg 83b, bestellt.
Danzig, den 4. August 1939
Der Senat der Freien Stadt Danzig
Greiser / Huth / Dr. Hoppenrath

--------

Moses Kasriel wurde lt. Auskunft der Online-Datenbank von Yad Vashem im Warschauer Ghetto ermordet: http://db.yadvashem.org/names/nameDetails.html?itemId=1621005&language=de

Martschinke
30.11.2015, 11:12
Hallo Wolfgang, Greiser war einer der grausamsten Verbrecher. Er soll der Erfinder der Omnibusse
ohne Fenster sein, indem Juden schon auf dem Wege zur Fahrt in die Vernichtung vergast wurden.
Die Juden in der Freien Stadt Danzig hatten die Möglichkeit ihr Eigentum (wenn auch nicht zum
vollen Preis der Wertigkeit ihres Vermögens) zu verkaufen. Den Juden war die Enteignung ihres
Vermögens durch die Nazi-Gesetzgebung vor dem Krieg bekannt.
Anders sah es bei der Danziger Bevölkerung aus, ihnen war die Enteignung ihres Vermögens
durch Polen nicht bekannt. Ich wurde nach Kriegsende noch von Danzigern gefragt: Martschinke
hast du etwas gehört, ob unser Danzig wieder Freistaat wird?
Die Juden waren über die Enteignung ihres Vermögens noch rechtzeitig informiert und ich weiß,
dass viele Juden noch ihre Grundstücke, wenn auch zum halben Preis verkaufen konnten.
Die Danziger Vertriebenen ahnten die Enteignung ihrer Grundstücke vorher nicht.
Von dieser Sicht aus waren die Danziger Juden den Danziger Nichtjuden im Vorteil.

Schöne Grüße
kurt m

Wolfgang
30.11.2015, 11:53
Guten Morgen,

auf der Eingangsseite von Yad Vashem zur Zentralen Datenbank der Holocaust-Opfer (http://db.yadvashem.org/names/search.html?language=de) ist ein Auszug aus einem Brief eines kurz darauf mit 19 Jahren ermordeten Juden zu lesen: "Ich möchte, dass sich jemand erinnern wird, dass einst ein Mensch gelebt hat, der David Berger hieß."

Die Nazis und ihre Gefolgsleute begingen unfassbares Unrecht. Unrecht, dass durch nichts entschuldigt werden kann. Erst kamen Schikanen, dann Enteignungen, Misshandlungen und zum Schluss die Massenmorde. Geradezu zynisch klingt es, wenn der Eindruck erweckt wird, die Juden seien an den Enteignungen selber schuld gewesen, da sie es ja vorher zum Schleuderpreis hätten verkaufen können. Im Gegensatz zu den unschuldigen Deutschen, die ja nicht hätten ahnen können, dass begangene Verbrechen auch einen Preis haben werden.

Ich lasse den vorangegangenen Beitrag stehen weil es in meinen Augen wichtig ist, auch solche Ansichten zu dokumentieren. Ich werde aber dieses Thema für Diskussionsbeiträge schließen, da es für jeden früheren Danziger Mitbürger jüdischen Glaubens -und auch für deren Nachkommen- beschämend und verletzend sein muss, so etwas zu lesen.

Von meiner Seite werde ich jedoch hier in diesem Thema weitere Unrechtsmaßnahmen der Freien Stadt Danzig und seiner Vertreter gegenüber Danziger Mitbürgern jüdischen Glaubens aufzeigen.

Wolfgang
-Admin und Betreiber des Forums-