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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Der Danziger Staatsanzeiger



Wolfgang
14.03.2014, 17:04
Schönen guten Nachmittag,

die Frage "Was wussten unsere Eltern, Großeltern, Urgroßeltern" ist mittlerweile weitestgehend rein hypothetischer Natur. Interessanter ist die Frage was sie hätten wissen können. Dabei dürfen wir nicht unbedingt heutige Maßstäbe -im Zeitalter des Internet und einer freien Presse- anlegen.

Ein Hilfskonstrukt, eine Orientierung, bietet eine Aufstellung der seinerzeit frei verfügbaren Informationsmedien, auch wenn sie Propagandazwecken diente. Die Feststellung, man habe geglaubt, zählt nur sehr bedingt, denn Unzählige glaubten eben nicht und sie hatten für Alle ersichtliche Konsequenzen zu tragen.

Neben den gleichgeschalteten Propaganda verbreitenden Medien gab es öffentlich zugängige Druckschriften, die den "gesetzmäßigen" Werdegang des Naziterrors aufzeigen. Wohl gesagt: öffentlich zugängig, einsehbar, lesbar, für Jeden der wollte. Wer das Denken nicht abschaltete, konnte wissen, musste wissen. Umgesetzte Konsequenzen aus wissendem Denken konnte Folgen haben. Wenige hatten den Mut, Widerstand aufzubringen.

Woher konnte Wissen bezogen werden?

Es gab unzählige Quellen! Munkeln, Sehen, Wissen um Nachbarn und Arbeitskollegen, aber auch Druckschriften. Selbst wenn diese selten gelesen wurden. Aber wie sagt man? Unwissenheit schützt .......... nicht.

Quellen waren die Zeitungen, die Preußische Gesetzsammlung, das Danziger Gesetzblatt, das Reichsgesetzblatt und der DANZIGER STAATSANZEIGER.

Der Staatsanzeiger gliederte sich in zwei Teile:

Teil 1, in dem öffentliche Bekanntmachungen und Verordnungen bekannt gegeben wurden wie z.B. Belobigungen, Tarifordnungen, Medien-Verbote, Willkürmaßnahmen gegenüber der Opposition und jüdischen Mitbürgern.

Teil 2, in dem vor allem öffentliche Ankündigungen und Register publiziert wurden, so z.B.: Bekanntmachungen, Schiedssprüche, Untersuchungssachen, Steckbriefe, Zwangsversteigerungen, Aufgebote, Güterrechts-, Handels-, Genossenschafts-, Vereins- und sonstige Register, Konkurse, Firmenbekanntmachungen, Patentveröffentlichungen, Namensänderungen

Es ist außerordentlich verdienstvoll, dass der Danziger Staatsanzeiger -leider teilweise nur lückenhaft- digitalisiert und im Internet (pomorska_biblioteka_cyfowra) einsehbar gemacht wird. Ebenso bedauerlich ist es, dass die Digitalisate nicht jahrgangsweise abrufbar sind sondern nur Ausgabe für Ausgabe (mit teils mehr als 200 Ausgaben pro Jahr für Teil 1 und 2).

Trotzdem: Eine sehr gute Quelle, nicht nur für geschichtlich Interessierte sondern auch für Familienforscher.

Schöne Grüße aus dem Werder
Wolfgang

sinus
15.03.2014, 02:54
Hallo, Wolfgang,

ich kann Dir nur zustimmen. Ich habe diese Quelle Blatt für Blatt angesehen. Ich kann nur sagen, es gruselt einen, wie die Entwicklung seit 1933 voran getrieben wurde. Die ganze Gleichschaltung zum Beispiel, das schrittweise Verbot der konkurrierenden Parteien oder Zeitungen. Selbst die örtlichen Gemeindevertretungen wurden nach dem Proporz der Volkstagswahl neu besetzt. Das Führerprinzip wurde in allen Körperschaften durchgesetzt, von der Handelskammer bis zu den Deichverbänden. Dazu die ganzen neuen NS-Organisationen: SA, NSKK, HJ, BDM, Arbeitsfront, usw. usw. Alle wurden in den von der NSDAP dominierten Organistaionen zusammengefasst. Auch wenn sich ein Vergleich vielleicht verbietet, aber die Strukturen der Machtausübung wurden bei uns in der DDR genau so praktiziert.

Gute Nacht
sinus