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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Zwangsarbeiter, Displaced Persons, Fremdarbeiter



StampCollector
29.03.2014, 16:56
Hallo,

ein wichtiges Thema der Deutschen Geschichte bzw. der Danziger Geschichte ist das Thema "Fremdarbeiter" bzw. Zwangsarbeiter, Displaced Persons:
1943 hatte Hitler ca. 10 Millionen Soldaten unter Waffen.
In der Heimat waren entsprechend mehrere Millionen Arbeitsplätze unbesetzt. Hitler wollte einen "Steckrübenwinter" wie 1916/7 verhindern...
http://de.wikipedia.org/wiki/Steckr%C3%BCbenwinter
Das Regime reagierte entsprechend mit dem Einsatz von Frauen und schon seit 1939 mit dem Einsatz von Polen und Polinen, um dieses Problem "abzufedern".
Im Laufe des Krieges wurden aus den besetzten Ländern Millionen von "Fremdarbeitern" ins Reich geschafft, um dort unter oftmals miesen Bedingungen zu arbeiten.
Meine Mutter sah ca. 1943/4 ein etwa gleichaltriges ukrainisches oder russisches Kind hinter Stacheldraht: Sie hat das nie verstanden...

StampCollector
29.03.2014, 17:43
Meine Omi war bei einem Bauern als Hausfrau "kriegsdienstverpflichtet". Dieser Bauer war korrekt (eine Enkelin war bei mir in der Schule... - nettes Mädchen). Bei ihm durften die Osteuropäer auch (verbotenerweise) in die Küche: "Wer bei mir arbeitet, der darf auch am selben Tisch essen!"
Dann hatten die Osteuropäer auch ihre eigene Küche: Meine Mutti sagt: "Deren Essen hat lecker geschmeckt..."

Ulrich
31.03.2014, 00:48
Hallo SC,
ich vermute, dass auch Danzigern Zwangsarbeiter zugeteilt wurden, aber darüber weiß ich nichts.
Ulrich

Rudolf
31.03.2014, 15:09
Ich erinnere mich , daß der Bauer Groth in der Heubuder Dammstraße 30 auch sogenannte " Fremdarbeiter " beschäftigte . Es waren Frauen aus der früheren Sowjetunion . Im Sommer sah ich die Bauernfamilie einmal auf der Rückseite des Hauses beim gemeinsamen Mittagessen mit den Frauen .
Irgendwann später hörte ich aus den Gesprächen der Erwachsenen , daß der Bauer Groth dadurch großen Ärger hatte , denn - wie zuvor hier schon erwähnt - war dies auf Grund des herrschenden Rassenwahns verboten .

Wolfgang
31.03.2014, 15:30
Schönen guten Nachmittag,

hier im Werder hatten viele Bauern Fremdarbeiter und Häftlinge die nicht nur zugeteilt sondern häufig wie auf dem Sklavenmarkt angeboten und zugeschlagen wurden.

Überlebende berichteten sowohl von furchtbaren Verhältnissen als auch mitunter von menschenwürdigem Umgang.

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

Ulrich
31.03.2014, 22:36
Guten Abend,

ich hab ein wenig in Google geforscht zu "Zwangsarbeitern". Ich hab zur finanziellen Wiedergutmachung etwas gefunden unter http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Monatsberichte/Publikationen_Migration/2007/09/070919agmb00.
Darin bzgl Danzig interessant:
Auch die in der Land- und Hauswirtschaft eingesetzten Zwngsarbeiter waren mit der neuen Bundesstiftung finanziell wiedergutmachungsberechtigt.
Da wüsste ich ja gern, was bei den Danziger Haus- und Landwirtschtszwangsarbeitern angekommen ist.

Einen schünen Gruß

Ulrich

Ulrich
31.03.2014, 22:44
Vielleicht besser erreichbar:http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Monatsberichte/Publikationen_Migration/2007/09/070919agmb00

Ulrich

StampCollector
31.03.2014, 23:24
Im Bereich Landwirtschaft wird es wohl manchmal Freiräume gegeben haben, die in einem Industriebetrieb mit angeschlossenem Lager nicht möglich waren.
Hier gab es mit Sicherheit viel mehr Kontrolle durch Parteigenossen, Werkschutz und auch durch die Gestapo.
Ein Bauer, der es mit den Vorschriften nicht so ernst nahm, setzte sich natürlich auch der Gefahr aus denunziert zu werden.

Bartels
01.04.2014, 00:34
Einen schönen guten Morgen,

ich habe 1979 einen polnischen Zwangsarbeiter kennengelernt, der die Ingenieure bei Krupp in den höchsten Tönen lobte.

In der Landwirtschaft war es üblich, dass wer auf einem Feld zusammen arbeitete, auch an einem Tisch zusammen aß - und auf kleinen Höfen wohnte man Tür an Tür mit seinen Zwangsarbeitern.

Für die Obrigkeit war es auch ein grosser Unterschied ob der Zwangsarbeiter Franzose, Pole oder Russe war.

Felicity
01.04.2014, 02:00
Ich kann mich noch daran erinnern dass verschiedene Nationalitaeten von Arbeitskraeften ihre Bezeichnungen hatten. Ostarbeiter, groesstenteils von Russland, trugen ein grosse O auf ihrer Kleidung, Ukrainer hatten ein gelb-blaues Band, Polen ein P. und Juden mussten den David Stern tragen. Alle anderen Fremdarbeiter waren unbezeichnet. Spaeter, nach dem Krieg, waren alle als 'Displaced Persons' bezeichnet von den Alleirten (D.P.s) Auch wir gehoerten dazu, weil mein Vater ja aus Kiev kam. Als Hoeherer Offizier in der Armee des Zaren, und als alter emigrant, hatte er auch den Nansen Passport von Sweden. Wir emigrierten in 1949 als D.P.s nach Australien

StampCollector
12.04.2014, 20:55
Hallo Feli,

Dein Vater war wohl ein "Sonderfall" - Russischer Emigrant!
Viele Displaced Persons wurden nach 1945 an Stalin und seine Behörden ausgeliefert...

Ich finde es richtig witzig, wie er 1945 dieses System "ausgetrickst" hat!

Ich bin übrigens sehr "slavophil" eingestellt...

Viele Grüsse SC

StampCollector
12.04.2014, 21:37
Wenn ich die Geschichte meiner Heimat betrachte, da kann ich feststellen, daß da sehr sehr viele Zwangsarbeiter eingesetzt wurden:
Unterscheiden muss man zwischen Arbeitern in der Landwirtschaft und in der Industrie.
Dann gibt es auch noch den Unterschied zwischen West- und Osteuropäern.
Osteuropäer hatten aufgrund der NS-Ideologie einen geringeren "Stellenwert".
Andererseits wurden viele Westeuropäer unter Vorgaukelung guter Arbeitsbedingungen zum Arbeitseinsatz nach Deutschland gelockt...
Die Realität sah oft anders aus!

Felicity
13.04.2014, 00:18
Mein Vater war "Alter Emigrant "das heisst , dass er nach der Revolution in Russland zum Westen entfloh. Er war Oberst im Tzaren Regiment und hatte gegen den Bolschewismus gekaempft, entfloh nach Polen, als alles zusammenbrach und kam dann nach Danzig. Viele der Offiziere bekamen dann den Status von der schwedischen Regierung , den Nansen Passport und wurden dadurch beschuetzt von Verfolgungen. Vater war nicht der Einzige. Wie wir nach Australien emigrierten, hatten wir immer noch diesen Status auf unseren Papieren, wir galten als :"Staatenlos mit dem Nansen Status." Wann bist Du geboren, Stamp Collector ? Und wie kann man Dich nennen ? In den Zeiten gab es keine FREMDARBEITER ! Liebe Gruesse von der Feli.

Felicity
13.04.2014, 00:28
Da muss ich noch etwas dazufuegen. "Fremdarbeiter und Displaced Persons" wurde erst nach 1945 benutzt. Feli

StampCollector
13.04.2014, 06:31
Hallo Feli,

ja, das ist richtig: Displaced Persons war die Bezeichnung der Amerikaner.
Ich selber habe diese Zeiten nicht erlebt und bin erst nach dem Krieg geboren.

Viele Grüße SC

Felicity
13.04.2014, 06:55
Lieber S.C. Mein Vater war wirklich kein Sonderfall. Auch die Don Kosaken, von denen Du ja wohl gehoert hast, hatten diesen Status. Immer wenn sie nach Danzig auf Tour kamen, besuchten sie auch meinen Vater. Hier ist ein Auszug aus meinem Dokument, dass ich brauchte nach Australien zu emigrieren.
INTERNATIONAL REFUGEE ORGANIZATION
1227 - No.073079
Family Name : WLASIUK Christian Name : Felicitas Date of Birth : August 4th 1927
Place and Country of Birth : Gdansk - Free State ( The official never heard of Danzig )
Nsationality : Undetermined (NANSEN)
Father's Name : Aleksander Mother's Maiden Name : Ornowski Felicitas
CERTIFICATE OF IDENTITY 1949
Eine Kopie dieses Dokuments ist in meinem dritten Buch, das ich geschrieben habe : "Letters from Lita"
Die einzige Kopie davon, auf diesem Forum, hat der Wolfgang. Liebe Ostergruesse von der Feli

StampCollector
13.04.2014, 08:42
Hallo Feli,

aber auf der Konferenz von Jalta wurde auch die Repatriierung von DPs beschlossen.
In der UdSSR wurden 157.000 DPs wegen des Verdachts der Kollaboration hingerichtet.
http://de.wikipedia.org/wiki/Displaced_Person
Eine Zwangsrepatriierung erfolgte, wenn einer dieser Punkte erfüllt war:

1. Wohnsitz auf sowjetischem Territorium am 1. September 1939
2. nach der Konferenz von Jalta in westalliierte Hand geraten
3. am 22. Juni 1941 oder später dienstpflichtig in der Roten Armee
4. Gefangennahme in einer deutschen Uniform
5. Nachweis für Kollaboration

Bei Deinem Vater trifft wohl keiner dieser Punkte zu.

Ich werde mich auch gerne mal über die Donkosaken informieren. Einige Russische Lieder kenne und mag ich bereits... :)

Viele Grüße SC

Felicity
13.04.2014, 08:52
Wo bist Du aufgewachsen S.C. ? In Deutschland gibt es eine Menge Albums, die Du Dir kaufen kannst. Die Stimmen der Donkosaken brauchen keine Instrumente, sie koennen sogar Glocken immitieren und sie sind einmalig auf dieser Welt. Viel Spass ! Liebe Gruesse von der Feli

StampCollector
13.04.2014, 09:00
Nun ja, ich kenne bereits den "RED ARMY CHOIR". Da gibt es bei Youtube so einiges zu entdecken...
Ein "Smash-Hit" ist übrigens "Moscow Nights":

http://www.youtube.com/watch?v=DlgrwKI0fMA

Viele Grüße SC

Felicity
13.04.2014, 09:12
Jetzt sind wir auf die Musik gekommen und ja, ich habe auch schon vieles von dem 'Red Army Choir' gehoert, auch 'Moscow Nights'.Ich bin ja nicht die Einzige die die rusische Musik liebt, 'The Beatles' sang 'Back to the U.S.S.R.' , Russland hatte es ihnen angetan. Hast Du von Ivan Rebroff gehoert ? Er singt nicht nur russisch aber auch in deutsch. Liebe Gruesse von der Feli

StampCollector
13.04.2014, 09:22
Hallo Feli,

inzwischen sind wir ja schon ziemlich "Off topic", aber das ist nicht schlimm...

Mein anderer Großvater war ebenfalls in der Industrie beschäftigt. Bei ihm im Betrieb waren Italiener. Gegen Kriegsende haben die auch "Bandiera Rossa" gesungen:
http://www.youtube.com/watch?v=qVjPL9zTh-E

Viele Grüße SC

Felicity
13.04.2014, 09:34
Musik kennt keine Grenzen und in einem Heim mit 4 verschiedenen Nationalitaeten aufgewachsen, sind meine Schwestern und ich immer der Musik ausgesetzt worden. Das hat sich vererbt und meine Jungens spielen Instrumente und die Grosskinder koennen schon mit 1 Jahr nicht still sitzen, wenn sie Musik hoeren. Mein Baby-Boy steht in seinem kleinen Laufgitter und wippt rauf und runter wenn sein Vater Country Musik auf der Guitarre oder der Mandoline zupft. Auch wenn wir nicht gerade beim Thema sind. D.P.s, Ostarbeiter und jezt auch die Fremdarbeiter, werden wohl auch alle Musik lieben. Liebe Gruesse von der Feli

StampCollector
13.04.2014, 09:45
Gegen Kriegsende verspürten viele DPs den Geruch von Freiheit. Sie wussten: Hitlerdeutschland ist am Ende...
Viele DPs sind dann "frech" geworden. Siehe mal als Beispiel aus dem Betrieb meines Großvaters: Italienische DPs haben "Kommunistenlieder" gesungen...
Leider war die GESTAPO bis zum Ende aktiv:
Es gab wohl einen Befehl von Himmler, daß alle "unliebsamen Elemente" liquidiert werden sollten, bevor sie in die Hand der Alliierten fallen sollten.
Unter diesen Opfern waren auch sehr viele Zwangsarbeiter...

http://de.wikipedia.org/wiki/Endphaseverbrechen

StampCollector
13.04.2014, 12:26
Ein anderes Thema in diesem Zusammenhang sind auch die Übergriffe von DPs auf die deutsche Bevölkerung. Auch dieses Thema sollte nicht verschwiegen werden.
In meiner Nachbarstadt wurde z.B. ein Molkerei-Beschäftigter von DPs erschlagen: Er selbst hatte sie immer mit Milchschläuchen geschlagen...
Ein Bauer, der ebenfalls Zwangsarbeiter schlecht behandelt hatte, wurde ebenfalls umgebracht.
Dann kam es auch zu Plünderungen bei deutschen Bauern. Die haben sich gewehrt und sind bei der amerikanischen Besatzungsmacht angezeigt worden. Die Amerikaner haben "kurzen Prozess" gemacht und haben die Bauern erschossen.
Meine Omi hat immer gesagt: Die waren unschuldig...

Felicity
13.04.2014, 15:11
Schuldige und Unschuldige mussten leiden. Krieg verroht ! Ich glaube nicht dass da jemand etwas verschweigen will S.C. Die Gerechtigkeit ist so oft ausgeblieben und nach all diesen Jahren, haben wir alle nicht vergessen was uns angetan wurde, auf beiden Seiten. Aber man kann vergeben, wenn wir den ewigen Hass in uns herum tragen, tun wir nur uns selbst weh und die Bitterkeit in uns, versagt uns, ein frohes Leben, in Frieden, zu verbringen. Liebe Gruesse von der Feli.