Gerhard Jeske
28.10.2014, 23:33
Hitlerjugend in Danzig:
Nachtrag von Gerhard Jeske:
1)
Das HJ Jungens bei der Wehrmacht als Melder eingesetzt wurden, beschreibt Werner Gottschau, Sein Erlebnisbericht ist veröffentlicht im Buch: Hitlers Kinder vonGuido Knopp- Seite 230- C. Bertelsmann Verlag München 2000
Er schreibt, dass er zur Dienstelle der HJ-Ortsgruppe kommen musste. Dort wurde er von zwei Männern erwartet. Der eine war Offizier der Wehrmacht, der andere von der SS-Heimwehr. Ihm wurde erklärt, dass er als Melder eingesetzt wird. Darauf musste er seine HJ-Armbinde ablegen und eine gelbe mit der Aufschrift: „ Deutsche Wehrmacht“ überziehen.
Während des Stuka Angriffes bekam er einen Nervenzusammenbruch, so dass ein Arzt ihn mit Beruhigungsspritzen stabilisierte. Den Dienst als Melder durfte er aber nicht aufgeben. Werner glaubte an einen gerechten Krieg. Selbst als ein Klassenkamerad, der auch als Melder eingesetzt worden war, erschossen wurde, zweifelte er nicht, daran, dass Opfer gebracht werden müssen. Am 27. 09. 1939 nach der Kapitulation der polnischen Soldaten auf der Westerplatte musste Werner die Westerplatte ablaufen um tote polnische Soldaten zu finden und die Stelle markieren.
2.) An einem Sonntag, Ende November 1944 musste unser Fähnlein –Niederstadt. Groß Walddorf gegen 9 Uhr auf dem Heumarkt antreten. Der Bannführer hatte wohl verschlafen oder genoss in aller Ruhe sein Frühstück. Wir froren an Händen und Ohren. Nicht einmal die Ohrenschützer an der HJ-Mütze durften wir herunterziehen.
Endlich kurvte der DKW auf den Platz ein, es entstieg der Bannführer und sein Stellvertreter. Dann folgte das übliche Theater mit Meldung machen. Abzählen usw. Nachdem diese Routine erledigt war, fuhr der Bannführer davon. Wir marschierten los. Warum, wieso? Gesungen wurde auch. . Links, rechts, durch die Langegasse, über den Langen Markt marschiert, weiter zum Langgarter Tor. Dort wartete der Fähnleinführer einen bestimmten Moment ab, dann gab er den Befehl –weiterzumarschieren- Bald näherten wir uns der evangelischen Barbarakirche. Dort feierte die Gemeinde ihren Gottesdienst. Ein Lied zu singen wurde befohlen. „Es Zittern die morschen Knochen“ und wie abgepasst, vor der Kirche:“ Die Juden ziehn dahin, daher. Sie ziehn wohl übers Meer, die Stukas schlagen zu, die Welt hat Ruh.-
Auf dem Heumarkt angekommen wurde förmlich der Sonntagsdienst beendet. Er hatte sicherlich seinen Auftrag erfüllt, den Gottesdienst zu stören.
3.)
Erschossen!
Oft besuchte ich Diskussion Veranstaltungen in Hamburg. In der Katholischen Akademie sollte eine Ausstellung polnischer Plakate eröffnet werden. Ich ging hin. Nachdem der offizielle Teil beendet worden war, verließ ich das Haus. Ein Danziger, so in meinem Alter schloss sich mir an. Wir hatten den gleichen Weg. Mit der S-Bahn wollten wir nach Altona, fahren. Mein Begleiter musste dort umsteigen, um weiter nach >Itzehoe zu reisen. Ich merkte, dass der Danziger Landsmann etwas auf der Seele hatte.
Und ich erfuhr folgendes: Er wohnte am unteren Ende der Wallgasse, nahe der Mottlau. Mit seiner Schulklasse wurden sie auf die >Halbinsel Hela in ein KLV Lager geschickt ( Kinderlandverschickung hieß es damals) Dort verlebten sie in einem Ferienhotel abenteuerliche Tage. Die nationalsozialistische Erziehung wurde praktisch angewendet.
Die Front rückte vom Westen immer näher, bald kämpften die Sowjets vor Stolp. Nun begann ein hastiger Aufbruch. Es wurde gepackt,. Ein Zug ausgesucht, der genügend Platz hatte, die vielen Jugendlichen aufzunehmen. Ihm gelang es mit drei Freunden ein Abteil zu besetzen.. Sie schworen sich Treue, sie wollten auch, ganz gleich wohin sie verschlagen wurden, sich nie trennen und immer in Kontakt bleiben. Also, mein Begleiter und ein Kamerad von ihm, landeten wieder zu Hause in der Wallgasse. Ich muss hier nachholen, dass der damalige HJ-Junge einen polnischen Namen hat, der Name sollte später für ihn sehr wertvolle Dienste leisten.. Während der Kämpfe in Danzig lagen viele tote Soldaten auf der Straße und so war es für die beiden Jungens nicht schwer, sich mit zwei Revolvern zu bewaffnen, die sie im Hof unter dem Dung eines Kaninchenstalles versteckten. Plötzlich kamen die sowjetischen Soldaten in den Keller gestürmt. Unser Erzähler hielt ihnen seinen Geburtschein unter die Augen und wiederholte mehrmals seinen polnischen Namen. Ein wenig polnisch hatte er bei seinen Verwandten gelernt. So kamen sie glimpflich davon.
Eines Tages sahen sie wie zwei Soldaten das Haus betraten. Frauen kreischten, heulten los, das es Gott erbarm. Die beiden Jungens liefen zum Kaninchenstall, zogen die Revolver hervor und rannten zurück zur Straße. Dort sahen sie wie die zwei Soldaten gerade das Haus verließen. Mit leisem Auftritt gingen sie schnell hinterher, erhoben gleichzeitig die Revolver und drückten ab. Nach den Schüssen vielen die Beiden, wie vom Blitz getroffen, vornüber. Dann liefen die Jungens zur Mottlau und schmissen die Revolver ins Wasser. Eine Streife hatte die Schüsse gehört und kann angerannt. Mit ihren Maschinenpistolen feuerten sie gegen die Häuser.( wahrscheinlich aus Angst) Es erschienen noch mehr Soldaten und ein PKW mit Offizieren. Nun wurden die Bewohner auf die Straße getrieben. „ und was geschah dann?“ fragte ich. Er wusste es nicht. Mit seinem Kameraden floh er über die Brabank in ein Versteck in einem Wrack und ließ sich einige Tage in der Wallgasse nicht sehen. Später machte er, dank seines polnischen Namens, in Gdansk Karriere. Nach dem Schulabschluss brachte er es zum Kapitän- Patent für die Küstenschifffahrt. Bis er sich wieder seiner deutsch- danziger Vergangenheit erinnerte und nach Holstein übersiedelte.
Über seine Zeit in Gdansk wollte er ein Buch schreiben. „ Wo drückt Dich der Schuh? fragte ich. „ Na, die Geschichte mit den toten Soldaten passt doch nicht hinein“. meinte er. Du weichst aus. Du sprichst von toten Soldaten, das waren ermordete.. Wenn Du diese Tat auslassen willst, dann hast Du keinen ehrlichen Grund Deine Biographie aufzuschreiben. Wir trennten uns in Altona. Von ihm, dem Danziger Bowke hörte ich niemals etwas wieder.copyr g.jeske
Nachtrag von Gerhard Jeske:
1)
Das HJ Jungens bei der Wehrmacht als Melder eingesetzt wurden, beschreibt Werner Gottschau, Sein Erlebnisbericht ist veröffentlicht im Buch: Hitlers Kinder vonGuido Knopp- Seite 230- C. Bertelsmann Verlag München 2000
Er schreibt, dass er zur Dienstelle der HJ-Ortsgruppe kommen musste. Dort wurde er von zwei Männern erwartet. Der eine war Offizier der Wehrmacht, der andere von der SS-Heimwehr. Ihm wurde erklärt, dass er als Melder eingesetzt wird. Darauf musste er seine HJ-Armbinde ablegen und eine gelbe mit der Aufschrift: „ Deutsche Wehrmacht“ überziehen.
Während des Stuka Angriffes bekam er einen Nervenzusammenbruch, so dass ein Arzt ihn mit Beruhigungsspritzen stabilisierte. Den Dienst als Melder durfte er aber nicht aufgeben. Werner glaubte an einen gerechten Krieg. Selbst als ein Klassenkamerad, der auch als Melder eingesetzt worden war, erschossen wurde, zweifelte er nicht, daran, dass Opfer gebracht werden müssen. Am 27. 09. 1939 nach der Kapitulation der polnischen Soldaten auf der Westerplatte musste Werner die Westerplatte ablaufen um tote polnische Soldaten zu finden und die Stelle markieren.
2.) An einem Sonntag, Ende November 1944 musste unser Fähnlein –Niederstadt. Groß Walddorf gegen 9 Uhr auf dem Heumarkt antreten. Der Bannführer hatte wohl verschlafen oder genoss in aller Ruhe sein Frühstück. Wir froren an Händen und Ohren. Nicht einmal die Ohrenschützer an der HJ-Mütze durften wir herunterziehen.
Endlich kurvte der DKW auf den Platz ein, es entstieg der Bannführer und sein Stellvertreter. Dann folgte das übliche Theater mit Meldung machen. Abzählen usw. Nachdem diese Routine erledigt war, fuhr der Bannführer davon. Wir marschierten los. Warum, wieso? Gesungen wurde auch. . Links, rechts, durch die Langegasse, über den Langen Markt marschiert, weiter zum Langgarter Tor. Dort wartete der Fähnleinführer einen bestimmten Moment ab, dann gab er den Befehl –weiterzumarschieren- Bald näherten wir uns der evangelischen Barbarakirche. Dort feierte die Gemeinde ihren Gottesdienst. Ein Lied zu singen wurde befohlen. „Es Zittern die morschen Knochen“ und wie abgepasst, vor der Kirche:“ Die Juden ziehn dahin, daher. Sie ziehn wohl übers Meer, die Stukas schlagen zu, die Welt hat Ruh.-
Auf dem Heumarkt angekommen wurde förmlich der Sonntagsdienst beendet. Er hatte sicherlich seinen Auftrag erfüllt, den Gottesdienst zu stören.
3.)
Erschossen!
Oft besuchte ich Diskussion Veranstaltungen in Hamburg. In der Katholischen Akademie sollte eine Ausstellung polnischer Plakate eröffnet werden. Ich ging hin. Nachdem der offizielle Teil beendet worden war, verließ ich das Haus. Ein Danziger, so in meinem Alter schloss sich mir an. Wir hatten den gleichen Weg. Mit der S-Bahn wollten wir nach Altona, fahren. Mein Begleiter musste dort umsteigen, um weiter nach >Itzehoe zu reisen. Ich merkte, dass der Danziger Landsmann etwas auf der Seele hatte.
Und ich erfuhr folgendes: Er wohnte am unteren Ende der Wallgasse, nahe der Mottlau. Mit seiner Schulklasse wurden sie auf die >Halbinsel Hela in ein KLV Lager geschickt ( Kinderlandverschickung hieß es damals) Dort verlebten sie in einem Ferienhotel abenteuerliche Tage. Die nationalsozialistische Erziehung wurde praktisch angewendet.
Die Front rückte vom Westen immer näher, bald kämpften die Sowjets vor Stolp. Nun begann ein hastiger Aufbruch. Es wurde gepackt,. Ein Zug ausgesucht, der genügend Platz hatte, die vielen Jugendlichen aufzunehmen. Ihm gelang es mit drei Freunden ein Abteil zu besetzen.. Sie schworen sich Treue, sie wollten auch, ganz gleich wohin sie verschlagen wurden, sich nie trennen und immer in Kontakt bleiben. Also, mein Begleiter und ein Kamerad von ihm, landeten wieder zu Hause in der Wallgasse. Ich muss hier nachholen, dass der damalige HJ-Junge einen polnischen Namen hat, der Name sollte später für ihn sehr wertvolle Dienste leisten.. Während der Kämpfe in Danzig lagen viele tote Soldaten auf der Straße und so war es für die beiden Jungens nicht schwer, sich mit zwei Revolvern zu bewaffnen, die sie im Hof unter dem Dung eines Kaninchenstalles versteckten. Plötzlich kamen die sowjetischen Soldaten in den Keller gestürmt. Unser Erzähler hielt ihnen seinen Geburtschein unter die Augen und wiederholte mehrmals seinen polnischen Namen. Ein wenig polnisch hatte er bei seinen Verwandten gelernt. So kamen sie glimpflich davon.
Eines Tages sahen sie wie zwei Soldaten das Haus betraten. Frauen kreischten, heulten los, das es Gott erbarm. Die beiden Jungens liefen zum Kaninchenstall, zogen die Revolver hervor und rannten zurück zur Straße. Dort sahen sie wie die zwei Soldaten gerade das Haus verließen. Mit leisem Auftritt gingen sie schnell hinterher, erhoben gleichzeitig die Revolver und drückten ab. Nach den Schüssen vielen die Beiden, wie vom Blitz getroffen, vornüber. Dann liefen die Jungens zur Mottlau und schmissen die Revolver ins Wasser. Eine Streife hatte die Schüsse gehört und kann angerannt. Mit ihren Maschinenpistolen feuerten sie gegen die Häuser.( wahrscheinlich aus Angst) Es erschienen noch mehr Soldaten und ein PKW mit Offizieren. Nun wurden die Bewohner auf die Straße getrieben. „ und was geschah dann?“ fragte ich. Er wusste es nicht. Mit seinem Kameraden floh er über die Brabank in ein Versteck in einem Wrack und ließ sich einige Tage in der Wallgasse nicht sehen. Später machte er, dank seines polnischen Namens, in Gdansk Karriere. Nach dem Schulabschluss brachte er es zum Kapitän- Patent für die Küstenschifffahrt. Bis er sich wieder seiner deutsch- danziger Vergangenheit erinnerte und nach Holstein übersiedelte.
Über seine Zeit in Gdansk wollte er ein Buch schreiben. „ Wo drückt Dich der Schuh? fragte ich. „ Na, die Geschichte mit den toten Soldaten passt doch nicht hinein“. meinte er. Du weichst aus. Du sprichst von toten Soldaten, das waren ermordete.. Wenn Du diese Tat auslassen willst, dann hast Du keinen ehrlichen Grund Deine Biographie aufzuschreiben. Wir trennten uns in Altona. Von ihm, dem Danziger Bowke hörte ich niemals etwas wieder.copyr g.jeske