Hallo miteinander,
in Krebsfelde hatte mein Ur-Ur-Ur-Großvater direkt am Fuße des westlichen Dammes der Stubaschen Lake (?), einem westlich der Nogat verlaufenden Nebenzweig dereselben. eine Siedlungsstelle.
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Ausschnitt Krebsfelde
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Links unten: Jonasdorf - rechts oben Lakendorf
Dieser Joh[ann] Hanke ist durch Geburtseinträge seiner Kinder im Kirchenbuch von Fürstenau für die Zeit von 1806 bis 1826 nachweisbar. Er muss also Zeitzeuge und Leidtragender des großen Bruchs des westlichen Nogatdammes gewesen sein.
Ein Zeitzeuge, der Pfarrer von Schadwalde, berichtete über den Bruch ausführlich. Nachstehend sein von mir weitgehend original belassener Bericht. Angaben in runden Klammern sind Fußnoten, Angaben in eckigen Klammern habe ich mir erlaubt hinzu zu fügen.
Wenn jemand genauere Angaben bzgl. des 'linken Nogatarms hat, würde ich mich über eine Nachricht freuen.
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aus: Preussische Provinzial-Blätter, 1829, 2. Band, Seiten 66 -
Der Durchbruch der Nogat am 9. April 1829 bei Schadwalde im großen Marienburgschen Werder, und die Hemmung dieses Durchbruches am 23. Mai 1829
(Mitgetheilt von C. E. G. von Schäven, Pfarrer zu Schadwalde)
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Am 29. December vorigen Jahres hatte sich das Eis in der Nogat mit einer Höhe von 3 Fuß am Strompegel gestellt. In den folgenden Monaten Januar, Februar und März dauerte der Frost mit Strenge fort, und nur einmal trat gelinde Witterung auf wenige Tage, aber nicht eigentliches Thauwetter, ein. Die Kälte war bis auf - 20 ° Reaumur [- 25 ° Celsius] gestiegen, und bis zur Mitte des Januars wenig Schnee gefallen. Das Eis erhielt deswegen in der Nogat eine außerordentliche Stärke, und da dieser Strom, als Hauptarm der Weichsel, zu denjenigen rapiden Flüssen gehört, deren Oberfläche nicht anders gefrieret, als wenn durch Aneinanderschieben der Eisschollen, die hier Grund-Eis genannt werden, eine Verstopfung geschieht, so waren diese aneinander geschobenen Eisschollen äußerst fest zusammengefroren, und bildeten eine Dicke von 4 bis 5 Fuß. Mit dem Beginne des Februars fiel eine Menge Schnee, daß der Fluß mit 3 bis 4 Fuß Schneehöhe bedeckt wurde. Er konnte anfänglich wegen der aufgethürmten Eisschollen, hernach wegen der Menge Schnee, mit Schlitten nicht befahren werden, bis im Monat März die Strahlen der Sonne den Schnee einigermaßen verschwinden ließen. In den ersten Tagen des Aprils trat langsames Thauwetter ein; nur zuweilen regnete es, jedoch wechselte diese Witterung mit Nachtfrösten ab. Obgleich man allgemein viel Bangigkeit wegen des Eisganges äußerte, so schien sie sich doch zu verringern, weil man glaubte, daß bei dieser Witterung die Wasser-Masse, welche die Weichsel aus Polen her erhält, und von der sie einen großen Theil der Nogat zuschickt, nach und nach ablaufen, und die starke Eisdecke des Stromes ruhig liegen bleiben würde. Es waren indessen alle nothwendigen Maßregeln ergriffen, um bei dem bevorstehenden Eisgange angewendet zu werden. Die Eiswach-Geräthschaften, z. B. Diehlen, Pfähle, Faschinen, Wehrholz, wurden in Bereitschaft gehalten; die zur Eiswache erforderlichen Mannschaften nebst Wagen und Pferden waren mit angemessenen Befehlen versehen, und an den verschiedenen Puncten des Deiches (der Deich wird hier gewöhnlich Damm genannt, und es wird deshalb die letztere Benennung beibehalten werden) bei den Wachtbuden aufgestellt. Das Königl. Landraths-Amt hatte den Bewohnern der Nogat -Insel den Befehl ertheilt, sich mit einer gehörigen Anzahl Kähne zu versorgen, dergestalt, daß jeder Grundstücksbesitzer einen Kahn, welcher 12 bis 16 Menschen tragen konnte, anschaffen sollte, um im Falle eines Durchbruches sich und die Seinigen zu retten, und auch auf Schoppen und Dachböden sollten die Viehbesitzer Noth-Stallungen, sogenannte Steuerungen, anlegen, um das Vieh vor dem Ertrinken zu bergen.
Am 8. April, um 8 Uhr Morgens, fing das Wasser an beträchtlich zu steigen, und innerhalb weniger Stunden zeigte der Strompegel 6 Fuß Wasserhöhe. Am Abende desselben Tages hatte er schon oberhalb dieses Dorfes, ohngefahr 250 Schritte von demselben entfernt, eine Höhe von 9 Fuß erreicht, und der Damm war nur noch 3 Fuß höher als der Wasserstand. Es mußte also gegen das Dorf eine Verstopfung des Eises stattfinden, weil das Wasser oberhalb desselben höher stand als in der Gegend des Dorfes selbst (Schadwalde liegt ganz nahe am Nogatdamme, auf dem linken Ufer des Flusses. Einige Häuser stehen am Fuße des Dammes). Die Eisdecke, welche noch nicht gebrochen war, wurde jetzt schon von dem Wasser getragen, und als man die Stärke derselben untersuchte, fand man, daß sie überall 2 1/2 Fuß und an vielen Stellen 3 1/2 Fuß dick war. Wenn diese Eisdecke nun in den Gang gerieth, so konnte man sicher befürchten, daß sie den Damm an mehreren Stellen durchbrechen würde. Es
folgte eine stürmische, finstere Nacht. Der Himmel war mit schwarzen Wolken bedeckt, und in Strömen fiel der Regen bei schrecklichem Sturmwinde herab, abwechselnd von Hagel begleitet. Hierdurch wurde der Damm völlig erweicht, und Furcht und Angst ergriffen die Dorfsbewohner, so wie auch die aus der Eiswacht liegenden Mannschaften aus den entfernten Dörfern (Eiswächter werden diese genannt. Von 4 Hufen muß ein mit 4 Pferden bepannter Wagen nebst den erforderlichen Arbeitern gestellt werden, sobald der Eisgang zu befürchten ist. Diese werden längs dem Damme in den dazu erbauten Häusern untergebracht, um bei Gefahr gebraucht werden zu können.). Um 2 Uhr Mitternachts versuchte man die Eiswachtwagen mit dem nöthigen Material auf den Damm zu führen, weil noch fortdauernd das Wasser oberhalb des Dorfes höher stieg. Es sollte nun dort eine augenblickliche künstliche Erhöhung des Dammes durch Aufrichtung von Diehlen, die mit eingeschlagenen Pfählen gehalten werden und zwischen denen Dünger festgestampft wird (welche Vorrichtung man Kasten nennt), versucht werden, um einem Übersturze des Wassers vorzubeugen. Wegen der Dunkelheit der Nacht und des heftigen Sturmwindes, der die angezündete den Wagen vorgetragenen Laternen auslöschte, mußte der Versuch aufgegeben, und bis zum Anbruche des Tages ausgesetzt werden. Dann aber wurde sogleich die erwähnte Vorrichtung angewandt, weil an dieser Stelle, wo hernach der Durchbruch erfolgte, der Damm nur noch 1 1/2 Fuß über dem Wasser und Eise hervorragte.
Um 8 Uhr Morgens zeigten sich plötzlich auf der Krone des Dammes Spalten, die in schlangenförmigen Linien landwärts anfingen, und flußwärts sich endigten auf einer Strecke von 100 Ruthen, und die tief in die Mitte des Dammes gingen, so daß man wohl bis 12 Fuß in den Damm hinein sehen konnte. Das Fahren mit den Eiswachtwagen mußte augenblicklich aufhören, und man bemühete sich durch eine Menge Arbeiter diese Spalten und Risse zu verstopfen, indem von der Landseite des Dammes etwas Erde abgenommen und mit hinzugefügten Faschinen in diese!ben hinein gelegt wurde. Mehr als 150 Arbeiter beschäftigten sich hiemit bis Nachmittags um 2 Uhr. Die Spalten und Risse öffneten sich jedoch immer stärker; es entstanden noch mehrere, und die an den Damm andringende Wasser- und Eismasse drückte so heftig, daß endlich nach einer Stunde, um 3 Uhr Nachmittags, sich dieselben in einer großen Weite auseinander dehnten, und nun das Wasser mit Gewalt eindringend sich durch den Damm fortwälzte. Alle Hülfe und Arbeit, Mühe und Fleiß, waren jetzt vergeblich; die Arbeiter mußten mit Schnelligkeit fortspringen, um nicht von den Fluthen mitgerissen zu werden; sie retteten nur durch die eiligste Flucht ihr Leben. Noch immer hatte ich, der ich Augenzeuge vom ganzen Vorgange des Unglücks war, die Arbeiter zur Ausdauer ermuntert, und sie mit der Hoffnung getröstet, daß das Wasser in wenigen Minuten abfallen könnte, wenn die Stopfung von Eis und Wasser in den Gang käme; indessen da dieses nicht geschähe, so war der Durchbruch unvermeidlich und unaufhaltbar.
Mit Wuth stürzte nun die tosende Wassermasse durch die Spalten und Risse, brach an beiden Seiten große Stücke vom Damm ab, und in wenigen Augenblicken hatte sie sich eine weite Öffnung gebahnt und bedeckte die fruchtbaren Felder und Gärten. Es schlug die unglückliche Stunde der Verwüstung und Verheerung der so fruchtbaren Ackerländereien des Dorfes Schadwalde, um es in demselben Maße mit Sand zu uberschütten, wie 1780 ein gleiches trauriges Schicksal das nah gelegene, zur hiesigen Parochie gehörige Dorf Halbstadt erlitten hatte.
Schrecklich und mit vielem Verluste verknüpft ist eine jede Überschwemmung, aber am meisten leidet immer das Dorf, welches dem Durchbruche zunächst liegt. Dieses, und nicht die andern Dörfer, werden mit Sand bedeckt, und an den meisten Stellen mit einer Höhe von 3 bis 4 Fuß, weil die Fluten denselben nur selten über eine halbe Meile weit mit sich führen, aber den größten Theil des Sandes unweit der Durchbruchstelle liegen lassen.
Da der Durchbruch so nahe dem hiesigen Dorfe geschah, so befürchtete Jedermann, daß das ganze Dorf, wenn die Eisschollen sogleich den Fluten folgen würden, mit allen Gebäuden fortgerissen werden könnte. Bei der ersten Kunde von dem betroffenen Unglücke flüchteten sich alle Einwohner auf den, gegen das Dorf stehen gebliebenen Theil des Dammes, um von hier aus die Ankunft und Wirkung der Wassermasse abzuwarten. Vater, Mütter mit Säuglingen auf den Armen, Greise, Kinder, Jünglinge, Jungfrauen, Wittwen, Waisen erblickte man dort in bunter Mischung, und selbst Kranke und Schwache, von dem Lager der Ruhe vertrieben, hatten sich dorthin geschleppt, oder wurden hinauf geleitet. Niemand wagte in seiner Wohnung zubleiben, denn Keiner wußte, welchen Lauf das Wasser mit den Eisschollen nehmen, und wie hoch dasselbe anschwellen, und ob die Häuser demselben glücklichen Widerstand leisten würden!
Ich selbst war mit den Meinigen dort angekommen, indem ich ein Kind von 1 1/2 Jahren auf den Armen trug, ein anderes von 11 Jahren an der Hand führend, während meine Gattin mit einem Säuglinge an der Brust und einem Kinde von vier Jahren neben sich mir folgte. Ich theilte nach des Herrn Rath und Willen das traurige Schicksal mit den Dorfsbewohnern, hinterlassend die gesammte Habe, um nur das eigene Leben und das Leben der Meinigen zu retten. Mit dem Seufzen und Wehklagen der Bejahrten, und mit dem Weinen und Wimmern der Kinder vermischte sich das verschiedenartige Geschrei der Thiers, die von ihren Eigenthümern gleichfalls an den Damm getrieben waren: sie liefen durcheinander, fühlten ihre Unbehaglichkeit bei Verlassung der Ställe, gleichsam, als wollten sie Theilnahme an dem Schicksale ihrer Beherrscher äußern.
Aber gewichen war die Schutzwehr, ohne Schranken der Strom, ohne Grenze die Flut!
Das war das Schicksal, welches am 9. April, Nachmittags um 3 Uhr, den Bewohnern der großen Nogatinsel (der große Marienburgsche Werder genannt, zum Unterschiede des kleinen Marienburgschen Werders, welcher letztere auf dem rechten Ufer der Nogat liegt) begegnete, und das mit blutiger Farbe in die Annalen des großen Werders eingetragen dasteht. 76 Ortschaften mit 21.504 Emwohnern waren jetzt uberschwemmt, die Winter- und Sommersaaten verloren, und namenloses Leiden über sie gekommen, noch um Vieles größer als dasjenige, welches sie vor dreizehn Jahren, beim Durchbruche der Nogat unterhalb des Kirchdorfes Wernersdorf, im Jahre 1816 traf. Denn damals stieg die Flut nicht so hoch, es wurde auch weniger Land versandet, ein großer Theil der Wintersaaten erhalten, und die Sommersaaten konnten noch zur Reife gelangen, weil der Durchbruch schon in der Mitte des Monats März sich ereignete, und derselbe auch leichter zu hemmen war.
Obgleich viele der Meinung waren, daß das hiesige Dorf eine Beute der Wasser- und Eismasse sein werde, so hat doch Gott die Seinen gnädig erhalten: er, der auch beim Aufruhr der Elemente, und im Kampfe mit denselben zu schützen, zu bewahren weiß, und der auch im Ungewitler segnet, leitete - auch hier das wüthende Element, das über die, ihm von der Kunst gesetzten, Schranken hinausgebrochen war, so daß Keiner das Leben einbüßte, und daß auch nur ein Haus völlig zertrümmert wurde, wiewohl die andern Hauser und Gebäude große Beschadigungen erlitten. Das Dorf genoß einer besondern Obhut: das Wasser stürzte zwar ununterbrochen aus dem Strome fort; die Eisdecke blieb indessen noch ruhig liegen. Der durchbrochene Damm leistete noch so viel Widerstand, daß nur kleine Eisschollen durch die Öffnung, die anfanglich nur wenige Ruthen [ 1 Ruthe =
3,766 m] groß war, hindurch gehen konnten. Am dritten Tage folgte erst die Eisdecke, nachdem die durchbrochene Stelle schon eine Weite von 72 Ruthen erlangt hatte, indem der Damm immer weiter abgebrochen wurde. Nun aber wurde das Eis seitwärts dem Dorfe auf den hoch mit Wasser angefüllten Feldern fortgetrieben, wo es in dem weiten Raume nicht mehr Schaden zufügen konnte.
Merkwürdig ist es, daß in den ersten Tagen nach dem Durchbruche, der Strom unterhalb des Durchbruches noch so viel Eis von solcher Stärke in sich hatte, daß über dasselbe Menschen und Pferde nach dem auf dem jenseitigen Ufer gelegenen, Schadwalde gegenüber befindlichen Dorfe Jonasdorf gehen konnten, und dieser Umstand wurde von den hiesigen Grundstücksbesitzern benutzt, um dort ihr Vieh in das kleine Werder zur Fütterung unterzubringen. Noch vier Tage blieb diese Eisdecke liegen , und nur oberhalb des Durchbruches entledigte sich der Strom des Eises.
Überschwemmt war nun die Umgegend, und die Verbindung unter den Bewohnern in den Dörfern wurde mit Kähnen unterhalten, und es kam nun jene weise und vorsichtige Anordnung des Königl. Landrathsamtes, Kähne anzuschaffen, wie oben erwähnt, — sehr zu Statten. Die Mehrzahl der Bewohner, deren Wohngebäude nicht hoch gelegen waren, mußten ihre Wohnung auf Dachböden und Schoppen nehmen, bis nach Verlauf von acht Tagen der Wasserstand niedriger wurde. Die Noth und das Elend derselben wurde um ein Vielfaches durch den eingetretenen heftigen Nachtfrost vergrößert, aber auch dieses Ungemach wurde glücklich überstanden. Diejenigen Dörfer, derenFelder sich stark verflachen, und also der Strömung und dem Wasserzuge mehr ausgesetzt sind, blieben allerdings länger überschwemmt, z. B. Schadwalde, Halbstadt, Lindenau, Groß-Mausdorf, Lupushorst und andere, welche näher dem frischen Haffe, — dem Ausfalle des Stromes, — liegen, haben mehr als andere, wo das Wasser schnell abfiel, gelitten.
Die hiesige Kirche nebst Widdem [Pfarrhof mit Pfarrhaus] war sechs Tage hindurch mit 3 bis 4 Fuß Wasserhöhe gefüllt: am siebenten Tage fiel das Wasser so weitab, daß am Karfreitage schon Andacht in der Kirche gehalten werden konnte: am Palmsonntage hatte dieselbe wegen Überschwemmung ausfallen müssen. Am grünen Donnerstage wurden Stege auf hohen Pfählen angebracht, und auf diesem Wege versammelte sich die Gemeinde zahlreich in des Herrn Tempel, wo ich nach Luc. 23, 27 - 28 darüber sprach: „Zu höchst trauervollen Gedanken fordert uns der heutige festliche Tag auf, wo wir nach einem großen betroffenen Ungemache, uns zum erstenmal! vor dem Herrn versammelt haben".
Nach vierzehn Tagen konnte ich erst die Widdem beziehen, wiewohl das Wasser nur zwei Fuß vom Hause entfernt stand, und sechs Wochen und drei Tage beinahe in diesem Zustande beharrte, so daß Scheune, Stall und Garten von demselben umgeben blieben. Ich hatte mit den Meinigen inzwischen auf dem Dachboden, und hernach in einem benachbarten Hause gewohnt. Die Wohnung des Organisten war völlig unbewohnbar geworden, denn die Wände waren eingestürzt, der Schornstein eingefallen und die Brandmauer abgesprungen. Der Organist wurde in ein benachbartes Haus untergebracht. Der Schaden, welchen überhaupt das hiesige Dorf erlitten hat, ist zu einem Geldwerthe von 59.435 Rtl. [Reichstaler] amtlich angegeben worden, worunter die versandeten Felder, verlorne Winter - und Sommersaaten, Verluste an Vieh, an noch nicht ausgedroschenem Getreide in den Scheunen, an Beschädigungen an Gebäuden, Wassergängen u. s. w. eingeschlossen sind.
Am 27. April wurden die ersten Anstalten zur Hemmung des Durchbruches getroffen. Nach geschehener Berathung mit Zuziehung des Oberdeichinspectors Mentzel aus Marienburg, beschloß das Deichgräfencollegjum (d.h.der Deichgraf nebst sämmtlichen Deichgeschwornen des großen Werders, denen zunächst die Deiche oder Dammbauten obliegen) eine Vorrichtung anzulegen, welche man Fangdamm nennt, um auf diese Weise den Strom in sein Bett zuerst zurückzuleiten, und um hernach den Hauptdämm auf der durchbrochenen Stelle wieder aufzuführen.
Bei Anlegung dieses Fangdammes zeigten sich aber mannichfache Schwierigkeiten. — Der Durchbruch war an einer Stelle geschehen, wo landwärts schon, ehemals ausgestochenes Land (eine sogenannte Gruft) sich befand; auch bildete hier der Strom eben eine Krümmung nach dem Binnenlande, und spie deshalb den größten Theil seines Wasserinhaltes durch den Durchbruch aus. Es mußte daher der Fangdamm in einem weiten Halbkreise von 214 Ruthen Länge um den Durchbruch geführt werden. Die eigentliche Ausführung und Vollendung dieses wichtigen Werkes war dem Deichgeschwornen Görz aus Gr. Mausdorf, einem erfahrnen, geschickten und sehr thätigen Manne, übertragen, dem zur Hülfe noch ein anderer Deichgeschworner zugeordnet war. Der Deichgraf sorgte indessen für die nöthige Herbeischaffung des Materials u. s. w. Dieser Fangdamm sollte anfänglich mit Pfählen, die an beiden Seiten in doppelter Reihe angebracht, und deren Zwischenraum mit Dammerde ausgefüllt
worden, fortgeführt werden: aber bei einer Wassertiefe von neun Fuß gewahrte diese Bauart keinen sicheren Widerstand gegen den Andrang des Stromes. Es wurde hierauf landwärts eine Coupirung, d.h. eine bis zum Grundbette gehende Faschinenlage, mit Dammerde beschwert, von achtzehn Fuß Breite, angelegt, und flußwärts die Pfahlreihe fortgeführt. Auf diese Art bekam der Damm die erwünschte Festigkeit.
Nachdem der Fangdamm auf beiden Seiten des Durchbruches angefangen, und an demselben mit 370 Arbeitern während vier Wochen täglich unermüdet gearbeitet worden, sollte derselbe am 23. Mai geschlossen, d.h. die beiden Enden desselben vereinigt werden. Die Vereinigung und feste Verbindung der beiden Enden, welche sich einander im Halbkreise näherten, geschah auch glücklich in der Nacht vom 23. auf 24. Mai, und gekommen war die beglückte Stunde, wo die Überschwemmung täglich sich vermindernd, in wenigen Wochen völlig aufhörte, weil der Fluß, sein altes Bett wieder einzunehmen, gezwungen war. Sechs Wochen und drei Tage hatte derselbe in Wildheit sein Wasser über Felder und Gärten, über Wohnhäuser und Dörfer gesendet, und jetzt war er wieder in die ihm gesetzten Schranken zurückgewiesen und sein Durchbruch gehemmt. Um zehn Uhr Abends am genannten Tage, den 23. Mai, — konnte schon ein reitender Bote mit der frohen Nachricht der glücklichen Schließung des
Fangdammts an das Königl. Landrathsamt, über die verbundenen beiden Enden desselben geschickt werden. Auf den Erfolg dieses Ereignisses war Jedermann gespannt, weil bei Anlegung anderer Fangdämme, z. B. bei Wernersdorf im Jahre 1816 die Enden mehrere Male von der Kraft des Stromes fortgerissen und die Beendigung des Werkes um viele Tage verzögert worden.
Auf eine christliche Weise sollte dieses wichtige Werk, durch dessen Beendigung der Landmam, freier athmete, sein von Sorgen und Trübsal niedergebeugtes Haupt leichter empor hob, geschlossen werden. So war es mein Vorsatz, und der allgemeine Wunsch sprach sich durch freudiges und schönes Einstimmen der respectiven Behörden aus. Es wurde deshalb eine religiöse Dankfeier angeordnet, welche auf dem Fangdamme selbst, ganz in der Nahe der verbundenen Enden desselben, stattfinden sollte. Es hatten sich hiezu der Landrath und Ritter Hüllmann, der Oberdeichinspector Mentzel, der Domainenintendant Krüger, der Bürgermeister Hüllmann aus Marienburg, der Deichgraf Böthke aus Tannsee, er Deichgraf Gehrt aus Rückoit, und sämmtliche Deichgeschwornen des großen und kleinen Marienburgschen Werders nebst deren Deichdeputirten u. s.w. eingefunden. — Nebst meiner Gemeinde hatten sich viele Zuhörer aus den zunächst gelegenen Dörfern diesseits und jenseits der Nogat, und aus den Städten Marienburg und Elbing versammelt. Eine herrliche schöne Witterung begünstigte die Feier des Tages. Am 24. Mai — Dom. Rogate — um 11 Uhr Vormittags begann die Feier mit dem Gesänge des Liedes: „Sei Lob und Ehr' dem höchsten Gut" u. s. w. An dieses Lied schloß sich die Predigt an, welcher die Stelle: Hiob 38, 10-11, zum Grunde lag, und deren Thema der Satz war: „Wir stehen unter der schützenden Allmacht des Herrn!" (Diese Predigt, so wie die am Charfreitage und am Osterfeste gehaltenen Vorträge gedenke ich zu einer andern Zeit für einen wohlthätigen Zweck, mit einer umständlichen und ausführlichen Beschreibung jenes schrecklich denkwürdigen Tage zum Drucke zu befördern.) Hierauf folgt der Gesang des Liedes: „Nun danket Alle Gott, mit Herzen, Mund und Händen u. s. w.".
Die tiefe Rührung und feierliche Stille, die sich überall unter der großen Menge der Zuhörer (vielleicht über 2.000) zeigten, so verschieden an Stand, Bildung und Bekenntnisse (denn Mennoniten, Katholiken, selbst Juden waren anwesend —) sie sein mochten, waren deutliche Beweise, daß eine Feier solcher Art an ihrer Stelle war. Die Kähne, welche zur Anfuhr der Dammerde gebraucht worden, vielleicht 70 an der Zahl, hatten die Wimpel und Flaggen aufgezogen, und lagen im Bassin des Stromes, welches nun der Fangdamm seit wenigen Stunden bildete, vor Anker, gefüllt mit Zuhörern.
Schadwalde bei Marienburg, den 3. Jun. 1829.
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Ich habe diesen Bericht natürlich emotional ganz anders gelesen, da ich immer meinen Vorfahren vor Augen hatte ...
Aber ich kann mir gut vorstellen, dass gerade die Beschreibung der Dammarbeiten auch für andere Leser von Interesse ist.
Viele Grüße
Peter
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