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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Buchempfehlung Heinrich Dyck Dziennik Zulawski (Werder-Tagebuch 1878)



Wolfgang
10.11.2015, 14:50
Schönen guten Nachmittag,

mir liegt die Abschrift eines alten Tagebuches aus dem Jahre 1878 vor (Heinrich Dyck, *17.08.1850, Hauskampe an der Elbinger Weichsel).

In diesem alten Text werden einige Begriffe verwendet mit denen ich nichts anfangen kann und deren Sinn sich für mich auch aus dem Kontext nicht ergibt. Wer hat eine Idee bzw. kann weiterhelfen?

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Den 4. Juni. Der Vater und ich fuhren nach Tiegenhof. Gustav Schulz kaufte 8 Ochsen a 240 Mark, dann gab er mir noch 600 Mark ab; ich legte noch 1400 Mark zu, und kaufte für 2000 Mark Ungarn zu 6 Prozent.
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Was ist mit "2000 Mark UNGARN zu 6 Prozent" gemeint? Wertpapiere? Ungarische Anleihen? Oder gab es ungarische Mark?

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Den 11ten October. Die Eltern waren gestern nach Neukirch gefahren und über Nacht geblieben. Heute waren sie bei Schulzen in Fürstenwerder gewesen. Die Leute mußten die Grefel auf den 5 Morgen aufmachen."
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Was sind "Grefel"?

Ich verfüge leider nicht über eine Fotokopie des Originals sondern nur über eine Abschrift. Möglicherweise liegt dort auch ein Transkriptionsfehler vor.

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Den 22ten November. Wir maschinten Weizen. Leider ging uns der Schütterer entzwei. Die Eltern gingen zu Bergens.
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Was ist ein "Schütterer"? Ein Schüttelsieb mit dem der Spreu vom Weizen getrennt wurde?

Schöne Grüße aus dem Werder
Wolfgang

Bartels
10.11.2015, 15:18
Hallo,

zu "Ungarn" ganz auf die Schnelle: http://www.alanier.at/Partialobl.html

"für 2000 [preuss.] Mark"

Wolfgang
10.11.2015, 16:43
Schönen guten Nachmittag,
hallo Rudolf,

danke für den Link. Ich denke, damit sind die "2000 Mark Ungarn" geklärt.

Ich habe da aber noch eine weitere Textstelle bei der ich nicht weiterkomme:

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den 12. Mai. Ich fuhr nach Tiegenort zu Drieger und holte Gardins und Staketen, als ich zurückkam traf ich Herrn Rempel aus Sandhoff bei der Frau Zemke, welcher da etwas anzeigen musste.
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Was sind mit "Gardins und Staketen" gemeint? Staketen wahrscheinlich Zaunlatten, aber haben "Gardins" auch etwas mit einem Zaun zu tun?

Schöne Grüße aus dem Werder
Wolfgang

Bartels
10.11.2015, 21:01
Schönen guten Abend,

noch heute gibt es Staketen für den Zaun einzeln zu kaufen - wer war Drieger, der örtl. Kaufmann?

Hat der gute Heinrich vielleicht die Wünsche seiner Eheliebsten erledigt? Einen neuen Zaun ums Gemüsegärtchen und neue Gardinen für die gute Stube.

Man merke: Liebe ist, ihr Gardinen und Staketen zu kaufen -

auf eigenen Schmuck haben die Mennoniten nicht so grossen Wert gelegt.

Wolfgang
16.11.2015, 10:32
Schönen guten Morgen,

heute habe ich eine weitere Frage: Wer weiß, was ein "Aalbroder" ist? Kann damit ein Aalfänger / -fischer gemeint sein?

Schöne Grüße aus dem Werder
Wolfgang

Bartels
16.11.2015, 11:56
Einen schönen guten Tag,

ich denke unsere Fischerfamilien sind da kompetenter, aber hier Aalbrüder zum Schmunzeln: http://www.aalbrueder.com/verfassung.htm

Ulrich 31
16.11.2015, 13:06
Guten Tag, Wolfgang,

bitte teile ergänzend mit, in welchem Textzusammenhang Du das Wort "Aalbroder" gefunden hast. Vielleicht ergibt sich daraus evtl. sogar eine Lösung in Verbindung mit Rudolfs Schmunzelbeitrag #6.

Viele Grüße
Ulrich

Wolfgang
16.11.2015, 14:40
Schönen guten Nachmittag,
hallo Ulrich,

der Text lautet: "Nachmittag fuhren wir beide die Weichsel bis dem Aalbroder, um zu sehen, ob die Weichsel schon bis Fürstenwerder zu fahren hielt, welches wir da erfuhren."

Eventuell war "Aalbroder" auch der Spitzname einer Person, die Aale fing und/oder verarbeitete.

Mit der Weichsel ist die Elbinger Weichsel gemeint, die im Winter häufig dick zufriert und früher dann mit Pferdeschlitten bequem und schnell befahren werden konnte. Der Vorteil der zugefrorenen Wasserwege gegenüber den Landwegen lag darin, dass sie meist kürzer waren, und dass es auf ihnen kaum Schneeverwehungen gab.

Schöne Grüße aus dem Werder
Wolfgang

Ulrich 31
16.11.2015, 17:18
Hallo Wolfgang,

danke für den Kontext. Nach seiner Kenntnis tippe ich bei "Aalbroder" auch auf Spitzname.

Beste Grüße aus Berlin
Ulrich

Bartels
16.11.2015, 18:28
Hallo,

- Aalbrater
- Aalräucherer
- "alter Bruder"?

Beste Grüsse
Rudolf H. Böttcher

sarpei
16.11.2015, 18:49
Hallo miteinander,

oder aus dem Kontext der mennonitischen 'Bruderschaft' (so viel ich weiß rede(te)n sich Mennoniten untereinander mit 'Bruder' bzw. 'Schwester' an):

Aalbroder = Aal-Bruder = der mennonitische Bruder, der Aale fängt und zubereitet ...


Viele Grüße

Peter

Ulrich 31
16.11.2015, 22:05
NB zu #11:

Auch Baptisten reden sich offenbar untereinander mit "Bruder" und "Schwester" an. Das habe ich erfahren, nachdem ich bei meinem Danzig-Besuch 2014 an einem Gottesdienst in der jetzigen Baptistenkirche am Hagelsberg (Nachfolgerin der dortigen früheren evangelischen Jakob-Hegge-Kapelle) teilgenommen hatte. Bei einem anschließenden Gespräch mit dem dortigen Kirchenältesten (in Englisch), der von einer auch Deutsch sprechenden Dame begleitet wurde, wurde mir zugesagt, mir einen in Deutsch geschriebenen Bericht über die Geschichte der Baptisten in Danzig nach Berlin zu schicken. Diesen Bericht erhielt ich später auch, zusammen mit einem sehr freundlichen Begleitschreiben jenes Kirchenältesten in deutscher Übersetzung - und dieses Begleitschreiben begann mit der Anrede: "Lieber Bruder!". Man hatte also wohl angenommen, ich selbst sei auch Baptist, was allerdings nicht zutrifft.

Viele Grüße
Ulrich

Wolfgang
16.11.2015, 23:46
Schönen guten Abend,

gerade eben habe ich meine Textverifizierungen abgeschlossen und dem Lektor des Textes mitgeteilt, dass ich eine auf dem jetzigen Kenntnisstand basierende Veröffentlichung für nicht sinnvoll halte. Es bestehen bei einem so alten Text folgende Schwierigkeiten:

- Transkriptionsfehler, also Fehler beim Lesen eines handgeschriebenen Textes
- Rechtschreibfehler, also Fehler beim Schreiben des gelesenen handgeschriebenen Textes
- Interpretationsfehler, also Fehler beim Verständnis dessen was da richtig oder falsch geschrieben und richtig oder falsch transkibiert wurde
- Übersetzungsfehler ins Polnische

Erschwerend bei all dem kommt hinzu, dass viele kleine Orte/Plätze genannt wurden, die heute nicht mehr bekannt/existent sind. Und das trifft auch auf landwirtschaftliche Begriffe zu, die für einen Laien ein Buch mit sieben Siegeln sind.

Mal sehen, ob mein Vorschlag das auf breiterer Basis zu diskutieren, angenommen wird. Denn hier böte sich in meinen Augen wirklich die Möglichkeit, "Schwarmintelligenz" in Anspruch zu nehmen und davon zu profitieren.

Schöne Grüße aus dem Werder
Wolfgang

sarpei
17.11.2015, 00:12
Hallo Wolfgang,

ich würde gerne mitschwärmen ..... ;)


Viele Grüße

Peter

Wolfgang
10.02.2016, 21:41
Schönen guten Abend,

auch dank Eures Mitwirkens erschien nun das Buch "Heinrich Dyck: Dziennik żuławski 1878" (Werder-Tagebuch 1878). Das 182 Seiten umfassende Taschenbuch wurde überwiegend zweisprachig verfasst. Der polnischen Übersetzung folgt der deutsche Text, anschließend daran ist die polnische Adaption eines Online-Textes unseres früheren Moderators Jürgen Weigle über die Mennoniten zu finden (http://www.g-gruppen.net/mennot.htm)

Es ist ein interessantes Buch das tiefen Einblick in das Leben eines Grundbesitzers und Bauern in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gibt. Ich denke, dass dort beispielhaft das Leben aller Bauern aufgezeigt wird. Der deutschsprachige Originaltext ist auf den Seiten 85-146 zu finden.

Das Buch kostet hier 20,00 Zloty (plus evtl. Portokosten). ISBN 978-83-941573-1-9

Schöne Grüße aus dem Werder
Wolfgang

sarpei
10.02.2016, 21:57
Hallo Wolfgang,

alles schön und gut, allerdings zumindest bei amazon nicht gelistet. Zwei gefundene polnische Quellen: a) meldet 'ausverkauft' b) ist das polnische eBay 'allegro', dort werde ich mich nicht anmelden.

Siehst du eine Alternative?


Viele Grüße

Peter

Wolfgang
10.02.2016, 22:56
Schönen guten Abend,
hallo Peter,

es gibt hier schon Online-Buchhändler die das Buch verschicken (z.B. http://maszoperia.org/home/1991-dziennik-zulawski-1878.html). Allerdings leider nicht für 20,00 Zloty und auch nicht zu akzeptablen Versandkosten. Ich werde morgen versuchen, die wirklichen Portokosten herauszubekommen.

Schöne Grüße aus dem Werder
Wolfgang

Schö

sarpei
10.02.2016, 23:08
Hallo Wolfgang, einen angenehmen Abend wünsche ich!

der von dir angegebene Link war meine Variante a), die ich nicht weiter ausgeführt habe, da mir der Google Translator unter Status die Angabe 'ausverkauft' meldet.


Herzliche Grüße

Peter

Wolfgang
10.02.2016, 23:41
Schönen guten Abend,
hallo Peter,

das Buch ist gerade eben erschienen und ich besuchte heute Abend eine Promotions-Veranstaltung im Werder-Museum in der dieses Buch und eine neue Ausgabe von "Prowincja" vorgestellt wurden.

Leider ist es so, dass Print-Ausgaben von Büchern nicht mehr so gefragt sind wie früher. Ich kenne die Auflage nicht, aber aufgrund des relativ niedrigen Preises reißen sich weder Online-Buchhändler noch lokale Händler die Beine aus. Man verdient eben nix dran und ohne Moos nix los.

Aber wie gesagt, ich schau was das Porto kostet.

Schöne Grüße aus dem Werder
Wolfgang

eva13
12.05.2017, 14:31
Hallo Wolfgang, ich habe das Tagebuch seinerzeit für meine Familienforschung übertragen. Heinrich Dyck ist ein Vorfahre meiner Familie Schulz aus Fürstenwerder. Leider ist in der polnisch-deutschen Printfassung ein Fehler entstanden. Auf den Seiten 82/83 wird auf die Nachfahren hingewiesen. Helene Dyck, die Schwester von Heinrich Dyck, und verheiratet mit dem Bier-Essigfabrikanten Jacob Hamm aus Tiegenhof. Ihre Tochter Elise Hamm ist meine Großmutter, verheiratet mit Johannes Schulz. Ihr viertes von sechs Kindern war mein Vater Werner Schulz. Ich heiße Ingrid Schmiederer geborene Schulz. Ich bin im Besitz des Originaltagebuchs. Falls Jemand es einsehen möchte kann ich es gern zu treuen Händen ausleihen.