waldling +6.8.2023
12.01.2016, 22:43
Nachruf
Am 11.01.2016, um 10.30 Uhr, verstarb meine liebe Mutti Erika geborene Rosenbaum
Ich könnte eine sehr lange Rede für meine Mutti halten. Über ihre Liebe für uns und darüber, dass sie immer für uns da war, wie eine Mutter das eben tut. Ich möchte hier aber 2 Dinge in Erinnerung rufen. Einmal den Aspekt ihrer Liebe, dieses Lachen das sie hatte und zum anderen ihre Liebe zu Stutthof in Westpreußen, ihrem Heimatort.
Lange bevor ich wirklich etwas über die Geschichte meiner Mutter wusste, sprich in meiner Kindheit, wurden mir doch häufig Heimat-Anekdoten durch meine Mutter zugetragen. Beispielsweise, wenn sie mit Freunden aus der Heimat telefonierte oder wenn Verwandte zu Besuch waren. Auch in unserem Stadtteil gab es Heimat-Vertriebene aus der Gegend meiner Mutter oder sogar aus demselben Ort, aus diesem für mich sagenumwobenen Ort Stutthof, der für mich immer etwas Mystisches hatte.
Von Zeit zu Zeit hörte ich meine Mutter eine seltsame Sprache sprechen. Es war das Stutthöfer Platt, welches mich faszinierte und zugleich belustigte. Insbesondere dann, wenn meine Mutter sich mit ihren Freunden Geschichten erzählte und dann alle plötzlich laut lachten. Dieses Lachen war herrlich. Meine Mutter konnte wirklich herzlich lachen. Da ging und geht mir bis heute mein Herz auf.
Als ich mich etwa 2009, mit Ende 40, auf den Weg machte, um nach meinen Vorfahren zu forschen, besuchte ich 2012 auch den Ort Stutthof, der heute Sztutowo heißt und zu Polen gehört. Ich durfte nun zum ersten Mal erleben, was Mutti gemeint hatte, wenn sie ihre Geschichten zum Besten gab. Die Schönheit des Ortes bezieht sich nicht so sehr auf die heutigen Dorfansicht, sondern vielmehr um den wunderschönen Strand, mit seinen Bernsteinen. Mutti liebte diesen Bernstein. Manchmal stand ich am Strand oder im Dorf und lauschte dem Rauschen des Meeres, abwechselnd mit Gedanken an die Geschichten meiner Mutter und wieder gedankenlos. Oft sprach meine Mutter vom Rauschen der Ostsee, das auch bei weniger Wind im Dorf zu hören war. Oder von der Königsberger Weichsel, die sie ebenso liebte, in die sie für das schnelle Baden sprang. Wenn meine Mutter im Sommer ihrem Vater beim Schwellen-Sägen helfen musste, und ihre Freundinnen mit ihren Badeanzügen kreisend am Zaun standen, ihr Vater dann ein Einsehen hatte und auf Platt sagte, sie solle gehen, dann ging es schnell an und in die Weichsel. Vom Wald schwärmte meine Mutter ebenso wie vom Strand und Meer. Den Wald, den sie durchquerte wenn sie zur Ostsee wollte und in dem sie Blaubeeren sammelte.
Ihre als Kind starke Verbindung zu ihrem Geburtsort Tiegenhof, sollte sich bald legen, und sie entwickelte eine starke Verbindung mit Stutthof, den Ort in dem sie aufgewachsen ist. Ihre ersten Schultage in der ersten Klasse waren wohl noch schwierig. Ihre Mutter musste sie nach einem "Fluchtversuch" wieder in die Schule zurück bringen. Die Wohnbedingungen waren sicherlich nicht zu vergleichen mit denen von heute, zumindest nicht mit den Menschen gleichen Berufsstandes. Meine Mutter erzählte, dass sie und ihre beiden Brüder in einem Raum, jeder in einer Ecke, ein Bett stehen hatten. Dann gab es noch eine Küche und einen Schlafraum der Eltern.
Einmal hörte meine Mutter von dem Vorhaben, dass ihre Brüder ihr des Nachts die Fingernägel schneiden wollten, die sie als zu lang empfanden. Meine Mutter, ja nicht dumm, zog sich zur Nacht Handschuhe an, so war dann das Vorhaben gescheitert.
2013 konnte Mutti dann nicht mehr allein leben. Sie zog in die WG-Gustav-Schatz-Hof, dort wurde sie von einem grandiosen Team der Diakonie Altholstein betreut. Dafür sind wir alle sehr dankbar!
Ich möchte noch einmal auf ihr Lachen zu sprechen kommen. Dieses Lachen bereicherte in der WG die gesamte Gemeinschaft. Sie konnte, wenn sie gut drauf war, schon immer eine ganze Gruppe zum Lachen bringen und unterhalten. Ein immer noch gern genommener Witz ist ein alter Ostpreußenwitz. Die Handlung scheint ein Nachkriegswitz zu sein. Sinngemäß: Ein amerikanischer Soldaten forderte ein ostpreußisches Mädchen zum Jazz-Tanz auf. Das Mädchen sagte dann, „Jazz (jetzt) nicht, später“. Manchmal, wenn ich in die WG kam, wirkte es noch nach, wenn Mitarbeiter auf mich zukamen und mir berichteten, welche Stimmung meine Mutter gerade wieder verbreitet hatte, in ihrer heimatlichen Mundart, mit Witzen und Sprüchen und nicht zuletzt mit ihrem Mundharmonika-Spiel, welches sie in Stutthof erlernte. Nie nach Noten, das war nicht ihr Ding, einfach nach Gehör.
In tiefer Trauer
Du gehst nur ein Stück voraus
Ein paar Worte des Trostes
Als ich am Vorabend der Trauerfeier nicht einschlafen konnte, gingen mir viele Gedanken durch den Geist. Ein sehr tröstlicher Gedankengang war, als ich an meine Geburt dachte, das Mutti meinen ersten Atemzug erleben durfte, und das ich jetzt den letzten Atemzug meiner Mutti erleben durfte. Damit schloss sich wieder ein Kreis.
Als ich am nächsten Morgen gegen 7 Uhr unsere Terrassentür öffnete, erschien mir der Morgenstern extrem hell. Es war so, als wenn Mutti mir mitteilen ließ, dass sie gut angekommen ist, wo auch immer.
Uwe/waldling
Am 11.01.2016, um 10.30 Uhr, verstarb meine liebe Mutti Erika geborene Rosenbaum
Ich könnte eine sehr lange Rede für meine Mutti halten. Über ihre Liebe für uns und darüber, dass sie immer für uns da war, wie eine Mutter das eben tut. Ich möchte hier aber 2 Dinge in Erinnerung rufen. Einmal den Aspekt ihrer Liebe, dieses Lachen das sie hatte und zum anderen ihre Liebe zu Stutthof in Westpreußen, ihrem Heimatort.
Lange bevor ich wirklich etwas über die Geschichte meiner Mutter wusste, sprich in meiner Kindheit, wurden mir doch häufig Heimat-Anekdoten durch meine Mutter zugetragen. Beispielsweise, wenn sie mit Freunden aus der Heimat telefonierte oder wenn Verwandte zu Besuch waren. Auch in unserem Stadtteil gab es Heimat-Vertriebene aus der Gegend meiner Mutter oder sogar aus demselben Ort, aus diesem für mich sagenumwobenen Ort Stutthof, der für mich immer etwas Mystisches hatte.
Von Zeit zu Zeit hörte ich meine Mutter eine seltsame Sprache sprechen. Es war das Stutthöfer Platt, welches mich faszinierte und zugleich belustigte. Insbesondere dann, wenn meine Mutter sich mit ihren Freunden Geschichten erzählte und dann alle plötzlich laut lachten. Dieses Lachen war herrlich. Meine Mutter konnte wirklich herzlich lachen. Da ging und geht mir bis heute mein Herz auf.
Als ich mich etwa 2009, mit Ende 40, auf den Weg machte, um nach meinen Vorfahren zu forschen, besuchte ich 2012 auch den Ort Stutthof, der heute Sztutowo heißt und zu Polen gehört. Ich durfte nun zum ersten Mal erleben, was Mutti gemeint hatte, wenn sie ihre Geschichten zum Besten gab. Die Schönheit des Ortes bezieht sich nicht so sehr auf die heutigen Dorfansicht, sondern vielmehr um den wunderschönen Strand, mit seinen Bernsteinen. Mutti liebte diesen Bernstein. Manchmal stand ich am Strand oder im Dorf und lauschte dem Rauschen des Meeres, abwechselnd mit Gedanken an die Geschichten meiner Mutter und wieder gedankenlos. Oft sprach meine Mutter vom Rauschen der Ostsee, das auch bei weniger Wind im Dorf zu hören war. Oder von der Königsberger Weichsel, die sie ebenso liebte, in die sie für das schnelle Baden sprang. Wenn meine Mutter im Sommer ihrem Vater beim Schwellen-Sägen helfen musste, und ihre Freundinnen mit ihren Badeanzügen kreisend am Zaun standen, ihr Vater dann ein Einsehen hatte und auf Platt sagte, sie solle gehen, dann ging es schnell an und in die Weichsel. Vom Wald schwärmte meine Mutter ebenso wie vom Strand und Meer. Den Wald, den sie durchquerte wenn sie zur Ostsee wollte und in dem sie Blaubeeren sammelte.
Ihre als Kind starke Verbindung zu ihrem Geburtsort Tiegenhof, sollte sich bald legen, und sie entwickelte eine starke Verbindung mit Stutthof, den Ort in dem sie aufgewachsen ist. Ihre ersten Schultage in der ersten Klasse waren wohl noch schwierig. Ihre Mutter musste sie nach einem "Fluchtversuch" wieder in die Schule zurück bringen. Die Wohnbedingungen waren sicherlich nicht zu vergleichen mit denen von heute, zumindest nicht mit den Menschen gleichen Berufsstandes. Meine Mutter erzählte, dass sie und ihre beiden Brüder in einem Raum, jeder in einer Ecke, ein Bett stehen hatten. Dann gab es noch eine Küche und einen Schlafraum der Eltern.
Einmal hörte meine Mutter von dem Vorhaben, dass ihre Brüder ihr des Nachts die Fingernägel schneiden wollten, die sie als zu lang empfanden. Meine Mutter, ja nicht dumm, zog sich zur Nacht Handschuhe an, so war dann das Vorhaben gescheitert.
2013 konnte Mutti dann nicht mehr allein leben. Sie zog in die WG-Gustav-Schatz-Hof, dort wurde sie von einem grandiosen Team der Diakonie Altholstein betreut. Dafür sind wir alle sehr dankbar!
Ich möchte noch einmal auf ihr Lachen zu sprechen kommen. Dieses Lachen bereicherte in der WG die gesamte Gemeinschaft. Sie konnte, wenn sie gut drauf war, schon immer eine ganze Gruppe zum Lachen bringen und unterhalten. Ein immer noch gern genommener Witz ist ein alter Ostpreußenwitz. Die Handlung scheint ein Nachkriegswitz zu sein. Sinngemäß: Ein amerikanischer Soldaten forderte ein ostpreußisches Mädchen zum Jazz-Tanz auf. Das Mädchen sagte dann, „Jazz (jetzt) nicht, später“. Manchmal, wenn ich in die WG kam, wirkte es noch nach, wenn Mitarbeiter auf mich zukamen und mir berichteten, welche Stimmung meine Mutter gerade wieder verbreitet hatte, in ihrer heimatlichen Mundart, mit Witzen und Sprüchen und nicht zuletzt mit ihrem Mundharmonika-Spiel, welches sie in Stutthof erlernte. Nie nach Noten, das war nicht ihr Ding, einfach nach Gehör.
In tiefer Trauer
Du gehst nur ein Stück voraus
Ein paar Worte des Trostes
Als ich am Vorabend der Trauerfeier nicht einschlafen konnte, gingen mir viele Gedanken durch den Geist. Ein sehr tröstlicher Gedankengang war, als ich an meine Geburt dachte, das Mutti meinen ersten Atemzug erleben durfte, und das ich jetzt den letzten Atemzug meiner Mutti erleben durfte. Damit schloss sich wieder ein Kreis.
Als ich am nächsten Morgen gegen 7 Uhr unsere Terrassentür öffnete, erschien mir der Morgenstern extrem hell. Es war so, als wenn Mutti mir mitteilen ließ, dass sie gut angekommen ist, wo auch immer.
Uwe/waldling