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sarpei
15.02.2016, 14:37
aus Preussische Provinzialblätter 1839, Band 1, Seite 523 - 537

Nachricht von dem gefährlichen Weichselbruche im Jahre 1783
Vom verstorbenen Pfarrer Hündeberg zu Tiegenort
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Die herbstliche Witterung des Jahres 1782 hatte sehr viel Außerordentliches. Schon in der Mitte des October fielen beständige und anhaltende Regen, welche mit heftigen Sturmwinden abwechselten, wodurch das Land durchnäßt, die Wege unfahrbar gemacht, und die Flüsse stark angeschwellt wurden. Am Martini stellte sich, nachdem einige Tage zuvor viel Schnee gefallen war, ein so starker Frost ein, daß die Weichsel zuging, wegen des vielen Schnees aber kein starkes Eis ansetzen konnte. Es blieben viele Blenken in der Weichsel, und die Fahrt war überall unsicher und gefährlich. Gegen den 2ten Abends wurde die Witterung so gelinde, daß man schon damals den Eisgang besorgte. Inzwischen wandte es sich gegen Neujahr zum abermaligen Frost, der, nachdem wiederum starker Schnee gefallen war, ziemlich heftig wurde und bis zum 8. Januar 1783 anhielt; worauf wiederum ein so plötzliches und starkes Thauwetter eintrat, daß den 15. Januar das Wasser in der Weichsel stark an zu wachsen fing, die Eiswache angesagt und bezogen werden mußte. Das Wasser stieg inzwischen immer höher und am 17. Januar ging die Nachricht ein, daß die Weichsel oberhalb Dirschau gerückt habe; den 19ten brach sie auch weiter unterwärts bis Kalte-Herberge, wo sich eine starke Stopfung setzte. An eben demselben Tage häufte sich Wasser und Eis bei Jankendorf so schrecklich an, daß schon jetzt die größte Gefahr sich zeigte, die doch noch glücklich vorüber, ging, indem bei anhaltender Arbeit das Wasser endlich etwas fiel. Inzwischen durchbrach die Gewalt der Fluth oberhalb Schönbaum bei Ankermanns Hofe den Nehringschen Damm auf einige 20 Ruthen, wodurch die innere Nehrung unter Wasser, und die Einwohner in den größten Schrecken und in die größte Gefahr gesetzt wurden. Den 20. stopfte sich das Eis zwischen Fürstenwerder und dem Jankenkruge, und Wasser und Eis trieben zu einer so fürchterlichen Höhe auf, daß nach und nach alle Arbeit vergeblich wurde, und Niemand ohne Lebensgefahr weiter auf dem Damme bleiben konnte, und man am 21. um 9 Uhr Abends, nachdem Alle die Arbeit aufgegeben hatten, unter Furcht und Schrecken erwarten mußte, wo die tobende Fluth endlich ausbrechen wurde.

Das gefürchtete Unglück erfolgte endlich in der Nacht vom 21. bis 22. Januar um 1 Uhr, wo die Fluth zwischen Fürstenwerder und dem Jankenkruge den Damm an zweien Orten, an der einen Stelle auf 60 Ruthen und an der andern auf 21 Ruthen durchbrach, den großen Außenteich eine Strecke von 40 Fuß durchriß und sich so mit der größten Gewalt ins Land stürzten Das dadurch verursachte Elend und der daher entstandene Schade ist über alle Beschreibung. Nur blos im Scharpauschen Distrikt wurden auf Jankendorf, Groß- und Klein-Brunau, wo der Schwall des Wassers und der Eisschollen am stärksten hintraf, hin und wieder Scheunen umgeschoben und zehn Katen vom Eise fortgetrieben. Hin und wieder war das Wasser so hoch in die Ställe und Häuser eingedrungen, daß keine Rettung des Viehs möglich war und die Bewohner zufrieden sein mußten, sich und ihr Leben auf die Böden retten zu können.
Gegen 4 Uhr des Morgens ward die traurige Nachricht in Tiegenort bekannt und auch mir gemeldet. Ohne einige Erfahrung solcher schrecklichen Unglücksfalle gehabt zu haben, von aller Nachricht darüber entblößt und ohne zu wissen, in wie weit dieser traurige Zufall auch mir in meinem Hause gefährlich werden könnte, befand ich mich in der größten Verlegenheit. Als ich gegen 5 Uhr aufstand, fand ich im Dorfe Alles in der emsigsten Arbeit. Es wurden längs dem Tiegewalle Kasten geschlagen und selbige mit Mist gefüllt, um zu verhinKern, daß die Fluch nicht oben hier oder da im Walle einen Ausbruch verursachen und das Unglück noch vergrößern möchte. Die großen Schleusen wurden geöffnet und oberwärts mit Holz und Steinen beschwert, um theils dadurch der Fluth ihren Ausweg in die Tiege anzuweisen, theils aber auch zu verhindern, daß sie nicht gar von der Gewalt des Wassers weggetrieben würden. Ich erkundigte mich zuerst, wie bald das Wasser wohl bis zu uns herunter kommen möchte und da ich erfuhr, daß es schon gegen Abend zu erwarten wäre, so ließ ich zuförderst Alles was an Eßwaaren im Keller befindlich war in die Höhe bringen, und sodann, weil der Holzstall sehr niedrig liegt, alles Holz hinüber in das Wagenschauer schaffen. Weil man mich versicherte, daß ich in meinem Hause nichts zu besorgen hätte, und kein Exempel vorhanden sei, daß bei vormaligen Ausbrüchen das Wasser bis in die Predigerwohnung gedrungen sei, so blieb ich anfänglich so ziemlich ruhig, bis der Erfolg mich gerade das Gegentheil lehrte. Inzwischen hatten diejenigen, die mir diese Versicherung gaben an und für sich gar nicht Unrecht. Es war Solches in der That nie geschehen, das Wasser war niemals, selbst bei Ausbrüchen, die mehr oberhalb der Weichsel vorgefallen waren, bis zu einer so schrecklichen Höhe gestiegen als es diesmal kam. Ich werde die Ursachen davon, so weit ich sie einzusehen im Stande bin, in der Folge weiter angeben.

Gegen 5 Uhr Abends stürzte sich die Fluch mit unbeschreiblicher Gewalt über die Tiegenortschen Scheidewalle, und häufte sich in kurzer Seit so stark an, daß um 7 Uhr Keller, Garten und Holzstall an gefüllt waren, und es schon nicht mehr möglich war über den Hof hinüberzukommen. Um 9 Uhr stand es schon auf der dritten Stufe der in der Vorlaube befindlichen Treppe, und die Nacht hindurch war es nach und nach so stark angewachsen, daß nur die erste Stufe der Treppe noch frei war. Der Frost war die Nacht hindurch mit einem starken Ostwind dermaszen stark, daß das ins Land getretene Wasser nicht nur allenthalben feststand, sondern sogar schon Menschen darauf gehen konnten. Eben diesem heftigen Frost, der fünf Tage hindurch anhielt, war es auch zuzuschreiben, daß das Wasser an einigen Orten höher als an anderen stand, indem es allenthalben an den Wällen auffror, und daher die gleiche Austheilung der Fluth hinderte. Dieser Frost war in anderer Betrachtung Wohlthat, indem es dadurch möglich ward, daß Einer zum Andern kommen, und sich untereinander gemeinschaftlich Beistand leisten konnten, welches bei minder härterem Frost, wenn das Wasser, wie man zu reden pflegt, weder gehalten noch gebrochen hätte, nicht möglich gewesen wäre. Mir kam dieser Frost noch auf eine andere Weife zu Statten. Alle meine Nebengebäude und selbst die Wagenremise, wo ich das Brennholz hatte hinbringen lassen, standen bereits im Wasser, und es war mithin außerhalb dem Wohnhaufe kein Platz vorhanden, wo das Holz hätte klein gemacht werden können; welches nun noch ganz füglich auf dem gehärteten Eise geschehen konnte.

Von 9 Uhr Morgens an schien das Wasser im Stillstande zu sein, und war den ganzen Tag hindurch keine weitere Zunahme desselben zu spüren. Man schmeichelte sich also nun, daß es nicht höher steigen würde. Aber man betrog sich. Gegen den Abend fing es nach und nach an wieder zu wachsen und mit anbrechendem Morgen des 24. Januar zeigte es sich schon im Vorhause, und trat zu gleicher Zeit noch ins Hinterhaus ein. Glücklicherweise hatte ich noch einen kleinen Vorrath von Dielen in der Scheune liegen, die aus dem Eise hervorgearbeitet werden mußten, um davon vermittelst untergelegter Klötze sichere Stege im Haufe legen lassen zu können. Gegen 10 Uhr Vormittags war nicht nur das Vorhaus und die damals im Hause befindliche Küche bereits ganz mit Wasser bezogen, sondern es trat auch schon in die große Stube ein, und nahm dermaßen überhand, daß ich alle in derselben befindlichen Mobilien durch untergelegtes Holzwerk höher stellen mußte, wenn ich sie nicht vom Wasser beschädigt wissen wollte. Da damals noch keine Oberstube im Hause war, die auf solche Nothfälle zur Retirade hätte gebraucht werden können, und ich nicht wissen konnte, wiebald auch die übrigen um etwas höher liegenden Zimmer vom Wasser erreicht werden könnten, so war ich besonders in Ansehung meiner lieben Ehegattin, deren Herz mit der größten Angst erfüllt war, in sehr vieler Verlegenheit, und wünschte sie an irgend einen anderen Ort, wo sie den traurigen Anblick nicht so wie hier vor Augen hätte, in Sicherheit bringen zu können. Die Gelegenheit dazu bot sich mir durch Hilger Wannow, Nachbar und Schulzen, so wie auch Kirchenvorstehers Besuch dar, von dem ich hörte, daß er in seinem Hofe noch beinahe eine Elle Raum hatte, und es also nicht wohl möglich sei, daß die Fluth auch sein Haus erreichen könnte, indem sie sonst erst alle an der Tiege liegenden Dämme übersteigen , und sich also da schon einen Ausgang verschaffen müsse. Er sah das Elend in meinem Hause und das Jammern meiner Frau und bot uns eine Zuflucht bei sich an. Ich nahm sie in Ansehung meiner Frau mit Freuden an, übergab die Sorge für mein Haus einem alten Verwandten, den ich bei mir hatte und ließ mich mit meiner Frau zugleich, um sie nur erst in Etwas beruhigt zu sehen, auf Schlitten nach seinem Hofe hinbringen.

An eben diesem Tage ward der Tiegewall an zweien Orten, nämlich hinter Georg Zimmermanns Hof und bei Kornelius Lippe auf 12 Ruthen breit durchstochen, um dem immer höher steigenden Wasser etwas mehrern Ausfluß zu verstatten, als es durch die Schleuse haben konnte. Eben dieses mußte auch auf Tiegenhagen und bei dem Orlower Walle geschehen. Inzwischen erfolgte dadurch noch keine Linderung, sondern das Wasser blieb den 25. und 26. Januar in beständigem Zunehmen, so daß es am 20sten in meinem Hinterhause 8 Zoll und in der großen Stube beinahe 4 Zoll hoch stand. In der Kirche war es besonders gegen den Altar zu, bis über einen Schuh hoch hineingedrungen, und auch die Sakristei war damit bezogen; es konnte also am 26. als am Sonntage kein ordentlicher Gottesdienst gehalten werden. Ich ließ mich inzwischen gleichwohl mit Wannow zur Kirche führen, um soviel es möglich sein würde zur Erbauung derer, die sich etwa zusammen finden möchten, beitragen zu können. Der Anblick war traurig, die Kirche so ganz mit Eis bedeckt zu sehen, und da es nicht möglich war, daß sich unten hätte jemand aufhalten können, so mußten diejenigen, die sich zusammenfanden, und deren Anzahl sich auf 120 Personen belief, sich auf den Chören vertheilen, wo auch ich mich hinbegab; und nach einer kleinen Bußpredigt über Jesaias 24. V. 1 - 6 nicht viel mehr als blos eine Betstunde anstellte. Auf meiner Frauen dringendes Anhalten kam ich wieder nach Wannows Hofe zurück, woselbst ich mich noch bis zum 30. Januar aufhielt, alsdann mich aber nach Hause bringen ließ, um mit Ruhe für den nächsten Sonntag arbeiten zu können und auch näher bei der Hand zu fein, wenn etwa eins oder das andere in Amtsgeschäften vorfallen möchte. Meine liebe Ehegattin aber ließ ich da, in der Gesellschaft unseres gütigen Wirths und seiner Frau, mit dem Versprechen sie abzuholen, sobald ich finden wurde, daß sie ohne weitere Ängstlichkeit sich in ihrem eignen Hause würde aufhalten können. Sie blieb inzwischen fünf volle Wochen da, und ließ sich endlich zu einer Zeit da ich es bei ihrem furchtsamen Gemüthe nicht hätte wagen wollen, sie zu mir bringen zu lassen, auf ihr ausdrückliches Anhalten, in unseres Wannows Gesellschaft, mit einem Boote, weil inzwischen im Bauerwalde das Eis bereits aufgegangen war, über die Tiege nach Hause bringen, kam aber zu vielen traurigen Auftritten, die sich kn der Folge ereigneten nach Hause, als sie bisher noch gesehen hatte. Am 26. war die kleine Schleuse in merklicher Gefahr, indem das stark durchgehende Wasser einige Bohlen des Bodens weggerissen, und sich bereits beiher einen Weg gemacht hatte, welcher mit vieler Mühe zwar gehemmt ward, aber es auch nothwendig machte die Schleuse ganz zu schließen, um sie nicht in Gefahr zu sehen, daß sie ganz weggetrieben würde. Am 27. Januar fing das Wasser in etwas an zu sinken, und gegen den 2. Februar als den nächsten Sonntag, auf weichen eben damals das Fest der Reinigung Mariä fiel, war es soviel weggefallen, daß der Gottesdienst, nachdem das Eis aus der Sakristei und Kirche weggeschafft worden war, nochdürftig in der Kirche selbst gehalten werden konnte. Um den Altar herum und im Gange nach der Kanzel blieb zwar noch Wasser stehen; allem vermittelst einiger Dielen, die ich auf untergelegte Blöcke nach beiden Orten hin legen ließ, konnte ich mich sonach der Kanzel auch des Altars bedienen. Inzwischen konnte doch diesen Tag noch keine Kommunion gehalten werden, welche nachher noch öfters wegfiel, indem von dieser Zeit an bis zum 25. Marz, das Wasser bald wuchs bald auch wieder wegfiel, so daß in diesem Zeitraum die Kirche noch dreimal mit Wasser dergestalt angefüllt wurde, daß der Gottesdienst nicht anders als auf dem Chore gehalten werden konnte.
Besonders war es am Sonntage Oculi als am 23. März so hoch, daß auch der am Altare befindliche Auftritt gehoben ward und in der Kirche umhertrieb. Eben so oft auch noch trat das Wasser in meine Wohnung ein, und setzte mich nicht in geringe Verlegenheit. Ich hatte nur die Schlafstube und die auf der andern Seite liegende Stube nach dem Garten zu bisher noch frei von Wasser gehabt. Die erste war ich genöthigt worden dem Gefinde einzuräumen, und die andere bewohnte ich selbst. Alles was ich sah und hörte machte wich besorgt, daß wenn das Eis im Lande und im Strome völlig aufgehen sollte, ich auch in diesen beiden Zimmern noch nicht sicher sein würde. Ich ließ mich gegen diese Besorgniß, die sich in der Folge mir als gerecht bestätigte, durch keine Versicherungen des Gegentheils einschläfern, sondern drang darauf, daß ein hinlänglicher Vorrath von Dielen, weil es noch Zeit dazu war, herbeigeschafft werden mußte, wovon ich in den beiden angezeigten Zimmern auf 9 Zoll hoch Fußböden legen ließ, so daß ich nun nicht besorgen durfte, wenn auch das Wasser hineinrücken sollte, mit den Meinigen im Wasser sitzen zu müssen. Ebenso ließ ich auch die schon im Hause gelegten Stege auf einen Fuß hoch erhöhen, welche Höhe doch zuletzt kaum zureichte, einen sichern Durchgang zu verschaffen.

Am 10. März fing die Nogat an zu brechen und sich in Bewegung zu setzen. Da aber durch das sehr viele Eis und die gewaltige Höhe des Wassers die Einlage ganz mit Eis versetzt war, und auch noch das Haff ganz fest lag, so geschah auch hier bei Lupushorst ein neuer Durchbruch des Stroms, dessen Wasser zwar nicht unmittelbar zu uns drang, aber doch, da nun in der Tiege Strom gegen Strom kam, veranlaßte, daß das Wasser hier im Lande, da dessen Abfluß dadurch merklich gehindert wurde höher stieg und blieb, als man es sonst natürlicherweise hätte erwarten sollen. Außer diesem angeführten Grunde, waren noch einige andere Ursachen, welche zu der außerordentlichen Höhe des Wassers im Lande Gelegenheit gaben. Verschiedene alte und bejahrte Leute, welche ein Alter von 80 Jahren und drüber erreicht, und mehre Ausbrüche der Weichsel z. B. den von 1741 bei Fürstenwerder und den von 1736 bei Neukirch, erlebt hatten, versicherten mich, daß das Wasser nie zu einer solchen Höhe gestiegen, und Häuser, die jetzt vieler Noth aus gesetzt waren, damals davon ganz frei gewesen wären. Aus ihren Erzählungen ergab sich, daß in vorigen Jahren das Wasser seinen freien Zug über Haberhorst, Altendorf, Petershagen, Stoblendorf und die dortigen Gegenden, nach dem Haffe zu gehabt habe, welches jetzt durch die hohen an der Tiege geschütteten Wälle gänzlich gehindert wurde, und so ging der ganze Schwall des von oben herab kommenden Wassers, da die Danziger Weichsel noch ganz fest lag, diesmal anfänglich in die Elbinger Weichsel, und nach, dem diese bei dem unglücklichen Ausbruche durch große aufgehäufte Eisberge sich verstopft hatte, wiederum ganz in die Nogat, wodurch denn beide Ströme zu verschiedenen Zeiten ungewöhnlich angeschwellt wurden, und dieses doppelte Unglück veranlaßte. Der Ausbruch der Nogat bei Lupushorst war von traurigeren Folgen, als es der von der Weichsel bei uns gewesen war, indem dort sowohl an Gebäuden als auch an Vieh und Menschen ein viel größerer Schaden als bei uns geschah.

Am 21. März ward endlich bei einem starken Sturme aus Nordwest das Haff vom Eise frei, worauf auch am 22. die Nogat sich zu räumen anfing, und den 24. kam denn auch die Danziger Weichsel, der man vom Blockhause an durch Aufeisen den Weg geöffnet hatte, in Gang, und wir hofften nun eine merkliche Linderung unferes Elends zu sehen. Allein die größte Noth war uns noch aufbehalten. Solange das Eis im Lande noch stand, war das verschiedene Steigen und Fallen des Wassers abgerechnet, Alles noch sehr erträglich; aber wie dieses sich allmahlig zu lösen anfing, und die unermeßliche Fläche Wassers ein Spiel der um diese Jahreszeit gewöhnlichen starken Stürme ward, so folgte bei dem auf zehn und mehr Schuh hoch im Lande stehenden Wasser ein trauriger Anblick und eine Verwüstung auf die andere.

Ich hatte bei dem starken Froste meine Gebäude und Zäune rund umher sorgfältig loseisen lassen, um dadurch zu verhindern, daß mit dem steigenden und sinkenden Eise, diese nicht gehoben und jene nicht beschädigt werden möchten; allein, da man nicht in allen Stücken meinem Plane, besonders in der nothwendigen Befestigung der Zäune, gehörig folgte, so wurde am 25. März bei einem fürchterlichen Sturme aus Südwest, mein Holzstall nicht nur umgeworfen, sondern auch alle Zäune weggerissen und eben dadurch an meinem Hause und der Kirche ein solcher Schade veranlaßt, der nur mit vielen Kosten in der Folge wieder gut gemacht werden konnte. Der Sturm dauerte mit gleicher Wuth 14 volle Stunden, fing mit stark wachsendem Wasser gegen Mittemacht an und tobte bis gegen 2 Uhr zu Mittage mit einer solchen Gewalt, daß er das Wasser mehr zu werfen als zu treiben schien, und die hoch aufgethürmten Wellen, wenn sie sich gegen die Südseite meines Hauses brachen, ihr Wasser bis über die Fenster hinaus verspritzten. Nun fand sich's, wie nöthig meine Vorsicht mit den falschen Fußböden gewesen war, indem jetzt kein einziges Zimmer vom Wasser frei blieb, sondern, selbst die höchste von mir bewohnte Stube zwei Zoll Wasser hatte, welches im Hinterhause an 14 und in der großen Stube an 8 Zoll hoch stand.

Gegen 3 Uhr des Morgens ward die Südwestseite meines Gartenzaunes weggerissen, und nun nahm die tobende Fluth, durch nichts mehr aufgehalten, ihren freien Zug durch den Garten, führte die aus dem Haufe dahin gehende Treppe weg, riß die gegenüber liegende Seite des Zaunes mit sich fort, wovon ein Theil nach dem Tiegewall getrieben ward und daselbst eine gefährliche Öffnung in den Damm machte, dessen Kasten weggeschlagen wurden und dem Wasser dadurch ein ungesuchter gefährlicher Ausgang verschafft wurde. Das vom Holzstalle und von der am Grashofe befindlichen Verzäunung abgerissene und sonst noch aus dem Lande heruntergetriebene Holzwerk an Pfosten, Balken und Dielen trieb alles theils gegen die Kirche, deren Verzäunung nicht weniger weggerissen war, theils gegen mein Haus und die Organistenwohnung, beschädigte an der Südwestseite der Kirche an verschiedenen Orten das Mauerwerk, schlug die Vorhalle der Kirche fast ganz nieder, riß Grabsteine mit sich fort und schlug die Untermauer meines Hauses an vielen Orten zunicht.

Im Dorfe sowohl als in den im Felde liegenden Höfen war der Schaden nicht weniger groß. Doch zeigte sich Gottes gnadige Barmherzigkeit bei diesem fürchterlichen Zustande so väterlich, daß weder ein Haus umgeworfen wurde, noch auch irgend Jemand von Menschen oder Vieh.

So stark man sich bisher auch mit den Altendörfern und Petershagnern Wällen gegen die Fluth gewehrt hatte, so konnte man es jetzt dennoch nicht verhindern, daß nicht aller Verkastungen ungeachtet, die Wälle an verschiedenen Stellen wären weggeschlagen worden, woher es denn auch kam, daß da der Sturm sich gegen 2 Uhr Nachmittags etwas legte, das Wasser plötzlich bis auf 15 Zoll wegfiel, wodurch denn mein Haus auf einmal gänzlich vom Wasser befreit wurde, und nachher nur noch einmal, nämlich am 17. und 18. April sich nur im Vorhaus und in dem hinteren Gange etwas zeigte. Die Kirche war damals auch in der niedrigen Gegend am Altar mit Wasser bezogen; allein durch Steigerungen, die ich daselbst von Dielen hatte legen lassen, ward an beiden genannten Tagen als am Gründonnerstage und Charfreitage der Gottesdienst in keinem Stücke gehindert.

Solange das Eis im Lande noch festlag ging ein Weg nach der Kirche gerade über den Zaun meines Hofes und des Kirchhofes mit dem das Wasser fast in gleicher Höhe stand, fort. Nachher aber mußten von meinem Hinterhause aus Steigerungen gemacht werden, die mich durch den Pferdestall in des Organisten Behausung führten, von wo denn wiederum andere Steigerungen über den Zaun hinweg bis an die Kirchenthür führten.

Mit der Osterwoche wurde endlich die Arbeit an dem Bruche vorgenommen, wozu ein Hochweiser Rath der Stadt Danzig auf Ansuchen der Einwohner des Großen Werders, welches der Königl. Preußische Intendant Schlemmer zu Marienburg durch eigene Vorstellungen unterstützte an 2.000 Stück Prikken und eine große Menge Strauch aus der Haide als ein freies Geschenk verabfolgen ließ. Johann Behrend, ein Eigengärtner und Schulz von Hinterthor im Scharpauschen, hatte gegen eine verabredete Belohnung von 100 Dukaten den Bruch zu fangen übernommen, wenn man ihm hinlängliche Arbeiter und Materialien dazu zur Hand liefern würde. Die Arbeit ging bis zum 5. Mai, an welchem Tage der Bruch gänzlich geschlossen werden sollte, glücklich von Statten. An diesem Tage aber wehte ein ziemlich starker Sturm aus NNW, durch welchen das Wasser im Strom stark aufwärts getrieben wurde. Behrend weigerte sich unter diesen Umständen den Fang zu unternehmen, weil bei so starkem Wasser und Wind leicht ein neues Unglück sich ereignen könnte, und da er auch keinen hinlänglichen Vorrath an Erde, Mist, Stroh und anderen dergleichen Dingen hatte, so hielt er es für besser, das Wasser lieber noch ein oder ein paar Tage laufen zu lassen und bessere Witterung ab zuwarten, als etwas Mißliches zu wagen. Allein da man von Seite der Großwerderschen zu trotzig in ihn drang die Sache zu endigen, ihn beschuldigte, daß er durch den zu starken Umfang das Werder in unnöthige Kosten versetzt hätte, und unter der Behauptung, daß es ihm an nöthigen Materialien nicht fehlen würde, indem mehr als zu viel davon vorhanden sei, durchaus haben wollte, daß der Bruch geschlossen werden sollte, so war er schwach genug nachzugeben und den Fang zu unternehmen.

Allein was er besorgt und vorhergesagt hatte, traf leider zu. Die nach geschlossenem Bruche stark auflaufende Fluth ging an verschiedenen Orten über, und da man aller gegebenen Versicherungen ungeachtet Nun doch nicht stopfende Materialien genug bei der Hand hatte, und in dieser Absicht sogar aus Noth die nächsten Häuser, obgleich vergeblich, abgedeckt werden mußten, so wurden endlich 8 bis 9 Ruthen des gemachten starken Umfangs ein Raub der Fluth, welche von Neuem mit wilder Wuth sich hinein in das Land ergoß. Der Grund ward dadurch nicht wenig verschlimmert, in dem durch die vom Wasser ausgewählten und weggerissenen Pfähle, da, wo vorhin eine Tiefe von 7 Fuß war, eine neue Tiefe von etwa 20 Fuß entstand. So mußte nun die Arbeit von Neuem und mit neuen Kosten unternommen werden, und mehr als eine Tonne Goldes ging dem ganzen Lande verloren, welche hätte gewonnen werden, wenn es durch etwas mehr Vorsicht um einige Wochen früher von dem verderbenden Wasser hatte befreit werden können.

Der nun neue, etwas mehr einwärts gezogene Umfang, wurde endlich den 18. Mai fertig, und endlich am 19. unter der eigenen Aufsicht und Gegenwart des Marienburgschen Intendant Schlemmer, unter Gottes gnädigem Beistande glücklich geschlossen und der Bruch an diefem Tage gefangen, worauf denn das Wasser sich täglich mehr und mehr aus dem Lande verlor, und schon am 25ten die Scheidebrücke zum Vorschein kam, so daß die diesseits der Linau wohnenden Leute noch alle, wo nicht zum Säen kamen, so doch das nöthige Viehfutter einernten konnten. Die an der anderen Seite der Linau gelegenen Dörfer Altebabke, Beyershorst und Schwentekamp, wurden das Wasser auch im spätesten Herbste nicht ganz los, und konnten für dies Jahr nicht nur nicht den geringsten Nutzen von ihrem Lande ziehen , sondern sahen sich auch wegen Mangel an Futter genöthigt, ihr Vieh anderwärts zur Fütterung unterzubringen.

Mein Haus, welches bei diesem Unglücke besonders gelitten hatte, hatte inzwischen eine sehr starke Reperatur nöthig, welche mit Bewilligung des Hrn. Administrator Benzmann, hochedel gestr. Herrlichkeit, von der Gemeinde, um so viel williger, des dürftigen Zustandes der Kirche ungeachtet unternommen wurde, da von einer hochlöbl. Funktion des Nehrungschen und Scharpauschen Landes zwei Schock des stärksten Holzes aus der Haide dazu geschenkt wurden, worauf denn das Haus durchweg neue Unterschwellen und eine neue Untermauer bekam, beinahe 1 1/2 Schuh in die Höhe geschroben ward, und in seinem hinteren Theile sowohl als auch nach oben zu die Einrichtung erhielt, welche es gegenwärtig hat und welche, wenn Gott Leben und Gesundheit schenkt, und vor ferneren Unglücksfällen in Gnaden bewahrt, in der Folge noch in manchem Stück vollkommener werden möchte.

Ich hatte freilich zwar die Unbequemlichkeit dabei, daß ich meine Wohnung auf 13 Wochen verlassen und diese Zeit hindurch mich im Schulhause, wo mir die große nebst der Nebenstube eingeräumt ward, behelfen mußte. Allein ich ertrug dieses gern um mir eine festere und bequemere Wohnung zu gewinnen. Ich ließ nun die Zäune um das ganze Haus herum, die vorhin aus ganzen Dielen bestanden, nur mit Gatterwerk umlegen, weil ich glaube, daß solches bei einem Unglück solcher Art vortheilhafter und nutzbarer ist, indem ein solcher Zaun, da er das Wasser allenthalben frei durchläßt, dasselbe weniger widerstehen, und also auch um so viel weniger von seiner Gewalt umgerissen werden kann.

Da mich die Erfahrung gelehrt hatte , wie gefährlich bei diesem Unglücke die Untermauer meines Hauses beschädigt worden war, so ließ ich um sie für die Zukunft zu bewahren, einen ordentlichen Wall um das ganze Haus herum, und besonders an der südlichen und nördlichen Seite schütten, wozu ich die Erde vom Grabenufer des hinter dem Grashofe gelegenen Predigerlandes nahm, und wozu die Nachbarschaft auf meine Bitte mit Pferden, Wägen und nöthiger Mannschaft mir sehr behilflich war, und ich muß es allen meinen Herren Nachfolgern dringend empfehlen, zu ihrer eignen Sicherheit, den Wall in gutem Stande zu erhalten, und das um so viel mehr, da er selbst zur Verschönerung des Gartens, wenn dieser ja einmal wieder angelegt werden sollte, angewandt werden kann.

Ich schließe diese Nachrichten mit dem herzlichen Wunsche, daß Gott durch seine Barmherzigkeit vom armen Lande solche verderbende Auftritte künftig in Gnaden abwehren, und weder ich noch irgend einer meiner Nachfolger zu so traurigen Scenen aufbehalten sein möge. Wären sie aber je nach der Weisheit Gottes noch weiterhin über uns verhängt, so weiß ich nichts Besseres als mit einem frommen David sich in die Arme des Gottes Zebaoth zu werfen, dessen Barmherzigkeit auch bei der gerechten Züchtigung wo mit er uns heimsucht, und bei den größten Unglücks, fällen, die er über uns verhängt doch immer unaussprechlich groß ist, und die sich in einem reichen und unverdientem Maße auch hier an uns verherrlicht hat!


Viele Grüße

Peter