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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Im Werder 1944/45



Marc Malbork
21.05.2008, 00:59
Link zu den Ereignissen im Kreis Gr. Werder 1944/45.

http://www.zentrum-gegen-vertreibungen.de/doku/archiv/oderneisse1/kapitel-6-1-1-9-3.htm

Der verlinkte Bericht Fieguths aus der "Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa" ist einer der eher wenigen Berichte aus der damaligen Behördenebene über die Fluchtbewegungen 1945 und deshalb besonders interessant. Tatsächlich haben wohl nur wenige der immerhin noch gerade rechtzeitig aus dem Großen Werder Evakuierten ihre "Auffanggebiete" westlich der Weichsel sofort verlassen und sind gleich im Februar noch weitergeflüchtet. Aus heutiger Sicht unbegreiflich die von Fieguth geschilderte (angebliche) Hoffnung, die russischen Truppen würden an der Nogat noch gehalten werden können, nachdem sie in 14 Tagen ganz Ostpreußen überrannt hatten.

Zum Link siehe bitte auch:

http://forum.danzig.de/showthread.php?t=1343

Wolfgang
21.05.2008, 09:52
Aus heutiger Sicht unbegreiflich die von Fieguth geschilderte (angebliche) Hoffnung, die russischen Truppen würden an der Nogat noch gehalten werden können, nachdem sie in 14 Tagen ganz Ostpreußen überrannt hatten.
Wir hatten in unserem frueheren Danzig-L-Forum ein Mitglied, das ein Fluchttagebuch ihrer Grossmutter veroeffentlicht hatte. Ihr Grossvater war der Kreisbauernfuehrer und als solcher tief und sehr aktiv verstrickt in die damaligen Geschehnisse (ich druecke das mal sehr diplomatisch aus). Aufgrund massiven Druckes aus der Familie musste sie die Veroeffentlichung zurueck ziehen. Obwohl es das Fluchttagebuch nicht mehr online gibt, sind trotzdem noch sehr interessante Aussagen darueber zu finden, wie selbst noch ein Enkel von "Taetern" (es gab mehrere in der Familie) sich mit Schuld belastet fuehlt und damit umgeht.
Naeheres dazu unter http://www.dieheimatdelias.de/fluechtlingskinder.html

Jürgen Albrecht
05.06.2008, 20:10
Die Luftangriffe und Luftalarme in Danzig waren der Anlass, dass unsere Mutti mit ihren drei Kindern im zeitigen Frühjahr 1944 nach Dammfelde, Krs. Marienburg, zum Großvater floh.. Es war nur eine kurze, scheinbare Sicherheit. Am Ostersonntag, den 9.April 1944, gegen Mittag, wurde die ländliche Stille durch den Tiefflug amerikanischer Bomber unterbrochen. Dann. sahen und spürten wir das grausige Schauspiel der Zerstörung. Es war die endgültige Vernichtung der Flugzeugwerke in Marienburg. Blieb es dabei? Unsere Mutti, Tante Lotte und mein Bruder Klaus waren zur Osterandacht in Marienburg unterwegs. Zum Glück begnügte man sich damals noch mit den militärischen Einrichtungen.

Etwas später (Juni 1944?) wurden zwei Tanten und zwei Cousinen Opfer eines Bombenangriffs auf Danzig. Sie wurden in einem Keller verschüttet. Über 20 Toten sollen es gewesen sein. Leider gibt es keine Chronik der Kriegsereignisse von Danzig, so dass ich dieses Ereignis zeitlich nicht richtig einordnen kann.

Am 1. September 1944 begann für mich eine neue Zeitrechnung. Endlich durfte ich die Schule gehen. Auf dem Schulwege sahen wir täglich eine lückenlose Kette von Fluchtfahrzeugen sich in Richtung Dirschau bewegen. Noch keimte die Hoffnung, dass wir uns nicht einreihen müssen. Die Flüchtlingstrecks waren so die ersten Vorboten der Kriegswalze. Sie war noch nicht zu hören, aber sie trieb die vielen wehrlosen Alten, Frauen und Kinder langsam vor sich her Im Oktober 1944 wurde die Schule geschlossen und als Lazarett genutzt.

Weihnachten 1944 war mehr ein stilles Gedenken an die Toten und Vermissten. Neun Opfer hatte unsere Familie. innerhalb eines Jahres zu beklagen.

Am 24. Januar 1945 ordnete der Bürgermeister Hermann Fieguth von Dammfelde an: „ Morgen um 7 Uhr früh muss Dammfelde geräumt sein!“ Der Großvater zimmerte in aller Eile den Erntewagen zusammen und versah ihn mit einem schrägen Teppichdach. .Jeder half den Wagen mit vielen sinnvollen und sinnlosen Kleinkram zu füllen.

Der zweispännige Erntewagen reihte sich am nächsten Morgen in die lange Fahrzeugschlange nach Dirschau. Der Großvater und die Großmutter saßen auf dem Ersatz-Kutscherbock, der aus einem Brett und einer Decke bestand. Der Dackel und ich waren die Kleinsten und mussten sich ein Plätzchen zwischen den Kisten und Schachteln auf dem Wagen suchen. Es war hier ziemlich dunkel und beengt. Meine neunjährigen Brüder und der Cousin Siegfried mussten mit meiner Mutti und der Tante laufen. Es war ein herrlicher Sonnentag. Der Frost zwickte in die Wangen, der Schnee knirschte unter den Füßen und Rädern. Ab und zu stieg einer von ihnen in den Wagen, um sich etwas auszuruhen .bzw. sich aufzuwärmen. Der Treck bewegte sich vielleicht mit etwa ein Stundenkilometer dahin. Der Cousin Siegfried und meine Brüder fanden alles sehr spannend. Einer von ihnen hatte bei der Ladeaktion einige Zigarren des Großvaters verschwinden lassen. Sie wurden nun heimlich hinter einem Planwagen ausprobiert.

Am Abend erreichten wir die große Weichselbrücke von Dirschau. Hier herrschte ein hektisches Treiben. Jeder wollte die Vorfahrt haben. Die Flüchtlinge hatten zu warten. Das Militär hatte das Sagen.
Dann wurden wir in eine Schule zur Übernachtung eingewiesen. Freundliche Soldaten verteilten uns in Kochgeschirren warme Salzkartoffeln mit Nierchensoße. Nie haben Nierchen so gut geschmeckt. Unsere Mutter überbrachte uns dann die schockierende Nachricht, als Danziger Familie haben wir am nächsten Morgen den Treck zu verlassen. Die Kommandeure des Trecks hatten keine Einsicht, dass eine alleinstehende Mutter mit drei Kindern, deren Vater im Kriege vermisst war, bei den Großeltern bleiben wollte. Wieder Fliegerangriffe, es schauderte uns. Da unsere Mutti keine Beziehungen hatte, blieb für uns nur das Inferno von Danzig zu erleben.
Unsere Bauernhof-Evakuierung war nun entgültig vorbei. Es war auch gut so, denn die Artillerie hatte beim Beschuss der Marienburg das Wohnhaus .in Dammfelde schwer getroffen..

Die Trennung von den Großeltern wurde verewigt durch die innerdeutsche Zonen- und Staatsgrenze. Unsere Mutti hatte auch kein Geld, um mit uns Kindern zum Großvater in den Westen zu fahren.

Wolfgang
06.06.2008, 00:27
Hallo Jürgen,

vielen Dank für den auch heute noch erschütternd zu lesenden Bericht!


... Es war die endgültige Vernichtung der Flugzeugwerke in Marienburg.
Kannst Du Dich noch erinnern, wo die Flugzeugwerke lagen? Wurden dort Teile hergestellt oder ganze Flieger montiert?


Leider gibt es keine Chronik der Kriegsereignisse von Danzig, so dass ich dieses Ereignis zeitlich nicht richtig einordnen kann.
Irgendwo habe ich eine Chronik, in der die Kriegsgeschehnisse in der Stadt Danzig festgehalten sind. Ich hoffe, ich finde sie demnächst mal.

tannseer, +2014
06.06.2008, 20:06
Die Flugzeugwerke, von denen Jürgen Albrecht in seinem Beitrag schreibt, lagen in Königsdorf, östlich von Marienburg. Es waren Focke-Wulf-Werke, die zweimal angegriffen wurden. Den zweiten haben sie nicht mehr überstanden.
Ich habe aus 10 Km. Entfernung zugeschaut

Beste Grüße. Arno.

Jürgen Albrecht
09.06.2008, 14:24
In den Focke-Wulf-Werken Marienburg wurde der moderne Jäger Fw 190 in verschiedenen Varianten montiert. Unter dieser Typenbezeichnung gibt es im Internet genügend Beschreibungen. Die Zerstörungen dieser Werke fanden am 9. Oktober 1943 und 9. April 1944 statt.

Wernerlau
14.01.2011, 23:30
Hallo Herr tanseer,
Mein ehemaliger Schwiegervater und Schwiegermutter stammen aus Tannsee, meine ehemalige Frau ist in Tannee geboren, vielleicht können Sie etwas zu Ihenen
sagen.Werner Willi geb.19.08.1911 und seine Ehefrau Johanna geb. Lau am24.04.1913. Mein Schwiegervater hat noch drei Brüder und eine Schwester und war
von Beruf Hufschmied.
Über eine Antwort würde ich mich freuen, Mfg. Danke