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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Dialekt in Danzig



Miles
26.07.2016, 22:15
Liebe Forumsteilnehmer,

auf der Homepage des Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas habe ich 3 authentische Sprachaufnahmen in Danziger Dialekt gefunden, gesprochen von Vertriebenen in den Jahren 1956, 1963, 1964: https://regionalsprache.de/Audio/Katalog.aspx (als Suchbegriff "Danzig" eingeben). Gesprochen werden die Sätze des sog. Wenkerbogens. Wenker war ein Sprachforscher, der schon im 19. Jh. einen Atlas der deutschen Dialekte erstellt hat, indem er Schullehrer in allen!!! Orten Deutschlands bat, vorgegebene Sätze in der jeweiligen Aussprache zu transkribieren. Äußerst interessant! Nicht nur für Danziger!
Für mich ergibt sich nun folgende Frage: die gesprochenen Dialekte klingen für mich sehr fremdartig. Welcher Teil der Danziger Bevölkerung hat so gesprochen? Die Überlieferung der Danziger in meiner Familie besagt, dass "wir schon immer Hochdeutsch gesprochen haben - nie Dialekt". Wie passt das zusammen?

Gruß,
Olaf

Eva Altstaedt +13.12.2018
26.07.2016, 23:49
Lieber Olaf, heute habe ich mich gerade mit meiner Tochter über dieses Thema unterhalten, ich habe fünf erwachsene Enkel, die leben in verschiedenen deutschen Gegenden. Einer wohnt in Berlin und ist mit einer Lausitzerin verheiratet. Nun war letztens eine meine Urenkelinnen, die hier in Geseke wohnt, zu Besuch in Berlin und war empört, dass man dort "Bürne" statt Birne sagt, es heißt doch "Biierne", eben Westfalen. So war es auch in Danzig, man sprach hochdeutsch, aber doch mit einer gewissen Klangfarbe und auch manchen typisch danzigerischen Ausdrücken, die nicht direkt Plattdeutsch waren, aber doch für andere unverständlich. z. B. "Du bist ja schucker". oder "kieter da nich so rum! Oder man sitzt nicht auf dem Po, sondern auf dem Dups.
So, nun geh ich mal in die Pluchen (Bett), gute Nacht!
L.G. von der Zoppoter Eva.

Felicity
27.07.2016, 02:37
Lieber Olaf ! Mir geht es genau so wie der Eva. Wir sprachen nur hochdeutsch daheim, aber es war nicht 'ganz rein,' da kamen dauernd andere Ausdruecke hinein, die die Mutti und der Opa benutzten. Und vor Kurzem kam das, was ich als Erklaerung annahm, dass Vorfahren von unserer Familie nach Danzig eingewandert waren und diese Ausdruecke mitgebracht haetten. Wie dem auch sei, hier in Australien sprechen wir jauch nicht das Oxford Englisch. Wenn Du da 'mal die 'Aussies' untereinander hoerst, dann brauchst Du ein Woerterbuch. Liebe Gruesse von der Feli

Inge-Gisela
27.07.2016, 09:41
Hallo Eva,
das, was Du an danziger Ausdrücken nennst, ist für mich sehr interessant. Aus meiner Kindheit kannte ich die Wörte "kieter" und "Dubs". Woher die Wörter denn nun kamen, ist mir jetzt erst bewusst. Mein Vater war Danziger. Wir sind allerdings in NRW groß geworden. Und meschugge, aus welcher Gegend kommt das? Das klingt so ähnlich wie schucker. Man sagte ja "Du bist meschugge". Meine Mutter hat ihre Kindheit in Ostpreußen verlebt. Meine Eltern sprachen aber im allgemeinen hochdeutsch bis auf so einige Wörter. Als Kind nahm man das einfach so hin.

Lb Gruß
Inge-Gisela

Felicity
27.07.2016, 09:47
Ja Gisela ! Ich bin auch in einem hochdeutsch - sprechendem Haushalt aufgewachsen. Meschugge, kieter, Dubs und in die Pluchen gehen, genau wie Marjellchen, wurden oft benutzt. Ob wir wohl von der selben Ecke herkommen ? Liebe Gruesse von der Feli

Stejuhn
27.07.2016, 14:15
Guten Tag Feli, guten Tag Gisela!

Auch ich kenne diese Begriffe und noch einige mehr. Bisher hatte ich gedacht dass sie auch Danzig stammen.
Nun habe ich aber gewisse Zweifel. Meine Urmütter stammen aus Marienburg, Stuhm (Ururoma heißt Nachtigall -dieses könnte ein prusischer Name sein-), Gerwischkehmen, Gumbinnen und Rößl.
Vielleicht sind diese Begriffe ja aus diesen verschiedenen Dialekten!

Aber mein Vater hat bei mir sehr auf ein gutes Hochdeutsch geachtet.
Diese Begriffe tauchen trotzdem immer wieder bei mir auf. Also war diese viele Mühe vergebens;).

Einen schönen Tag wünscht Euch Sigrid

love danzig
27.07.2016, 15:15
Hallo Zusammen,
mein Vater war ein Polnisch sprechender Danziger,aber in der Danziger Öffentlichkeit wurde dann Deutsch gesprochen.
Die Sätze ,du machst mich Meschuke ,bewege dein Dups mal hierhin,aber auch Marjellchen waren
in unser Familie zu hören.
Bei Marjellchen, dachte ich immer es wäre eine Abwandlung von Maria ,der heiligen Maria (Polnischer Marienkult )
Grüsse Roman

Felicity
27.07.2016, 15:50
Ich glaube es war in 2000 oder 2001 als Karl-Heinz Jessner ca. 1500 Woerter der alten Danziger Umgangssprache ausdruckte, die er Danziger "Missingsch" nannte. Da fand ich auch 'Marjel' - Danziger Maedchen und 'Luntruss' - Kerl oder Bengel. Interessant, und es sind 18 Seiten die ich mir ausgedruckt hatte. Liebe Gruesse von der Feli

Felicity
27.07.2016, 16:28
Musste halt noch ein bischen durch die Seiten gehen und fand noch einige Worte die wir auch oft benutzten Beschubsen : betruegen Abmurksen : umbringen Adebar : Der Storch Pachulke : verarmter Mensch Pracher : Bettler...... Und jetzt gehe ich in die Pluchen ! Liebe Gruesse von der Feli

Miles
27.07.2016, 21:40
Hallo ihr Lieben,

da habt ihr ja eine schöne Liste von Begriffen zusammen getragen: einige habe ich noch nie gehört, einige erscheinen mir jedoch als "normales" Deutsch (abmurksen), und meschugge stammt aus dem jiddischen und ist somit international verständlich. Von meiner Oma kenne ich noch den Begriff "duhn", wie sie oft meinen Opa bezeichnete. Wohl einer der Gründe, warum sie sich scheiden ließ :confused:
Ich habe heute noch einiges recherchiert und u.a. auf der HP von K.H.Jessner die von Feli genannte Wortliste und weitere authentische Audio-Dateien gefunden. Beim Abhören wird klar, dass es sich NICHT um Hochdeutsch mit einer regionaltypischen Färbung und einigen regionaltypischen Begriffen handelt, sondern um einen eigenständigen Dialekt mit eigener Aussprache, eigenem Sprachrhythmus, eigener Grammatik.
Wie so oft bietet Wikipedia einen guten Einstieg ins Thema (Stichwort "Niederpreußisch"); mit interessanten Links. Womit wir wieder bei meiner Ausgangsfrage sind: welcher Bevölkerungsteil hat vorzugsweise (Niederpreußischen) Dialekt gesprochen - und welcher Teil vorzugsweise Hochdeutsch (mit besagten regionaltypischen Begriffen).

Und jetzt ein Alus....

Felicity
28.07.2016, 01:42
Wenn ich aus den Erfahrungen meiner Kindheit und Jugendzeit sprechen darf, dann kann ich vielleicht feststellen, dass unsere ganze Familie und auch der Freundeskreis, hochdeutsch gesprochen hat, mit hin und wieder typischen Dialekt Worten vermischt. Wir lebten auf der Niederstadt, in einem Mittel-Buergerlichem Niveau. Verschiedene Familien in unserem Kreise kamen aus Langfuhr, Heubude und Zoppot und alle hatten Stellungen in, was man hier nennt, " White Collour Work". Das heisst, man erschien im 'Anzug' zur Arbeit. In meinen Schulen, die Marienschule und auch spaeter, die Luisenschule, war Hochdeutsch die Umgangssprache. Und am Sonntag hoerten wir die Predigt auch auf Hochdeutsch. Also waren Heim, Schule und Krche auch ein ausschlaggebender Faktor, wenn man die Frage beantwortet, wer Hochdeutsch sprach. Liebe Gruesse von der Feli

Miles
28.07.2016, 11:48
Genau so hat es meine Oma auch geschildert, allerdings bestand die ganze Familie - soweit ich das bisher recherchieren konnte - aus blue collar workers.
Apropos Niederstadt: meine Oma hat bis 45 in der Almodengasse gewohnt.

Gerhard Jeske
28.07.2016, 15:58
Miles 12+
Gerhard Jeske: Wenn wir uns in der Niederstadt mit den Luntrussen herunbalgten, schnappten wir die meisten Danziger Wörter auf, " Dicker willst Kummst" das hieß, eine Tracht Prügel. oder höflicher ausgedrückt " bekommst gleich ein Veilchen (blaues Auge) oder dwatscher Abselwat, Das klang richtig lyrisch.Als ich 1947 in Neumünster im Vicelin Stift eine alten Pfarrer besuchte, spazierten wir im Garten. Da er schlecht sehen konnte, sagte ich zu Ihm" Herr Pfarrer- passen sie auf, jetzt kommt eine Kaule." Er antwortete. Herr Diakon" Wir leben nicht mehr östlich der Oder. Jetzt heißt es hier" Kule" Das erinnert mich an Horst Ehmke, der gebrauchte in einer Rede das Wort " Dubaßleuchjen" Sofort hörte er vom Präsidenten" Herr Professor Ehmke, der Abgeordnete --- möchte wissen, was ein Dubaßleuchjen ist"

ada.gleisner
28.07.2016, 18:07
Dubaß sagte meine Mutter auch oft zu allem Möglichen, wenn ihr der richtige Name nicht gleich einfiel. Auch abmurksen, oder pracher nicht, wenn man um noch ein Stück Schokolade bettelte, ist mir geläufig. Meine Mutter stammte aus Königsberg und daher bin ich der Meinung, daß viele dieser Worte allgemein aus der Ostdeutschen Ecke stammten. Auch bei uns wurde nur hochdeutsch gesprochen, aber man brachte so manches Wort aus der Schule mit, wie auch das Wort "Dubs". Übrigens hieß ein Polizist in Schidlitz zu Freude der Kinder so oder ähnlich, was große Heiterkeit hervorrief. Übrigens höre ich in meiner Umgebung schon lange keines dieser heimatlichen Worte, sie werden zu Ende gehen, wenn meine Generation nicht mehr ist.

Ulrich 31
28.07.2016, 18:42
Hallo Herr Jeske (#13),
Sie erinnern sich an das Ehmke-Wort "Dubaßleuchjen" im Bundestag. Sind Sie sicher, dass es sich so schreibt? Haben Sie es evtl. auch in gedruckter Forum? Weder in der Erinnerungsform noch in diversen Abwandlungen ist seine Bedeutung zu ergoogeln. Deshalb auf jeden Fall meine Bitte an Sie: Bitte lassen Sie auch uns wissen, was dieses Ehmke-Wort bedeutet. - Vielen Dank!

Hallo Olaf (Miles),
Du hast inzwischen sicher gefunden (am besten über die Forum-Suchmaske [oben rechts] mit dem Stichwort "Missingsch"), dass der Kern Deines Anliegens hier schon öfter Gegenstand verschiedener Forum-Threads war. Sie alle befinden sich im Unterforum "Wirtschaft, Sport, Kultur" des Forums "Sonstiges rund um Danzig". Vielleicht solltest Du deshalb die Moderation bitten, auch Dein Thema "Dialekt in Danzig" in das vorgenannte Unterforum zu verschieben. Dies bietet sich m.E. an.

Viele Grüße
Ulrich

Gerhard Jeske
28.07.2016, 19:37
Ullrich 31#
Gerhard Jeske
Das Wort " Dubbaß " fand ich im kleinen Sprachführer 1997 von Gerhard Wolfgang Ellerhold, Es ist ein großer Gegenstand, ( domp- Eiche ) also ein harter Knüppel. Ellerhold war Fähnleinführer in Neufahrwasser, er beschreibt seine Jugend und politische Entwicklung in einer Broschüre, die er im Tausch gegen mein Buch, mir zusandte. Jeske meint, dass solche Worte aus dem Osten weit verbreitet waren. So sprach ich einmal mit Siegfried Lenz und erwähnte, dass ich eine auf den Deez bekam. Da lachte er und meinte, dass er dieses Wort vergessen hatte. Also. auch in Lyk war der " Deez- Kopf" bekannt. Hamburger Grüße sendet zu Ihnen Gerhard Jeske

Ulrich 31
28.07.2016, 19:47
Nachtrag zu #13:

Hier zwei Google-Funde zum ersten Teil des betr. Ehmke-Wortes in der Schreibweise "Dubbas":
- Hinweis im Wörterbuch der deutschen Umgangssprache lässt sich hier leider nicht weiterleiten. Bitte deshalb dort selbst nachsehen.
- http://www.gutefrage.net/frage/was-ist-ein-dubbas .
In beiden Fällen wird ein Zitat von Günter Grass aus seiner Novelle "Katz und Maus" erwähnt, wo das Wort "Dubbas" eine spezielle Bedeutung hat.

Christkind
28.07.2016, 23:49
Feli, ich denke, mal, dass Hochdeutsch vowiegend in der Stadt gesprochen wurde.In der Schule sowieso. Ich komme aus einer Arbeiterfamilie, aber auch wir sprachen zu Hause kein Missingsch, so wie ich es etwa in dem Büchlein von Hans B. Meyer "Bowkes und Pomuchelsköpp" lese. Einzelne Wörter ergeben noch keinen Dialekt.Dabei ist ewig schade, dass dieses Kulturgut des Volkes, das sich in Jahrhunderten in den Dorfgemeinschaften entwickelt hat, einfach so verschwindet. Klingt es nicht schon beim Lesen allein lustig fantasievoll :" Der Glumskopp ist so miekrig wie'ne Friehkartoffel als Kleinkind, der große Schnurras und die gnubblije Karott' mitten drin is's ganze Jesicht von dein' Gardejeneral, aber mein Max".... "Dein Ehekriemel auf Filzwuschen, so'ne Maus im Haus..." ....."Mich is ganz schwach auffe Fieß' " .. "Schwach im Kopp is schlimmer" ... ?
Kein Schulkind kam ohne Hochdeutsch aus.
Puttchen, Bulwensupp,Klüsen,de Back puscheien,verknusen,Zrohr,brejenklietrich... das kennt wohl jeder Danziger.
Schöne Grüße, Christa

Langfuhr43
29.07.2016, 12:13
Guten Morgen an alle,

letztens war ich mit meiner Schwester (70 J.), ich 72 J. im Urlaub. Sie gebrauchte ein Wort, das für uns beide verständlich war, weil es früher in unserer Familie gebraucht wurde. Sie gebrauchte das Wort: jibbern
Wir stellten fest, dass es wohl ein Danziger Ausdruck sein muß. Weiß jemand die genaue Bedeutung?
Hallo Eva, über das Wort "kietern" haben wir beide uns kennen gelernt.:)
Viele Grüße Gisela

hugeno
29.07.2016, 12:42
Hallo Langfuhr 43
Ich kenne diesen Ausdruck -jibbern- als wie ich kann es kaum erwarten oder ich bin schon ganz erwartungsvoll oder ganz heiss
Gruß
hugeno

Felicity
29.07.2016, 13:11
Auch wenn man uebermuetig und vergnuegt ist, gebraucht man das Wort 'jibbern' Gisela. Na, da habt Ihr zwei Marjellchen bestimmt genug Zeit zum jibbern gehabt. Liebe Gruesse von der Feli.

Steinfeld
29.07.2016, 14:27
Hallo,
danke für die Webseite!

Meine Vorfahren sind Mennoniten und kommen aus dem Raum Danzig. Dort hat sich unter Mennoniten im 16 bis 18 Jahrhundert mennonitisches Plattdeutsch gebildet, das bis heute weltweit gesprochen wird (Deutschland, Russland, Kanada, USA, Paraguay usw.). "Danzig-Weichselmünde (Gdańsk-Wisłou (ID:540918)" ähnelt diesem sehr, aber doch nicht 100%tig.

MfG Steinfeld

ada.gleisner
30.07.2016, 12:54
Hallo,
auch das Wort "jibbern" hat meine ostpreußische Mutter oft benutzt, Grüße von Ada

Langfuhr43
31.07.2016, 21:47
Bei einem Telefonanruf bei meiner 82-jährigen Tante gebrauchte sie: laßt euch bloß nicht berumpsen.
(Beim Bezahlen nach einer Taxifahrt in Danzig):)
Viele Grüße von Gisela

vklatt
31.07.2016, 21:59
Ich kenne auch: sei nicht so jibberig.

Viele Grüße Vera

waldkind
01.08.2016, 00:30
Hallo Sprachler,
wir hatten schon einmal eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Danziger Sprache. Macht erneut Spaß, da mal reinzuschauen. Ich setze die Links unter diesen Beitrag.
Auch den Unterschied zwischen Standarddeutsch, Niederdeutsch, Hochdeutsch und Missingsch hatte ich hier mal erklärt, weiß aber nicht wo. Daher zum besseren Verständnis der Sprache noch einmal ein kurzer Abriss.


Zuerst einmal muss mit dem Begriff„Hochdeutsch“ aufgeräumt werden. Niederdeutsch und Hochdeutsch sind keine Qualitäten von Sprache, sondern eine räumliche Abgrenzung von Sprache. Die niederdeutschen Dialekte wurden im nördlichen Raum Deutschlands gesprochen, die hochdeutschen im südlichen Raum. Getrennt waren diese Sprachregionen von der imaginären Uerdinger Linie (googlen, wen es interessiert).Was wir fälschlicher Weise unter Hochdeutsch verstehen, ist die Deutsche Standardsprache. Aber diese ist mehr ein „Kunstwerk“,was immer mal erneuert wird, wie wir es 1996 erlebt haben. Das Standarddeutsche ist als eine überregionale Amtsschriftsprache gedacht, mit der man sich in ganz Deutschland verständigen kann. Althochdeutsch ist seit 750 belegt, doch erst 1200 dringt das Mittelhochdeutsch als Dichtersprache in den nördlichen Raum vor. Und erst im 18.Jh. setzt sich das Neuhochdeutsche im gesamten deutschen Raum als Schrift- und Kanzleisprache durch. Bereits im 16. Jh. gab es einige Versuche eine einheitliche Standardisierung vorzunehmen. Als Vorarbeiter kann Martin Luther gesehen werden, der 1522 eine Ausgleichssprache (Sprache, die zwischen verschiedenen Sprachen vermittelt) benutzte, um das N.T. möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen. Meines Wissens wurde das Standarddeutsche aber nicht nur aus dem Hochdeutschen genommen, sondern erhielt auch Elemente aus dem Niederdeutschen. Das Hochdeutsche mag aber überwogen haben, sonst hätte es nicht zu dieser merkwürdigen Wertung von Nieder- und Hochdeutsch im Volkssinn kommen können.
Danzig gehört in die Gruppe der niederpreußischen Dialekte. Das Niederpreußische ist gekennzeichnet durch niederdeutsche, niederländische und baltische Elemente. Innerhalb der Niederpreußischen gehört Danzig in eine eigene Mundart, nämlich die des Weichselmündungsgebietes. Für Danzig müssen wir vor allem zwei Sprachen unterscheiden:

Platt oder Niederdeutsch
Missingsch

Das Missingsch entsteht dadurch, dass niederdeutsche Muttersprachler versuchen Standarddeutsch zu sprechen. Dabei richtet sich die Grammatik nach dem Niederdeutschen, das Vokabular ist eine Mischung aus Standarddeutsch und Niederdeutsch.Mein Lieblingsbeispiel:
Missingsch: Er ist tot geblieben
Platt: He is doot bleven
Standarddeutsch: Er ist gestorben
Wenn man das Danziger Missingsch vergleicht mit dem Danziger Niederdeutsch, so sehen wir aber auch, dass das Missingsch nochmals ganz eigene Wörter herausgebildet hat, die auch aus anderen Sprachen, wie etwa dem Französischen stammen.
In Wahrheit ist die ganze Sache aber noch komplizierter.
Wenn also jemand behauptet, er habe schon immer Hochdeutsch gesprochen, so wäre erst einmal herauszufinden, was er damit gemeint hat. Sprach der Bairisch, Amtsdeutsch oder Missingsch? LG waldkind.

Hier noch die Links aus unserem Forumüber die Danziger Sprache.
http://forum.danzig.de/showthread.php?3764-Redewendungen-Sprachgebrauch-an-was-erinnert-ihr-euch-noch&highlight
http://forum.danzig.de/showthread.php?6761-Alte-Danziger-Ausdr%FCcke&highligh

Ulrich 31
01.08.2016, 13:16
Danke, liebes waldkind, dass Du in #26 im Dickicht des Sprachwaldes aufgeräumt hast.

Danke auch für Deine beiden Links zu früheren weiteren Threads über die Danziger Sprache, wovon sich der erste im Unterforum "Plachanderecke" und der zweite im Unterforum "Danzig Stadt" befindet. Zusammen mit meinem Hinweis hier in #15, Absatz 2, ergibt sich nun, dass etliche Threads über die Danziger Sprache verstreut in diesen verschiedenen Unterforen unseres Forums laufen:

- "Plachanderecke"
- "Wirtschaft, Sport, Kultur"
- "Danzig Stadt" .

Dies halte ich für unzweckmäßig und empfehle deshalb der Moderation, an eine Bündelung dieser verstreuten diversen Threads gleicher Sprachthematik in nur einem Unterforum zu denken. Ich würde mich, wie sicherlich auch andere im Forum, freuen, wenn dies gelänge.

Beste Grüße
Ulrich

Beate
01.08.2016, 13:42
Moin zusammen,

danke, waldkind für's Auflisten ich werde Euch jetzt mal in die "Kulturecke" verschieben, Sprache hat -nicht nur für mich- mit Kultur zu tun, nicht?

Fröhliche Grüße Beate

Miles
01.08.2016, 17:54
Danke, waldkind, für die Infos. Jetzt muss ich erst mal lesen....:)

waldkind
02.08.2016, 12:43
Hallo Olaf,
hat mir Freude bereitet. Man findet dann zu neuen eigenen Erkenntnissen und Überlegungen. Allein schon die Überlegung darüber, dass es historisch gesehen zuerst das Danziger Niederdeutsch gab, und das Missingsch kann sich demnach erst nach der Deutsch-Standardisierung entwickelt haben, also ab dem 18.Jh.

Hallo Ulrich,
schöne Idee mit dem Zusammenführen der Sprach-Threads. Rein formell betrachtet hast du recht. Ich für meinen Teil bin selten glücklich, wenn aus dem Plachander-Thread etwas verschoben wird. Plachandern ist nun mal Plachandern. Dort verhalten wir uns lockerer und vertrauter und manches wird gesagt, was man vielleicht so in der Öffentlichkeit nicht sagen würde. Ich finde, wir sollten den Schutz der Privatsphäre nicht durch späteres Verschieben in den öffentlichen Bereich brechen. Mich würde es zurückhaltender machen.

Liebe Forumer,
ich bin dankbar, dass ein so schöner Austausch über die Danziger Sprache damals zustande gekommen ist. ich erinnere mich, dass wir immer wieder mal, in den unterschiedlichsten Threads auf die Danziger Sprache zu sprechen kamen. Ein Zeichen dafür, wie wichtig die Sprache für die eigene Identifikation ist. LG waldkind.

Bartels
03.08.2016, 19:19
Einen schönen guten Abend,

BEITRÄGE AUS DEM NICHTÖFFENTLICHEN TEIL DÜRFEN NICHT IN DEN ÖFFENTLICHEN TEIL DES FORUMS VERSCHOBEN WERDEN punkt

Ausnahme: Der Eröffner des Fädchens stimmt kurz danach zu - sonst müssten ALLE Beitragenden gefragt werden.

Bartels
03.08.2016, 19:31
Zur Differenzierung aus wissenschaftlicher (?) Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Freie_Stadt_Danzig#Sprachen_und_Dialekte

Man sollte bedenken wo die Voreltern herkamen, die brachten ihre eigenen Dialekte und Sprachfärbungen mit nach Danzig.

Jiddismen, s. wikipedia Jiddismus, wie meschugge, schovel, uva gab es in vielen deutschen Dialekten.

Die Eltern meines Danziger Vaters waren beide aus Anhalt, und wenn Sohn auf die höhere Schule gehen sollte waren Dialekte verboten.

Die Mutter meiner Hamburger Mutter war aus Danzig, Vater Bartels, Existenzgründer in Danzig, stammte aus Vorpommern.

Aber wenn meine Eltern schimpften, verrieten sie doch ein wenig "Heimat": Sei nicht so jibbrig! Kieter nicht rum!

Chodowiecki sprach französisch - nicht nur als Muttersprache; manche Danziger sprachen gälisch und andere englisch.

Leider jetzt keine Pinta Alus (litauisch), würde auch jeder Engländer verstehen - die Dose Memelbräu

Bartels
03.08.2016, 21:21
... habe ich als Geschenk mitgebracht.

Jetzt habe ich wieder Strom und auch ein Weizenbier (nur 0,5 l).

NB: Der Unterschied zwischen Pint und 0,5 Liter wurde vor vielen Jahren auch schon literarisch diskutiert. Wer war's? - War auch mein erster Spielfilm den ich gesehen habe.

Gerhard Jeske
03.08.2016, 22:20
Bartels #32
Guten Abend allen zusammen. Besonders in den Schimpf und Koseworten können wir fremde Wurzeln erkennen.Gerhard Jeske meint; Wenn der Danziger einen anderen ansprach, war das meistens liebenswürdig gemeint:
Luntrus, Leidak, Abselwart, olle Goy, und Dussel , Schleiserchen, Bowke, Glumskopf. Olles Kreet, schaber nich und hole Freet.

Bartels
03.08.2016, 22:53
Hallo,

#15 - Betr. dem Ehmke-Zitat sässe Ulrich hier an der Quelle. - Vlt. findet sich ein Bundestagsarchivar, der jetzt Zeit hat, die seinerzeitige professorale Antwort aus den Redeprotokollen herauszusuchen ...

Ulrich 31
04.08.2016, 17:55
Hallo Rudolf (#35),

ich überlasse es gerne Jüngeren im Forum, an zuständiger Quelle in Erfahrung zu bringen, was das in #13 genannte Ehmke-Wort "Dubaßleuchjen" (vermutlich Danzig-Dialekt in m.E. unsicherer Schreibweise) voll bedeutet. Eine solche Recherche setzt nicht Berlin als Wohnort voraus. M.E. beste entspr. Quelle ist das Archiv des Bundestages, hier speziell "Drucksachen und Plenarprotokolle des Bundestages - ab 1949" (> http://pdok.bundestag.de/ ), mit diesen Kontaktangeboten > Telefon: 030 227-32350, E-Mail: infoline.id3@bundestag.de .

Viele Grüße
Ulrich

waldkind
08.08.2016, 15:22
Hallochen!
Jeder Dialekt hat besondere Merkmale. Logisch. Für den Niederpreußischen Dialekt, also auch dem Danziger, ist einer die häufig angewandte Verkleinerungsform. Die kommt sicher vielen noch bekannt vor und wir hatten in einem Thread über das "Duchen" darüber gesprochen. Ich selber habe so gesprochen, weil so aufgewachsen. Habe es dann irgendwann als "albern" verworfen. Da wusste ich aber nicht wo es herkam. Schade! Jetzt weiß ich, wo es her kam, das "Mütterchen", "Brüderchen", "Männelein", "Blümchen", "Mäuschen" etc.
Mich würde interessieren, wie der Dialekt eigentlich zu dieser Eigenart kam. Wie kommt ein Volk dazu alles verkleinert zu betrachten? LG waldkindchen.

Poguttke
08.08.2016, 15:35
Schnaps trinken Alkoholiker, aber ein Schnäpschen ist gut für die Jesundheit :) Gero

Felicity
08.08.2016, 15:40
Waldkindchen, Gero hat die Antwort ! Er trinkt ja keinen Schnaps,nur ein Schnaepschen. Liebes Gruesschen vom Felichen

Bartels
08.08.2016, 19:16
Hallo waldkindchen,

ein Volk? Nein Völker, ich denke das ...chen kommt ausvom slawischen Nachbarn. Im Polnischen u. Russischen sind die Koseformen weit verbreitet, inPolen kommt zum Namen _EK oder _ka dazu.

Das Wasser woda ist fürs Vieh zum Saufen, das Waesserchen Wodka für den Bauern.

LG Rudolfas Kubilius
/ so mein Name auf litauisch

Bartels
08.08.2016, 19:23
Mein kleines Tablettchen erhöht die Quote der Fehlerchen.

Rudek

(Bednarz - den Nachnamen hört ein Pole nur zweimal, zur Hochzeit und zur Beerdigung.)

Felicity
09.08.2016, 00:59
Rudi hat Recht, Waldkindchen, ich wurde vom Papa, Lituschka genannt und in Polen von meiner Tante Manja, Litka. Das kommt natuerlich von der Abkuerzung LITA her und nicht von FELI. Liebe Gruesse von der Australka.

waldkind
12.08.2016, 13:45
Danke Feli, Gero, Rudek für eure Antworten.
Da steckt wohl in allem was wahres drin. Zu Geros Antwort fällt mir ein, dass die Verkleinerung dem Wort die Härte nimmt. Es liegt etwas Warmherziges, Liebevolles darin. Mal abgesehen davon, dass man Schnäpschens weit mehr zu sich nehmen durfte oder konnte als Schnäpse;)
Das Kosenamen im Slawischen die Verkleinerungsform bekamen, kann ich gut nachvollziehen. Ist ja auch der Nachnamen meiner Ahnen, Nitschkowski, eine Verkleinerung für den Nikolaus. Vielleicht hieß also unser Stammvater einfach nur Nikolaus bzw. Nitschka oder Nitschek. Rudek, Litka, Lituschka, das klingt alles sehr schön.
Ich habe die Sprache meiner Mutter so in Erinnerung, dass ziemlich alles verkleinert wurde also nicht nur die Namen.

Lieber Rudek, die Verkleinerung in Danzig wird nicht von den slawischen Nachbarn (Polen, Russen) kommen, sondern von den Slawen, die in Danzig lebten. Die waren ja vor den Deutschen da und werden daher zum Wachsen der Danziger Mundart beigetragen haben. Da die Verkleinerung für alle niederpreußischen Dialekte gilt, gehe ich mal davon aus, dass die preußischen Gebiete im Großen und Ganzen zuvor von Slawen besiedelt waren. Ich grüß euch schön, wk.

Miles
29.08.2016, 19:25
Vielen Dank für die zahlreichen interessanten und unterhaltsamen Erläuterungen und Beispiele. Mittlerweile habe ich auch die beiden von waldkind genannten Threads
http://forum.danzig.de/showthread.ph...noch&highlight
http://forum.danzig.de/showthread.ph...FCcke&highlight
gelesen und mich köstlich amüsiert. :-)

Eines habe ich dabei nicht gefunden: gab es typisch Danziger Bezeichnungen für "Vater" und "Mutter"? An einigen Stellen habe ich "Paps" gelesen - ein Wort, das ich ansonsten noch nicht gehört hatte.

LG,
Olaf

Ute Marianne
29.08.2016, 20:28
Hallo Olaf,

So nannte ich meinen Danziger Vater. Er selbst sagte zu seiner Mutter immer Mutsch. Einen Ausdruck für seinen Vater hat er nicht erwähnt,da dieser in Danzig Schießstange schon mit 40 verstarb. Ich selbst bin nicht in Danzig geboren.

Ob Mutsch nun ein Danziger Ausdruck für Mutter ist??


Gruß Ute

ada.gleisner
29.08.2016, 20:48
Noch ein Beispiel für Verniedlichungen mit ...chen. Meine masurische Großmutter sagte "Renchen" zu mir. Heute sagt das leider keiner mehr, Grüße von Ada (oder Renate) Ada ist die Verkleinerung meines Bruders für Renate.

Mandey +08.03.22
29.08.2016, 21:07
Guten Abend, Wir sollten nicht immer, das Danziger Dialekt so groß in den Vordergrund stellen, Danzig verfügte über ein Großes Umfeld in Richtung Osten zum Beispiel Richtung Elbing und so weiter, es war ein Kose Name für die Mutter oder der Mutti (Mutsch) nicht nur einst in Danzig.
Mandey

Bartels
29.08.2016, 21:59
Hallo,

die Danziger Mutter meiner Mutter war Mui, der Pfälzer Vater Pai. Bei uns dann Opai und Omai.

Mein Danziger Vater hatte anhaltinische Eltern.

Mandey hat recht, in Danzig hat sich viel vermischt.

Bartels
29.08.2016, 22:08
Ntrg Meine Mutter hat noch Sie zu ihren Eltern gesagt.

NB Liebe Felix, Du solltest mit Deinen Enkeln nur deutsch reden, dann lernen sie es am besten, besonders wenn sie eins der musikalischen Gene haben. Je juenger desto besser. _ keine Angst mit den Eltern reden sie weiterhin English.

M. Neffe und nichte konnte n mit fünf perfekt deutsch und chinesisch, bestaunt wurde nur wenn blonde Menschen oder der Onkel chinesisch sprach...

Liebe Gruesse
Dein Rudi

Bartels
29.08.2016, 22:09
Feli natürlich da schreibt die Korrektur mit...

vklatt
29.08.2016, 23:03
Ja, meine Mutter hat zu ihren Eltern auch noch Sie gesagt.
Die Kinder, die die Möglichkeit haben zweisprachig aufzuwachsen, haben großes Glück.
Leichter kann man doch keine Sprache lernen. Meine Schwiegertochter hat mit meinem Enkel
immer nur Chinesisch gesprochen und wir nur Deutsch. Er wechselt von klein auf an mühelos
zwischen den Sprachen. Jetzt mit 15 spricht er außerdem perfekt Englisch und gut Spanisch.
Wenn er, meine Schwiegertochter und ich, Bus oder Bahn gefahren sind, staunten die Mitfahrer
nicht schlecht, wenn der Knirps mit Mutter Chinesisch und mit mir Deutsh sprach.

Viele Grüße

Vera

Gerhard Jeske
06.09.2016, 11:21
Waldkind #43
Gerhard Jeske,
In Prangenau erklärte mir Kaminski, dass die Endung " ki" dem deutsche" von" entspricht, so wurde der polnische Kleinadel bezeichnet. Das war mit den polnischen Königswahlen verbunden. Es konnte nur wählen, wer adlig war und so schenkten die Mangnaten ihren Leuten etwas Land, veränderten den Namen und machten sie wahlberechtigt, narürlich in ihrem Sinne.

Ulrich 31
11.12.2023, 23:24
Hallo zusammen,

nach der heutigen freudigen Mediennachricht aus Polen habe ich die Wikipedia-Seite von Donald Tusk aufgesucht (hier ist sie: > https://de.wikipedia.org/wiki/Donald_Tusk ) und dort gefunden, dass die Sprache seiner Großmutter mütterlicherseits 'Danziger Deutsch' war. Dazu gibt es diese Wikipedia-Seite: ► https://de.wikipedia.org/wiki/Danziger_Deutsch ). Deshalb poste ich diesen Fund in diesem Thread.

Viele Grüße
Ulrich

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PS:
Passt eigentlich dieser Thread ins Unterforum "Geschichten, Poesie"?