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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Der Tiegenhofer Volkstagsabgeordnete Johannes Kruppke



Wolfgang
22.11.2017, 23:50
Schönen guten Abend,

manchmal ist man selber erstaunt über das was man nicht weiß. Viele Namen Jener hörte ich, die in Vorkriegszeiten in Tiegenhof lebten, und ich dachte, dass mir gerade die Namen bekannter Persönlichkeiten geläufig sein müssten.

Schon vor ein paar Jahren gab es mal eine Anfrage von Bettina (Orika): Suche aus "Unser Danzig" vom 1.11.1957 (http://forum.danzig.de/showthread.php?7035-Suche-aus-quot-Unser-Danzig-quot-vom-1-11-1957&highlight=kruppke). Aber weder dort noch sonstwo erfuhr ich etwas von der Person, von dem Schicksal Johannes Kruppkes.

Es gilt, an solche Persönlichkeiten zu erinnern. Johannes Kruppke war SPD-Abgeordneter im Danziger Volkstag, und wie viele andere Menschen die in Opposition zu den Nazis waren, wurde er deren Opfer. Flucht, Vertreibung, Inhaftierung, Mord, Beraubung der Heimat begannen nicht mit dem Ende des Krieges, sondern das alles geschah bereits in "Friedenszeiten".

Johannes Kruppke starb 1957 in Schweden, 20 Jahre nach Vertreibung und Aussiedlung durch die Nationalsozialisten.

Anlässlich seines Todes erschien in "Unser Danzig" in der Ausgabe 21/1957 auf Seite 10 ein Nachruf:

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Johannes Kruppke

Fern seiner Danziger Heimat ist Johannes Kruppke am 26. September 1957 in Göteborg/Schweden gestorben. Als Sohn eines Arbeiters ist er am 18. Mai 1901 in Tiegenhof geboren und hat die dortige Volksschule besucht. Schon in verhältnismäßig jungen Jahren ist er auf Grund seines Wirkens zum öffentlichen Wohle und seiner Tätigkeit in öffentlichen Ämtern über seine engere Heimat und den Kreis Großes Werder hinaus bekannt geworden. Er war Stadtverordneter in Tiegenhof, seit 1928 Mitglied des Kreistages Großes Werder und gehörte von 1928 bis 1937 dem Danziger Volkstag als Abgeordneter der SPD-Fraktion an.

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Infolge seiner aktiven Gegnerschaft zur NSDAP verlor er schon 1933 seinen Arbeitsplatz bei der Landkrankenkasse in Neuteich. Während des Wahlkampfes im Frühjahr 1935 wurde seine Wohnung in Tiegenhof, Schwarzer Weg 209, mehrfach von Nazitrupps „gestürmt" und die Wohnungseinrichtung böse verwüstet, sodass er in Danzig „untertauchen" musste. Während einer Reise ins Ausland, um Arbeit zu suchen, wurde ihm von den Nazimachthabern und auf Grund einer eigens hierfür geschaffenen Ermächtigungsverordnung am 9. Februar 1937 das Mandat als Volkstagsabgeordneter entzogen mit der fadenscheinigen Begründung, er habe sich durch diese Reise ins Ausland „außerstande gesetzt, die Pflichten, die ihm sein Amt als Abgeordneter, insbesondere zur Mitarbeit, auferlege, zu erfüllen". Dass es gegen diese Willkür kein Rechtsmittel gab, gehörte zu den Eigentümlichkeiten jener Zeit. Das Fehlen einer Rechtsgarantie machte Kruppke deshalb eine Rückkehr nach Danzig unmöglich. So musste er sich in Schweden eine neue Heimat suchen. Auch dort hat er sich um das Wohl seiner Mitmenschen und Schicksalsgenossen gesorgt. In einer Textilfabrik beschäftigt, machte er es sich zur Aufgabe, die nach der Vertreibung nach Schweden gelangten und in seinen Betrieb eingestellten deutschen Arbeitskräfte zu betreuen und sie in die fremden Verhältnisse einzugewöhnen. Ohne vorhergehende Krankheit ist er - erst 56 Jahre alt - an seinem Ar-beitsplatz zusammengesunken und „in den Sielen" gestorben.
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Die Veröffentlichung dieses Artikels erfolgte mit freundlicher Genehmigung des "Bundes der Danziger" in Lübeck.

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Orika
23.11.2017, 22:28
Lieber Wolfgang, danke für diesen Beitrag über meinen Großonkel.
Er hat es wohl während des Krieges noch mindestens einmal geschafft nach Danzig zu kommen, mit falschen Papieren, um die Familie zu besuchen. Jedenfalls gibt es ein Familienfoto von ca. 1940 , auf dem er auch zu sehen ist. In Schweden hat er noch eine liebe Frau gefunden und einen Sohn bekommen. Leider sind auch seine sechs Geschwister relativ früh gestorben, entweder als Kind, im Krieg gefallen oder auch durch Herzinfarkt.
Johannes hatte übrigens seinen Familiennamen um ein "p" erweitert, entsprechend einer früheren Schreibweise.
Liebe Grüße,
Bettina