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Wolfgang
03.12.2017, 13:28
Aus Unser Danzig, 1970, Nr.8, Seite 13

Die Volksschule in Tiegenhof
von Otto Lemke

über die Volksschule Tiegenhof ist bisher so gut wie gar nichts geschrieben worden. Darum will ich versuchen, Erinnerungen aus den dreißiger Jahren an sie wachzurufen.
Wie allen Tiegenhöfern bekannt sein dürfte, stand diese Schule auf dem Schlossgrund. Über die Stobbe- und Schwimmbrücke in der Lindenstraße, vorbei an der Machandelfabrik bzw. an der evangelischen Kirche, führte der Weg zu ihr. Dabei bot sich einem von der Stobbebrücke aus ein schöner Blick auf die alten Speicher an der Tiege. War man dann auch noch an der Realschule vorbei, hatte man die Volksschule bald erreicht, an der ich 1929 eingeschult wurde. Mein Weg allerdings war etwas anders, da wir damals am Schwarzen Wall gegenüber dem neuen evangelischen Friedhof wohnten. Ich musste über den Lagerhof von Manhold und den eingezäunten Weg zwischen diesem Hof und dem Garten des Lehrers Puff entlang bis zum Petersiliengang. An seinem Ende erreichte man dann die Lindenstraße, und wie schon beschrieben, war es darauf nicht mehr weit bis zum Schlossgrund und der Volksschule.
Bis zum 3. Schuljahr gab es Mädchen- und Jungenklassen, an den Türen bezeichnet mit I bzw. Ia, II bzw. IIa usw. Vom 4. Schuljahr ab gingen dagegen Mädchen und Jungen zusammen in eine Klasse. In demselben Gebäude war auch die katholische Schule untergebracht, doch gab es in den späteren Jahren keine konfessionell getrennten Klassen mehr. Katholische und evangelische Schüler wurden dann gemeinsam unterrichtet. Zu meiner Zeit war Herr Felske Rektor der Volksschule, und mein erster Lehrer war Herr Goedtke. Dem Lehrerkollegium gehörten außerdem - soweit ich mich richtig erinnere - die Damen Wegener, Heß, Lilienthal und Wehrmeyer an sowie die Herren Helbing, Rünger, Foth, Hartmann, Stabenau, Frischbutter, Florianski. Nach der Versetzung einiger Lehrer kamen neu hinzu: Bartsch, Wiens, Wächter und Sommer. Nachfolger von Rektor Felske wurden die Herren Frenzel und Meyer.
Für die damalige Zeit war unsere Schule sehr modern. Mitte der dreißiger Jahre wurde ein An- und Hochbau vorgenommen.
Dadurch entstanden weitere Klassenräume, eine große Aula, eine Küche sowie ein Werkraum. Im Keller wurde ein großer Duschraum geschaffen. Vom 4. Schuljahr an saßen wir Schüler nicht mehr in den herkömmlichen Schulbänken sondern auf Stühlen an Tischen. Das hatte den Vorteil, dass man den Stuhl nach jeder Richtung drehen konnte, in der sich der Lehrer gerade befand, und dieser war nicht starr an seinen Platz gebunden. Der Lehrplan war sehr abwechslungsreich. Für Naturkunde, Erdkunde und Raumlehre wurde der Unterricht oftmals draußen im Freien abgehalten, doch besaß unsere Schule auch sehr viel Anschauungsmaterial in Gestalt von Landkarten für Erdkunde, Illustrationen für den Naturkundeunterricht und Bildmaterial für die Religionsstunden. Jeder unserer damaligen Lehrer war in der Lage, in jedem Fach Unterricht zu erteilen. Wenn bei uns einmal der Sportlehrer krank war, fiel die Stunde nicht etwa aus, sondern unser Klassenlehrer gab sie.
Vom 4. Schuljahr ab begann der Unterricht um 7.30 Uhr. Bis 8 Uhr hatten wir Frühsport, mit Freiübungen, Laufen und Ballspielen, an jedem Morgen, ganz gleich, ob es Sommer oder Winter war. In den späteren Jahren wurde noch Schwimmen, Werken und für die Mädchen auch Kochen in den Unterrichtsplan aufgenommen. Im eigenen Schul-garten wurde die Gartenarbeit gepflegt. Alle zwei Monate wurde für alle Klassen ein Wandertag angesetzt, damit die Schüler die nähere Umgebung kennenlernen konnten. In längeren Abständen fanden Elternabende in der Aula oder auch manchmal Konzerte des Schulorchesters unter Leitung von Lehrer Sommer statt. Doch nicht für die größeren Schüler wurde auf diese Weise für Abwechslung gesorgt. Zu den Kleinen kam manchmal der Kasper, oder ihnen wurden Märchen mit Lichtbildern gezeigt. Immer war die Schulleitung darum bemüht, für alle Schüler, ob groß oder klein, auch außerhalb des regulären Unterrichts abwechslungsreiche Unterhaltung zu schaffen, und sie konnte des Dankes ihrer Schüler gewiss sein. Wer einmal die Volksschule in Tiegenhof besucht hat, wird sich bestimmt gern seiner Schulzeit erinnern.

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Die Veröffentlichung des Artikels erfolgte mit freundlicher Genehmigung des "Bundes der Danziger" in Lübeck. Weitere Verwendungen / Veröffentlichungen nur mit ausdrücklicher Genehmigung durch den Bund der Danziger, Lübeck