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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Geschichte und Glauben der Kaschuben



Antennenschreck
25.08.2018, 16:17
Hallöle,

mal ein wenig über die Kaschuben:

Pommern im zehnten und elften Jahrhundert

Pommern glich aus deutscher Sicht bis zum Anfang des 12. Jahrhunderts einer Insel, an deren Küste wohl schon einige Seefahrer gelandet waren, über deren innere Beschaffenheit aber so gut wie gar nicht bekannt war. Als nun die Fackel des Christentums von den Ufern der Elbe über Dänemark, Skandinavien und die östlichen Länder ausstrahlte, wurden zwar die westlich wohnenden Obotriten und Lutizier von ihr beleuchtet; aber das eigentliche Pommern, wenn auch noch in der Gegend von Wollin erhellt, blieb weiterhin in Dämmerung gehüllt. Der große Stamm der Lechen hatte sich in der Weichselgegend festgesetzt, sein Mittelpunkt lag bei Gnesen, und seine Zweige reichten bis zur Ostsee und zur Elbe, ohne dass man sagen könnte, wann genau das geschehen war. Erst seit das Christentum im Jahre 966 eingeführt wurde, und ausländische Geistliche ins Land kamen, wurden Überlieferungen gesammelt, und Bruchstücke der alten Geschichte aufgezeichnet, und natürlich die aktuellen Ereignisse aufgezeichnet. Aus dem, mit offenbaren Erdichtungen vermischten, älteren polnischen Überlieferungen können aber nur wenige glaubwürdige Sätze abgeleitet werden. Zu diesen rechnet man die Nachricht, dass Pommern, oder das Land, welches von der Ostsee, der Oder und Weichsel und südlich von der Wartha und Netze eingeschlossen wird, in den früheren Zeiten zu Polen gehörte. Nach den polnischen Nachrichten hatte Leska III. einen einzigen ehelichen Sohn, aber dazu noch zwanzig weitere von Beischläferinnen. Der erste folgte ihm in der Regierung, aber fünf von den unehelichen, deren wirkliche Zahl wohl übertrieben ist, versorgte er mit Ländereien in Pommern, denn es war damals Sitte, die Söhne von Fürsten mit eigenem Landesbesitz auszustatten. Namentlich erhielten Boleslaw, Barvin oder Barnim und Bogdal Pommern, und Kasimir und Vladislav bekamen Kassubien. Unter den übrigen Söhnen soll Rügen und das Land zwischen der Oder und der Elbe verteilt worden sein, was sich nach einer Übertreibung anhört, obgleich es wahrscheinlich ist, dass die Völker zwischen der Elbe und der Oder früher mit den Polen in Verbindung standen. Popiel I. schlug erst seine Residenz in Guesen, danach in Kruschwitz am Golpo See auf, aus welchem die Netze entspringt, wo auch sein Sohn Popiel II. wohnte. Dieser, wie schon sein Vater, ein wollüstiger Fürst, machte sich Sorgen, dass die pommerschen Polen einen von den unehelichen Brüdern zum Oberhaupt wählen könnten. Er lud daher seine Onkel, entsprechend eines Planes seiner Gemahlin, zu sich ein, und tötete sie durch einen vergifteten Wein, welchen er ihnen als Willkommenstrunk reichte. Dieser schändliche Mord an seinen Onkeln führte aber zu Popiels II. Absetzung, und er soll danach von den Mäusen in seinem Kerker verzehrt worden sein. Nun wurde also Piast zu Polens neuem Oberhaupt gewählt, dessen vierter Nachfolger Miesko I. das Christentum in Polen einführte. Hier kann man erkennen, dass Pommern und Polen früher ein Land gewesen ist. Auch zeigt sich das an der Lage von Gruschwitz im heutigen Netzgebiet, weil man einfach nicht annehmen kann, dass die polnischen Regenten ihre Residenz genau an der Grenze erbauen würden, wo sie dort doch leicht überfallen werden könnten. So eine Residenzstadt musste immer ungefähr in der Mitte eines Landes liegen, wenn sich dort das Oberhaupt gefahrlos aufhalten sollte. Auch hatten die Polen und die Völker zwischen der Oder und der Elbe früher die gleichen Götter; was hier Podaga und Sieba waren, nannten die Polen Pogoda und Ziwie, und Zisibog war unstrittig dieselbe Gottheit, welche von den Polen Zizililia oder Dzidzielia genannt wurde. Aus den obigen Nachrichten erkennt man weiterhin, dass Pommern in den ältesten Zeiten in das eigentliche Pommern und Cassubien eingeteilt wurde. Boguphalus, ein Bischof von Posen, der 1253 starb, gibt sich alle Mühe, den Namen Cassubien, aus caes = lege zusammen und huba = Rockfalte zu erklären, weil die Einwohner ihre langen und weiten Kleider in Falten hätten legen müssen. Diese Namenserklärung, welche uns über den Ursprung des Volkes keinen Aufschluss gibt, beweist indessen, dass die Benennung Kassubien nicht erst 100 Jahre vor ihm entstanden sein konnte, sondern so alt ist, wie es eben auch die Namen Pommern, Masovien und andere polnische Ortsnamen sind. Oft wird allerdings von späteren polnischen Schriftstellern Kassubien nicht mehr unterschieden, und nur noch als Pommern bezeichnet. Die Preußen scheinen Kassubien Welida genannt zu haben.

Vielleicht hift das ja bei der Klärung wer hier zu wem gehört.

LG Arndt

Enno12356
25.08.2018, 16:58
Lieber Antennenschreck,
ich danke Dir von Herzen für
Deinen tollen Bericht. Die
Piepjorkas ( Name verdeutscht)
waren Kaschuben. Sie heirateten
seit Generationen immer in kath.
deutsche Familien ein.
Ich kann garnicht genug über sie
erfahren ! An welche Götter glaubten
sie vor der Christianisierung ???
Nochmals lieben Dank
Eva Maria

Antennenschreck
25.08.2018, 17:22
Hallöle,

da ich erst heute Vormittag auf das Thema Kaschuben aufmerksam wurde, ist dieser Bereich in meinem Buch noch etwas lückenhaft. Andererseits werden die Meldungen über die Kaschuben vor dem zehnten Jahrhundert sehr dünn. Entweder haben sie nichts aufgeschrieben, oder ihre Schriften sind verloren gegangen. Ich bin aber noch weiter am Suchen. Im Grundsatz werden es aber die slawischen Gottheiten gewesen sein, denn die Kaschuben sind ja unzweifelhaft ein slawisches Volk. Sollte ich aber noch etwas Genaueres zu ihren Göttern finden, so werde ich es hier posten, versprochen. Über die slawischen Gottheiten allgemein wäre ich aber wesentlich aussagekräftiger.

LG Arndt

Iris Freundorfer
25.08.2018, 18:02
Hallo Arndt,

auch ich habe den Beitrag über Pommern im 10. und 11. Jahrhundert sowie die Kaschuben mit Interesse gelesen.

Viele Grüße
Iris

Antennenschreck
25.08.2018, 18:20
Hallöle,

da die Frage nach den Quellen kam, hier mal zur Erklärung:

ich schreibe immer noch an einem Buch mit dem Namen "Deutsche Geschichte rund ums Osterland", welches inzwischen an die 900 Seiten umfasst. Das Buch wird immer nur ein PDF File bleiben (also solange ich das bestimmen kann), und es wird immer nur verschenkt werden dürfen (auch solange ich lebe). Es speist sich aus einer unendlichen Anzahl uralter Quellen, welche man heute nur noch teilweise bekommt. Die alten Texte, Bücher, Regesten, Urkunden, Archivauszüge und Landkarten haben oft recht seltsame lateinische Namen, welche auch als Suchbegriff schlecht gehen, sie haben meist kein Inhaltsverzeichnis, sind oft eine Mischung von lateinschen und schlechten deutschen Texten, also hier hilft nur Durchlesen. Ich schreibe dann einen Querschnitt des Gelesenen in einen neuen, hoffentlich besser lesbaren, Text. Da die Dokumente alle über 150 Jahre alt sind, bestehen gleich aus dreierlei Sicht keine urheberrechtlichen Bedenken, erstens sind sie eben viel älter als 70 Jahre, zweitens gab es damals noch gar keine Urheberrechtsgesetze, und drittens handelt es sich ja um Textpassagen aus meinem eigenen Buch. Das Osterland lag übrigens früher im heutigen Sachsen / Thüringen, und war erstaunlich groß.

LG Arndt

Antennenschreck
25.08.2018, 19:34
Hallöle,

hier einmal ein wenig über den slawischen Glauben im Allgemeinen, natürlich aus meinem Buch:

Der Glauben der Slawen

Den Stammesältesten obliegt es den Götterdienst zu leiten, die Heiligtümer zu überwachen und die Opfer darzubringen; denn ein besonderer Priesterstand, wie es ihn bei den baltischen Slawen gab, scheint den Sorben unbekannt gewesen zu sein. Eine solche geweihte Opferstätte, und einen uralten heiligen Wald in der Merseburger Gegend, Zutibure genannt (richtiger Zuetibure = tsch. svatobor, = heiliger Fichtenhain, = Zuetepulc bei Thietmar = Swatopluc), lässt erst der Vorgänger dieses Bischofs wegschlagen, um an seiner Stelle eine christliche Kirche zu errichten. Der Boden auf dem diese slawische Kultur entsteht, ist ganz einfach die Natur; man verehrt einen obersten Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde, den Urheber des herrlichen Lichtes und des das Menschenherz erschütternden Gewitters. Das höchste Wesen in seiner Eigenschaft als Donnergott heißt Perun, was soviel wie, der Donnerschlag der aus der Höhe kommt, bedeutet; darum wird diesem Gott, genau wie dem germanischen Donar auf den hohen Bergen das Opfer gebracht; bei den Sorben wahrscheinlich auf dem Sonnenstein bei Pirna, das von ihm den Namen erhalten haben dürfte = Perunova gora. Die Personifikation der reinen und heiteren Himmelsluft, des Windes und des Wetters ist der insbesondere bei den baltischen Slawen verehrte Svantovit. Er ist der Sieg- und Segenspender, und überschaut das ganze Weltall, weshalb er auch vierköpfig dargestellt wird, und hat sein Hauptheiligtum, einen wundervoll geschmückten Tempel, auf dem einsamen Kreidefelsen von Arkona, Ob er auch bei den Sorben, welche ihn Svatovit genannt haben müssten, ebenfalls so verehrt wurde, läßt sich nicht erweisen.Die selbe Unsicherheit besteht hinsichtlich der Verehrung des bei den Elbslawen in Ansehen stehenden Triglav, des dreiköpfigen Gottes. Zu diesen gesellte sich noch Radigast, dessen wesen noch ungeklärt ist, der Gott des Morgens Jutrebog, nach welchem Jüterbogk benannt ist, Pripegala, als schaffende Kraft von den Sorben noch im 12. Jahrhundert verehrt. Wahrscheinlich entstand erst zur Zeit des Kampfes zwischen dem Heidentum und dem Christentum der Glaube an Cornebog, den schwarzen und bösen Gott, von welchem Helmolds slavische Chronik sagt: „Malum deum (Sclavi) sua lingua Diabol sive Zcernoboch, id est nigrum deum, appelant.“, und den Gegensatz zu diesem bildet der lichte und gute Gott Belobog; von diesen beiden, in welchen sich der Kampf des Lichtes mit der Finsternis, des Guten mit dem Bösendarstellt, haben zwei Berge in der Oberlausitz ihre Namen, welche deshalb auch als die Verehrungsstätten dieser Wesen betrachtet werden, es handelt sich um die Berge Czerneboh und Bieleboh. An vielen Stellen meinte man das von den Göttern ausgehende Geschick zu erkennen; denn ob aus dem, was man tut, Glück oder Unglück zu erwarten ist, danach Forschte man im häuslichen Leben genau so, wie in den allgemeinen Angelegenheiten des Volkes, besonders dann, wenn es um Krieg oder Frieden, und um Leben oder Tod ging. Tacitus berichtet uns von Pferdeorakeln, bei welchen der Priester ein schneeweißes heiliges Roß über neun, am Boden liegende Speere Führte; das Glück oder Unglück hing nun davon ab, welchen Vorderhuf das Pferd zuerst anhob. War im Daleminzierland der Sumpf bei Platzschen unweit von Lommatzsch mit Weizen, Hafer und Eicheln bedeckt, so Folgte ein Fruchtbares und Friedliches Jahr; Blut und Asche aber zeugten für ein kriegerisches und schreckliches Jahr. Zur religiösen Feier gaben wie auch anderswo, so auch bei den Slawen die Todesfälle Veranlassung. Unter besonderen Feierlichkeiten und Förmlichkeiten geschieht die Verbrennung oder die Beerdigung der Leichen; denn wie Funde und Überlieferungen übereinstimmend zeigen, sind beide Arten der Bestattung nebeneinander im Brauch gewesen, und der mütterliche Schoß unserer Erde empfing entweder den Leichnahm in Kleidung und Schmuck, oder eben die Asche desselben, welche sich in einer Urne befand; dazu gab man noch reichlich Speise und Trank mit auf den Weg. Denn ein Leben nach dem Tod giebt es auch nach Ansicht der Slawen, denn die Seele des Toten galt ihnen als unsterblich, weshalb sie auch in die grünen Schattengefilde raj, zum Paradies entschwebt. Andere Feste werden zum Beispiel im Verlauf des Jahres, passend zum Wechsel in der Natur, gefeiert. Mit der Wintersonnenwende beginnt die Herrschaft der dunklen, Feindseligen Geister, der besi, die man mittels Opfern gnädig zu stimmen versucht; dann Folgt die Feier des alle erfreuenden Frühlingsanfangs, mit welchen die als Lichtgottheiten gedachte Naturkräfte, die bozi, aus des Winters und des Todes Gewalt befreit werden; auf der Höhe der Naturentwicklung wird die Sommersonnenwendfeier begangen, die erklärlicher Weise einen durchaus heiteren Charakter trägt. Überhaupt war das sorbische Volk recht sehr einem Fröhlichen und lustvollen Leben zugeneigt; Gesang, Reigentanz und Spiel, Schmaus und Trinkgelage entsprechen so recht der slawischen Volksseele und werden auch zu Handlungen ihrer Religion. Das Volk liebt die Fröhlichkeit und den heiteren Genuss des Lebens, die Gemächlichkeit und Ruhe des Friedens. So kriegerisch auch eine Menge von slawischen Herrschern uns auch vermittelt werden, die Slawen ergötzten sich meist nur an Friedlicher Musik und Gesang, und nicht an bei kämpferischen Heldenliedern; man hatte eine gewisse Leicht- und Schnellebigkeit, und auch ein wenig Scheu vor allzu strenger und harter Arbeit; auch gab es eine bestimmte Spottlust und Derbheit in den Sprüchen, namentlich in Bezug auf körperliche Gebrechen und Eigentümlichkeiten, welches bei verschiedenen Namen immer wieder zu Tage tritt. Sehr zu rühmen und anzuerkennen ist aber der scharf ausgeprägte slawische Familiensinn, welcher uns schon bei der Anlage ihrer Dörfer entgegen tritt, aber sich auch in den Personennamen äußert, welche immer wieder eine eigentümliche Zärtlichkeit innerhalb des häuslichen Kreises zeigen.

LG Arndt

Rahmenbauer14, + 1.11.2021
25.08.2018, 20:44
Hallo Arndt,
zur Gottheit "Radigast":
hier, ca. 25 km südl. von Rerik, gibt es einen Ort namens Radegast.
Ebenso südl. von Köthen.
In diesen Orten wird man ihn wohl verehrt haben.
Auch ich habe noch nichts von dieser Gottheit gehört.
Werde mich mal umhorchen.

Beste Grüße
Rainer

Iris Freundorfer
25.08.2018, 22:31
Hallo zusammen,

dies habe ich zum Radigast gefunden: https://de.wikipedia.org/wiki/Svaro%C5%BEi%C4%87
Arndt wird das sicher kennen. Ich fand es zur Ergänzung seines Beitrags interessant.

Viele Grüße
Iris

Ulrich 31
25.08.2018, 23:16
Zur Radegast-Statue auf dem Berg Radhošť diese Webseite: > http://severnimorava.travel/de/co-delat/pamatky/duchovni-pamatky/socha-radegasta-na-radhosti- .

Gruß Ulrich

UtaK.
26.08.2018, 06:29
Guten Morgen,

die Stadt Radegast ist seit dem 1.Januar 2010 ein Ortsteil der Stadt Südliches Anhalt im Landkreis Anhalt-Bitterfeld in Sachsen-Anhalt. Über den Namen "Radegast" steht bei Wikepedia:

"Am 2. Oktober 1244 taucht der Ortsname erstmals in zwei Urkunden auf, als die wahrscheinlichen Besitzer des Gutes, die Gebrüder von Radegast (fratres de Radegiz) zwei Rechtsgeschäfte des Grafen Heinrich von Ascharien bezeugen."

Radegast war mir schon als Kind ein Begriff, da die Vorfahren meiner Mutter aus dieser Gegend stammen. Nur wenige Kilometer von Radegast (in Sachsen-Anhalt) haben meine Brüder und ich schöne Tage bei den Großeltern erlebt.

Außer dem Ort Radegast in Mecklenburg-Vorpommern, den Rainer auch erwähnt, gibt es dort auch ein Flüsschen namens Radegast, welches in die Stepenitz mündet. Ob diese Orte igendwie etwas mit der slawischen Gottheit zu tun habe, konnte ich nicht ermittlen. Vielleicht weiß Arndt mehr.

Vielen Dank, Arndt, für diesen interessanten Artikel.

Mit besten Grüßen wünsche ich allen einen schönen Sonntag,
Uta

Antennenschreck
26.08.2018, 07:41
Hallöle,

als diese Rad vorsilbe hat irgend etwas mit gern oder froh zu tun, wie man in der Ortsnamenserklärung für die slawischen Siedlungen recht gut erkennen kann:

Radegast, Radegost

afl. radu, tsch. rad = gern, radovati se = sich freuen (radober gern nehmend, radodaj, radodal, radodajny gern gebend, radojed gern essend, radobil Trinkbruder) ostwendisch rad = gern, radosc = Freude, Wonne. Prussisch Rad, Radan, Raden, Radon, Radik, Radoch, Radys, Rados, Radca usw., Radobud = frohes Wesen, Radobyl = lebensfroh, Radibor = kampfesfroh. althochdeutsch Faginhild, Radogost. tsch. Radhost = gastfroh, Gestiliub, Radlub = Frohsinn liebend oder froh und lieb, wie ostwendisch cistoluby = rein und lieb.

Das geht noch eine Weile so weiter, läuft aber immer wieder auf das Gleiche raus. Übrigens hat man früher verschieden Buchstaben gern miteinander vertauscht, so z.B. a gegen o, b gegen w, u gegen v, usw..

LG Arndt

Antennenschreck
26.08.2018, 07:54
Hallöle,

also könnten in Radegast frohe Menschen gelebt haben. Und Nerad oder Njerad bedeutet traurig oder unfroh, demzufolge lebten in Njerad die traurigen Menschen. Auf diese Weise erklären sich sehr viele heutige slawische Ortsnamen.

LG Arndt

Antennenschreck
26.08.2018, 09:46
Hallöle,

hier noch einmal aus einem Wörterbuch der wendischen Sprache in der Oberlausitz:

radosc = Freude
radowac = sich freuen
zradowac so = frohlocken

Es ist etwas mühselig, die alten Wörterbücher zu durchforsten, da die Texterkennung nur zweifelhafte Ergebnisse bringt. Aber es dürfte bis hierher schon sicher sein, dass die Vorsilbe immer etwas mit froh oder Freude zu tun hat. Und die späteren Bewohner des Ortes Radegast könnten ihren Namen auch von dem Ort bekommen haben, in dem sie wohnten, weil zu viel früherer slawischer Zeit da eben auch schon mal durchschnittlich fröhlichere Menschen lebten. Denn im zwölften Jahrhundert hätte man dann eher einen deutschen Namen (w.z.B. Frohburg) gewählt.

LG Arndt

Enno12356
26.08.2018, 10:35
Lieber Arndt,
das sind ja hochinteressante Berichte.
Mir war nur bekannt, das die Kaschuben
zu einer westslawischen Minderheit gehören.
Die Erzählungen meiner Familie klingen
wieder in meinen Ohren.
Als meine Tante Thekla Piepiorka ihren
Bruno Wietzki in Glasberg Krs. Danzig
heiratete, hieß es von Seiten der Wietzkis
und der Kotzkes nur:" ach, ne Kaschubsche"
Da ich zur Hälfte auch eine Kaschubsche bin,
möchte ich verhindern, das ihre Sitten und
Gebräuche,sowie ihre alten Götter in
Vergessenheit geraten.
Danke, lieber Arndt !!!
Auch allen anderen, Dankeschön
Eva Maria

Antennenschreck
26.08.2018, 10:53
Hallo,

also was man sicher sagen kann, ist, dass die slawischen Völker einst das ganze Gebiet von der Ostsee bis herunter an die Donau besiedelten. Es gab da ein Großmährisches Reich im Süden und in der Mitte. Hier in Sachsen und Thüringen hatten die Slawen nach der Völkerwanderung auch etwa 300 glückliche Jahre. Weiter nordöstlich war die Hochzeit der slawischen Kultur ca. 300 Jahre früher, und hat sich teilweise auch länger als 300 Jahre erhalten. In der Richtung habe ich mich aber noch nicht so sehr gekümmert, wie jetzt hier um Sachsen (ums Osterland) herum, aber was nicht ist, kann ja noch werden. Ursprünglich habe ich die Kassuben auch eher als eine kleine Dorfsippe betrachtet, meine jetzigen Recherchen zeigen aber, dass das etwas tief gestapelt ist. Ja von den leisen, meist friedlichen, Völkern hört man eben weniger, als von denn größen kämpferischen Reichen, logisch.
LG Arndt

Enno12356
26.08.2018, 11:20
Lieber Arndt,
Du hast sehr tief gestapelt.Richtig,
die Kaschuben sind ein humorvolles,
freundliches Völkchen !!! Doch verletzt
Du sie, oder beutest Du sie aus, gehe
ihnen bloß aus dem Weg !!!
Gruß Eva Maria

Antennenschreck
26.08.2018, 11:57
Hallo Eva,

das tief stapeln kommt eher von meiner Unkenntnis als von meinen nicht sehen wollen. Gerade bei meinen Recherchen über die slawischen Völker habe ich immer wieder feststellen müssen, dass man über diese nicht viel erfährt, und das wenige was man findet ist oft nicht richtig. Inzwischen ist mir klar, dass sie ein lustiges friedliches Völkchen gewesen sein müssen. Denn, gerade deswegen erfährt man heute so wenig von ihnen, und deswegen sind sie wohl auch recht leise aus vielen Gegenden verschwunden, in denen sie einst wohnten. Da sind die Gothen und Hunnen schon viel kriegerischer und lauter aufgetreten, und von diesen erfährt man deswegen auch viel mehr.

LG Arndt

StampCollector
26.08.2018, 12:27
Lieber Arndt,

habe selten so etwas Interessantes über die Frühgeschichte gelesen!
Der polnische Fluch "Perunie" bezieht sich auch auf den slawischen Gott Perun.
In späteren Zeiten wurde der heidnische Perun mit dem Teufel gleichgesetzt.
Die sinngemäße Bedeutung dieses Fluches ist also "Zum Teufel".
Ich bin schon auf Dein Osterland-Buch gespannt.
Und wenn es dann fertig ist, dann kommt es sogar kostenlos daher: Respekt!

SC

Antennenschreck
26.08.2018, 12:38
Hallo SC,

ich suche immer noch eine geeignete Möglichkeit zum Download für die Datei, den meine Uploadgeschwindigkeit beträgt hier nur ca. 400 kByte / sec, das ist wahrlich viel zu wenig, denn das PDF File ist jetzt schon knapp 600 MByte groß. Das kommt sicher auch von den vielen hochauflösenden Landkarten im Buch. Sollte mal irgendwer in Richtung Sachsen kommen, bitte eine PN an mich schicken. Ich würde versuchen, diesem die aktuelle Version vom Buch zu übergeben. Aber an der Up- und Downloadfront scheint sich auch demnächst etwas zu tun, mal sehen.

LG Arndt

Enno12356
26.08.2018, 12:59
Nach Sachsen komme ich leider nicht,
doch ich melde mich schon mal bei Dir
an, um dieses Buch zu erhalten. Ich
bezahle es auch! Doch ich glaube all'
die Mühe und den Fleiß kann man
garnicht bezahlen !
Alles Liebe
Eva Maria

Antennenschreck
26.08.2018, 14:11
Hallöle,

hier mal noch ein wenig weiter mit den Kassuben:

Pommern selber ist ein Küstenland, weshalb es von damaligen lateinischen Schriftsteller schlechthin maritima provincia ganannt wurde. Die älteren polnischen Schriftsteller unterschieden genau zwischen Kassubien und Pommern, aber seit der Eroberung Hinterpommerns dehnt man die Bezeichnung Pommern über ganz Kassubien mit aus. Beide Länder waren nach obiger Nachricht unter fünf Oberhäupter verteilt worden; nach ihrem gewaltsamen Tod aber fielen die Ländereien ihren Söhnen zu, wie es damals so Sitte war, welche diese Länder später wiederum unter ihren Söhnen verteilten. So entstanden mit der Zeit eine Menge von größeren Landbesitzer, welche jeder für sich im eigenen Gebiet regierten, und in Friedenszeiten kein Oberhaupt über sich anerkannten. Nur in Zeiten größter Not, vereinigte man sich unter einem gemeinsamen Führer. Diese Nachricht stimmt überein, mit der Botschaft, dass Gorm der Ältere bei seinem Zug nach Polen viele Könige und Häuptlinge angetroffen habe, unter welchen das ganze verteilt gewesen sei. Die Söhne und Enkel der von Popiel II. getöteten Häuptlinge Pommerns und Kassubiens traten, über die Ermordung ihrer Väter verbittert, gegen Polen in ein feindseliges Verhältnis und wurden noch wütender, als, nach dem Tod des grausamen Popiel II., sie bei der Wahl eines neuen Herzogs übergangen wurden. Die Polen waren zu dieser Wahl nach Kruschwitz zusammengekommen, wo es dann aber ebenso gewalttätig zuging, wie in den Versammlungen zu Rethra. Hier wurde dann nach langem Streit Piast ums Jahr 840 zum neuen Herzog erhoben. Dieser verlegte dann seine Residenz von Kruschwitz nach Guesen zurück, weil er jenen Ort wegen der feindseligen Gesinnung der Pommern und Kassuben nicht mehr für sicher hielt. Denn die hier ansässigen Nachkommendes vorherigen Regentenstammes, waren über ihre Missachtung sehr verärgert, und überfielen nun immer wieder ihr früheres Vaterland, um sich zu rächen.



Pommern und Kassubien werden de facto unabhängig um 1003

Piast hatte aber zu wenig Macht und Ansehen, als dass er die Provinzen nördlich der Netze zum Gehorsam hätte zwingen können, und die Kassuben und Pommern blieben seit dem unabhängig. Die Liebe, welche sich Piast bei den Polen bis zu seinem Tod erworben hatte, bewog diese, seinen Sohn Semovit, zu seinem Nachfolger zu wählen. Dieser setzte nun das Kriegswesen auf einen besseren Fuß, stellte an die Spitze seines Heeres einen Feldherren und griff, nach einigen anderweitigen Feldzügen, die Kassuben und Pommern an, um sie zur Huldigung zu zwingen, welche sie ihm und schon seinem Vater verweigert hatten. Allein, bevor er irgend Etwas erreichen konnte, ging er mit dem Tode ab. Die Polen wählten nun seinen unmündigen Sohn Lesko zu ihrem Herzog und gaben diesem, während seiner Unmündigkeit, verschiedene Große des Landes zu Vormündern. Unter dieser vormundschaftlichen Regierung wurde der Krieg gegen die Kassuben und Pommern nur sehr schlaff weiter geführt und am Ende ganz eingestellt. Der junge Fürst, inzwischen mündig geworden, war aber den Waffen völlig abgeneigt und liebte mehr sein Vergnügen, was sich bei seinem Sohn und Nachfolger Zemomysl auch nicht sehr veränderte. Daher blieben die Kassuben und Pommern über längere Zeit im ungestörten Genuss ihrer Freiheit, und gewöhnten sich völlig an ihre neue Unabhängigkeit. Der Sohn des letzteren Fürsten, Miseko oder Miesko folgte ums Jahr 960 in der Regierung und trat schon im Jahr 966 zur christlichen Religion über. Dieser Regent hatte nun damit zu tun, das Heidentum in seinen Staaten auszurotten und die neue Lehre einzuführen, dazu stieß er in der Lausitz mit den Deutschen zusammen und war gezwungen, die Oberhoheit des deutschen Kaisers anzuerkennen. Deshalb wurde Miesko in mancherlei Kriege mit den Feinden des Kaisers verwickelt, und hatte mit Russen und Böhmen zu kämpfen, so dass ihm am Ende keine Zeit übrig blieb, um die Kassuben und Pommern wieder von Polen abhängig zu machen. So etwas war auch während der ersten Hälfte seiner Regierungszeit sowieso undenkbar, weil inzwischen die Pommern selbst mit Otto I. und Otto II. in ein Bündnis getreten waren, und diesen Kaisern auch Kriegsdienste leisteten; hätte also Miesko damals die Pommern zu unterwerfen versucht, so würde er den Kaiser, ihren Bundesgenossen und seinen Oberherren, schwer beleidigt haben. Daher blieben die Pommern auch von Miesko unbehelligt, hatten sich aber von ihrem Stammvolk immer weiter entfremdet, weil die Polen inzwischen die christliche Lehre angenommen hatten, sie aber immer noch ihren alten Göttern huldigten. Otto I. hatte die Lutizier steuerbar gemacht, und sie zur Annahme der christlichen Religion gezwungen, wogegen sie aber einen schrecklichen Aufstand erregten, und nach zwanzig Jahren, eine ehrenvollen Frieden im Jahre 1003 errangen. Zur Bezwingung dieser Lutizier wurde aber auch Miseko, als deutscher Lehnsmann mit seinen Polen von Otto III. gebraucht, ohne dass deswegen die Lutizier völlig besiegt werden konnten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich damals die Pommern mit den Lutiziern ausgesöhnt haben, und ihnen auch Beistand geleistet haben. Deshalb hat wohl Otto III. mit dem Sohn und Nachfolger von Miseko ein Bündnis gegen die Pommern geschlossen, und ihm nach einem Sieg dessen Unterwerfung überlassen. Boleslav Chrobri, der seinem Vater Mieseko im Jahre 992 in der Regierung folgte, war ein ehrgeiziger, kluger und unternehmungslustiger Fürst, er nutzte den frischen Geist, welcher durch die Einführung des Christentums in Polen herrschte, und sein gutes Verhältnis zu Otto III., um seine Besitzungen zu erweitern. Er unterwarf sich Hinterpommern wahrscheinlich noch vor dem Jahre 997, was man daran erkennt, dass Danzig bereits im Besitz eines polnischen Herzogs war, als der heilige Adalbert in selbigem Jahr dorthin kam, viele Einwohner taufte und dann ins Samland fuhr, wo er, wie erzählt wird, seinen Tod fand. Nach dem Bericht der polnischen Schriftsteller herrschten die Enkel derjenigen Prinzen, welche von Popiel II. hingerichtet worden waren, immer noch in in den, an der Ostsee liegenden Provinzen.

Boleslaw Chrobri unterwirft Hinterpommern unter polnische Lehnshoheit um 1032

Boleslaw rückte nun mit seiner Heeresmacht hier ein, und unterwarf sich einige Gebiete durch Gewalt, und andere wiederum mit Güte und Freigiebigkeit, andere wieder durch Furcht und das abschreckende Beispiel in anderen eroberten Landesteilen. Die Art dieser Unterwerfung zeigt uns, dass es damals noch immer kein gemeinsames Oberhaupt in Hinterpommern gegeben hat, sondern jeder Häuptling seine eigenen Pläne verfolgte. Boleslaw behandelte diese Häuptlinge recht zuvorkommend, weil sie ja die Nachkommen des vorherigen Regentenstammes waren; er verlangte von ihnen nur, seine Huldigung, und das sie sich zu Lehnsträger von Polen erklärten. Damit wurden also die freien pommerschen Landbesitzer in einen polnischen Lehnsadel umgewandelt, der, wenn er zukünftig die Treue verletzte, mit Leib und Leben gestraft werden, oder seiner Güter beraubt werden konnte. Nachdem nun Boleslaw auf diese Weise Pommern wieder zu Polen gebracht hatte, rückte er in Preußen ein, zwang das Land Steuern zu bezahlen und machte den Fluss Ossa, der bei Graudenz in die Weichsel mündet, zur festen Grenze. Wenn man nun den allgemeinen polnischen Historikern glauben wollte, so könnte man glauben, dass Boleslaw Chrobri Pommern bis zur Oder lehnspflichtig gemacht habe. Aber davon finden sich bis zum Jahre 1107 keinerlei Anzeichen; wahrscheinlich haben die Schreiber dasjenige, was erst noch geschehen würde, als schon geschehen dargestellt und diejenigen Länder, die Boleslaw Chrobri alle noch unterwerfen wollte, als schon wirklich erobert dargestellt.

LG Arndt

Antennenschreck
30.08.2018, 08:08
Hallöle,

hier nun ein Stück Fortsetzung der Geschichte von Kassubien und Hinterpommern:

Die Kassuben und Hinterpommern machen einen Aufstand im Jahre 1037

Nach dem Tod des Herzogs Boleslaw Chrobri, der im Jahre 1025 starb, stritten sich seine beiden Söhne, Miesko II. und Otto, um die Regierungsnachfolge. Otto wurde nach Russland vertrieben und Miesko, welcher sich mit den Lutiziern verbündete, führte gegen Kaiser Konrad II. bis zum Jahre 1031 Krieg, weil er diesen nicht als seinen Oberherren anerkennen wollte. In diesem Jahr kam aber auch Otto aus Russland zurück, und stürtzte seinen Bruder vom polnischen Thron. Er wurde aber schon nach einem Jahr ermordet, und Miesko trat die Regierung in Polen erneut an. Aber diesen innerlichen und äußerlichen Krieg des polnischen Reiches nutzten die Hinterpommern, um sich ihrer Verbindlichkeiten gegenüber Polen zu entziehen, laut einigen Historikern muss dies um das Jahr 1032 geschehen sein; die Ursachen für diesen Abfall hatte unstrittig schon Boleslaw Chrobri gegeben. Denn, obwohl er anfangs von den Hinterpommern nicht weiter als die Huldigung und Anerkennung seiner Oberhoheit verlangte, so hat er ihnen doch später immer größere Lasten auferlegt; auch ließ er ab dem Jahre 1020 überall an den Grenzen zu Hinterpommern Festungen erbauen, und mit starken Mannschaften besetzen. Je nach Beschaffenheit und Größe des Ertragens, wurden jedem Landgut und jedem Dorf in Hinterpommern, bestimmte jährliche Abgaben auferlegt, die Stroza genannt wurden. Natürlich waren diese Abgaben sogar den Kassuben und Hinterpommern auferlegt, welche mit dem Bau der Festungen, die Lasten für ihre zukünftige Unterdrückung trugen. Zudem wurde von Bogislaw noch der Zehnte für die Kirche und ihre Diener eingeführt; und diese Abgabe auch noch für ewig und immer erklärt. Genau dieser Zehnt erregte aber bei allen heidnischen Völkern die größte Verbitterung, und führte am Ende dazu, dass diese Völker wieder für ihre frühere Freiheit kämpften. Dieses Mal hielten es aber die Hinterpommern für sinnvoll, sich einen gemeinsamen Fürsten und Anführer für ihr Heer zu suchen. Sie nahmen sich dafür einen Vertreter aus dem vornehmen heidnischen Adel, also einen Landbesitzer, der sich durch Klugheit und Tatkraft auszeichnete. Dieser brachte nun nicht nur aus allein aus Pommern, sondern auch aus den benachbarten Preussen, die dauerhaften Bundesgenossen der Pommern, ein großes Heer zusammen, um gegen Miesko ins Feld zu ziehen. Miesko zog ihm entgegen, mit ihm zogen drei ungarische Prinzen, die Herzöge Andreas, Bela und Levanta, welche aus ihrem Vaterland nach Polen geflohen waren. Bela war der tapferste Fürst auf dem Schlachtfeld, und trug wesentlich zu Mieskos Sieg bei. Weil nun aber die Polen sehr verbittert waren, dass ihre eigenen Stammverwandten, Freunde und Untertanen ihre Waffen gegen sie erhoben hatten, und die Pommern deshalb deren schreckliche rache fürchteten, so wurde fast bis zum letzten Bluttropfen gekämpft. Allerdings war das Glück den Pommern und Kassuben nicht hold, und die Polen gewannen gegen sie, und alle diejenigen welche den Aufstand angeführt hatten, also die ganzen vornehmen Männer aus Pommern, wurden bei ihrem Leben gestraft, dem einfachen Volk aber wurde Verzeihung und Schonung gewährt.


Die große Verwirrung in Polen bis zu Casimirs Regierungsantritt 1041

Nach Mieskos Tod im Jahre 1034, sollte sein Sohn Kasimir in der Regierung nachfolgen. Weil ihn aber die Stände dazu für zu unreif hielten, führte seine Mutter Ricksa, eine geborene Deutsche, die Regierung. Diese Frau aber verachtete alle Polen, und gab ihren eigenen deutschen Landsleuten, von denen sich viele in Polen befanden, bei den Posten der Verwaltung und bei Hof immer wieder den Vorzug; weshalb sie immer verhasster bei den Polen wurde, welche sie letzten Endes sogar mit ihrem Sohn nach Deutschland vertrieben. Deswegen entstand in Polen eine sehr große Verwirrung, welchen den böhmischen Herzog Bretislaw geradezu einlud, nach Polen einzufallen; denn seinem Großvater waren von Boleslaw Chrobri die Augen ausgestochen und Böhmen schwer mishandelt worden. Bretislav zog also mordend und brennend bis vor Gnesen, plünderte die Stadt, und raubte sogar die Gebeine der dort begrabenen Heiligen, ja er nahm sogar die Kruzifixe und Glocken von dieser Stadt fort. Nun war aber auch die Verwaltung und jeglicher Zusammenhang in der polnischen Bevölkerung zerstört, weshalb inzwischen die Armen gegen die Reichen kämpften, und jeder, der sich ungerecht behandelt fühlte, gegen seinen Peiniger vorging. Die Großen im ganzen Land versuchten, jeder für sich, die Staatsgewalt an sich zu reisen, was das ganze Land in viele kleinere Parteien spaltete, und letztendlich weite Striche wüstes Land zurück ließ. Die polnische Schwäche ausnutzend, fiel aus Richtung Osten der russische Großfürst Jaroslaw in das Reich ein, und half die Greuel der Verwüstung zu vollenden. Nur eine einzige polnische Provinz, Masovien, konnte, unter der Führung des kräftigen und klugen Woiwoden Maslav, Ordnung und Frieden im Inneren erhalten, und wurde so zum Zufluchtsort für alle, die durch Hunger, Verfolgung und Parteienkampf gezwungen waren, sich eine andere Heimstatt zu suchen. In diesen unsicheren Zeiten erreichte Maslav ein fast königliches Ansehen und fing an, eine völlig unabhängige Herrschaft aufzubauen. Weil aber auch das Christentum zu dieser Zeit noch nicht wirklich gefestigt war, so versank ein Teil des polnischen Volkes wieder in den heidnischen Tiefen der Urväter Polens. Unter solch elenden Umständen traten nun endlich die Großen des Reiches zusammen und beriefen den Prinzen Kasimir, welcher inzwischen Mönch zu Clugny geworden war, auf den polnischen Thron, welcher diesen dann auch im Jahre 1041 bestieg.

Der ungarische Prinz Bela übernimmt die Regierung in Hinterpommern bis 1050

Das ganze Land wurde nun mit einer weiteren Steuer belegt, und diese dem Prinzen Bela zur Unterhaltung seines herzoglichen Hofstaates angewiesen; vermutlich wurde er auch mit den Gütern von denjenigen belehnt, welche vorher ihre Köpfe verloren hatten. Miesko hatte diesem tapferen Prinzen sogar seine Tochter Richsa zur Gemahlin gegeben, um ihn für seine Dienste zu belohnen. Bela war mit dieser Belohnung sehr zufrieden, und diente dem polnischen Volk treu, solange, bis er im Jahre 1050, von seinem Bruder Andreas, welcher die Krone Ungarns erlangt hatte, in eben dieses Land zurückgerufen wurde. Man irrt sich aber sicher, wenn man annimmt, dass Bela in Pommern seinen Wohnsitz und seinen Hof aufgerichtet hat, und dafür eine Menge von ungarischen Soldaten als Besatzung stationierte. Sein Geschäft war es nur, die jährliche Steuer einzutreiben, welche er vermutlich sogar selber abholte, und dabei mit den vornehmeren Landbesitzern sprach, und danach einfach wieder an den Hof nach Gnesen zurückkehrte. Wohnte er tatsächlich einmal auf einer seiner Burgen, so geschah dies sicherlich während der Zeiten der Auflösung des polnischen Hofes, und der darauf folgenden großen Verwirrungen.

Kasimir bringt wieder Ruhe und Ordnung in das polnische Reich 1060

Kasimir, ein sanfter, billiger, und doch kriegerischer Mann brachte Polen wieder zur Ruhe, bezwang Masloav, der inzwischen eine Gewltherrschaft über Masovien gebracht hatte, und steigerte sein Ansehen, weil er sogar die Preußen Abgabe pflichtig gemacht hatte. Denn als Boleslav II., Kasimirs Sohn, mit dem böhmischen Herzog Wratislaw im Jahre 1062 Krieg führte, nutzten die Preußen diese Chance, um das polnische Joch abzuschütteln, und bauten an der Grenze die Festung Grodeck, heute wahrscheinlich Graudenz genannt, und machten von hier immer wieder Raubzüge nach Polen.

Die Preußen und Pommern kämpfen gegen Boleslav und verlieren letztendlich 1063

Boleslav musste deswegen mit den Böhmen Frieden schließen und rückte im Jahre 1064 gegen diese Festung vor. Diese hatte aber sehr starke Mauern, und wurde sehr gut verteidigt, also musste Boleslav ohne Erfolg wieder abziehen. Das aber steigerte den Mut der Preußen, und sie hetzten einen großen Teil der Einwohner Hinterpommerns gegen Boleslaw auf. Über seine Niederlage war Boleslav sehr verärgert, und er fürchtete inzwischen um seine Herrschaft über ganz Hinterpommern, also versuchte er die Preußen, welche sich immer nur auf kleinere Gefechte einließen, in eine richtige Schlacht zu verwickeln, und rückte schnell mit einem großen Heer in Pommern ein. Die Preußen wollten nun ihren Kampfesbrüdern in Pommern zu Hilfe kommen, und wurden dabei von Boleslav völlig geschlagen, und Pommern, soweit es früher schon einmal erobert war, den Polen im Jahre 1063 wieder unterworfen.

Boleslavs Krieg gegen die Russen und sein Kirchenbann 1070 bis 1079

Boleslav führte in den Jahren 1070 bis 1074 einen sehr erfolgreichen Krieg gegen die Russen, welche sich auf der polnischen Seite festgesetzt hatten. Bald danach kam er aber in Streit mit dem Bischof Stanislaus von Krakeau, welcher ihn so sehr erhitzte, dass er diesem Prälaten vor der versammelten Gemeinde am Altar den Kopf spaltete. Seine Tat führte zu einem Kirchenbann für ihn und seine ganze Regierung, weshalb er im Jahre 1081 aus Polen fliehen musste.

Vladislav Herrmann wird polnischer Regent im Jahre 1081

Deshalb übernahm sein Bruder Vladislaw Herrmann den polnischen Thron. Dieser Herzog liebte den Frieden und seine eigene Bequemlichkeit, wendete aber alle seine Mühe darauf, sich mit der Kirche zu versöhnen und ihren Dienern zu gefallen, unter welchen sich aber auch viele Ausländer befanden, denn seit der Einführung des Christentums waren viele fremde Geistliche nach Polen gewandert und hatten dort willige Aufnahme gefunden. Sie wurden oft als Hauslehrer und Kaplane bei den Großen angestellt und dafür auch reichlich bezahlt, weshalb es auch nie an Nachfolgern fehlte.

Ein geistlicher Herr aus Schwaben namens Otto spielt eine wichtige Rolle in Polen

Unter den deutschen Geistlichen, welche in Polen ihr Glück machen wollten, befand sich auch Otto, nach den Chronisten, aus Schwaben stammend, wo seine Eltern zwar geachtet und angesehen, aber weder mächtig noch reich waren. Von ihren beiden Söhnen hatten sie den einen, Friedrich, zu ihrem Erben, den anderen, Otto, aber zu einem geistlichen Stand bestimmt. Sie ließen Otto also verschiedene Schulen besuchen und in den damals üblichen Wissenschaften unterrichten. Otto durchlief nach Anleitung seiner Lehrer, einige lateinische Dichter und philosophische Schriften, trieb die Grammatik und die Metrik und erlernte den lateinischen Sprachschatz, in welchem damals alle gangbare Gelehrsamkeit enthalten war. Das Lateinische war damals die Sprache der gebildeten Welt, in allen Ländern Europas wurden die öffentlichen Schriften des Kirchen- und Staatswesens nur in dieser Sprache abgefasst. Deshalb musste derjenige, welcher in der geistlichen oder weltlichen Welt, eine Rolle spielen wollte, gute Fertigkeiten in der lateinischen Sprache besitzen. Da Otto, nach seiner Eltern Tod, immer weniger Mittel von seinem Bruder bekam, konnte er sein Studium nicht weiter fortsetzen, und entschloss sich nach Polen zu gehen, wo es immer noch einen Mangel an gebildeten Männern gab. Dort angekommen, eröffnete er eine Knabenschule, in der die lateinische Sprache das Hauptfach war. Durch seine Schule kam er schon nach kurzer Zeit zu einigem Reichtum, weil die Söhne der reichen Polen unbedingt seine Schule besuchen mussten. Bald aber erlernte er auch die polnische Landessprache und, weil auch sein ganzes Wesen sehr sittsam und keusch war, gewann er bald auch das Vertrauen und die Freundschaft der mächtigsten und einflussreichsten Männer des Reiches. Er wurde deshalb immer öfter zu wichtigen Geschäften und Gesandtschaften gebraucht, und konnte auch vielmals vermitteln zwischen wichtigen Persönlichkeiten. Als es nun wieder einmal um eine Gesandtschaft ging, wurde dem Herzog Wladislav Herrmann der junge Geistliche Otto empfohlen und von ihm an seinen Hof gebeten. Hier fand er nun einen großen Beifall und der Herzog nahm ihn in seine Gefolgschaft auf, in der damals auch Geistliche und Kaplane gehörten. In dieser neuen Stellung zeigte Otto viel Gewandtheit und gute höfliche Sitten, wodurch er das Vertrauen des Herzogs und seiner ganzen Umgebung gewann. Wahrscheinlich hatte Otto in Polen von einem dortigen Bischof auch seine Ordination erhalten.

Der Herzog Vladislav Herrmann heiratet die böhmische Prinzessin Judith im Jahre 1083

Der Herzog hatte sich im Jahre 1083, nach dem Wunsch seiner Stände, mit Judith der Tochter des böhmischen Herzogs Wratislaws vermählt. Diese starb aber schon in ihrem ersten Wochenbett im Jahre 1086, nachdem sie ihm einen Prinzen, namens Boleslav III., geschenkt hatte.

Nach dem Tod von Judith sucht man für Vladislav Herrmann eine neue Gemahlin

Als nun die erste Trauer über den Tod seiner Gemahlin verflogen war und sich das Gemüt des Herzogs etwas aufheiterte, wurde von den Ständen des Landes und seinen Ratgebern darüber beraten, wie und welche neue Verheiratung nun in Frage käme.

Otto schlägt die Schwester des deutschen Kaisers als neue Gemahlin vor

Da Otto nun schon einige Jahre am Hof des Herzogs verbracht hatte, und jeder seinem Rat vertraute, wollte man nun auch seine Stimme bei dieser Frage hören. Otto sagte nun zu dieser Frage: „Wenn der Herzog wirklich geneigt ist, sich wieder zu verheiraten, so kann er in Deutschland sicher eine geeignete Braut von höchstem Rang finden, und sich dadurch nicht nur den Adel dieses Landes geneigt machen, sondern überhaupt die gesamte deutsche Macht mit in das neue Verhältnis bringen.“ Dieser Rat, den Otto noch einige Male wiederholte, gelangte endlich auch an die Ohren des Herzogs, der ihn zumindest der Aufmerksamkeit und Erörterung für wert hielt. Nachdem der Herzog nun eine Weile darüber nachgedacht hatte, verlangte er von seinen Räten ein Gutachten darüber, und berief Otto in den Staatsrat, um von ihm eine genauere Ausführung dieses Planes zu erfragen. Otto erwähnte nun erst einmal etwas über die Macht und die Herrlichkeit des römischen Reiches, und den alten berühmten Stamm seiner Könige und Kaiser, erinnerte den Herzog Vladislav Herrmann an die Schwester des Kaisers, welche ja gerade im Witwenstand stehe, und welche der Kaiser auf würdige Weise unbedingt anderweitig zu vermählen wünsche, weshalb auch dieser auf vernünftige Vorschläge seines Hofes dazu warte, und er versicherte dem Herzog, dass denjenigen ein glückliches Los erwarte, der diese schöne Kaiserstochter zur Frau nehmen würde. Der Herzog wurde also nach dieser Rede öffentlich und geheim ermuntert, eine so vorteilhafte Heirat doch ins Auge zu fassen, und möglichst zu beschleunigen. Als sich nun der Herzog für diese Heirat entschlossen hatte, legte er seinen Plan den den polnischen Reichsständen zur Beratung vor, da dies damals so üblich war. Diese fanden auch, dass durch eine solche Heirat neuer Glanz über Polen kommen würde, und stimmten den Absichten des Herzogs bei.

Eine Gesandtschaft wirbt um die Schwester des deutschen Kaisers


Nun wurde also sofort im Jahre 1088 eine Gesandtschaft an den deutschen Kaiser Heinrich IV. gesandt, um für den polnischen Herzog um dessen Schwesters Hand zu werben, unter ihnen befand sich auch unser Otto, diese Gesandtschaft wurde auch mit großem Ansehen von Heinrich empfangen, welcher damals gerade alle seine Widersacher überwunden hatte. Nachdem nun Heinrich den Antrag gehört hatte, legte er diesen seinen versammelten Bischöfen und Fürsten zur Beratung vor: und man gab den polnischen Abgesandten die Antwort, dass man der Heirat des polnischen Herzogs mit der Schwester des Kaisers zustimmen würde, weil man dadurch die beiden Völker enger verknüpfen könne. Zugleich wurden auch der Ort und die Zeit bestimmt, wo die Übergabe der Braut erfolgen sollte, worauf die Gesandten mit vielen Geschenken wieder entlassen wurden. Als dann die Braut abgeholt wurde, begleitete sie unter anderem, unser Otto nach Polen. Die neue polnische Herzogin sendete ihn auch später immer wieder in persönlichen Angelegenheiten zu ihrem Bruder, dem Kaiser, nach Deutschland. Der Kaiser, obwohl er in seiner Bildung etwas verwahrlost war, erkannte doch mit seinem natürlichen Scharfsinn in Otto einen treuen und geschickten frommen Mann, den er lieb gewann, und in seinen Diensten haben wollte. Nachdem er selber Otto dieses Angebot gemacht hatte, schrieb er an seine Schwester und bat sie, diesen Geistlichen doch ihm zu überlassen. So ungern der Herzog und die Herzogin Otto auch verloren, so sandten sie ihn doch, reichlich beschenkt, nach Deutschland zurück. Heinrich IV. nahm Otto unter seine Kaplane auf, von denen es damals am kaiserlichen Hof eine ganze Menge gab; denn die jungen Geistlichen von hohem Adel, Verwandte, oder die Söhne von Fürsten, sie drängten sich alle an den kaiserlichen Hof, in der Hoffnung, um so leichter und schneller befördert zu werden. Hier hatte der Kaiser Gelegenheit, ihre Fähigkeiten und Eigenschaften näher kennen zu lernen, und sie wurden entsprechend dieser nach und nach anderweitig eingesetzt. Einer von diesen königlichen Hofkaplanen war nun auch Otto, während nun aber die anderen Kaplane mit allen möglichen unwichtigen Dingen beschäftigt waren, besorgte Otte alle wichtigen Dienste in des Kaisers direktem Umfeld, und stieg so immer weiter in des Kaisers Gunst. In dieser Stellung blieb Otto solange, bis der alte Kanzler des Kaisers in Ruhestand ging, nun bekam er des Kaisers Siegel und den Posten des obersten kaiserlichen Kanzlers übergeben, welche er mit Klugheit bis ins Jahr 1102 verwaltete.

Pommern behält seine eigene Verwaltung bis zum Jahr 1091

Denn auch nach dem Krieg vom Jahre 1032 behielten die verbliebenen Stände und Aristokraten in Hinterpommern die unmittelbare Verwaltung ihrer Besitzungen in ihren Händen; es wurden auch keine ungarische Besatzung in irgend eine Grenzfestung gelegt, sondern jeder große Gutsherr besetzte mit seinen eigenen Leuten die Schlösser und Burgen in seiner Nähe, und lebte als vollkommener Freiherr fort, nur dass er zukünftig die oberherrlichen Steuern und Zehnten bezahlen musste.

Ein erneuter Aufstand der Pommern und der Verlust der Freiheit im Jahre 1091

Diese freiherrliche Regierungsverfassung dauerte bis ins Jahr 1091 an, wo sich die östlichen Pommern erneut erhoben und weit empfindlicher dafür bestraft wurden. Damals verloren die eingeborenen Besitzer die Verwaltungsrechte in ihren Gebieten, samt ihrer Burgen und Schlösser. Jetzt waren überall in der Verwaltung polnische Befehlshaber eingesetzt, und in allen Festungen wurden polnische Besatzungstruppen stationiert. Obwohl die polnischen Schriftsteller nur von einem missglücktem pommerschen Aufstand sprechen, dürfte wohl klar sein, dass hier ein gemeinsamer Aufstand der Kassuben und Hinterpommern stattfand; denn dieses gesamte Land hatte Boleslaw Chrobri unterworfen, und auch nur dieses gesamte Land konnte sich von der polnischen Herrschaft haben befreien wollen; allerdings war zu dieser Zeit der Name Kassubien schon außer Gebrauch gekommen, und dafür ganz allgemein nur noch von Pommern die Rede. Im Jahre 1090 traten die Pommern und Preußen in eine engere Verbindung, gelobten sich gegenseitig Beistand, und fassten den Beschluss in Zukunft keine Steuern mehr an Polen zu bezahlen. Es ist aber nicht bekannt, ob sich die Hinterpommern wieder einen gemeinsamen Anführer für ihr Heer gesucht hatten, vermutlich hätte sich auch keiner finden lassen, nach dem Strafgericht gegen die Anführer im Jahre 1032. Der polnische Herzog Wladislav, obgleich sonst dem Krieg abgeneigt, war über die Empörung der Pommern und Preußen äußerst verärgert und gab sogleich den Befehl, alle seine Truppen noch vor dem Johannisfest des Jahres 1091 an den festgelegten Sammelplätzen zusammen zuziehen. Er selbst rückte dann an ihrer Spitze in Pommern ein, eroberte mehrere Festungen und Schlösser, verheerte das Land und verbrannte die Dörfer ringsum. Die Pommern hatten sich inzwischen mit den Preußen vereinigt, verschmähten alle Verständigungsversuche, sich doch mit dem Herzog Wladislav wieder zu versöhnen, und zogen diesem mit einem großen Heer, am 15. August 1091, bei Rzececz entgegen. Vermutlich trafen sich die beiden Heere bei Radzyn. Die Polen wollten wegen des hohen Feiertages (Mariä Himmelfahrt) eigentlich eine Schlacht vermeiden, da aber die Verbündeten weiter anrückten, mussten sie sich einer solchen stellen. Nun begann ein fürchterlicher Kampf, weil die Pommern und Preußen für ihre Freiheit kämpften, wogegen sie die Polen gerade dafür bestrafen wollten. Weil nun beide Seiten bis zur Erschöpfung kämpften, dauerte das Treffen fast den ganzen Tag lang, bis sich schließlich die Reihen der Pommern und Preußen immer mehr lichteten, und sie zurückweichen mussten. Jetzt wurde auch noch unter den Fliehenden von den verbitterten Polen ein großes Blutbad angerichtet. Nach vollbrachter Tat feierten die Polen den Rest des Tages doch noch Mariä Himmelfahrt. Die Polen und Pommern waren durch diese Niederlage so sehr geschwächt und demoralisiert, dass sie um Verzeihung baten, und sich dem Herzog vollständig unterwarfen. Der friedfertige Wladislav ließ ihnen nun gern Gnade widerfahren, wohl in der Hoffnung, dass sie in Zukunft gehorsamer wären. Allein, die Vorkehrungen, welche er traf, zeigten, dass er auf diese Hoffnug nicht allzu sehr baute. Um einen erneuten Abfall zu verhüten, ja unmöglich zu machen, hob er ihre bisherige freie Landesverwaltung auf, und machte die Pommern somit zu seinen direkten Untertanen. Bisher hatten die Landbesitzer in den ihnen zugehörigen Kreisen frei verfügen können. Sie besaßen, als Freiherren, ihre Burgen, Schlösser und Städte, und hielten sie mit ihren eigenen Leuten besetzt. Sie beherrschten wie kleine Könige ihre Untertanen, und es gab weder polnische Besatzungen, noch polnische Statthalter im Land. Nur an der Grenze gab es einige Festungen, welche polnischen Besatzungen hatten. Bisher gab es nur drei Dinge, an denen man erkannte, dass Hinterpommern jemand anders untergeben war, das waren die jährlichen Zahlungen (Steuern) an die herzogliche Rentkammer, weiter der Zehnte, welchen der Erzbischof von Gnesen mit großer Strenge erheben ließ, und schließlich die Duldung der christlichen Geistlichen, welche sich im ganzen Land breit machten. So unangenehm das alles war, so blieben doch die Gutsherren weitestgehend freie Herren, Gebieter ihrer Mannschaften, ihrer Städte, Burgen und Schlösser, konnten alles Weitere für das Land in freien Versammlungen regeln. Dieses immer noch erträgliche Verhältnis zu Polen war nun, durch ihren missglückten Aufstand, verwirkt worden, und sollte nach dem Willen Wladislaws für immer beendet sein. Denn gerade diese innere Freiheit über ihre Untertanen zu entscheiden, hatte es den Aristokraten in Pommern ermöglicht, sich zu einem Aufstand gegen die Polen zu vereinigen, und ihnen auch die Mittel an die Hand gegeben, ein stattliches Heer zusammenzubringen; deshalb musste Wladislav ihnen gerade diese Möglichkeit nehmen. Er zwang die Großen in Pommern ihm auch alle ihre Burgen und Schlösser abzutreten. In diese setzte er dann polnische Besatzungen, welche unter der Führung von vertrauenswürdigen polnischen Befehlshabern standen, welche dann die umliegenden Landschaften zu Lehn erhielten. Auf diese Art wurden aber die eingeborenen Großgrundbesitzer Hinterpommerns nicht nur entmachtet, sondern auch enteignet und untererjocht. Und all die Festungen und Schlösser, welche bisher ihre Freiheit beschützt hatten, wurden nun, in den Händen der Polen, zu einem Werkzeug, um sie zu unterdrücken. Viele Festungen, welche die Polen nicht besetzen wollten, besonders an der Grenze zwischen Pommern und Preußen, wurden innerhalb kürzester Zeit von den Polen verbrannt und völlig abgerissen, um diesen Völkern jegliche Möglichkeit zu einer neuerlichen Vereinigung, und einem neuen Aufstand für immer zu nehmen. Somit wurde also ganz Hinterpommern militärisch besetzt, und bekam direkte polnische Statthalter und Befehlshaber. Man konnte nun im ganzen Land den Druck und die Belastungen einer echten Besatzung spüren; all die Bedürfnisse der polnischen Machthaber im Land mussten, neben den bisherigen Abgaben, nun auch noch getragen und umgehend befriedigt werden. Aber das Schlimmste für die Menschen in Hinterpommern war der endgültige Verlust ihrer gewohnten Freiheit.


LG Arndt

Antennenschreck
30.08.2018, 08:30
Hallöle,

in den Texten hat es hin und wieder zeitliche Sprünge. Das kommt davon, dass ich viele unterschiedliche Quellen benutze. So nach und nach entdecke ich aber die meisten der Sprünge, und orde die Texte dann in der richtigen Reinfolge. Hier muss natürlich Judith für Ottos Auftauchen gestellt werden, den der Herzog war ja zuerst mit dieser verheiratet, und hat sich dann nach deren Tod eine deutsche Kaiserstochter geangelt. Also einfach mal den nächsten und übernächsten Abschnitt lesen, und dann gedanklich umsortieren.


LG Arndt

Antennenschreck
30.08.2018, 15:10
Hallöle,

hier ein wenig mehr zu Geschichte:

Die Hinterpommern können die Unterdrückung nicht ertragen


Der große Unterschied zwischen der früheren Verfassung und dem jetzigen Zustand in Hinterpommern war für die ehemaligen Freiherren und das ganze Volk einfach unerträglich. Obwohl durch den Verlust der eigenen Burgen und Schlösser, eine neuerliche Vereinigung wesentlich schwieriger war, so führte doch die allgemeine Verbitterung das ganze Volk schon desselben Jahres wieder zusammen, um das unerträgliche Joch der Besatzung abzuschütteln. Schon während der ersten Monate des folgenden Jahres 1092 brach ein neuer Aufstand aus, und das ganze Land wurde von seinen Besatzern befreit. Die Wut der Hinterpommern auf die Polen war so groß, dass von ihnen alle polnische Statthalter und Befehlshaber auf das schrecklichste hingerichtet wurden; nur einige, welche gerecht gehandelt hatten, wurden am Leben gelassen. Wladislav Herrmann, glaubte eigentlich, durch sein Besatzungsregime in Hinterpommern, allen weiteren Problemen enthoben zu sein, und hoffte nun einige Jahre in behaglicher Ruhe hinbringen zu können. Da erhielt er völlig unerwartet die Nachricht von einem neuerlichen Aufstand in Hinterpommern; weil er die Ermordung seiner Verwaltungsleute in Hinterpommern unbedingt rächen wollte, zog er noch im Februar desselben Jahres, ohne erst ein größeres Heer zu sammeln, nach Hinterpommern. Hier teilte er sein kleines Heer auch noch in zwei Teile, den einen führte der Palatin Szeczech von Krakau, und den anderen führte der Herzog Wladislaw selbst. Während nun Szeczech in Richtun Preußen marschierte, eilte Wladislav in schnellen Märschen durch Hinterpommern und gab den Befehl, alle Dörfer zu plündern und nieder zu brennen; um aber die Festungen und Städte anzugreifen, war sein Heer viel zu schwach. Dabei störte ihn auch nicht die gerade stattfindende Fastenzeit, man fing eine größere Menge von Menschen und Vieh ein, welches sich in den Wäldern versteckte, und entschloss sich danach, wieder nach Hause zurückzukehren. Der Herzog war von der Weichselgegend quer durch Hinterpommern gezogen, und kehrte südlich, über die untere Netze, über Drzen, das heutige Driesen, nach Polen zurück. Offensichtlich hatte der Herzog auf diesem Weg das westliche Pommern, welches die Polen bisher verschont hatten, ebenfalls heimgesucht. Der Hauptgrund dafür war wohl, dass ihm der gerade Weg nach Gnesen, über die Nakel von den Pommern versperrt wurde. Das zwang ihn nun weiter westlich einen Übergang über die Netze zu suchen. Weiterhin kann man vermuten, dass dieser Weg für den Herzog weit sicherer schien, weil der Adel in Westpommern in einem sehr freundschaftlichen Verhältnis zu ihm stand. Was aber auch immer der Grund für diesen Weg des Herzogs gewesen sein mag, klar ist auf jeden Fall, dass die westlichen Pommern durch den Kriegszug schwer beleidigt, und ab und an in die Kämpfe des Herzogs mit einbezogen wurden. Genau seit dieser Zeit hat sich auch der Hinterpommersche Kriegsschauplatz auf Westpommern erweitert. Als nun der Herzog bis nach Dzen, einer damals wohlhabenden Stadt, gekommen war, und diese gerade plünderte, meldete ihm seine Nachhut, dass sich in höchstens 5 Meilen Entfernung eine große Menge Pommern und Preußen zusammengerottet hätten. Das polnische Heer war nämlich die ganze Zeit von den Pommern und Preußen beobachtet worden; und dessen Schwäche hatte diesen immer mehr Mut gemacht, die Polen direkt anzugreifen und ihnen ihre Beute abzunehmen. Der Herzog und seine Heerführer schwankten nun eine Zeitlang, ob sie mit ihrem geringen Leuten den Fein angreifen, oder sich das lieber für eine bessere Gelegenheit aufsparen sollten; aber die Mehrheit war dafür lieber in Ehren zu sterben, als schmachvoll zu fliehen. Derv Herzog ließ nun seine schwächeren Mannen bei der Beute zurück, und zog mit dem kleinen gesunden Teil dem Feind entgegen. Der Kampf war schwer und blutig, und ein Sieg der Polen mehr als zweifelhaft. Die Pommern und Preußen konnten, im Gegensatz zu den Polen, immer wieder frische Truppen in den Kampf werfen, und konnten auch immer wieder strategische Vorteile erringen. Den Polen half ihre kriegerische Erfahrung und ihr Mut, und das Gefecht dauerte deshalb von neun Uhr Morgens bis in die dunkle Nacht hinein, als man wegen der Dunkelheit gar nichts mehr erkennen konnte, zogen sich die Pommern und Preußen vom Schlachtfeld zurück, ohne dass die Polen sie verfolgten; man könnte also eher von einem unentschiedenen Ausgang sprechen.


Der Herzog zieht sich zurück und sammelt neue Truppen

Obgleich einige dem Herzog vorschlugen, den Pommern und Preußen am folgenden Tag nach zusetzen, so bewog doch die geringe Anzahl seiner Leute und das bevorstehende Osterfest den Herzog dazu, umgehend nach Polen zurückzukehren. In Polen sammelte Wladislav ein neues Heer, welches diesmal auch, für ein kräftiges Handgeld, auch böhmische Söldner beinhaltete. Seine Absicht war es, Kassubien und Hinterpommern wieder zurück zu erobern, oder sich zumindest wieder einen Zugang zu diesen Gebieten zu verschaffen, deshalb ging er mit seinem Heer über die Netze, um den Pommern erst einmal einen schweren Schlag zu versetzen. Die Pommern wollten sich ihm aber jetzt nicht in einem offenen Gefecht gegenüber stellen, weil sie auch schon im Frühjahr bei Driesen mit überlegenen Kräften keinen entscheidenden Sieg erreichen konnten. Sie zogen sich deswegen in die Wälder und hinter die Sümpfe zurück. Da der Herzog so gar nichts erreichen konnte, und das ganze Land ohnehin schon verwüstet war, ging er bis zur Grenzfestung Nakel zurück, und beschloss diese zu belagern. Dahin strömten aber auch die Pommern, teils um nach Polen einzufallen, teils um diesen Punkt, als Schlüssel zu ihrer Freiheit, abzusichern. Während dieser langwierigen Belagerung, wurden die Polen jede Nacht, durch blinde Alarme, von den Pommern in Bewegung gehalten; man täuschte ihnen immer wieder einen Anmarsch von feindlichen Truppen vor. Wenn nun aber die Polen in voller Rüstung an dem vermutlichen Aufmarschort angekommen waren, so hatten sich die wenigen Lärmmacher schon längst wieder in die Wälder zurück gezogen. Während nun wieder einmal die Polen mit einem größeren Aufgebot gegen die nächtlichen Störer ausgerückt waren, da wagten die belagerten Pommern einen Ausfall aus Nakel, und steckten das komplette Lager der Polen in Brand; wobei nahezu fast alle Hütten und das ganze Kriegsgerät vernichtet wurden.


Der Herzog zieht sich erneut aus Pommern zurück

Jetzt kamen aber die Polen in eine schwere Bedrängnis, denn sie hatten kaum noch Waffen, und nichts mehr zu essen; während nun auch noch ein sehr strenger Winter einsetzte, mit welchem vor allem die böhmischen Söldner gar nicht zurecht kamen. Wladislav hob daher die Belagerung auf, und ging unverrichteter Dinge wieder nach Gnesen zurück. Durch diesen Rückzug sammelten die Hinterpommern wieder mehr Mut und Hoffnung für ihren Freiheitskampf gegen die Polen.

Der Herzog Wladislav rückt erneut nach Hinterpommern im Jahre 1093

Weil der Herzog Wladislaw unbedingt wieder in die Unterwürfigkeit zwingen wollte, so entblößte er fast alle seine Erbstaaten von ihren Kriegstruppen, um im folgenden Jahr 1093 mit einem noch größeren Heer in Hinterpommern einzufallen. Er begann also seinen Feldzug im Frühjahr 1093, hielt sich aber diesmal nicht mit der Belagerung von Festungen und Schlössern auf, sondern verwüstete das flache Land, verbrannte die Häuser, welche bisher verschont geblieben waren, und nachdem er ganz Hinterpommern verheert und geplündert hatte, wandte er sich gegen die Preußen, hauste auch hier mit Feuer und Schwert und verschleppte eine große Menge von Gefangenen und Vieh.

Die Hinterpommern geben auf, und der Herzog rächt sich grausam

Wegen dieser polnischen Verwüstungen waren nun die Hinterpommern und Preußen um den größten Teil ihres einstigen Wohlstandes gekommen, so dass sie nun doch an den Herzog Gesandte schickten und unbeschränkten Gehorsam samt voller Unterwerfung gelobten, unter einzigen Bedingung, dass ihre Verirrungen verzeihen und ihnen Gnade angedeihen lassen wolle. Der Herzog nahm die Gesandten scheinbar wohlwollend auf, und erklärte, dass sie und alle übrigen, welche für den Aufstand keinen Anreiz gegeben hätten, guten Mutes sein könnten, er forderte aber, dass sich die ganzen Großen des Landes persönlich bei ihm einfinden, und zusammen mit ihm ihre Aussöhnung beraten sollten. Weil der Herzog bei dem Aufstand im Jahre 1091 diesen zwar ihre Burgen und Schlösser genommen, aber ihre Köpfe gelassen hatte, deshalb hofften die hinterpommerschen Freiherren auch dieses Mal, dass er unblutig und glimpflich mit ihnen verfahren würde; aber sie täuschten sich gar sehr. Denn der Herzog ließ allen Großen, welche an dem Aufstand Anteil hatten, ihre Köpfe abschlagen, und den Rest von ihnen, deren Schuld nicht nachweisbar war, schickte er in andere entfernte Gebiete in lebenslange Gefangenschaft. Eine tatsächliche Verzeihung wurde einzig dem einfachen Volk gewährt. Natürlich wurden auch wieder in ganz Hinterpommern polnische Besatzungstruppen und polnische Statthalter eingesetzt. Den Statthaltern und Befehlshaber wurden wiederum die einzelnen Landesteile von Hinterpommern zu Lehn gegeben. Durch diese Maßnahmen wurde der einstige Adel von Hinterpommern weitestgehend ausgelöscht, und auch die letzten bei diesem verbliebenen Güter kamen nach und nach in die Hände von geborenen Polen, auf deren Treue der Herzog sicher rechnen zu können glaubte.

Ein Konflikt mit Böhmen bahnt sich an

Während des Feldzuges in Pommern hatte der böhmische Herzog Bretislav seine polnischen, von ihren Streitkräften entblößten, Nachbarprovinzen überfallen und geplündert. Wladislav Herrmann, welcher eigentlich seine Ruhe liebte, und dazu noch sehr krank war, schickte im darauf folgenden Jahr 1094 seinen obersten Feldherren, den Palatin von Krakau Szeczech mit einem Heer los, um ihm in seinem eigenen Land mit gleicher Münze heimzuzahlen; bei diesem Feldzug war auch Wladislavs neunjähriger ehelicher Sohn Prinz Boleslaw Krzivousti mit unterwegs. Man drang nun in Mähren ein und verwüstete das Land, ganz nach den Anweisungen von Wladislav, mit Sengen, mit Rauben und Plündern, ohne irgend welche festen Plätze zu belagern.
Die Pommern erobern ein wichtiges Schloss zurück

Während nun aber die Polen auf diese Weise beschäftigt waren, bemächtigte sich eine Handvoll von Pommern des Schlosses Medzyrzecz, heute unter Meseritz bekannt. Der Straftruppen aus Böhmen wurden deshalb ganz schnell zu diesem Schloss in Bewegung gesetzt, um selbiges zu belagern. Dieses ohnehin schon gut befestigte Schloss, war aber inzwischen von den Pommern noch weiter ausgebaut worden. Die Polen mussten daher sehr viel schweres Kriegsgerät bei der Belagerung einsetzen, und die Mauern des Schlosses an vielen Stellen völlig zertrümmern. Als die Pommern nun ihre schwierige Lage erkannten, boten sie eine Übergabe des Schlosses an, um sich nicht einer endgültigen Erstürmung auszusetzen; allerdings nur unter der Bedingung, dass sie mit ihren Pferden, ihrem Eigentum und ihrem Gebäck unverletzt abziehen dürften, was ihnen auch zugestanden wurde. Der einzige denkbare Grund für diese ehrenvollen Behandlung durch die Polen, dürfte wohl darin liegen, dass die Schlossbesatzung nicht aus dem unterworfenen Hinterpommern stammte, sondern aus dem damals noch freien Westpommern. Man schonte damals vermutlich die Westpommern, um nicht auch noch einen Aufstand ihrer ohnehin schon verbitterten Landsleute zu erregen. Das dieses Heer aus Westpommern stammte, wird in der Literatur kaum erwähnt, weil man damals auch schon kaum noch einen namentlichen Unterschied zwischen dem westlichen und dem Rest von Pommern machte. Das Schloss Meseritz lag nämlich nicht an der Grenze Hinterpommerns, sondern des westlichen, damals noch freien Pommerns zu Polen. Die nachfolgenden Ereignisse zeigen uns aber, dass sich von nun an auch das westliche Pommern im Kriegszustand befindet. Wahrscheinlich würde der Überfall auf das Schloss Meseritz nur als eine verzeihliche Vergeltung der vorhergehenden polnischen Übergriffe betrachtet worden sein, wenn nicht gerade auch noch, durch innere Unruhen in Polen, der Kriegsgeist der restlichen Pommern wieder angestachelt worden wäre. Es kam sogar dazu, dass der polnische Prinz Sbignev (ein unehelicher Sohn von Herzog Wladislav Herrmann) die Pommern zum Krieg gegen seinen eigenen Vater, den Herzog Wladislav Herrmann, zu Hilfe rief. Das war nun aber ein mächtiger Anreiz für ganz Pommern, jetzt für eine endgültige Unabhängigkeit von Polen zu kämpfen, und sich direkt auf eine Seite des Bürgerkrieges in Polen zu stellen.

Der polnische Prinz Sbignev ruft die Pommern zu Hilfe

Im Jahre 1096 empörte sich der Prinz Sbignev gegen seinen Vater und rief die freien Westpommern zur Hilfe. Diese versuchten nun im Jahr darauf Zantok, mittels Verrat, einzunehmen, was ihnen allerdings nicht gelang. Sbignev und Boleslav Krzivousti werden zusammen mit einem Heer gegen sie ausgesandt, aber sie erreichen nichts weiter. Während der polnischen Unruhen greifen die Westpommern Zantok erneut an, und erbauen im Jahre 1099 eine Gegenfestung. Als nun Sbignev und Boleslaw gegen diese Festung vorgehen sollten, zieht sich Sbignev unverrichteter Dinge wieder zurück, und Boleslaw muss allein die Pommern in die Flucht schlagen; allerdings haben sie vorher noch ihre eigene Gegenfestung in Brand gesteckt.

Die inneren Unruhen in Polen

Der Herzog Wladislav Herrmann hatte zwei Söhne, einen ehelichen Namens Boleslav Krzivousti, und einen unehelichen mit Namen Sbignev. Der Letztere war viel älter als Boleslav, und auch erfüllt von Tapferkeit und Mut, weshalb er für seinen Bruder zu einer Gefahr zu werden schien. Er wurde deshalb von Wladislav Herrmann in ein sächsisches Kloster geschickt, um da für immer als Mönch zu leben. Zur damaligen Zeit wurden auch viele andere unbequeme Polen des Landes verwiesen, und weitere Polen flüchteten lieber freiwillig, ehe ihnen Schlimmeres passierte. Das größte Übel von Wladislav Herrmann in den Augen seiner Gegner bestand aber darin, dass er den mächtigen polnischen Adel in seinen Rechten zu beschneiden versuchte, und sich eher den Bürgerlichen annahm, und diese stärken wollte. Die meisten Vertriebenen und freiwillig Ausgewanderten flüchteten nach Böhmen, wo sie vom Herzog Bretislav wohlwollend aufgenommen wurden. Die beiden alten Höfe von Prag und Gnesen waren schon lange aufeinander eifersüchtig, und brüteten immer wieder über Plänen, um im jeweiligen Nachbarstaat Unruhen und Aufstände anzufachen. Deshalb empfahl Bretislaw den ausgewanderten Polen, den Prinzen Sbignev wieder aus dem Kloster zurück zu holen, ihn dann zu ihrem Herzog zu wählen, und eine benachbarte polnische Provinz, am besten Schlesien, einzunehmen. Hier hatte damals Graf Magnus die Statthalterschaft, der selber über die aktuelle polnische Regierung verbittert war, und deshalb den Prinzen Sbignev und seine Anhänger gern in Breslau aufnahm. Er gab aber damit den Anlass für die Spaltung, welche sich mit der Zeit über ganz Polen ausbreitete. Wladislav zog nun gegen Breslau, um die Wut der Empörung etwas zu dämpfen; aber Sbignev wich ihm in das Herz von Polen aus, wo er die meisten Großen des polnischen Adels auf seine Seite brachte; hier setzte er sich in der Stadt Cruschwitz fest.


LG Arndt

Antennenschreck
01.09.2018, 17:41
Hallöle,

hier mal eine (noch stark zu bearbeitende) Karte der damaligen Siedlungsgebiete:

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Tschü....

Antennenschreck
01.09.2018, 17:43
Hallöle,

der Stand der Karte dürfte so ca. Mitte des 9. Jh. sein.

Tschü.....

Antennenschreck
02.09.2018, 09:45
Moin,

hier wieder ein wenig Kaschubengeschichte:

Die Pommern und die Kassuben

Die Pommern sind dem Namen nach als die am Meere Wohnenden (po morze) leicht zu erkennen. Etwas schwieriger ist es da schon mit den Kaschuben. Ium Litauischen gibt es ein Wort, was man viel verwendet, aber von dem keiner so recht weiß, was es eigentlich bedeutet, – kuzabas – , es wird unter anderem zur Bezeichnung des Mühlsteinloches benutzt, welches zum Einfüllen des Getreides dient. Auch eine Tüte aus Erlenrinde und das Loch im hohlen Baum, in dem Waldbienen hausen, sowie ein Korb aus Rinde zum Beerensammeln führen diesen Namen. Das kleinrussische kozub bedeutet gleichfalls Korb, auch Kütze hat man mit dem slawischen Wort in Verbindung gebracht. Die polnischen Worte kazub, kozub, kazubek, kadlubek entsprechen auch jenem litauischen Wort, und bezeichnen ein Rinden- oder Bastgefäss. All jene Wörter stehen dem Namen der Kaschuben am nächsten, ohne dass aber eine Bedeutung genau anzugeben wäre. Ganz allgemein bezeichnet das Eigenschaftswort slowinzisch alle pommerschen evangelischen Slawen. Die Kaschuben haben nie ein politisches Ganzes gebildet, und der Name tritt erst seit dem 13. Jahrhundert häufiger auf. Wer sind nun aber die Kaschuben? Der Kiever Mönch Nestor teilt das slawische Völkergemisch der Lechen ums Jahr 1110 im Weichselgebiet und westlich davon, in die Polen, Lutiker, Masovier und Pommern. Der Hauptstamm der Lechen waren die Pommern, sie standen allerdings bis ins 12. Jh. mehr oder weniger in einem politischen Zusammenhang zu den Polen. Wenn nun auch immer einmal der Name der Kaschuben erwähnt wird, so kann man doch nicht daran zweifeln, dass damit immer einzelne pommersche Stämme gemeint sind, über deren eigentliche Sitze aber die Ansichten weit auseinander gehen. Kantzow schreibt im 16. Jh.: „Die Kaschubei ist ein Teil von Pommern, und zwar sind das Wenden, welche nicht am Meer, sondern mehr landeinwärts wohnen, welche aber, entgegen der Gewohnheit der Wenden, weit gefaltete Kleider tragen, denn Cassubitz heißt gefalztes Kleid, und liegt etwa dort, wo heute das Bistum Cammin, der Heitort der Pommern, und die neue Mark ist. Ihre Sprache aber, unterscheidet sich ein wenig von der wendischen, und wird nur an ihren Orten gesprochen. Das Volk in Pommern ist gar deutsch und sächsisch, ausgenommen das in Hinterpommern und auf dem Lande, wo noch immer viele Wenden und Kaschuben wohnen.“ Um diese Zeit (1404) soll eine alte Frau auf Jasmund zu Rügen gestorben sein, welche Gulitzin hieß, welche samt ihrem Mann die letzte war, die im Lande zu Rügen wendisch sprechen konnten. Aber mit dem allmählichen Aussterben der pommerschen Kaschuben übertrug man ihren Namen immer mehr auf die 150000 Slawen in Pommerellen, die einst zum Ordensland und dann zu Polen gekommen waren. Die beiden Hauptwohnorte der Kaschuben waren wohl das Kaschubendorf Zipkow und ihr Hauptorte Glowitz, Zezenow und Stojentin. Die kaschubische Bevölkerung soll sich über die drei Kreise Lauenburg, Bütow und Stolp erstreckt haben.

Orte in Pommern in denen kaschubisch gesprochen wurde

Dennewitz, Biebrowo, Slawuszewo, Jackowo, Chcottschenke, Kurowo, Czekoceno, Saseno, Uljanie, Bargadzeno, Roszczyce, Strezezowo, Maszewo, Zdrzewno, Kopono, Scharzschow, Wiek, Wrzesce, Chabrowo, Garzigar, Jannewitz, Rosgars, Vilkow, Puggerschow, Commlow, Küssow, Bresen, Pusitz, Schichow, Saulin, Merzno, Enzin, Nieznachowo, Szczenurzy, Sorbsk, Lebinc, Leba, Zarnowske, Babidol, Dabino, Gaco, Cecenowo, Wolen, Pobloce, Prebedowo, Dargolese, Wekosowo, Duochowo, Zaratin, Rzuszcze, Glowczyce, Knecino, Worblino, Szczypkojce, Siodlina, Badzechowo, Rowno, Skorzyno.

Das Aussehen und der Charakter der Kaschuben

Die Kaschuben wichen in ihrer Größe und Gestalt nur wenig von den Deutschen ab. Ihr Äußeres im Gesichtsausdruck und in der Haltung lag etwa in der Mitte zwischen den Polen und den Niederdeutschen. Ein glatt aus-rasierter Backenbart, wie ein struppig aus-rasierter Vollbart gab es ebenso häufig, wie ein vollkommen glatt rasiertes Gesicht. Sie waren etwas größer und schwerfälliger, aber doch lebhafter als die Deutschen und übertrafen diese an Ausdauer und Bedürfnislosigkeit. Männer und Frauen hatten prächtig weiße Zähne; und es gab weit mehr blonde als schwarz haarige Kaschuben. Sie waren trotz ihres hohen Selbstbewustseins sehr freundlich, höflich und entgegenkommend. Man sagte ihnen eine große Schlauheit und ein ewiges Misstrauen nach. Seinem Charakter nach war der Kaschube tief religiös, dabei aber lernbegierig und auf die Erlernung praktischer Fähigkeiten bedacht; er achtete aber die Kunst nicht sehr hoch, und ist bieder und arm, braucht keine Musikinstrumente und achtet selbst den Gartenschmuck nicht. Lärm und Streitereien arteten nie in Tätlichkeiten aus. Wenn die kaschubischen Fischer tagelang vom Wetter behindert wurden, lagen sie beim Spiel und Trunk in ihrer Hütte; man schnupte sehr häufig und gern und rauchte viel. Sie waren selten ruhig, und eine Unterhaltung über nichtige Dinge konnte sich über Stunden hinziehen. Es galt bei ihnen der Grundsatz Ein Mann ein Wort. Selbst den abgehärtetsten reisenden Kaschuben zog es immer wieder in seine Heimat, auf seine Scholle zurück, ganz egal, wie lange und wie weit er schon gereist war. Die Hütten der Kaschuben nannte man Klucken, und gerade diese bewahrten am längsten noch das kaschubische Wesen.


LG Arndt

Antennenschreck
02.09.2018, 10:36
Hallöle,

hier ein wenig mehr:

Man hatte in vier ecken Kiefernwurzeln eingesetzt, um der luftigen Hütte feste Grundpfeiler zu geben und die Balken auf dem weichen Boden besser zu halten. Selbst in der trockensten Jahreszeit war der weiche biegsame Boden dieser Klucken feucht, und im Winter waren diese Klucken von aller Welt abgeschlossen, das Wasser stand in der Wohnstube, und die Bewohner mussten auf dem Dachboden hausen. Bei Sturm flogen Sand und Schnee in der ganzen Stube herum, im Sommer konnte man aber recht gut in solch einer Klucke leben. Obwohl manch Kluckner schon viel bessere Gegenden der Welt gesehen hatte, gab es für ihn doch keinen besseren Platz als seine kaschubische Heimat. Ausdauernd und gesund waren die kaschubischen Bengels und Mädels. Am Sonntag ging es immer meilenweit bis zur nächsten Kirche. Die kaschubische Schule war, genau so wie die Kirche, komplett in deutscher Sprache. Die Gutsherren, die Putkamer und Zitzewitz, Stojentin und Kleist standen hoch über ihnen. Der Bauer hatte 2, der Halbhufner 1 Pferd, der Kossäther 2 Ochsen der Büdner entsprach dem altgermanischen Hagustald, und war Beisitzer und bewohnte einen Teil am Hofe seines Bruders. In den Klucken aber, bezeichnet der Name derselben den höchsten Rang, also denjenigen, dem das Haus allein gehört. Der Käthner war ein einfacher Besitzer eines Häuschens, der Instmann aber war ein Tagelöhner bei einem Herren, dessen Kathe er auch bewohnte. Er musste mit seiner Frau und einem erwachsenen Kind oder gemieteten Knecht für die Herrschaft arbeiten, hatte aber bestimmte Tage für die Bewirtschaftung eines eigenen, ihm zur Verfügung getsellten, Feldes frei. Als Lohn empfing er einen prozentualen Anteil des Reinertrages, und einige Taler in bar.

Die Sprachen bei den Kaschuben

Die kaschubische Grundsprache benutzte man nur um zu beten, um untereinander zu verhandeln, besonders wenn es die Deutschen nicht verstehen sollten, sonst überwog aber das Plattdeutsche, gespickt mit zahlreichen kaschubischen Einwürfen. In den Schulen, Kirchen, beim Militär, beim Amt, bei Gericht, überall da nutzte man die hochdeutsche Sprache. Aus all dem hat sich nun mit der Zeit ein Gemisch entwickelt, dass ebenso eigenartig wie unschön ist. Zu den Hoch- und Plattdeutschen kommen nun auch noch die eingewanderten Polen und Zigeuner hinzu.

Das kaschubische Haus

Das gewöhnliche kaschubische Haus ist etwa 12 m lang, 6 m breit, 2m hoch, und wird von einem, 4 m hohen, spitzen Dach überragt, welches mit Schilfschindeln gedeckt ist und schief abgeschrägte Giebel hat, weiterhin hat es eine oder mehrere Holzessen. Da die letzteren bei den Klucken manchmal völlig fehlen, muss der Rauch hier durch Fenster und Türen entweichen. Selten fehlen aber auf dem Dach ein Storchennest, und die schrägen langen Baumstämme oder Leitern, welche von der Erde bis auf den First reichen, und für alle nötigen alle Reparaturarbeiten dienen. Das ganze Haus besteht aus Balken und Lehmwerk, selten nur aus reinem Holz. Es hat meist zwei gleiche Teile, welche von einer Scheidewand getrennt werden, aber manchmal so, dass bei einer Tür in der Mitte der Vorderseite, der Hausflur gemeinschaftlich ist; gewöhnlich sind aber zwei nebeneinander liegende Türen mit entgegengesetzten Schlössern vorhanden, so dass die Teilung vollständig ist. Jede Hälfte hat an der Vorderseite und oft auch an der Nebenseite außer dem Flurguckloch ein kleines sechseckiges Fenster und über der Tür eine Heuluke. Vor der Vorderseite befinden sich eine Bank und aufgeschichteter Torf oder Brennholz, manchmal sind an den Seiten weitere Teile zu Kammern und Viehställen angebaut. In unmittelbarer Nähe befinden sich der Backofen und der Kartoffelkeller; jener ist eine etwa 2 m hohe Halbkugel aus Lehm, mit abgeschnittener Vorderseite, welche mit einer Ziegelsteinmauer und einer runden Holztür versehen ist.

LG Arndt

Antennenschreck
02.09.2018, 11:22
Hallo,

hier einmal ein Bild von so einem Haus, aus urheberrechtlichen Gründen habe ich natürlich ein uraltes Bild nachcoloriert (ohne die Menschen). Aber man kann daran sehr gut sehen, wie so ein Haus in neuerer Zeit ausgesehen hat. Früher waren die Wände wohl noch nicht so dicht gewesen, wie auf dem Bild, ansonsten hätte es keine großen Schneestürme im Inneren gegeben.

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LG Arndt

StampCollector
02.09.2018, 12:26
Die Gegend ist ja auch ziemlich steinarm. Daher mußte man Baustoffe verwenden, die reichlich vorhanden waren (Holz, Lehm und Stroh). Natürlich kann man damit nicht so solide bauen wie mit Naturstein. Natürlich gab es auch noch die Möglichkeit Backstein zu benutzen. Dieses Baumaterial war aber teurer.

SC

Antennenschreck
02.09.2018, 12:57
Hallöle,

ja da hast du recht SC. Hier noch ein wenig mehr dazu:

Der Kartoffelkeller hat fast dieselbe Gestalt und besteht aus Schilfschindeln und einem Holzdach. Bei der Klucke ist die Stubentür in die linke Stube natürlich auch auf der linken Seite des Hausflures, zuweilen führt aber auch noch eine Tür von Flur aus in die Küche hinter dem Hausflur. Die Stube selber ist meist so angelegt, dass sich gleich rechts neben der Tür der Herd und ein Kachelofen befinden. Der Herd reicht dabei weit in die Mauernische hinein. Hier brodelt auf einem Eisengestell, über dem Torf- oder Holzfeuer, das Wasser für die Zichorien oder Pellkartoffeln. Der Kachelofen mit einer Ofenbank davor hat weder Herd noch Röhren, ist aber mit vielen Haken zum Trocknen der nassen Kleidung versehen. Auf der linken Stubenseite steht eine Kommode und ihr gegenüber die Betten, direkt davor steht ein Tisch mit Stühlen. Auf der Rückseite führt eine Tür zu einer Kammer, welche die Vorräte und verschiedene Werkzeuge enthält. In der Stube aber surrt oft das Spinnrad, der Großvater strickt Netze oder sitzt an einer Schnitzbank. An den Wänden sieht man Kränze von freudigen und traurigen Ereignissen, den Erntefeststrauß oder ein Roggenbüschel vom letzten Jahr. Außer dem Bildnis vom Kaiserpaar, findet man hier höchstens noch ein paar biblische Abbildungen. Die Diele ist mit Sand bestreut, die Wände sind meist weiß , die Balken und die Decke aber schwarz getüncht. Findet man den Stall nicht an die Seite angebaut, so steht er für sich, direkt vor dem Haus. Die Anzahl der Tiere kann recht bedeutend sein, so haben manche Kluckner bis zu 140 Kühe, jedoch höchstens 8 Pferde; und doch benutzen sie die Roinder nicht für den Ackerbau, sondern graben und behacken lieber selbst ihre Beete. Die Wege lassen hier sehr viel zu wünschen übrig, so gab es noch bis vor wenigen Jahren überhaupt keinen Fahrweg zu den Klucknern, sondern nur ausgetretene Wildpfade; da ging es durch dick und dünn über Gräben und Moorstrecken; über sumpfige Stellen legte man einige Knüppel, um nicht zu versinken.

Die Kleidung der Kaschuben

Wir können heute nicht mehr viel über die Kleidung der Kaschuben sagen, außer dass die Trauerkleidung wohl schwarz und die Festtagskleidung eher weiß gewesen ist, wobei allerdings die Kleidung der jungen Mädchen viel bunter gewesen sein soll. In den Klucken ging man bis in den Winter hinein barfuß, und bis in den Sommer hinein in Zipfelpelz und mit Handschuhen. Kniestrümpfe und Jacken waren weiß, erstere hatten rote Trotteln und bunte rot weiße Kanten, letztere reichten nur bis zur Hüfte und hatten weiße Lederknöpfe. Das Beinkleid war weit, die Jacke eng und aus dichter Leinwand mit Barchentfutter. Die Frauen hatten ähnlich den Litauerinnen, weitärmlige Hemden, ärmellose Wolljacken, kurze vierzipfelfaltige rote Röcke, in den Hüften einen Gürtel, allerlei Kopf- und Brustschmuck und beim Abendmahl einen weißen Umhang, der später zu ihrem Leichentuch wurde. Die Bräute trugen dicke Preisselbeerkränze, die Frauen weiße Hauben oder künstlich geschlungene schwarze dicke Kopftücher; in das Mieder war ein nach unten spitzer quer gestreifter Satz in roter und weißer Farbe eingesetzt. Ihre Schuhe, die sie selten tragen, binden sie mit Schnüren und Riemen; sie haben Sohlen mit 2 cm dicken Sohlen, und diese sind, wie die Absätze, mit Nägeln beschlagen, weil sie länger halten sollen. Wenn also ein Haufen Kaschuben auf einem Pflaster läuft, könnte man glauben da komme ein Kommando Husaren. Im Winter ziehen sie über ihre Sommerkleidung einfach einen langen schwarzen Mantel, und darüber manchmal noch einen Schafpelz. Selbst ein edler Kaschube kann seine ganze Kleidung für höchstens 2 Taler haben, ebenso preiswert ist auch die Kleidung des weiblichen Geschlechts. Die jenigen, welche noch Jungfrauen sind, kämmen ihr Haar glatt nach hinten und binden es mit einem breiten Riemen hinter ihrem Genick zusammen, danach flechten sie daraus zwei Zöpfe, und diese wickeln sie dann von der Seite einige Male um den Kopf herum, damit das Haubengebilde auf dem Kopf Halt bekommt. Wenn nun aber eine Jungfer ihren Stand ehelich oder unehelich beendet hat, erlauben es die anderen Weiber nicht mehr, dass diese ihr Haar weiterhin offen trägt, und sie bekommt eine Art weiße Mütze, welche das Haar weitestgehend verdeckt.

Der Boden und seine Bearbeitung durch die Kaschuben

Der Boden der damaligen Kaschubei war karg und wenig ertragreich, und die Äcker und Gärten waren auch spärlich. Vom Meer her brachte der Wind immer neuen Sand, der den wenigen Ackerboden immer wieder zuschüttete, man hatte öfters neben den Klucken eine Sanddüne, welche diese weit überragte.


LG Arndt

StampCollector
02.09.2018, 13:30
Die naturgegebenen Bedingungen führten zu einer relativ einfachen Lebensweise der Kaschuben, welche ihnen von den Nachbarvölkern dann auch so einige Vorurteile einbrachten.

SC

Antennenschreck
02.09.2018, 14:02
Hallöle,

ein sehr großer Vorteil war, z.B. dass die Kaschuben eigentlich gar nichts hatten, was irgendwer anderer hätte wollen können. Ja, sogar das Land auf dem sie lebten, war relativ minderwertig, da gab es ringsum weit bessere Gegenden. Wegen der schlechten Wegverältnisse zu ihnen, kamen wohl auch kaum mal Zehnteneintreiber da vorbei. Also lange Zeit hatten sie ein relativ ruhiges und einfaches Leben.

LG Arndt

love danzig
02.09.2018, 14:24
Hallo Arndt,
es ist sehr Schön, das du über die Kaschuben schreibst.
Meine Großmutter kam aus einer sehr alten kaschubischen Familie Mrozewski-Mrozek. Da habe ich eine frage, auf alten kaschubischen Familienwappen , sieht man sehr Oft einen oder mehrere Halbmonde, sind diese Kaschubischen Familien, eine Abstammung der Tataren ca. 1250. Sie sind wohl später in Polen. zur Szlachta-Adel erhoben wurden.
Vielen dank. Gruß Roman

Antennenschreck
02.09.2018, 15:18
Hallöle Roman,

eine gescheite Antwort habe ich im Moment noch nicht auf deine Frage, aber ich liefere erst einmal 4 baltische Wappen mit einem Mond darinnnen.

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LG Arndt

Antennenschreck
02.09.2018, 15:32
Hier noch ein wenig zur Geschichte der Kaschuben:

Beim Brunnengraben musste man erst einmal 4 Meter Sand durchstoßen, ehe man auf weiterführende Kiesschichten stieß. Auf den Wiesen wächst eigentlich nur Gras und selbst die Wälder sind nicht allzu groß. Nur Moore gibt es an allen Ecken und Kanten, hier finden sich dann allerhand Sträucher und Kräuter, besonders der viel genutzte Wacholder. Dementsprechen liefert das Moor auch weitestgehend das benötigte Brennmaterial in Form von Torf. Am besten wächst hier die Kartoffel, und liefert so die Ernährungsgrundlage der Kaschuben. Der eine Teil von ihnen beschäftigt sich also mit dem Ackerbau, während der andere zum Fischfang geht. Als Gewürze nutzt man verschiedene Küchengewächse; Gartenfrüchte liebt aber weder der Fischer noch der Ackersmann, deshalb sieht man in ihren Gärten nur selten Obstbäume und Beerensträucher; viel öfter findet man hier nutzloses Zierholz. Die wichtigsten Fischarten der Kaschuben sind Barsche, Stinte, Plötzen, Zander und Karauschen, weiter Schleien Bleien, Hechte und Aale. Die Jagd erstreckt sich ausschließlich auf Haasen, Füchse, wilde Enten und Schnepfen. Als die wichtigsten Pflanzen finden sich in diesem Gebiet Läusekraut, Pfennigkraut, Schafgarbe, kleiner Ampfer, Hahnenfuß, Einblatt, Sumpwurz, Augentrost, Sumpfporst, Wasserpest, Wassernabel, Tannenwedel, Sumpfvergissmeinnicht, Engelsüß, Ackerhundskamille, Knabenkraut, Pfeilkraut, Habichtskraut, Wasserliesch, Röhrige Pferdesaat, Wollgras, Heide, Weidenröschen und Spargel. Die wichtigsten Netze der kaschubischen Fischer waren:
Die Zese, ein sackartiges, 3 m langes, 1,5 m breites Netz, dessen untere engmaschige Hälfte eine Kehle hat.
Die Flunderzese, ähnlich der Zese, nur ohne Kehle.
Die Reusse oder das Setznetz ähnelt der Zese, endet aber in einer Spitze.
Der Kescher auch Zaufkescher oder Zauberkescher genannt, weil angeblich jeder Fisch damit gefangen wird. Er ist meist 25 cm breit und kaum doppelt so lang.
Das Winternetz, auch Zug oder Klippnetz genannt, besteht aus 3 vTeilen; einem Netzsack und zwei Flügeln.
Die meisten Werkzeuge des täglichen Bedarf gleichen denen, die man auch an anderen Orten finden kann. Das unentbehrlichste aber ist in den Kneipen zu finden, und könnte auch in das kaschubische Wappen aufgenommen werden, denn es hat nur die eine, kaschubische Gestalt. Neben einer in der Mitte eingedrückten Flasche steht hier ein kleines Korngläschen.

LG Arndt

Antennenschreck
05.09.2018, 16:43
Hallöle,

hier einmal ein wenig über die vermutliche Geschichte der Besiedlung des baltischen Gebietes durch die slawischen Völker:

Wie schon geschrieben, sind zuerst die Kelten durch unser Land gewandert; nach ihnen haben dann die Germanen und die Gothen darin gewohnt; zahlreicher aber als diese Völker zieht nun ein drittes Volk nach Osteuropa ein. Den Namen Wenden, welchen diesem Volk die Germanen gaben, hörte zuerst Plinius (Venedi), Tacitus aber vernahm später, einem klassisch celtischen Volksnamen analog, Veneti; Ptolemäus aber Venedae; gemeint sin hierbei aber immer das mächtige Volk der Slawen, die sich selbst Slawenen, Slowenen (von Slowo, Wort) die sich selber „die sich gegenseitig Verstehenden“ nennen, und ihre westlichen Nachbarn, zumal die Deutschen, als die Stummen (njem, njemetz), barbari, „eine eigene Sprache redend“ bezeichnen. Ebenso wie die Kelten und Germanen, der indogermanischen Völkergruppe angehörend, waren die Slawen schon im frühesten Altertum in Europa angekommen; sie waren aber noch sehr unterentwickelt, und siedelten zuerst im Osten der Weichsel und des baltischen Meeres, hinter den Germanen verborgen, um aber bald um so gebieterischer aufzutreten. Friedliebend, an feste Sitze gewöhnt, der Viehzucht und dem Ackerbau hold, überhaupt nicht so kriegerisch wie die Germanen, blieben sie lange Zeit im geschichtlichen Dunkel verborgen. Da sie auch kein gemeinsames Oberhaupt hatten, werden sie wohl sehr oft ihren kriegerischen Nachbarn unterlegen gewesen sein, und gehörten im vierten Jahrhundert zur ausgedehnten Herrschaft des Gothenkönigs Ermanriks, und wurden von den germanischen Völkern von der Donau und dem Pontus abgehalten. Als aber des Amalers Macht von den Hunnen gebrochen wurde, verschafften ihnen hier die westwärts wandernden Gothen und Gepiden einen Tummelplatz, und sie stellten sich in zwei größeren Abteilungen dem römischen Reich gegenüber. Sehr wichtig war für die Slawen Attilas Herrschaft, um ihre welthistorische Stellung vorzubereiten; weil einerseits die Hunnen slawische Sitten und Gebräuche annahmen, und andererseits aus den unkriegerischen Slawen waffengeübte Streitgenossen machten. Als Sklabenen mit ihrem volkstümlichen Namen, tauchen sie zuerst seit der Regierung Justinians auf, sie verwüsten hier ganz Thrakien und breiten weiter westlich aus. Im Osten kennt man sie unter dem Namen Anten; beide Stämme, mit einem unterschiedlichen Dialekt, nannten sich aber selber Slowenen, Aber obgleich schon um das Jahr 500 alle Länder von der Mündung der Elbe, mit Ausnahme des Warnergebietes, um die Sudeten und Karpathen bis zur Mündung der Donau offen standen, füllten die Slawen trotzdem erst einmal nur die südöstlichen Bereiche. Nachdem nun Thrakien und Illyrikum überwiegend von den Slaven und Anten verheert worden waren, beginnt im letzten Drittel des sechsten Jahrhunderts die zweite slawische Völkerwanderung, eine recht seltsame Geschichte, deren rätselhaftes Gewirr unser Auge in Erstaunen versetzt, welche aber schier unermessliche Folgen hat, da sich hierbei die Sitze aller europäischen Völker, bis auf die Madscharen und Normannen, verändert und endgültig festgelegt haben. Es verschwinden nun die beiden Hauptnamen der Slawen, also die Slowenen und Anten; und alle Stämme bilden neue Verbände, mit bis dahin unbekannten Namen; diese verteilen sich nun von den Quellen der Wolga, von den Höhen des Waldaigebirges, von der Ebene des Dniepers und den Donaumündungen bis zum Südweststrand der Ostsee, den Dänen benachbart, dringen sie im mittleren Bereich über die Elbe bis tief nach Germanien ein, treten den Bayern im Südosten als gefährliche Nachbarn zur Seite, siedln sich am Südostabhang der Alpen bis zum adriatischen Meer, und vom Nordabhang des thrakischen Gebirges bis zur Donau an, vertreiben die Griechen aus weiten Teilen ihres Landes, und pflanzen ihre heidnischen Götzenbilder in der heraklidischen Peloponnes auf, während ihre Brüder das nördliche Inselland Germaniens besiedeln. So kommt nun plötzlich eine Flut, welche alles vor sich hertreibt und hinter sich verändert, was erst nach einigen Jahrhunderten den staunenden Blicken der Deutschen offenbar wird. Hier nun ein Bericht eines Mönches im Hölenkloster zu Kiew, vom Anfang des zwölften Jahrhunderts: „Und nach vielen Jahren saßen die Slowenen an der Donau, wo heute Ungarn und Bulgarien sind. Von diesen Slowenen verbreiteten sich die Slawenvölker in ganz Europa (auf der Erde) und legten sich ihre Namen bei, wenn sie sich an einem bestimmten Ort niederließen. So nannte sich die Ankömmlinge, welche am Fluss Morava blieben, Moraven, und andere hießen Tschechen, und diese Slowenen selbst (die Donauslawen sind) nannten sich die weißen Chorwaten, die Serben, die Carantanen. Als die Wlachen einen Überfall auf die Slowenen machten und sich unter ihnen niederließen, und ihnen Gewalt antaten, so wanderten die Slowenen aus, ließen sich am Fluss Weichsel nieder und hießen nun Lechen. Und einige von diesen Lechen wiederum wurden Polen genannt und andere Lechen Lutizier, Masovier oder Pommern. Ebenso sind auch Slowenen angekommen, die sich am Dnieper niederließen und Polen genannt wurden; andere hießen wieder Drewier, weil sie in Wäldern saßen. Andere setzten sich zwischen dem Pripiat und der Dwina, und Wurden Polotschanen genannt, nach einem Flüsschen Namens Polota, das in die Dwina läuft. Wieder andere Slowenen, Ankömmlinge von der Donau, setzten sich um den Ilmensee und behielten ihren alten Namen; sie bauten eine Stadt und nannten sie Novgorod, wieder andere setzten sich an der Desna, am Dnea und an der Sula nieder, und nannten sich nun Sjewerer. Und so verbreitete sich das ganze Slowenenvolk, von dem auch die slowenische Schrift ihren Namen hat.“ Hier bekommen wir einen kleinen, wenn auch keinen chronologischen, Überblick über die Wanderungen des slowenischen Volkes; man hört Namen von kleineren Völkern aus der Umgebung des Mönches, die größeren setzt er längs der Donau und der Elbe. Er lässt die Slowenen von gemeinschaftlichen Sitzen an der Donau los wandern, und unterscheidet als Slowenen im engeren Sinne die im Osten verbliebenen, also die eigentlichen Anten, während er dem westlichen Zweig den Sammelnamen Ljachowe (Lechen) beilegt. Ob aber die Bezeichnung Ljachowe auf das Stammwort Ljas, Ljes, also Wald oder Waldbewohner zurückgeht, kann man nur vermuten, weil man damals die Lechen an der Weichsel, auf der Ostseite des karpathischen Waldes bis hin zur Donau findet. Wir sehen darin zumindest die erste allgemeine Bezeichnung, unter welcher Pommern und Lutizier nebst den Weichsel Polen und Masoviern inbegriffen sind. Zumindest kann man hier erkennen, dass die Ausbreitungs- und Verbreitungszeit der Slawen nicht plötzlich, und mit einem Mal, sondern in zwei Hauptströmungen stattfand; nämlich eine, welche die Mähren und Tschechen aus ihrer Heimat führte, währen die Donauslawen nur in ihrer unmittelbaren Nähe weiter rückten; und dann gab es später noch eine zweite große Bewegung, bei welcher die Wlachen den Slowenen an der Donau Gewalt antaten, und diese dadurch in Richtung Norden, Nordosten und Nordwesten vertrieben; also ins heutige Russland und in die baltischen Staaten. Es ist aber naheliegender, dass die Avaren und Hunnen, welche aus dem fernsten Osten kamen, hauptsächlich die slawischen Völkerwanderungen auslösten. Um das Jahr 530, zur Zeit des Verfalls des Thüringer Reiches, will man schon die ersten Spuren von den Sorbenwenden an der Saale und der Unstrut gefunden haben.

LG Arndt

Gerhard Jeske
14.09.2018, 23:38
Die Kaschuben, Gedanken zu ihrer Geschichte. Texte zu einem Film von von Gerhard Jeske Hamburg,copyright.
Die Entwicklung im Norden der Weichsel wurde vom Deutschen Ordens mitbestimmt. An dieser Stelle muß ich feststellen, damals war der deutsche Orden kein nationaler Orden des römischen Reiches Deutscher Nation , sondern ein Schwertorden der katholischen Kirche. Er unterstand, wie alle anderen Orden der Kurie in Rom. Seine Eroberungen erfolgten unter dem Auftrag der Heidenbekehrung . Alles Land was der Deutsche Orden den Heiden abnahm fiel dem Orden zu und nicht der weltlichen Herrschaft. Dieses Privileg wurde dem Deutschen Orden vom Vatikan gewährleistet.Die Politik der Heidenbekehrung ließ sich nicht aufrechterhalten. Denn sowohl die Prussen und die Ostpommern waren bis zum 13. Jahrhundert bekehrt. Von Ostpommern bis zur Weichsel , einschließlich Danzigs begann zwischen Polen, dem Deutschen Orden, Brandenburg und Danzig, später Schweden, Preußen und dem Deutschen Reich ein ständiger Kampf um das Kaschuben Land. In der Westkaschubei, mit der Stadt Bytow, das auch die westlichste Stadt Hinterpommerns ist, lagen die Verhältnisse für den Orden günstig. Im Jahre 1329 verkauften die Söhne des pommerschen Marschalls Behr das Bytower Land an den Deutschen Orden für 800 Mark. So kamen die Westkaschuben unter die Herrschaft des Deutschen Ordens. Um diese Herrschaft zu festigen wurde um 1390, die Ordensburg in Bytow gebaut, die bis heute erhalten ist. Diese Burg wurde späer zu einem Schloß rweitert und beherbergt zur Zeit das Kaschubische Museum und ist ein Kulturzentrum geworden. In der heutigen Geschichte des Bytower Landes wird die Ordenszeit nicht nur negativ beschrieben. Der Orden legte die Grundlagen für eine neue dörfliche Gemeinde, indem er administrative Verantwortung delegierte. So wurde der Gemeinderat eingeführt und die Wahl eines Schulzen und ein Gemeidewegerecht. In der Rechtsprechung blieb das alte slavische Recht neben dem deutschen bestehen. So durfte ein deutschstämmiger
Dorfschulze nicht einen Kaschuben oder Polen verurteilen. Man geht ja auch davon aus, daß diese Pratiken die Grundlagen für eine moderne staatliche Entwicklung geworden waren. In der Reformationzeit faßt die evangelische Kirche in Bytow und Umgebung unter den deutschtämmigen Bewohnern Fuß . In einigen Dörfern gab es neben der katholischen auch eine evangelische Kirche. Die Kaschubische Bevölkerung blieb meisten katholisch und über ihre Kirche mit der polnischen Sprache verbunden.
Im Norden, an der Ostsee, verlief die Entwicklung entgegengesetzt, dort lebten -östlich von Stolp, in den bekannten Dörfern Leba, Rowy und Gluky die Slowinsen, die See Kaschuben, die von der nördlichen Handelsstraße und den Seewegen beeinflußt wurden und dazu auch auch protestantisch . Das führte zur Integration in die deutsche Kultur. Evangelische Schriften und Lieder wurden ins kaschubisch-slowenische übersetzt. 1586 ließ der Pastor Simon Krofey bei Jacob Rhode in Danzig das erste kaschubische Gesangbuch drucken. Es ist so die Ironie der Geschichte, daß der kaschubisch-slowinzische Dialekt zwar zuerst gedruckt wurde, aber danach ausstarb.
Der Osten der Kascchubei zieht sich über die Küste bis zur Danziger Bucht hin. Das bekannteste Fischerdorf war auf der Halbinsel Hela: Jantarnia, - Heisternest und vor Danzig; Zoppot, das später das berühmte Seebad wurde. In Danzig erinnerte der -Kaschubische Markt, an die kaschubisch Bevölkerung und an den alten kaschubischen Fischerort. Das aktive Kaschuben daran festhalten, dass Gdansk die Hauptstadt der Kaschuben ist, das ist aus dem Nachholbedarf ihrer Geschichte verständlich. Doch die heutige Zeit drängt solche Wünsche an denRand, je mehr sich Gdansk zur Metropole entwickelt
Bleibt nachzutragen, dass in Preußen und im Kaiserreich die Kaschubische Sprache, sowie ihre Kultur unterdrückt wurde und dass ab1939 der Holocaust an den Kaschuben anfing, so wurde sofort nach dem 19, 09. 1939 die kaschubische Intellegenz umgebracht und auch die Kaschuben, die namentlich erfast waren, weil sie sich gegen Hitlerdeutschland negativ geäußert hatten, oder an ihrem kaschubisch - polnischem Patriotismus festhielten.

Enno12356
15.09.2018, 08:34
Auch Ihnen Gehard Jeske danke ich für
diesen interessanten Bericht !
Vermutlich haben meine kaschubisches
Vorfahren, die Przepiorkas, kath.
kaschubisch deutsch geheiratet. Glaubten
sie an den Schutz des deutschen Orden?
Nochmals Danke
Eva Maria

Antennenschreck
15.09.2018, 09:38
Hallöle

Hier ein Wenig zum deutschen Orden:

Die Entstehung des deutschen Ordens

Der deutsche Orden war ursprünglich zu einem doppelten Zweck gegründet worden, zum Ersten, um die armen und verwundeten Kreuzfahrer zu pflegen und zu versorgen, und andererseits aus einem weit geringeren Grund heraus, nämlich um einen Krieg gegen die Feinde des Glaubens an Deutschlands Grenzen führen zu können. Doch der friedliche Hauptzweck des Ordens trat sehr schnell hinter dem heiligen Rittertum zurück; denn die in Bedrängnis geratenen christlichen Heere brauchten schon bald alle kampffähigen Ordensbrüder zu ihrer Hilfe, und hielten deshalb den Orden ständig unter Waffen und im Kampf. Inzwischen erkaltete aber die allgemeine Begeisterung der abendländischen Völker für den Glaubenskampf im Morgenland immer mehr. Mit großer Sorge sahen nun die kampflustigen Päpste ihre Felle im Morgenland davon schwimmen. In solcher Not fiel, Anfang des dreizehnten Jahrhunderts, ihr Blick auf den kleinen deutschen Orden, und sie kamen auf den Gedanken, diesen zu einer neuen großen Kriegsmacht in ihren Händen zu machen. Einer besonderen Veränderung bedurfte der deutsche Orden dazu nicht, man musste nur die Zahl seiner angehörigen Ritter vermehren, und seine Macht in Deutschland stärken. Und eine solche Veränderung konnte den damaligen Päpsten wohl nicht schwer fallen, denn sie hatten gerade die Spitze ihrer weltlichen Macht in Europa erklommen; also brachten sie den deutschen Orden mit einer Reihe von Verfügungen, auf Kosten der allgemeinen Christenheit, zu großen Reichtum und Macht; dies war ein einschneidender Wendepunkt in der Geschichte des Ordens. Jetzt bekam er jene einflussreiche Stellung im Abendland, welche ihn sogar zur Erreichung der Landesherrschaft in Preußen befähigte. Jedes Jahr zogen nun Ordenspriester durch ganz Europa, und sammelten Spenden für einen neuen Zug ins Morgenland. In vielen Orten bildeten sich Halbbruderschaften des deutschen Ordens, welche sich durch Übergabe ihres ganzen materiellen Besitztums an den Orden verpflichteten; überall sah man deutsche Ordenshäuser mit großen zugehörigen Ländereien, sogar der ungarische König übertrug dem Orden einen großen Teil seines Landes. All diese Besitzungen des Ordens wurden vom Papst mit Privilegien und Immunitäten ausgestattet; größer als sie jemals ein Fürstentum im ganzen Reich gehabt hätte. So entstand nun mitten in Europa ein Orden, welcher von weltlicher Macht unangreifbar war, und schon sehr bald zu einer neuen starken Territorialmacht heran wuchs; und die mächtigsten Fürsten von Deutschland hatten keinerlei Macht über diesen. Für den Orden gab es auch keine Abhängigkeiten von den Bischöfen, er war in seinem Tun ausschließlich dem Papst in Rom verpflichtet, er hatte seine eigenen Priester, seinen eigenen Gottesdienst, sein eigenes Kirchenwesen; er war also eine eigener Staat und eine eigene Kirche für sich. Der Papst war sein Bischof und sein Richter zugleich; nur bei diesem durfte über Dinge verhandelt werden, welche den Orden betrafen.

LG Arndt

Antennenschreck
15.09.2018, 13:45
Hallöle,

hier ein wenig mehr zu den Anfängen des deutschen Ordens in Preußen:

Der Cisterciensermönch Christian bringt das Christentum nach Preußen


Das Land der Preußen, im Norden von Polen gelegen, war während des elften und zwölften Jahrhunderts immer wieder von den polnischen Fürsten mit großen Heeren angegriffen worden. Deshalb hatte sich die heidnische Bevölkerung in dieser Gegend immer wieder unter das polnische Joch fügen müssen. Aber kaum hatten sich die Polen wieder auf den Heimweg begeben, so waren die eben erst Getauften auch schon wieder aufgestanden, und hatten die wenigen Besatzer und Bischöfe vertrieben. Bei diesen Kämpfen wurden die Pommern und Preußen aber immer stärker und bedrohten letztendlich sogar das schwächelnde polnische Reich. Mit Mühe und Not konnte man Polen halten, aber an eine erneute Unterwerfung dieser unruhigen Völker war gar nicht zu denken, denn selbst das gerade erst eingezogene Christentum in diesen Ländern war wieder auf dem Rückzug. Das berührte aber die Seele vom Cisterciensermönch Christian gar sehr, und er beschloss, sich der Bekehrung dieses heidnischen Volkes zu weihen. Weil dieser Mönch schon eine Weile im Kloster Oliva bei Danzig lebte, kannte er die Armut und einfache Lebensweise des Volkes um die Weichsel herum recht gut. Deshalb dachte er, mit dem christlichen Glauben auch Frieden und Wohlstand in diese Gegend bringen zu können. Vor allem aber wollte er für sein Tun den Segen des Papstes erlangen, und zog daher mit einigen Freunden im Jahre 1209 nach Rom. Das war nun schopn für Innocenz III. ein erhebender Anblick, diese Ordensbrüder zu treffen, welche einen so weiten Weg auf genommen hatten, um von ihm den Segen für ein so wohllöbliches Werk zu bekommen, diesen Wunsch konnte und mochte er ihnen also auch nicht verwehren. Mit großer Klugheit hatte sich Christian das Kulmische Gebiet zum Startpunkt seiner Mission ausgesucht, denn dort stand er noch unter dem Schutz des Herzogs von Masovien, und befand sich doch schon auf preußischem Boden. Wenn er in diesem Landstrich erst einmal Fuß gefasst hätte, so wäre der Weg weitere Weg tiefer hinein ins heidnische Preußen sicher einfacher zu bewältigen. Als er nun aus Rom zurückkehrte, ging er zuerst zum masovischen Herzog, um sich dessen Schutzes und Wohlwollens zu versichern. Was hätte nun aber für den Herzog Konrad günstiger sein können, als Christians heiliges Vorhaben, welches ihn auf einem friedlichen Weg von einem fürchterlichen befreien würde, und ihm das Kulmerland erst zu seinem wirklichen Besitz machen würde; ja, ihm vielleicht sogar die Herrschaft über ganz Preußen einbringen konnte. Er konnte und wollte also dem Mönch seine Zustimmung nicht versagen. Zuerst musste Christian nun also das ganze Kulmische Land zum Christentum bekehren; erst danach durfte er sich den angrenzenden Landschaften Pomesanien und Löbau zuwenden. Christians friedliche Worte zogen nun tatsächlich das heidnische Volk mächtig an, viele von ihnen, auch Edelleute, ließen sich von ihm sogar taufen. Sein christliches Werk machte recht gute Fortschritte, und er eilte schon im Sommer des Jahres 1211 wieder nach Rom, um dem Papst von seinen Erfolgen zu berichten, und von ihm zu erfahren, wie er jetzt die kirchlichen Verhältnisse bei diesem neu bekehrten Volk ordnen solle. Innocenz nahm die Botschaft mit großer Freude auf, konnte er doch hoffen, schon bald einen Bischof für das heidnische Preußen bestellen zu können. Einstweilen begnügte sich der Papst aber damit, den frommen Glaubensprediger und seine neu Bekehrten der bischöflichen Verwaltung zu Gnesen zu unterstellen, und die polnischen Fürsten und Prälaten zur Unterstützung desselben aufzufordern. Doch gerade diejenigen, welche der Papst zur Unterstützung aufforderte, bereiteten ihm die ersten Probleme. Die polnischen Äbte nämlich, waren auf Christians Wirken eifersüchtig, oder zumindest unfähig, seine hohe Begeisterung zu erfassen; und sie zweifelten sein ganzes Streben an und versagten ihm auch jeglichen Beistand. Man verweigerte Christian und seinen Leuten den Zutritt zu polnischen Klöstern und Kirchen, und nannte sie zuchtlose und liederliche Mönche. Man verfolgte sie so böswillig, das einige von Christians Getreuen den Mut verloren, und ihn verließen. Selbst des Herzogs Konrads Meinung über Christian hatte sich inzwischen gewandelt, und er verfolgte den Mönch mit mit allerlei Intrigen; denn die stolzen Polen hatten Preußen immer nur mit ihren Heeren erobert, und konnten nun Christians friedliche Erfolge nicht ertragen. Also versuchte nun auch Konrad das neu gewonnene Land unter ein hartes Joch zu beugen. Er glaubte sicherlich, Christian habe das Volk nur deshalb zum Christentum bekehrt, damit es sich nun gutwillig seiner Herrschaft unterwerfe. Allein, nichts lag Christian ferner, als die Meinung, seine Bekehrten hätten nun sofort den Herzog als ihren neuen weltlichen Herren anzuerkennen, oder er sei sogar verpflichtet die nun christlichen Preußen dem Herzog als neue Untertanen zuzuführen. Den eigentlich hatte Konrad gar kein Anrecht auf Preußen, welches ja bis jetzt immer seine Freiheit behauptet hatte, und nur weil dasselbe jetzt christlich wurde, konnte ein solcher Anspruch auch nicht entstehen. Der allgemein elende Zustand des damaligen polnischen Volkes musste Christian in seinem Widerstand gegen eine polnische Herrschaft nur noch verstärken; war doch die große Härte der dortigen Fürsten gegen das eigene Volk so groß, dass sich sogar der Papst im Jahre 1233 genötigt sah, mit gewaltigen Worten einzuschreiten, und eine sofortige Abstellung der Grausamkeiten zu fordern. Solch eine grausame Herrschaft konnte Christian sich für seine soeben Bekehrten sicher nicht wünschen.

LG Arndt

Antennenschreck
16.09.2018, 11:12
Hallöle,

hier ein wenig mehr zur frühen preußischen Geschichte:

Christian muss wieder nach Rom, um einen Weg zu finden

Der Mönch eilte also nun zum dritten Mal nach Rom; diesmal aber um dem Papst von der kritischen Situation in Preußen zu berichten. Dieser nahm sich auch sofort Christians Problemen an, und richtete ein Schreiben an das gerade versammelte Generalcapitel des Cistercienserordens, und lobte Christians hochherziges Tun, und tadelte ernsthaft die ihm angetanen Kränkungen und gebot allen Mönchen, den Glaubensprediger jetzt doch nach allen Kräften zu unterstützen. Genau so entschieden war das Schreiben, was Innocenz an die polnischen Fürsten richtete. Zuerst tadelte er ihren Versuch das preußische Volk ihrer Freiheit zu berauben und in Knechtschaft zu bringen, als unchristlich und dem weiteren Fortschritt der Bekehrung als nicht zuträglich, und er befahl ihnen von einem weiteren Benehmen dieser Art sofort abzustehen; zusätzlich übertrug er die ganze Vollmacht in dieser Sache an den Erzbischof von Gnesen. Jedem weiteren Verstoß gegen die Freiheit der preußischen Christen könne dieser im Ernstfall sogar mit einem Bannspruch beantworten. Der Zweck dieses Schreibens war zwar eigentlich nur, die weitere Bekehrung von Preußen zu schützen, aber war zugleich auch eine wichtige Entscheidung für die Zukunft der Region. Der Papst bestimmte darin also, dass Preußen in Zukunft unabhängig bleiben solle, und ein eigenständiger christlicher Staat werden müsse, der keinesfalls unter polnische Herrschaft gehöre.

Christian wird zum ersten Bischof in Preußen

Diese Frage aber wurde auch bald durch eine freie politische Entscheidung der Preußen selber geregelt. Denn schon zu Anfang des Jahres 1215 waren zwei große Landschaften von Preußen samt ihrer Oberhäupter für das Christentum gewonnen worden, konkret handelte es sich um Lansania und Löbau. Das neue christliche Gebiet in Preußen hatte jetzt einen solchen Umfang, dass Innocenz nicht mehr länger zögern musste, mit der Erhebung Preußens zu einer Diöcese; und wer sonst sollte ihr erster Hirte sein, als eben unser Christian. Wahrscheinlich erhielt er in Rom aus der Hand des Papstes selber seinen Schmuck und die Weihe zum Bischof von Preußen. Als nun die beiden Oberhäupter von Lansania und Löbau diesen Oberhirten von Preußen sahen, da legten sie diesem die Herrschaft über ihre Gebiete in seine Hände. Sie hatten schon seine Weisheit und Milde erlebt, mit der er gewirkt hatte, auch hatten sie seine Kühnheit bestaunt, mit der er für die Freiheit von Preußen gestritten hatte. Wem konnten sie also sicherer ihre Länder anvertrauen, als Christian; und Innocenz bestätigte gern ihre Schenkungen. So wurde also Christian der erste Bischof und christlich weltliche Herrscher von einem großen Teil Preußens. Es hörte also jetzt die einstweilige Verwaltung durch den Erzbischof von Gnesen auf; von einer Unterordnung der preußischen Kirche unter die polnische ist nichts bekannt, und eine solche ist nach dem vorher Berichteten auch sehr unwahrscheinlich. Mit Ausnahme von Kulm gebot nun Christian über all das inzwischen christlich gewordene Land seines Sprengels. Dieses Gebiet umfasste mit Löbau das ganze später sogenannte Pogesanien, zwischen Pomesanien und der Passarge, und erstreckte sich bis zum frischen Haff. Solch große Gebiete umfasste also inzwischen der christliche Glaube, und die Vollendung der Bekehrung schien nicht mehr lange auf sich warten zu lassen. Auch die politische Gestaltung von Preußen schien also in eine günstige Richtung zu gehen, wenn das keine äußeren Umstände verhindern würden. Es war also zu erwarten, dass auch noch die übrigen preußischen Völker Christian die Hoheit über ihr Land übergeben würden.

LG Arndt

Antennenschreck
16.09.2018, 13:19
Hallöle,

hier noch ein wenig preußische Geschichte:

Der Bischof Christian versucht das Erreichte zu schützen

Allerdings konnten die benachbarten polnischen Fürsten eine so positive Entwicklung in ihrer Nachbarschaft nicht dulden, und sie versuchten die noch nicht christianisierten Gebiete Preußens gegen Christian aufzustacheln; dieser erkannte genau aber die Gefahr welche davon ausging, und versuchte sein Land in einen besseren Verteidigungszustand zu versetzen. Dafür reichten nun die christianisierten Bewohner von Preußen allein nicht aus, also beantragte der stolze Christian eine heilige Kreuzfahrt nach Preußen beim Papst. Wäre nun der Papst mit diesem Vorschlag einverstanden, so käme eine große Schutzmacht ins Land. Allerdings war der Zeitpunkt für einen solchen Kreuzzug nicht gerade günstig gewählt, denn das Lateranische Conzil hatte soeben erst einen Kreuzzug ins heilige Land für den Sommer des Jahres 1216 beschlossen, und in allen christlichen Ländern wurde schon dafür gerüstet. Noch schlimmer für Christians Vorhaben war es aber, dass Innocenz am 16. Juli 1216 verstarb. Doch Christian ließ sich von all dem nicht verdrießen, um sein Begehren dem neuen Papst Honorius III. vorzutragen. Dieser gewährte ihm alles, was damals machbar war, also Christian sollte in seinem Namen das christliche Volk der benachbarten Länder zu einer Kreuzfahrt nach Preußen aufrufen. Ob es ihm nun gelungen ist, ein besonders großes Heer zu gewinnen, ist nicht bekannt, sicher ist nur, dass er in Masovien und Cujavien das Kreuz nicht gepredigt hat. Wohl vor allem deswegen, weil gerade einmal wieder die heidnischen Preußen diese Gegenden überfallen hatten, und das in Polen bereitstehende Heer für den Palästinakreuzzug teilweise schon von seinem Gelübde entbunden werden musste, um die eigene polnische Heimat zu beschützen. Der Papst gestattete damals den polnischen Kreuzfahrern in einem Brief, dass zumindest diejenigen aus Masovien und Cujavien zum Schutz gegen die heidnischen Preußen zurückblieben. Er verbot aber auf das Strengste, dass keiner der Kreuzfahrer sich unterstehe, das Land der Bekehrten Preußens ohne die Einwilligung Christians, des Bischofs, zu betreten. Solche ernsten Worte wählte der Papst sicher nur, weil er befürchtete, dass der polnische Herzog, wenn er schon einmal über die Weichsel ginge, wahrscheinlich die Chance ergreifen könnte, um das bereits bekehrte Preußen zu erobern. Hieran kann man klar erkennen, dass der polnische Herzog keinerlei Rechte an Preußen hatte, und der Bischof ganz deutlich vom Papst als dessen unabhängiger Herrscher anerkannt wurde. Dieses Schreiben des Papstes beruhte auf dem damaligen Rechtsstand, und es war die spätere Grundlage dafür, dass der deutsche Orden in den Besitz von ganz Preußen kam. Christians weltliche Beziehungen zum Kulmer Land waren ein wenig anders, denn dieses stand noch immer irgendwie unter polnischer Verwaltung, obwohl seine Bewohner deshalb längst keine Polen waren, sondern ebenfalls zum preußischen Volk gehörten; auch waren die Burgen im Land längst von ihren polnischen Kolonisten verlassen worden. Zählte man dieses Land nun zum bekehrten Preußen, so galt der Spruch des Papstes natürlich auch für das ganze Kulmer Land, so dass auch hier kein Kreuzfahrer irgend etwas tun dürfe ohne Christians Einverständnis; der einzige Unterschied zu den restlichen Ländern bestand darin, dass der Bischof Christian hier keine weltliche Landeshoheit hatte, weil diese theoretisch noch immer beim polnischen Herzog lag. Die Vollmacht zu einem Kreuzzug, welche Christian vom Papst erhalten hatte, stand in keinem Verhältnis zu den Gefahren, welche das bekehrte Preußen bedrohten, denn selbiger durfte ja nur in den angrenzenden Ländern das Kreuz predigen. Wie dringend auch eine militärische Stärkung für seine Länder war, so musste doch Christians eigentliches Ziel eine weitere Verbreitung und Festigung des christlichen Glaubens in Preußen sein. Es war deshalb nach seiner Sicht eine allgemeine Kreuzfahrt in allen christlichen Länder wesentlich wichtiger, welche ihn persönlich auch von allen weiten Reisen in andere Gegenden enthoben hätte. Dieses setzte Christian dem Papst in einem neuen Brief auseinander, und richtete an ihn die Bitte nach der Verkündigung einer allgemeinen Kreuzfahrt. Als nun Honorius erkannte, dass man bei der Bekehrung des preußischen Volkes nicht auf halben Wege stehen bleiben könnte, entschloss er sich, alle Kräfte, welche nicht unbedingt für den Kreuzzug nach Palästina gebraucht würden, vorerst dafür aufzubieten. Als erstes erließ er an alle Bischöfe in Deutschland, Pommern und Polen einen Aufruf, in welchem er darauf hinwies, dass die erreichten Bekehrungen in Preußen doch unbedingt gesichert werden müssten, um das den heidnischen Feinden entrissene Land auch dauerhaft vor selbigen zu schützen. Deshalb sollten sie doch all diejenigen, welche den Zug ins gelobte Land nicht unternehmen könnten, ermahnen, entweder persönlich oder durch Absendung von Dienstmannen dem neugetauften Preußen zu Hilfe zu eilen, ihnen sollten dafür dieselben Gnaden zuteil werden, wie auch den Verteidigern des heiligen Landes. Ein gleich lautendes Schreiben bekamen auch die allermeisten Kreuzfahrer außerhalb des heiligen Landes. Doch dieses Schreiben schien dem Papst noch nicht genug zu sein, um der Not Preußens genug abgeholfen zu haben. Man wollte weiterhin gegen eine barbarische heidnische Sitte bei den Preußen etwas unternehmen. Denn bei diesen heidnischen Familien herrschte die Sitte, alle Kinder weiblichen Geschlechtes, bis auf ein einziges, sogleich nach der Geburt zu töten. Christian wollte nun diese Rohheit dadurch beenden, dass die unglücklichen weiblichen Nachkommen ihren heidnischen Eltern abkaufte und im Christentum aufwachsen ließe. Ein solch mildes Verfahren musste auf längere Sicht sicher eine positive Wirkung auf die heidnischen Gemüter haben; es musste sie auf den Gedanken bringen, dass derjenige, der so uneigennützig an ihrem Nachwuchs handelte, sicher auch nichts Böses von ihnen wollte. Der Papst fand diesen Plan sehr gut, und empfahl allen Christen zu spenden, um die unglücklichen Kinder kaufen zu können; er meinte, mit einer solchen Waffe der Liebe könne man alles Böse besiegen. Ein weiterer Plan von Christian war etwas direkter auf die Bekehrung der Heiden gerichtet. Er sah das noch zu bekehrende Gebiet als viel zu groß für seine wenigen Glaubensboten an. Wohl hätte er in anderen Klöstern viele Mönche für eine solche Aufgabe finden können, auch fehlte es in Deutschland nicht an Priestern welche freiwillig nach Preußen gegangen wären, allein er kannte das Misstrauen, welches die preußischen Heiden jedem Fremden gegenüber hegten. Aus diesem Grund wollte Christian viele Schulen gründen, in welchen preußische Jungen unterrichtet und zu Glaubensbrüdern ihres eigenen Volkes erzogen werden würden. Doch diese Maßnahmen waren noch zu wenig für Honorius, und er unterteilte Preußen in einzelne Diöcesen, unabhängig davon, ob die Gebiete schon christlich, oder noch heidnisch waren; eine solche Aufteilung wurde damals eigentlich nur von den höchsten Würdenträgern des Papstes vorgenommen. Preußens kirchliche Gestaltung konnte nun natürlich nicht bei Null beginnen, denn der weite Sprengel hatte in dem Bischof Christian schon ein Oberhaupt. Es war also nur folgerichtig, dass Christian die einzelnen Diöcesen zu einer Provinz zusammenfasste, welche dann ihn zum Oberhaupt als Erzbischof erhielt. Er empfing dazu auch am 5. Mai 1218 ein Schreiben vom Papst, worin ihm die unbeschränkte Vollmacht zuerkannt wurde, in Preußen Diöcesen einzurichten, Bischöfe zu wählen, zu weihen und einzusetzen. Durch dieses Schreiben wurde er tatsächlich zum kirchlichen Oberhaupt in Preußen. Christians früherer Name „Bischof von Preußen“ wurde jetzt gleichbedeutend mit dem Titel Erzbischof von Preußen; es ist daher nicht verwunderlich, wenn er ab diesem Punkt an als erster und oberster Bischof von Preußen bezeichnet wird. Bis hierher haben wir nun hauptsächlich über die kirchliche Entwicklung von Preußen geschrieben, und wir wissen jetzt, dass Christian in dieser Hinsicht unbeschränkter Herr in Preußen war. Man könnte nun auch erwarten, dass Christian auch in weltlicher Hinsicht mittels einer Urkunde zu einer bestimmten Position innerhalb Preußens bestimmt wurde. Und eine solche Urkunde hat Christian auch wirklich vom Papst erhalten, welche ihn auch zum weltlichen Herrscher von Preußen bestimmte. So wie es in vielen neuen Staaten von Europa geregelt war, wo die jeweiligen Erzbischöfe ebenso auch die weltlichen Gebieter waren, so sollte es nun auch in Preußen werden, und Christian sollte hier auch die weltlichen Geschäfte leiten; weil ja zur damaligen Zeit niemand anders einen gerechten Anspruch auf Preußen geltend machen konnte. Christians ganzes Wirken galt nun der politischen und kirchlichen Organisation in Preußen; am vordringlichsten war aber die Sicherung des schon bekehrten Gebietes durch herbeigerufene Kreuzfahrer, weil die Heiden ihre Überfälle in das christliche Land immer weiter verstärkten. Bis zum Jahre 1219 scheint aber, trotz aller Bemühungen Christians, noch kein größeres Heer von Kreuzfahrern in Preußen angekommen zu sein. Wahrscheinlich reiste der Erzbischof deshalb zu dieser nach Deutschland, um die Teilnahme an der Sache Preußens zu verbessern und viele Kreuzfahrer dafür zu gewinnen. Allerdings war die allgemeine Lage im damaligen Deutschland nicht so, dass er hier auf einen großen Erfolg hoffen konnte; denn der von Friedrich II., lang angekündigte Kreuzzug ins heilige Land sollte nun endlich stattfinden; die deutschen Fürsten hatten allesamt Friedrich versprechen müssen, dass sie zusammen mit ihm die Fahrt ins heilige Land antreten würden. Friedrich hatte daraufhin dem Papst bei seiner Kaiserkrönung versprochen, diesen Kreuzzug bis spätestens August des Jahres 1221 auch antreten zu wollen. Also war es gar nicht so einfach, bei dem Kaiser auch noch ein wenig Begeisterung für die Sache Preußens zu entfachen.


LG Arndt

ada.gleisner
16.09.2018, 13:19
Danke für den kaschubisch, slawischen Geschichtsunterricht , von dem ich bisher wenig oder fast gar nichts wußte. Ich lese es mit Begeisterung, ist es doch ein Gebiet, in dem auch unsere Vorfahren, die meist Slawen waren mit germanischen Einsprengseln, lebten. In Geschichtsbüchern Westdeutschlands kam hierüber fast gar nicht vor, trotz der angeblich 14 Mill. Flüchtlinge aus dem Land jenseits der Oder.
Hoffentlich hast Du noch viel zu schreiben lieber Arnd. Liebe Grüße von Ada

Antennenschreck
16.09.2018, 13:49
Hallo Ada,

bis vor ca. 2 Jahren waren für mich solche Begriffe wie Slawen, Wenden, Kelten, Kassuben, usw. auch noch weitestgehend böhmische Dörfer. Zuerst hat mich unser Waldkind (dankenswerterweise) auf die Slawen / Wenden aufmerksam gemacht. Und ich hoffe, dass Miriam auch hier und da mal ein wenig liest von meinen Texten, und vielleicht auch manchmal zustimmen kann. In unseren Schulbüchern fehlten solche infos auch fast vollständig, warum auch immer. Ich habe aber sehr viele alte Bücher / Urkunden / Archivauszüge usw, und früher stand so etwas ja noch in den Büchern drin. Also lese ich sehr viel, und schreibe parallel dazu ein Buch, wobei ich das Gelesene versuche zusammen zu fassen. Das Buch hat jetzt so ca. 940 Seiten, und ich habe vor etwa 4 Monaten mit Entsetzen festgestellt, dass darin gar nicht sehr viel über die slawischen Völker zu lesen ist. Also habe ich mich mal etwas mehr auf diesen Bereich geworfen. Die Kassuben speziell tauchen erst namentlich etwa zu Anfang des 11. Jahrnunderts auf. So richtig kennt man sie aber erst ab dem 13. Jahrhundert. Aus meiner Sicht waren sie ein kleines Teilvolk der Pommern, weshalb man sie wohl auch nicht so oft erwähnt hat. Aber das ist nur meine Sicht. Man hatte das früher sehr oft, dass sich z.B. ein Volk selber ganz anders nannte, als es von seinen Nachbarn genannt wurde. Klar ist aber auf jeden Fall, dass es sich bei diesen ganzen Völkern um slawische gehandelt hat, weil die damalige Grenze zu Deutschland viel weiter westlich lag als heute.

LG Arndt

Antennenschreck
16.09.2018, 16:18
Hallöle

wir kommen nun langsam zum deutschen Orden in Preußen:

Der eigennützige Herzog Heinrich der Bärtige kommt mit einem großen Heer

Die Hilfe welche Christian aus dieser Richtung bekam, wird also nicht allzu groß gewesen sein; dafür zog aber im Jahre 1222 ein beträchtliches Kreuzzugsheer unter Führung des Herzogs Heinrichs des Bärtigen, der Bischöfe von Breslau und Lebus, und weiterer Edler aus Schlesien heran. Allerdings schienen sich im Vorfeld die beiden Herzoge (also Heinrich der Bärtige und Konrad von Polen) darüber verständigt zu haben, dass Heinrich und Konrad jeweils einen Teil des Kulmer Landes zum bleibenden Besitz bekommen würden. Dieses doppelte Ziel, das Heinrich hier vorstellte, die Verteidigung des Erzbischofs, und der Erwerb eines Teils des Kulmer Landes, konnte er ohne Christians Zustimmung gar nicht erreichen; und Christian zeigte sich anfang auch sehr abgeneigt von diesem Plan. Wenn es ihm nur um den Schutz des preußischen Landes gegangen wäre, so wäre er vermutlich auf den Vorschlag eingegangen, aber einen so kriegerischen und eroberungslustigen Fürsten als direkten Nachbarn zu bekommen, wäre dem friedlichen Preußen sicher nicht gut bekommen.

Man einigt sich zu Lowitz über das Kulmer Land

Zu solch gefährlichen Plänen wollte also der Erzbischof sein Einverständnis nicht geben; und er wollte es um so weniger, als er erfuhr, dass Heinrich die Burg Kolmen (Kulm, der strategisch wichtigste Punkt im Land) zu seinem Hauptstützpunkt machen wollte. Auf der anderen Seite schien es für Konrad sehr wichtig, dass gerade Heinrich die Verteidigung des kulmischen Masoviens übernehmen würde, und was die Herrschaft in diesem Land an betraf, so war es ihm eigentlich egal, ob diese bei dem Erzbischof oder bei Heinrich liegen würde, denn er selbst hatte selbige schon längst in Trümmer gehen lassen, und deshalb keinen wirklichen Nutzen mehr durch sie gehabt. Also bestürmte Konrad den Erzbischof auf das Innigste, doch diesem Plan zuzustimmen; und dieser gab endlich unter einer Bedingung nach, und es gab im August des Jahres 1222 zu Lowitz Verhandlungen, welche in einer Schenkungsurkunde mündeten die folgenden Inhalt hatte:

„Konrad, Herzog von Masovien, tritt dem Bischof Christian von Preußen im Kulmischen Lande die Burgen Graudentz, Thorn, Kulm, und mehrere andere, mit allen dazu gehörigen Dörfern und Gütern sammt der betreffenden Landeshoheit ab, dafür dass der Bischof seine Einwilligung gibt (zum Wiederaufbau und) zur Besetzung der Hauptburg Kulm durch Herzog Heinrich und das schlesische Kreuzheer. Aus gleichem Grunde begeben sich auch der Bischof von Plock und sein Kapitel all ihrer Besitzungen und geistlichen wie weltlichen Rechte in demselben Lande zu Gunsten Christians. Die Kreuzfahrer werden dem Bischof Christian in der Burg Kulm eine Kurie und ein seinen Wünschen angemessenes Kloster bauen. Der zukünftige Besitzer des nicht bischöflichen Landesteiles wird seine Einkünfte mit dem Bischof teilen und außerdem den Zehnten an ihn entrichten. Ist dies aber der Herzog Heinrich, dann wird zwischen ihnen eine besondere Vereinbarung stattfinden.“

An diese Schenkung schloss sich eine Reihe weiterer Schenkungen von Seiten des Herzog Letzkos, des Ritters Christin von Chrosna, des Krucko und des Herzogs Konrad an; sie alle versuchten die Wohlgeneigtheit von Christian zu erhalten. Für diesen war es ein großer Gewinn, dass er ducrh diese Schenkungen der Hauptplätze im kulmischen Land und durch das so erhaltene Übergewicht über den zukünftigen Besitzer des übrigen Landes, de facto zu einem formell unabhängigen Herrn desselben geworden war. Nun erst umfasste seine ordentliche bischöfliche Herrschaft auch ganz Preußen; und zwischen ihm und Polen lag mit der Weichsel und der Drewenz eine natürliche Grenze. Für das betroffene Gebiet selber, was bisher als wertloses Anhängsel von Masovien dahin vegetierte, war dieses Abkommen sicher auch ein großer Fortschritt, den es kam nun unter die umsichtige Verwaltung vom Erzbischof Christian und unter den militärischen Schutz von Herzog Heinrich, und wurde zu einem festen Grenzwall in Richtung Polen. Nachdem nun dieses Abkommen zu Lowitz geschlossen war, überschritt Heinrichs Kreuzfahrerheer die Weichsel, und befand sich nun komplett auf kulmischem Boden. Der Hauptzweck dieses Heeres war der Aufbau und der Schutz des Kulmer Landes; und schon ein Jahr später hatten sich diesem sogar die pommerschen Herzoge Swantopolk und Wratislaw angeschlossen, auch kamen jetzt immer wieder Zuzüge aus Deutschland hinzu.

Aber wir sind noch ein klein wenig vom Orden entfernt.

LG Arndt

Antennenschreck
16.09.2018, 18:00
Hallöle,

nun weiter in dieser Geschichte:

Pommern und Masovien können keinen Frieden finden

Allerdings brach schon im Jahre 1224 über Pommern und Polen, infolge der alten Zwistigkeiten, eine große Verheerung und ein großes Unglück herein; denn als die heidnischen Preußen erfuhren, dass der Herzog Swantopolk mit seinem ganzen Heer im kulmer Land sei, nutzten sie die günstige Gelegenheit, und brachen im Sommer des Jahres 1224 über die Weichsel in sein Land ein. Oliva wurde zerstört, und die gefangenen Mönche in Danzig, unter grausamen Qualen, am 24. September getötet. Deshalb musste Swantoplok das Kreuzzugsheer , zur Verteidigung seines eigenen Landes, schon bald wieder verlassen. Aber die heidnischen Invasoren hatten nicht erst auf seine Rückkehr gewartet, sonder sich inzwischen raubend und mordend auf das angrenzende Masovien gestürzt. Mitten im kulmer Land erreichte Konrad der Hilferuf aus seinem eigenen Land, es war so, als ob sich das ganze preußische heidnische Volk auf den Weg gemacht hätte, um Masovien in eine verbrannte Wüste zu verwandeln; und keiner könne etwas gegen solche Menschenmassen unternehmen; sogar der Herzog Konrad musste sich auf die Burg Plock zurückziehen. Sämtliche Klöster und Kirchen wurden zerstört, und die Priester und Mönche allesamt erschlagen. Selbst das christliche Preußen wurde nicht von diesen Barbaren verschont, denn in Lansanien wurde alles vom Bischof Erreichte wieder von diesen zerstört. Der Herzog Heinrich hatte inzwischen seine Pläne verworfen, und war wieder nach Schlesien zurück gegangen. Einige Reste von seinen Truppen gewährten aber dem Bischof Christian Schutz auf der Hauptburg Kulm; insgesamt war das schon ein sehr trauriger Umschwung der Verhältnisse, welche doch so hoffnungsvoll mit dem Vertrag von Lowitz anfingen. Obwohl nun die heidnischen Preußen mit einem mächtigen Kriegssturm eingefallen waren, waren ihre Absichten normalerweise nicht auf eine dauerhafte Besitznahme des Landes gerichtet; und wenn sie ihre Raub- und Mordlust befriedigt hatten, zogen sie sich immer wieder zurück, und es folgte jedesmal eine länger friedliche Phase für die verwüsteten Gegenden. Sollte das auch dieses mal so sein, so gab es für Christian die Hoffnung mit einem größeren Kreuzfahrerheer, sein Gebiet schützen, und die heidnischen Preußen doch noch bekehren zu können,; denn, dass eine bloße Verteidigung sein Werk der Bekehrung nicht weiterbringen würde, dass hatte er ja nun erlebt. Der heidnische Trotz war nur mit Waffengewalt zu brechen, wie lange er diese Entscheidung auch verschoben hatte, jetzt wurde ihm klar, in diesem Boden konnte man das Kreuz nur mit dem Schwert pflanzen. Ob er mit diesem Plan in den Jahren 1226 bis 1228 weiter gekommen ist, darüber fehlen uns genauere Nachrichten; vielleicht reiste er auch wieder durch Deutschland, um neue Kreuzfahrer zu finden.

Der Herzog Konrad von Masovien tüftelt an einem hinterlistigen Plan

Viel verzweifelter aber, als der Erzbischof von Preußen, war der Herzog Konrad, aus seinem Land war eine komplette Wüste geworden, und man würde viele Jahre brauchen, um diese Wunden zu heilen; und selbst wenn ihm andere polnische Fürsten unterstützen würden, sein Land vor zukünftigen Angriffen zu schützen, wie sollte er den Wiederaufbau des Landes bezahlen können. Bei diesen Betrachtungen erwachte in ihm wieder der Gedanke an das weniger zerstörte Preußen, und die päpstlichen Verbote hatten ihn nur zurückgeschreckt, aber solche Pläne nicht völlig aus seinem Herzen getilgt. Jetzt, so glaubte er, wäre ein sehr guter Zeitpunkt, um seine alten Eroberungspläne in die Tat umzusetzen; weil ja vermutlich das Bistum Preußen in diesem heidnischen Ansturm ebenfalls untergegangen sein würde, so würde ihn wohl keiner mehr daran hindern können, das herrenlose Land zu erobern. Wie anders würde doch seine Stellung unter den polnischen Fürsten sein, wenn ihm die Herrschaft über das ganze Gebiet zwischen der Ostsee, dem Bug und der Pira gehörte. Aber seine gegenwärtige Lage schien eine sofortige Umsetzung dieser Pläne nicht zuzulassen, also sann er auf einen Ausweg aus diesem Dilemma. Da brachte ihn der Bischof von Plock auf einen guten Einfall, wie er doch noch die Eroberung von Preußen in die Tat umsetzen könne. Hatte nicht auch Christian zu seinem Schutze Kreuzfahrer gewinnen können; warum sollte also nicht jetzt auch einer der vielen Ritterorden, durch Abgabe von Land, dazu bewegen lassen, dem Herzog das heidnische Volk zu unterwerfen? Höchst wahrscheinlich hatte der Herzog auch erfahren, wie gerade zu dieser Zeit der Königt Andreas von Ungarn, das Land Burtza in Siebenbürgen dem deutschen Orden geschenkt hatte, welcher sich darauf verpflichtet hatte, die wilden Kumanen, welche immer wieder in Ungarn einfielen, mit Gewalt zu bekämpfen. Nahm nun dieser Orden, was sicher möglich war, das kulmische Land an, so hörten einerseits die grausamen Verwüstungen für Masovien auf, und auf der anderen Seite war ja doch die Bekämpfung und Unterwerfung des heidnischen Preußen eine Ehrensache für einen solchen Ritterorden. Was aber eine solche Schenkung am meisten empfahl, war, dass dadurch scheinbar der Bischof Christian seine frühere weltliche Position verlieren würde, und der Papst auf jeden Fall in eine Zwickmühle käme, ganz egal ob er sich auf die Seite des deutschen Ordens, oder aber auf die Seite von Christian stellen würde. Ers mussten also schnellstens Tatsachen geschaffen werden, und der deutsche Orden das geschenkte Land übernehmen, bevor Christian erst wieder festen Fuß in Preußen fassen konnte. Konrad schickte also schon Anfang des Jahres 1226 eine Gesandtschaft an den Hochmeister Hermann von Salza nach Italien, diese sollte jenem die Schenkung der beiden Gebiete Kulm und Löbau anbieten, wenn der Orden dafür das heidnische Preußen angreifen, und für den Herzog erobern wolle. Konrads Angebot an den deutschen Orden war sehr verhängnisvoll; nicht weil die Berufung des Ordens an sich Preußen oder den Bischof in Gefahr gebracht hätte, sondern eher weil die Art und Weise des Angebotes Preußen und den Bischof in eine Konkurrenz zum deutschen Orden brachte, welche dann eine lange Kette von Unredlichkeiten, Rechtsverletzungen und Gewalttaten nach sich zog. Konrad wusste ja genau, wie Christian durch eigene Verdienste und öffentliche Entscheidungen der Päpste in seine Stellung gekommen war, und er wusste auch, dass Christian dieses Werk seines Herzens niemals lebend aufgeben würde, und er wusste, dass, auch wenn Christian im Moment von Kulm abwesend war, er trotzdem nicht ruhen werde, bis er das Zerstörte wieder hergestellt hätte, und seine heiligen Ziele erreicht haben würde. Aber Konrad trieb, wie ihm schon Innocenz im Jahre 1213 strafend vor hielt, kein frommer Eifer, sondern nur niedrige Selbstsucht, welche kein Mittel scheut und keinerlei Recht beachtet. Daher machte er den doppelten Fehler, das heidnische Preußen für herrenlos, und das christliche Land als sein Eigentum auszugeben, womit er sogar den Papst verhöhnte. Konrads Gesandtschaft, mit Günther von Plock an der Spitze, traf den Hochmeister am Hofe des Kaisers in der Nähe von Neapel. Friedrich war gerade dabei sein Versprechen einzulösen, und um den 25. Juli 1225 auf seinen Kreuzzug ins heilige Land zu gehen. Scheinbar sind die Gesandten des masovischen Herzogs mit ihrem Angebot aber erst im Februar des Jahres 1226 zum Hochmeister vorgedrungen.


LG Arndt

Antennenschreck
30.08.2019, 18:28
Hallöle,

ich will hier mal noch ein paar Jährchen weiter zurück gehen, bei dem Thema Glauben:

Die Entstehung der Welt in der germanischen Mythologie

Es ist hier an der Zeit, die alte germanische Sicht der Dinge etwas näher zu betrachten. In den bishe-
rigen Texten konnten wir lesen, wie unsere Welt nach dem Glauben unserer Urväter entstand, und
wie sie sich weiter entwickelt hat; und auch, welchen Anteil die Götter daran hatten; wobei wir aber
immer bedenken müssen, dass viele der angegebenen Orte rein mythischer Natur sind; also schon
zur Zeit der Schreiber nicht mehr, oder auch nie in dieser Form existierten. Trotzdem sollten wir
hier erst einmal über diese (lange vergangenen) Welten sprechen, welche es vor der Erschaffung
unserer heutigen Erde gegeben haben soll. Das gesamte Weltgebilde haben sich die Alten nach
dem Bild eines Baumes, konkret nach dem einer Esche vorgestellt; welcher sie nun den Namen
Yggdrasil gaben. Odin selber wird uns von den Alten als eine Frucht dieses Baumes gezeigt; und;
weil nun Yggr ein Beiname Odins war, und trasil, soviel wie getragen oder Träger bedeutet, so
kann man hieraus wohl auch den Namen dieses heiligen Baumes ganz gut erklären. Diese Esche
wurde nun von den Alten als bester, größter und schönster aller Bäume im ganzen Universum an-
gesehen; seine Zweige breiteten sich nach ihrer Ansicht über die ganze Welt, und sogar bis in den
Himmel aus. Der Baum selber stand dabei auf drei starken Wurzeln, welche sich natürlich in der
Erde auch sehr weit ausdehnten; die eine Wurzel ging bis zu den Asen (dazu aber gleich noch
mehr); die andere ging zu den Hrimthursen, dahin, wo früher Ginnungagap gewesen war; und die
dritte Wurzel führte nach Niflheim; unter dieser dritten Wurzel wohnten schon lange (vielleicht
auch schon immer) die Würmer (oder Schlangen) Hwergelmir und Nidhöggr, und nagten bestän-
24dig an selbiger herum. Dummerweise soll aber auch ein Ast im Himmel bis zu den Asen (auf der
Erde) gereicht haben; weshalb nun schlechterdings nicht auch noch eine Wurzel den selben Ort
(Wohnort der Asen, eigentlich im Himmel) hätte erreichen können. Um nun diesen Widerspruch
aufzulösen, sollten wir besser in Grimnism. 31 nachlesen, denn dort lesen wir:

Drei Wurzeln strecken sich nach drei Seiten
unter der Esche Yggdrasil.
Hel wohnt unter einer, Hrimthursen unter der anderen,
Aber unter der dritten Menschen.

Jene Wurzel führte also offensichtlich nicht zu den Asen im Himmel, sondern zu den Menschen
auf der Erde; und nun ergibt das Ganze auch ein viel besseres Bild. Die Spitze des Baumes führte
nun direkt nach Walhall; und, an seinen Zweigen weidete die Ziege Heidrun, von deren Euter
dann so viel Milch kommt, dass sie täglich ein großes Gefäß füllen kann, von dem dann die im
Einzelkampf gestorbenen Helden (Einherier genannt, also tapfere Krieger und große Könige)
von Odin vollauf zu trinken haben, weiterhin ernährt sich der Hirsch Eikthyrnir auch von den
Blättern dieser Esche; von seinen Hörnern fallen nun wiederum so viele Tautropfen, dass diese
nach Hwergelmir fließen können, um dort die großen Ströme der Unterwelt zu bilden; darüber
können wir lesen:

Heidrun heißt die Ziege vor Heervaters Saal,
Die an Lärads Laube zehrt.
Die Schale soll sie füllen mit schäumendem Meth;
Der Milch ermangelt sie nie.
Eikthyrnir heißt der Hirsch vor Heervares Saal,
Der an Lärads Laube zehrt.
Von seinem Horngeweih tropft es nach Hwergelmir;
Davon stammen alle Ströme.

Neben diesem Hirsch Eikthyrnir, laufen noch vier weitere Hirsche um den Wipfel der Esche her-
um, welche ebenso die Blätter dieses Baumes und seine Knospen verspeisen; deren Namen sind
Dain, Dwalin, Dunneyr und Durathror; das sind aber alles Namen, welche uns auf die Vergäng-
lichkeit von Allem hinweisen. Weiterhin werden die Wurzeln von Yggdrasil auch noch von einigen
anderen Würmern zernagt; wie schon gesagt, nagt z.B. Nidhöggr an der Wurzel herum, welche
nach Niflheim führt. Dann gibt es da noch einen Adler hoch in den Zweigen der Esche, der von
sehr vielen Dingen rund um Yggdrasil Bescheid weiß; und, zwischen dessen Augen sitzt nun wie-
derum der (ebenfalls recht gut informierte) Habicht Wedrsölnir. Zwischen all dem saust dann noch
das Eichhörnchen Ratatöskr (Zweigbohrer) hin und her, und trägt alle bösen Worte, und somit al-
len Streit, vor allem zwischen dem Adler und der Schlange Nidhöggr weiter, darüber können wir
lesen:

Ratatöskr heißt das Eichhörnchen, das auf und ab rennt
an der Esche Yggdrasil.
Des Adlers Worte vernimmt es oben
und bringt sie Niddhöggern nieder.
Der Hirsche sind vier, die mit krummen Halse
an der Esche Anschützen weiden.
Dain und Dwalin,
Dunneyr und Durathror.

Als weitere nagende Würmer an den anderen beiden Wurzeln, werden uns noch Goin, Moin, Gra-
bakr, Grafwölldr, Osuir und Swasir genannt. Wenn wir hier auch nicht alle Bilder deuten können,
so sehen wir doch die Esche von der Ziege und den Hirschen gerupft, und von den Würmern
(Schlangen) an ihren Wurzel angenagt; all das soll uns wohl die Vergänglichkeit allen Seins, also
auch dieses Lebensbaumes verdeutlichen. Um dieses unvermeidbare Ende aber soweit als mög-
lich hinaus zu schieben, bemühen sich am Boden die drei Nornen, welche gemeinsam an Urds
Brunnen wohnen, um das Wohl dieser Esche, indem sie den Baum täglich mit dem Brunnenwas-
ser gießen und gleichzeitig düngen. Diesen heilsamen Brunnen finden wir dann noch lange in vie-
len deutschen Märchen wieder, wo man aus diesem das Wasser des Lebens holen kann; wegen
seiner heiligen Kraft muss man den Brunnen unbedingt davor schützen, dass etwas Unreines in
ihn hinein fällt. Dieses Amt wird in aller Regel einem reinen Jüngling übertragen; und alles, was
man in diesen Brunnen taucht, kommt wie aus reinem Gold wieder heraus. Diese heilige Kraft
wird dann auch hin und wieder auf verschiedene Bäume übertragen, welche dann aber gleich ne-
ben einem solchen Brunnen stehen müssen, um dann z.B. goldene Wunderäpfel zu tragen. Wir ha-
ben aber in Yggdrasil nicht nur einen Baum im räumlichen Sinn vor uns, sondern es handelt sich
hier auch um einen Baum in der Zeit; denn Raum und Zeit gehörten schon für die alten Germa-
nen unzertrennlich zusammen; und, erst ihr richtiges Zusammenspiel konnte ihre reale Welt er-
zeugen. Das zeigt sich auch an den drei Brunnen, welche an jeder Wurzel einer standen:
- Der erste Brunnen, mit dessen Wasser die Esche jeden Tag besprengt wurde, damit sie nicht fault;
dieser Brunnen war sehr heilig; er sollte verjüngen und verschönern können. Er befand sich nun
offensichtlich an der Wurzel, welche auch zu den Menschen oder (irrtümlich zu den) Asen reichte.
Wenn dieser Brunnen in Asgard gestanden hätte, so wäre dass für die Götter recht praktisch gewe-
sen, denn ihre Gerichtsstätte soll sich ja gleich neben diesem ersten Brunnen befunden haben.
Da nun aber dieser Brunnen bei der Wurzel der Menschen am Erdboden war, ja, dann mussten die
Götter für jede einzelne Beratung eben von der hohen Esche herunter kommen, andernfalls hätten
es die drei Nornen mit ihren Gießkannen wohl recht beschwerlich gehabt! Dieser erste Brunnen
nannte sich nun Urds Brunnen, nach der ältesten der drei Nornen, welche Urd, Werdandi und
Skuld (zu deutsch, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft) hießen, und entweder direkt im
Brunnen oder gleich im Saal daneben wohnten (oder im Sommer im Brunnen, und im Winter im
geheizten Saal); darüber kann man lesen:
Davon kommen Frauen, viel wissende,
Drei aus dem Saal (See) dort bei dem Stamm:
Urd heißt die eine, die andere Werdandi
und Skuld die Dritte.
- Der nächste (also der zweite) Brunnen, ist Mimirs Quelle, worin sich nun Weisheit und Ver-
stand befinden sollten; der Eigentümer dieses Brunnens ist, wie uns schon sein Name sagt, der
26Riese Mimir. Er ist auf jeden Fall selber auch sehr klug, weil er ja täglich aus seinem Brunnen trin -
ken kann. Eines Tages kam nun Odin zu Mimir, und wollte auch einen Becher von diesem Brun-
nen trinken. Das erlaubte Mimir aber erst, als ihm Odin eins von seinen beiden Augen zum Pfand
dafür gab. Die klare Aussage von diesem Ereignis ist, dass es nicht so wichtig ist, was man im Au-
ßen mit seinen eigenen Augen sehen kann, sondern, dass es viel wichtiger ist, was einen die eigene
Weisheit und der eigene Verstand lehren können; also dass man die Wahrheit nicht im Äußeren,
sondern im Inneren suchen sollte.
- Den dritten Brunnen finden wir nun erwartungsgemäß neben der dritten Wurzel, welche nach
Niflheim führt. Hier handelt es sich aber wohl mehr um einen brodelnden Höllenkessel, den man
nur mit sehr viel gutem Willen einen Brunnen nennen kann. Dieser Kessel hat offenbar keinerlei
gute Eigenschaften, aber es sollen einst aus ihm die ganzen mächtigen urweltlichen Ströme (also
auch der Urstoff für unsere Welt) der Unterwelt hervor gequollen sein.
Die große Bedeutung dieser drei Brunnen für unsere Weltenesche wird uns nun schon etwas klarer;
der erste Brunnen verjüngt, er ist ein Lebensbrunnen, welcher für die Entstehung und Erhal-
tung des Lebens, vor allem aber der Menschen dient; so wie auch das Wasser unsterblich machen
sollte, in welchem später Siegfried aus der Niebelungensage badete. Welchen Wert sollen nun aber
die drei Nornen an diesem Brunnen haben? Da er ja nach der ältesten Norne, also nach Urd, der
Vergangenheit benannt worden ist; sollte uns das sicherlich sagen, dass wir uns immer an unsere
Vorfahren und unsere Vergangenheit erinnern müssen, um als ein Volk eine Gegenwart und
eine Zukunft haben zu können. Da nun dieser Brunnen an der Wurzel steht, welche zu den Men-
schen reicht, unterscheidet er sich klar von Mimirs Brunnen, welcher Verstand und Weisheit brin-
gen kann, denn, mit dessen Wasser finden wir erst die Erkenntnisse, welche weit über die jetzige
Erde hinaus gehen, und welche, deshalb gar keiner Augen (im optischen Sinne) mehr bedürfen; mit
Mimirs Brunnen kann man daher etwas tiefer und genauer in die Vergangenheit, Gegenwart und
weitere Zukunft blicken; was allerdings vor der Schöpfung der Weltenesche lag, dass, sagt uns
auch dieser Brunnen nicht (hier gibt es nur den Hinweis auf einen Allvater), denn der Blick ver-
liert sich hier sehr schnell im endlosen Meer der Ewigkeit. Einzig die ersten Riesen (die alten Eis-
riesen), zu welchen auch Mimir gehört, haben noch eine (schwache) Erinnerung an diese Zeit;
und selbst der weise und suchende Odin, der Klügste von allen Asen, kann diese Informationen
nicht voll erfassen, da er ja immer noch mit einem Auge in seiner eigenen Zeit verhaftet bleibt.
Der dritte Brunnen bei der Hel (Hölle) deutet nun direkt auf eine noch viel fernere Zeit, von der
selbst die alten Riesen nichts mehr wissen; das ist nun der Brunnen Hwergelmir, aus dem einst der
ganze Urstoff erquoll, zu dem dann aber auch alles Sein wieder zurück strömt, denn von dem Ge-
weih des Hirsches Eikthyrnir tropft ja auch das ganze Wasser, welches aus der wirklichen Welt
kommt; es geht also wieder in diesen Brunnen (zum Anfang) zurück. Wie also die Unterwelt
(Niflhel) die Quelle allen Seins war, so wird sie später auch wieder das Ende, der Abgrund sein,
in den Alles unweigerlich wieder zurückgehen muss. Die junge Welt wurde einst aus diesem
Brunnen geholt, und die sterbende alte Welt muss auch wieder an diesen Ort zurück gehen.
Also ist die Wurzel, die zu diesem Brunnen führt, auch die älteste und erste Wurzel von
Yggdrasil. Der Adler und der Hirsch Eikthyrnir an der Spitze von Yggdrasil sollen in diesem
Bild wohl beide die Sonne symbolisieren; und, ursprünglich wird Yggdrasil wohl nichts anderes
gewesen sein, als der Baum, unter welchem sich die germanischen Götter zum Rat und Gericht
trafen, weil ja nach germanischer Sitte hohe Bäume immer schon die Orte für wichtige Treffen
und Gerichte waren; und, auch viel später noch so manche Dorfgemeinde ihre Treffen unter einer
bestimmten Linde abhielt; ebenso brachten ja auch die drei Nornen, welche über das Schicksal
der Menschen bestimmten, einen Platz für ihre Versammlungen. Dieser alte germanische Thing-
baum wird hier also vortrefflich benutzt, um uns das Leben mit seiner Vergänglichkeit in drei
Stufen zu symbolisieren; die erste Stufe entspricht der ersten Wurzel, mit der Entstehung und
27Entwicklung eines Lebens; die zweite Stufe, also die zweite Wurzel zeigt uns den Verstand und
die Klugheit in der Mitte unseres Lebens; und die dritte Wurzel zeigt uns das Vergehen unseres
Lebens, und unseren Weg zu unserem Ursprung zurück.

Enno12356
30.08.2019, 20:15
Lieber Antennenschreck,
danke für diesen interessanten
Bericht. Freue mich über jeden
Kommentar zu diesem Thema !!!
Eva Maria - Enno12356

Antennenschreck
30.08.2019, 20:44
Hallo Eva Maria,

Das ist der Anfang (also relativ) von meinem Buch. Hier mal der nächste Absatz:

Die neun Welten

Immer wieder hört man auch von den neun germanischen Welten, welche scheinbar verschiedene
Äste des Baumes darstellen sollten, hierzu kann man in den alten Schriften lesen:

Neun Welten kenn ich, neun Äste weiß ich.
Am starken Stamm im Staub der Erde.

Wasthrudnir, der allwissende Jötun, behauptete, alle neun Welten, bis hinab zu Niflhel durch-
wandert zu haben; ebenso rühmte sich auch der Zwerg Alwis (Alberich) in allen neun Welten
gewesen zu sein, und über alle Dinge darin Bescheid zu wissen. Allerdings werden von den beiden
nirgendwo diese neun Welten komplett aufgezählt; die neun Himmel sind nun wieder etwas Ande-
res, und auch die zwölf (oder 13) himmlischen Hallen dürfen wir nicht mit den neun Welten ver-
wechseln. Zwei dieser neun Welten haben wir aber bereit erwähnt, nämlich Muspelheim und Nifl-
heim, also jene Enden der Wurzeln, die schon vor der Schöpfung vorhanden gewesen waren; sie
bilden quasi die beiden Pole des mythischen Weltalls, und sind somit wesentlich älter als die
Asen. Wir müssen hier aber auch noch zwischen dem nördlichen und nebligen Niflheim und Nifl-
hel unterscheiden, da letzteres ja unter Niflheim liegt, und extrem kalt und dunkel sein soll; beide
Welten sind über den Brunnen Hwerglmir miteinander verbunden. Niflheim und Niflhel können
wir meistens (in diesem Buch) unter dem Namen Helheim zusammenfassen. Um nun zu dem
Fluss Giöll zu kommen, welcher durch Niflhel oder das Totenreich fließt, muss man neun Tage
und neun Nächte durch tiefe dunkle Täler reiten; in welchen die Schwarzalsen hausen; vermut-
lich dachten sich die Germanen diese drei Welten, also Schwartalsheim, Niflheim und Niflhel, al-
lesamt unter der Erde. Drei andere Welten sollten wir dagegen auf der Erde suchen:

1. Jötunheim (die Riesenwelt, oder auch Utgard) genannt;
2. Mitgard oder Mannheim, die eigentliche Menschenwelt, und
3. Wanaheim, das Reich der Wanen.

Von den genannten Welten, liegt unser Midgard, wie uns der Name schon sagt, natürlich genau in
der Mitte der neun Welten; die Erde denkt man sich hierbei als eine kreisrunde Scheibe, um de-
ren Rand herum das tiefe Weltenmeer liegt; so dass, diese Erdscheibe in der Mitte des Baumes
quasi mit und in dem Weltmeer (Wendelmeer) schwebt, so ähnlich wie sich ein Eigelb mitten im
Eiweiß befindet. Rings am Rand der Scheibe, also an der Küste des Meeres befinden sich die
Wohnungen der Riesen. Weiter im Landesinneren der Erdenscheibe war nun unser Midgard er-
richtet worden; es diente Asgard auch zum Schutz vor den mächtigen Riesen an den Küsten; aber
auch die Welt der Wanen, welche Götker Seebewohner sind, müssen wir noch auf unserer Erde
suchen. Eine siebente Welt muss man im Weltmeer selber sehen, da hier Oegir der Meergott mit
28seiner Gattin Ran in der Tiefe lebt; also sollten wir diese Welt Oegisheim nennen. Über Oegis-
heim als eine eigentliche Welt erfährt man in den alten Schriften aber weiter nichts, einzig in dem
halb christlichen Solaliod wird dieser Name erwähnt; er bezeichnet hier aber das im Meer schwim-
mende Midgard, also die gesamte Menschenwelt. Es fehlen uns also immer noch drei Welten, wel-
che oberhalb der Erde (in Richtung Himmel) liegen; eine davon haben wir aber schon öfters ge-
nannt, Asenheim oder Asgard, welches vom Riesenheim durch den Strom Ising getrennt wird.
Die andere Welt, Ljosalsaheim, die Welt der Lichtalsen, sollte man nun direkt in der Sonne su-
chen, denn man kann lesen, da haust das Volk, das man Lichtalsen nennt; und, die Lichtalsen sind
nun sogar noch viel schöner als die Sonne selber, ganz im Gegensatz zu den Schwarzalsen, welche
schwärzer als Pech sind. Es ergibt sich nun also die folgende Anordnung der neun Welten:

1. Über der Erde: Muspelheim, Ljosalsaheim, Asgard oder Asenheim.
2. Auf der Erde: Jötunheim, Midgard (oder Mannheim), und Wanaheim.
3 Unter der Erde: Swartalsheim, Niflheim und Niflhel.

Nach einer alten deutschen Sage hätten einst Gott und der Teufel ihre Welten durch eine Mauer
voneinander trennen wollen; diese Mauer hätte nun aber der Teufel in einer einzigen Nacht vor
dem ersten Hanenschrei erbauen sollen. Da nun aber der Hahn viel zu früh geschrien hätte, wäre
der Teufel mit seiner Mauer nicht zum Ende gekommen, und sie blieb auf immer unvollendet. Ge-
meint ist damit wohl der römische Pfahlgraben, der bis heute auch Teufelsmauer genannt wird;
wobei dann die Römer wohl die Teufel gewesen sein müssten.

LG Arndt

Antennenschreck
30.08.2019, 21:05
Ja, und wie ging die Sache nun weiter:

Die goldene Zeit und die Unschuld der Götter geht zu Ende

Die Edda erzählt uns von einer lange vergangenen verlorenen goldenen Zeit, mit unschuldigen
Göttern; das war eine Zeit gewesen, als die Götter der Sonne und dem Mond ihren Platz ange-
wiesen, und den Lauf der Sterne geregelt hatten; sie hatten damals der Nacht und dem Neumond
ihre Namen gegeben und die Zeiten geordnet; um das alles abzusprechen, trafen sich die Götter
regelmäßig auf dem Idafeld. Kurz danach folgte dann die Schöpfung der Zwerge. Die Götter
schafften sich damals Schmelzhütten, um, mittels dieser, dann eiserne Werkzeuge herzustellen, wo-
bei man das benutzte Metall zwar als Gold bezeichnete; aber dass wird vermutlich nur ein Synonym
für den großen Nutzen der verarbeiteten Metalle gewesen sein; da man das weiche Gold eigentlich
nicht für harte Werkzeuge verwenden konnte. Dieses goldenen Zeitalter wurde dann durch die An-
kunft drei bestimmter Frauen aus Jötunheim abrupt beendet. Nun setzten sich die Götter wieder
auf ihre Stühle, und beratschlagten, wie man wieder Ordnung in die Streitereien bekommen könnte.
Das ganze Elend kam vermutlich in die Welt der Götter, als die angekommenen Frauen mit ihrer
Goldgier das vordem friedliche Leben der Götter in eine erste Katastrophe stürzten. Es ist daher
sehr wichtig, dass, geich nach dieser friedlichen goldenen Phase die Zwerge auf der Erde erschei-
nen, welche das begehrte Gold aus der Erde holen müssen; diese Zwerge nutzten nun oft die Gier
der drei Riesenfrauen nach Gold für ihre eigenen Zwecke aus; damit war also das goldene göttliche
Zeitalter für immer, durch die weibliche Gier der drei Thursentöchter nach Macht und Reich-
tum beendet worden; welch eine Ironie; das goldene Zeitalter der Götter wurde ausgerechnet durch
Gold beendet. Aber diese drei Thursentöchter aus Riesenheim, sind auch genau jene drei Nornen
(Zeitgöttinen), welche Yggdrasil pflegen; die reale Weltzeit konnte also erst nach dem Ende der
goldenen göttlichen Zeit beginnen. Dass, durch das Gold, auch das Böse in die Welt gekommen
ist, und damit die Unschuld verloren ging, sagt uns auch der Wöluspa:

Da wurde Mord in der Welt zuerst,
Da sie mit Gabeln die Goldstufe (Gullweig) stießen,
In der hohen Halle die hell brannten.
Dreimal verbrannt ist sie, dreimal neu geboren,
Oft, unselten, doch lebt sie noch.

Als die Zwerge all ihr Gold in der hohen Halle (Walhalla) schmolzen, da kam sofort auch das
Böse in die Welt; der oben erwähnte Mord ist aber nur ein poetischer Ausdruck für das Gold, was in
die Welt kam, und was, die Götter dreimal versuchten, wieder aus ihr zu verbannen; wobei durch
den Nachsatz von oft und unselten wohl gesagt werden soll, dass man das Selbe auch noch später
immer wieder erfolglos versucht hatte. Ebenso kam damals auch der erste Krieg durch das Gold in
die Welt der Götter; dieser war wohl der Wanenkrieg, welcher aber noch mit einem Friedens-
schluss endete; infolge dessen musste der Wanenherrscher Niördhr mit seinen beiden Kindern
Freyr und Freyja als Geiseln zu den Asen gehen. In diesem sogenannten Frodisfrieden, wurde der
ganze Goldschatz der Asen vom Zwerg Andwari mit einem Fluch belegt, der auch noch jedem
späteren Besitzer einen sicheren Untergang bringen sollte. Da wir aber sonst nichts weiter über die-
sen ersten Krieg lesen können, können wir hier nur über den Friedensschluss und dessen Bedingun-
gen berichten. Während dieser Friedensschluss den laufenden Krieg beendete, hatte sich schon bald
wieder ein neuer Konflikt entwickelt, dessen Ursachen allerdings schon in der dunkelsten Vergan-
genheit lagen; es war dies nämlich der immer währende Gegensatz zwischen den Asen und den
Riesen gewesen, also der grundsätzliche Gegensatz zwischen guten und bösen Mächten; dieser
Gegensatz war auch nicht mit einem Friedensschluss beizulegen, denn, er war ja von einer so
grundsätzlichen Natur, dass er immer wieder zu neuen Auseinandersetzungen zwischen diesen
beiden Mächten führen musste. Diesen Kampf hätten die Götter aber auf lange Sicht gewinnen
können und müssen, wenn sie nicht inzwischen selber auch der Sünde verfallen wären. Aber in
der Welt der Götter hatte ja das Böse, durch das Gold, auch immer weiter an Macht gewonnen, wie
man an den folgenden Versen sehen kann:

Da gingen die Berater zu den Richterstühlen,
Hoch heilige Götter hielten Rat,
Wer mit Frevel hätte die Luft erfüllt,
Oder den Riesen Odurs Braut gegeben?
Von Zorn bezwungen zögerte Thor nicht,
Er säumt selten wo er solche vernimmt:
Da schwanden die Eide, Wort und Schwüre,
Alle festen Verträge jüngst erdacht.

Wir wollen hier diese rätselhaften Worte etwas genauer erläutern: Als die Götter damals Mid-
gard und Walhall erschaffen hatten, da riefen sie einen Baumeister (namens smidhr), der ihnen
in eineinhalb Jahren eine feste Burg gegen die Bergriesen und Hrimthursen erbauen sollte, für
den Fall, dass diese über Midgard in ihr Reich einbrechen würden. Aber dieser Baumeister ver-
langte dafür Freyja zur Frau, und Mond und Sonne noch als Lohn dazu. Die Asen versprachen
nun dem Baumeister den geforderten Lohn, wenn er diese Burg innerhalb eines Winters erbauen
könnte; wenn aber am ersten Sommertag noch irgend etwas an der Burg fehlen würde, so sollte er
überhaupt keinen Lohn bekommen; nebenbei dürfte er sich bei dem Bau auch von Niemand helfen
lassen. Als sie dem Baumeister diese harten Bedingungen stellten, da verlangte dieser, dass ihm we-
nigstens sein Pferd Swadilfari helfen dürfen solle; und, Loki war der Meinung, dass man dem
Baumeister dieses auf jeden Fall erlauben müsse. Also startete der Bau ab dem ersten Wintertag;
tagsüber setzte der Baumeister Stein auf Stein, und in der Nacht holte er wieder neues Material mit
seinem Pferd heran. Für die Asen erschien es als ein großes Wunder, wie das Pferd ganze Felsen auf
einmal heranzog; wobei der Baumeister sogar dreimal soviel Arbeit wie sein Pferd verrichtete. Als
nun der Sommer nahte, beschleunigte der Baumeister den Bau so sehr, wie es irgend ging; drei Tage
vor Sommeranfang war dann die Burg so groß und stark, dass ihr kein Angriff hätte mehr schaden
können, es musste nur noch das Burgtor fertig gebaut werden. Nun setzten sich die Götter zusam-
men, und warfen sich gegenseitig vor, dass man ja versprochen habe, Freyja nach Jötunen zu ge-
ben, und Mond und Sonne gleich noch mit dazu; man würde so eine Göttin verieren und den gan-
zen Himmel verderben. Da einigte man sich darauf, dass die ganze Schuld für diesen ungünstigen
Vertrag mit dem Baumeister einzig bei demjenigen liegen würde, dem man bisher auch schon alles
in die Schuhe geschoben hatte, nämlich bei Loki, Lauseyjas Sohn. Man beschloss deshalb, dass
Loki eines ganz üblen Todes sterben müsse, wenn er diesen Vertrag mit dem Baumeister nicht
wieder rückgängig machen könne. Und, weil die versammelten Götter alle auf den armen Loki ein-
drangen, gab er sich am Ende geschlagen, und versprach, alles so zu arrangieren, dass der Baumeis-
ter um seinen sicheren Lohn kommen würde. Als nun der Baumeister an diesem Abend mit seinem
Ross neue Steine holte, da wieherte am nahen Waldrand eine hübsche Stute (der verwandelte Loki)
nach dem Pferd des Baumeisters. Der Hengst konnte und wollte nun einfach nicht mehr arbeiten,
und zerriss seine Stricke, und rannte hinter der Stute hinterher. Der Baumeister rannte nun die ganze
Nacht hinter seinem Pferd hinterher, um es wieder einzufangen. Das ganze Versteckspiel dauerte
nun die ganze Nacht an, ohne dass ein einziger Stein transportiert worden wäre. Weil nun aber keine
Steine mehr in der Burg waren, konnte der Baumeister am folgenden Tag auch nicht mehr weiter
bauen; nun wurde dem Baumeister klar, dass man ihn hier ausgetrickst hatte, und, dass er nun wohl
auch keinen Lohn für seine ganze Mühe bekommen würde; nun geriet er in eine sehr große Wut.
Die Asen hatten aber inzwischen gemerkt, dass es sich bei ihrem Baumeister eigentlich um einen
Bergriesen handelte, und beachteten die Verträge mit diesem nicht mehr; trotzdem oder gerade des-
wegen bekamen sie nun eine große Angst vor ihrem ehemaligen Baumeister, und riefen Thor mit
seinem Hammer Miölnir zur Hilfe. Thor bezahlte nun den versprochenen Baulohn auf seine speziel-
le Art, indem er den Bergriesen in kleine Stücke zerschlug, und diese dann nach Niflhel warf. Zwi-
schen dem verwandelten Loki und dem Pferd des Baumeisters war es in jener Nacht aber auch zu
einem Kontakt gekommen, welcher dann nach einer Zeit zu einem Füllen führte, welches grau aus-
sah, und acht Beine hatte; in diesem Pferd erkennen wir nun das sätere Reittier von Odin, mit dem
Namen Sleipnir; das beste Pferd, was die Götter und die Menschen jemals gesehen haben. Bei dem
betrogenen Baumeister handelt es sich eigentlich um den Winter selbst, und sein Pferd Swadilsari
(Eisführer) symbolisiert hier wahrscheinlich den eisigen Nordwind; somit handelt es sich bei dem
Bollwerk gegen die Eisriesen wohl eher um eine Eiswand, welche im Sommer unter normalen Be-
dingungen sowieso wieder weg getaut wäre, weshalb der Baumeister mit der Sonne und dem Mond,
auch das Licht und die Wärme von den Asen nehmen wollte. Also hätte die Burg, welche zum
Schutz der Götter dienen sollte, über kurz oder lang zu ihrem sicheren Untergang geführt. Wenn
nun des Baumeisters Hengst also der Nordwind gewesen sein soll, so musste die verwandelte Loki-
stute, als sein Gegenspieler zwangsläufig der warme Südwind sein. Die sich nachlaufenden Pferde
im Wald stellen somit den Wechsel und Wandel der Winde beim Anbruch des Frühjahres dar. In ih-
rer Angst vor dem unheimlichen Baumeister rufen nun die Götter den sommerlichen Thor mit sei-
nem Hammer (dem Gewitter, was es im Winter eigentlich nicht gibt); selbiger zerstört nun mit eini-
gen Blitzschlägen und einer nachfolgenden Wärme alles, was vom winterlichen Eis noch übrig war.
Bis an diesen Punkt kann man den Mythos wahrscheinlich noch auflösen, aber viel weiter kommen
wir hier dann nicht mehr. Odins windschnelles Pferd ist also von zwei gegensätzlichen Winden ge-
zeugt worden, und seine acht Beine sollen wahrscheinlich die acht Hauptwinde der Windrose dar-
stellen; seine graue Farbe stellt eine Mischung zwischen schwarzen südlichen Feuerwind und dem
weißen kalten Nordwind dar.

LG Arndt

Antennenschreck
30.08.2019, 21:45
Hallöle,

ich überspringe nun mal einige Ereignisse, und komme direkt zum Ende der Götterwelt:

Baldurs Tod, und das Ende der alten Welt
Die Asen waren erschrocken von den bösen Träumen, welche Baldur plagten, und sie versprachen
ihm, alles Machbare zu tun, um ihm seine Sicherheit zu gewährleisten. Deshalb nahm auch Frigg
Eide vom Feuer und Wasser, vom Eisen und von allen anderen Erzen, von Steinen und Erden, von
Bäumen, Krankheiten, Giften, allen vierfüßigen Tieren, Vögeln und Würmern ab, dass Baldur nie-
mals etwas Böses tun würden. Als sie das getan hatten, versuchten sie Baldur im Spiel mit Steinen
oder anderen Dingen zu bewerfen; was sie aber auch immer nach ihm warfen, sie konnte Baldur
nicht schaden; die abgenommenen Eide schienen also ihre Wirkung nicht zu verfehlen. Als aber
Loki sah, dass Baldur nun wohl als einziger Ase unverletzlich wäre, gefiel ihm das gar nicht so gut;
deshalb verkleidete er sich als Frau, und ging zu Frigg nach Fensal. Frigg fragte nun die Asin (also
den verkleideten Loki), was denn die Asen in ihrer letzten Versammlung Wichtiges beschlossen hät-
40ten. Loki antwortete, dass die Asen einen Zauber auf Baldur gelegt hätten, wonach man alles auf
diesen schießen könne, ohne ihn auch nur im Mindesten zu verletzen. Da sagte Frigg, weder Waffen
noch Bäume können Baldur schaden, denn von diesen Dingen allen haben sie Eide genommen. Da
fragte Loki, ob denn wirklich von allen Dingen Eide abgenommen worden wären, um Baldur zu ret-
ten. Darauf antwortete ihm Frigg: Östlich von Walhall wächst eine Staude, Mistilstein genannt, die
schien uns zu jung, um von ihr einen Eid abzunehmen. Darauf ging Loki wieder von Frigg fort, und
wandte sich direkt zu jener Staude, namens Mistilstein, riss diese aus dem Boden; und ging damit
zur Asenversammlung. Am äußersten Rand der Versammlung stand Hödur, denn er war blind. Nun
sprach Loki zu Hödur: Warum schießt denn nicht auch einmal nach Baldur? Dieser antwortete: Das
hat keinen Wert, denn ich sehe Baldur sowieso nicht, und außerdem habe ich auch gar keine Waffe.
Da sagte Loki zu Hödur: Tu doch Baldur den Gefallen, so wie es die anderen Männer ja auch ma-
chen, ich werde dir schon sagen, wohin du zielen musst; als Waffe magst du diesen dünnen Stock
verwenden. Hödur nahm nun den angebotenen Mistezweig, und schoss nach Lokis Anweisungen
auf Baldur. Der Schuss lag sehr gut, und durchbohrte Baldur, so dass dieser schon tot war, bevor er
auf der Erde aufkam; dieses Ereignis war nun aber das größte Unglück, was die Götter und die
Menschen jemals treffen konnte. Wie Baldur nun am Boden lag, da standen die Asen alle sprachlos
um ihn herum, und keiner traute sich, ihn auch nur anzufassen. Sie sahen sich gegenseitig an, und
ihre Wut war auf denjenigen gerichtet, der den tödlichen Pfeil geschossen hatte; zum Glück für Hö-
nir, durfte ihm aber niemand etwas tun, denn man befand sich ja in einer heiligen Freistätte. Als
dann aber wieder etwas Bewegung in die erstarrten Götter kam, konnten sie vor Schmerz lange kei-
ne Worte finden, sondern weinten nur leise vor sich hin. Am meisten traf dieser Verlust aber Odin,
denn, keiner, außer ihm, wusste im Saal, das mit Baldurs Tod der baldige Untergang von Yggdrasil
eingeläutet worden war. Als man sich nun wieder ein wenig gefasst hatte in Asgard, da fragte Frigg,
wer von den Göttern den Mut hätte, um nach Helweg zu reisen, um den Riesen in der Hölle ein Lö -
segeld für die Freigabe von Baldurs Seele zu bieten; sofort meldete sich Hermödhr, Odins Sohn, um
in die Hölle zu den Riesen zu reiten. Man holte also Sleipnir, Odins Pferd, Hermödhr schwang sich
in seinen Sattel, und stob von dannen. Nun erst, nahmen die Asen Baldurs Leiche, und brachten sie
zur See. Hier ankerte Baldurs großes Schiff Hringhorn; auf dieses wollten die Asen Baldurs Körper
bringen, und zusammen mit dem Schiff auf der offenen See verbrennen; sie konnten aber das Schiff
keinen Millimeter von der Stelle bewegen. Deshalb sandten die Asen nun nach Jötunheim, nach ei-
ner Riesenfrau, damit diese das Schiff in die See schiebe. Tatsächlich kam nun auch bald die Rie-
senfrau Hyrrockin auf einem Wolf daher geritten, welcher mit einer Schlange eingezäumt war. Als
diese nun von ihrem großen Wolf gesprungen war, da rief Odin vier Berserker herzu, um diesen
festzuhalten; was sie aber nur schaffen konnten, indem sie ihn umwarfen. Nun trat die Riesenfrau
an das Vorderteil des Schiff heran, und stieß es so heftig ins Wasser, dass das ganze Land erzitterte.
Odin war aber über diese rohe Gewalt so zornig, dass er der Riesin sicherlich ihr Haupt mit seinem
Hammer zertrümmert hätte, wenn sich nicht die anderen Götter für sie verwendet hätten. Nun wur-
de Baldurs Leiche mit dem Schiff auf die See hinaus gebracht werden, seine Frau Nanna aber wur-
de an Land auf einem Scheiterhaufen verbrannt; der Zwerg Lit, der bei dieser heiligen Handlung
achtlos herum rannte, wurde von Thor gleich mit auf den brennenden Scheiterhaufen geworfen. Bei
dieser Leichenverbrennung gab es viele Zuschauer; als erster wäre da natürlich Odin selber zu nen-
nen, weiterhin waren hier aber auch Frigg und die Walküren, wie auch Odins Raben mit zugegen;
ebenso hatten sich hier auch noch Freyr, Heimdall und Freyja mit ihren Katzen eingefunden; an-
sonsten war auch noch eine große Menge Hrimthursen und Bergriesen zugegen. Odin legte nun
auch noch den Ring Draupnir oben auf den Scheiterhaufen; seit diesem Tag tropfen von ihm jede
neunte Nacht, acht weitere gleich schöne Ringe von ihm ab; selbst Baldurs Hengst wurde mit sei-
nem ganzen Geschirr dem Feuer übergeben. Hermodur ritt unterdessen neun Nächte und neun
dunkle Tage durch tiefe Täler; so dass er eigentlich gar nicht sehen konnte, wohin er eigentlich ritt,
bis er dann endlich zum Grenzfluss Giöll kam, und über die Giöllbrücke reiten konnte, welche kom-
plett mit glänzendem Gold belegt war. Diese Brücke wurde damals von der Jungfrau Mödgudr be-
41wacht, sie fragte den Reiter nach seinem Namen, und sagte noch, dass schon gestern fünf Haufen
mit toten Männern über die Brücke geritten wären, und dass, er ja so gar nicht wie ein Toter ausse-
hen würde; weshalb sie nicht verstehen würde, was er ausgerechnet auf diesem Weg zur Hölle wol-
le. Hermodur antwortete ihr, dass er zur Hölle reiten müsse, um die Seele von Baldur wieder frei
kaufen zu können. Und dann fragte er die Jungfrau noch, ob denn auch Baldur schon bei ihr vorbei
gekommen wäre. Da antwortete Mödgudr, dass auch Baldur schon über diese Brücke geritten sei,
und dass, gleich nach der Brücke der Weg direkt in die finstere und kalte Hölle führen würde. Uner-
schrocken ritt nun Hermodur über die Brücke, direkt, bis er vor dem Höllengitter zum Stehen kam;
hier sprang er von seinem Pferd, und zog alle Riemen von dessen Zaumzeug fester an, sprang da-
nach wieder auf Sleipnir, und gab diesem die Sporen. Jetzt setzte der Hengst so heftig über das Git-
ter, dass er es nirgendwo berührte. Dann ritt Hermodur auf die einzige sichtbare Halle zu, stieg vom
Pferd und trat ein. Hier sah er nun seinen Bruder Baldur auf einem Ehrenplatz sitzen, worüber er
sich sehr freute; und sie redeten die ganze Nacht miteinander. Am nächsten Morgen verlangte nun
Hermodur von Hel (vermutlich der Oberteufel), dass Baldur wieder mit ihm nach Hause reiten sol-
le, weil die Asen über dessen Weggang sehr trauern würden. Aber Hel antwortete nur, es müsse sich
erst noch erweisen, ob Baldur von den Asen wirklich so sehr geliebt werden würde, wie es Hermo-
dur behauptete. Und, wenn alle Dinge in der Welt, die toten und die lebendigen, über Baldurs Weg-
gang weinen würden, dann dürfe er wieder zurück nach Asgard gehen, wenn aber auch nur ein ein-
ziges Ding oder ein einziges Wesen nicht über Baldurs Schicksal weinen würde, ja, dann müsse er
für immer in der Hölle bleiben. Da stand Hermodur auf, und nahm von Baldur einige Geschenke
entgegen, unter anderem den Ring Draupnir, den Odin in die Flammen geworfen hatte, und ritt wie-
der nach Asgard zurück; hier berichtete er alles was er in der Hölle gesehen hatte, und auch dass,
was der Teufel für Baldurs Freigabe gefordert hatte. Nun sandten die Asen Boten an jeden Ort der
Welt, und baten jedes Ding und jedes Wesen darum, um Baldur zu weinen. Es weinte nun die ganze
Welt um Baldur, jeder Gott, jedes Wesen, jeder Stein, jede Pflanze, einfach jedes Ding und jedes
Lebewesen. Als die Gesandten dies sahen, meinten sie, ihren Auftrag soweit erfüllt zu haben; sie
fanden nun aber noch eine Höhle, in der ein Riesenweib namens Thöck hauste; die baten sie nun
auch noch, doch bitte um Baldur zu weinen. Die Riesin aber antwortete:
Thöck muß weinen mit trockenen Augen
über Baldurs Ende.
Nicht im Leben noch im Tod hatte ich Nutzen von ihm:
Behalte also die Hölle was sie einmal hat.
Man könnte nun meinen, dass dies Loki war, der hier in der Verkleidung als Riesin Thöck den Asen
soviel Ärger bereitet; so umfangreich die ganze Erzählung auch ist, so fehlt hier z.B. die Rache, die
Wali an Hödur dem eigentlichen Mörder von Baldur nahm; es fehlen auch die Worte, welche Odin
seinem toten Sohn Baldur ins Ohr geraunt hat, als dieser schon im Feuer lag. Das Odin seinem Sohn
noch etwas mit auf dem Weg in die Hölle gab, wissen wir, weil nämlich der allwissende Riese Jötun
mit Odin über verschiedene Dinge gestritten hatte, und sich diesem unterwerfen muss, weil er eine
bestimmte Frage eben nicht beantworten konnte, die da lautete:
Was sagte nun Odin seinem Sohn ins Ohr
als er die Scheitern bestieg?
An genau dieser Frage erkannte der Riese nun aber auch, dass er sich die ganze Zeit mit Odin her-
um gestritten hatte. Was nun Walis Rache an Hödur betrifft, so erfahren wir davonin der Weg-
tamskwida, hier nennt man allerdings Odin Wegtam; was nun beides im eigentlichen Sinn als Wan-
derer aufzufassen ist. Nun aber zur Deutung dieses ganzen Geschehens: in Baldur sah man damals
die Herrschaft des Lichtes zur Mittsommerwende; sein Tod repräsentiert also die Neige des Lichtes
42in der Sommerwende, gerade da, wo die Tage am längsten sind, nun aber wieder kürzer werden,
und das Licht sich wieder zu neigen beginnt. Sein Mörder musste also demzufolge zwangsläufig der
lichtlose, also blinde Hödur (Heljar, Geselle der Hölle) sein, weil er ja das Dunkel des Winters dar-
stellt, dessen Herrschaft sich nun vorbereitet, und zur Julzeit (Weihnachten) vollendet wird; wo
dann aber nach dem kürzesten Tag die Sonne auch wieder neu geboren wird. Auch Hödur ist wahr-
scheinlich ein Sohn von Odin, wofür wir aber in der Edda keinen direkten Beleg finden; in Skalds-
kap. wird er aber Odins Sohn genannt. Zumindest ist er auch nach der Edda ein Ase, und kein Riese,
weil er ja nur das unschädliche Dunkel ist, das sich mit dem Licht auf natürliche Weise immer ab-
wechseln muss. So betrachtet, ist Hödur an diesem Mord rein rechtlich eigentlich unschuldig; denn
Loki hatte ihm ja den tödlichen Speer gegeben, und sein Hand beim Wurf gelenkt. Allerdings sah
man das in der Welt der Asen vollkommen anders, denn hier gab es noch die Blutrache, welche kei-
ne Ausnahme duldete: das vergossene Blut muss unbedingt mit dem Blut des direkten Mörders ge-
rächt werden, und dieser Akt duldet auch keinen Aufschub, es gibt da noch nicht einmal Zeit zur
Beratung, oder um sich die Hände oder die Haare zu waschen und zu kämmen; das Alles kann man
erst tun, wenn man seiner heiligen Pflicht der Rache nachgekommen ist. Deshalb musste Wali den
Tod Baldurs sofort an Hödur rächen; man konnte nicht erst untersuchen, ob vielleicht jemand an-
ders an diesem Mord die Schuld trägt. Da half es auch nichts, dass Wali erst einen Tag alt war, er
bekam schon mal seine erste Aufgabe (also einen unschuldigen Blinden zu töten):
Baldurs Bruder war kaum geboren,
Der Odins Erben einnächtig fällte.
Die Hände nicht wusch er, das Haar nicht kämmt er
Bis zum Holzstoß trug er Baldurs Tödter.
Der eigentliche Mörder war ja nun aber Loki gewesen; er war derjenige, der die Abnahme des Lich-
tes initiiert hatte, indem er den Mistelzweig in Hödurs Hände legte. Baldurs Unverletzlichkeit er-
klärt sich eigentlich schon aus der Natur des Lichtes; die einzige Waffe, die ihm etwas anhaben
konnte, war die Dunkelheit des Winters: Das nun hier gerade von der Mistel kein Eid abgenommen
worden war, könnte daran liegen, dass sie als Schmarotzer niemals ein selbstständiges Leben führte;
und deshalb einfach übersehen worden war. Witziger Weise galt die Mistel bei den germanischen
Völkern, und ganz besonders bei den Kelten als heilige Pflanze. Plinius sagt uns, die keltischen
Druiden hätten gar nichts Heiligeres gekannt, als eine Eiche, auf der eine Mistel wuchs. Dieen
Glauben bestärkte noch, dass die Mistel nur auf Bäumen wuchs, und sich nicht säen ließ. Der Auf-
tritt von Thor bei diesem Ereignis scheint zunächst keine tiefere Bedeutung zu haben, zumal ja ein
solcher Scheiterhaufen nach nordischer Sitte immer von Thors Hammer geweiht werden muss.
Aber, er bedroht mit seinem Hammer auch die Riesin Hyrrockin, welche das Schiff nach seiner An-
sicht zu heftig in den See stößt; das könnte man nun seiner allgemeinen Abneigung gegen die Rie-
sen zuschreiben, weil er diese schon immer als zerstörerische und verderbliche Naturgewalten be-
trachtete. Diese Riesin könnte hier den sengenden Sonnenbrand darstellen, der oft nach der Som-
mersonnenwendeübers Land fegt, und ihr Name Hyrrockin (die Feuerberauchte) würde ebenfalls
für eine solche Deutung sprechen. Das Schiff Hringhorn kann hier eigentlich nur die Sonne selber
sein, oder eben auch die Bahn des Lichtes, das inzwischen seinen Höhepunkt erreicht hat, und nach
einer kurzen Ruhepause, mit einem gewaltigen Ruck (durch die Riesin), seinen Weg in die Versen-
kung nimmt.
So fährt nun Hringhorni,
flammend in Sonnenglut dahin;
aber es trägt nur noch
43die Leiche seines Gottes dahin.
Hier bricht auch Baldurs Gattin, Neps Tochter Nanna das Herz, und man kann sie jetzt auch nur
noch mit auf den Scheiterhaufen legen, um sie zu verbrennen. Man könnte in ihr die Blumenblüten
sehen, welche mit der Abnahme des Lichtes dahinwelken. Wir hören hier auch noch von dem Zwerg
Lit, der vor Thors Füßen herum läuft, und den er dann auch noch missmutig auf den Scheiterhaufen
wirft. Hier meint der Mythos wahrscheinlich die bunten Farben (Litr) des Frühsommers, die mit
dem Licht natürlich auch vergehen müssen. Die ganze Natur klagt hier über Baldurs Tod, weil sie ja
unbedingt dessen Licht benötigt, und die Anwesenheit der Hrimthursen und Bergriesen zeigt uns,
dass auch diese eigentlich lichtscheuen Gestalten das belebende Sommerlicht nicht ganz vermissen
möchten. Nun wissen wir auch, wo die alte deutsche Redensart: „Da müsste sich sogar ein Stein er-
barmen!“ eigentlich herkommt. In Thöck, die Baldur nicht aus der Hölle zurück weinen wollte, fin-
den wir nun allerdings die kalte und herzlose Selbstsucht, die niemals jemandem helfen würde,
wenn sie nicht auch selber einen Nutzen davon hätte; denn in die dunkle Höhle der Riesin Thöck
dringt sowieso niemals ein Lichtstrahl ein, also hat sie selber auch gar nichts von Baldurs Befrei-
ung; ihr Name wurde uns aber sicherlich nicht richtig überliefert, denn er sollte besser Döck heißen,
für das vom Licht unerhellte Dunkel. Die ganze Welt klagte also um Baldurs Tod, nur die böse Ei-
gensucht konnte das eben nicht erweichen. Der Ring Draubnir, den Odin mit auf den Scheiterhaufen
legte, und den ihm Baldur zum Andenken aus der Hölle zurück sandte, bekam nun die in seinem
Namen liegende Eigenschaft, das jede neunte Nacht acht weiter identische Kopien von ihm abfie-
len; das soll hier vermutlich ganz allgemein auf den Segen durch die Fruchtbarkeit und Vermehrung
hinweisen; man hat aber diesen Ring auch schon auf die Mondphasen bezogen, und die elf goldenen
Äpfel der Göttin Idun dementsprechend auf die elf Monatssonnen gelegt. Baldur ging nun zur Höl-
le, und kehrte nie wieder zurück; er würde erst wieder in einer erneuerten Welt erscheinen dürfen.
Der Winter, der durch Baldurs Tod herbei geführt wurde, war also kein normaler Winter; es war der
sogenannte Fimbulwinter, auf den kein Sommer mehr folgte; sondern, nun folgte der Untergang der
alten Welt. Die alten Götter hatten nun ihre Unschuld verloren; und, die kläglichen Reste davon,
hatte der unschuldige Baldur mit sich in die Hölle genommen; denn er konnte bei diesen sündigen
Göttern nicht mehr länger bleiben. Loki hatte mit seinem Brudermord der Hölle die Türen nach
Walhalla geöffnet, es war einfach die Spitze des sittlichen Verderbens in dieser Götterwelt gewesen;
hier gab es kein Zurück mehr; nun folgte der Kampf Jeder gegen Jeden, es folgte die Wolfszeit, in
die die Welt nun zwangsläufig stürzen musste. Hier endet also die mythische Welt der alten germa-
nischen Götter.


LG Arndt

Antennenschreck
31.08.2019, 13:59
Hallöle,

Hier nun einmal der Glauben der Deutschen aus Sicht der Römer:

Die Götter der alten Deutschen

Die alten Deutschen verehrten zu Cäsars Zeiten, also ein halbes Jahrhundert vor unserer Zeitrech-
nung, scheinbar keine anderen Gottheiten mehr, als die Sonne, den Mond und das Feuer, welche
ihnen Wärme und Licht verschafften, ihnen also fühlbare große Wohltaten erwiesen. Die germani-
schen Priester waren keine gelehrten Druiden, so wie bei den Kelten, welche sie, da sie dem Opfern
noch wenig Wert beilegten, auch gut entbehren konnten. Doch opferten sie zuweilen Menschen,
welche der Krieg in ihre Hände geliefert hatte. Ihre Weiber waren auch gleichzeitig ihre wichtigsten
Wahrsagerinnen. Aber schon einhundertfünfzig Jahre später, also zu Tacitus Zeiten, hatte sich
scheinbar der Begriff der Deutschen von den Gottheiten schon sehr vervielfältigt, oder sie waren
eben den Römern inzwischen nur bekannter geworden. Diese sahen nun, dass die Deutschen auch
die Erde, als die Stammmutter des gesamten Menschengeschlechtes, und den Thuist als den Ur-
heber ihrer eigenen Nation verehrten. Die Römer, welche zwischen diesen Gegenständen der deut-
schen Verehrung und ihren eigenen Gottheiten einige Ähnlichkeit fanden, legten ihnen ohne Be-
denken die (römischen) Namen derselben bei. Sie glaubten unter einer Gottheit, welcher die Sem-
nonen an gewissen Tagen Menschenopfer brachten, den Merkur zu erkennen. Bei anderen schlos-
sen sie von der Art der Tiere, die man denselben opferte, darauf, dass sie wohl den Mars und den
Herkules darstellen müssten. Auf eine ähnliche Art entstand ihre Einbildung, dass die Sueven die
Isis, die Lygier den Castor und den Pollux verehrten. Nur die geschäftige Phantasie der Römer war
es also wohl, welche die deutschen Haine mit einer Menge von neuen Göttern bevölkerte. Dunkle
und ehrwürdige Wälder schienen den alten Deutschen der anständigste Aufenthaltsort für ihre Göt-
ter zu sein. Nicht, dass sie, wie Tacitus uns versichert, die Götter wegen ihre schieren Größe, der
Einschließung durch Wände für ungeeignet gehalten hätten; sondern, weil sie, bei ihrer gänzlichen
Ahnungslosigkeit von der edlen Baukunst der Römer, sich eben nur Haine als einen der Gottesver-
ehrung angemessenen Ort sich vorstellen konnten. Die Bildnisse, denen die Römer den Namen ihrer
Götter beilegten, waren aber eigentlich nur Symbole für dieselben. Opfer kamen auch nur bei be-
stimmten dem ganzen Volke feierlichen Anlässen vor. Da der Götterdienst der alten Deutschen
überhaupt recht einfach und ungekünstelt war, so bedurften sie auch keiner Scharen von Priestern;
ein einziger alter ehrwürdiger Mann war imstande, den Gottesdienst eines ganzen Volkes zu besor-
gen. Für die besten Vertrauten ihrer Gottheiten hielten die alten Deutschen ihre eigenen Weiber, de-
nen sie deshalb eine Art von Heiligkeit und die Gnade der Weissagung beilegten. Diese zogen sie,
gleich einem Orakel, bei ihren wichtigsten Angelegenheiten zu Rate, und die Aussprüche eines Wei-
bes hatten auf einen Kriegsverlauf nicht selten den allergrößten Einfluss. In älteren Zeiten stand be-
sonders eine gewisse Aurinia in großem Rufe. Die alten Deutschen setzten auf Vorhersagung und
Losung überhaupt einen großen Wert. Sie bedienten sich unter anderem folgender Art der Vorhersa-
gung: sie schnitten den Zweig eines Fruchttragenden Baumes in kleine Stückchen, die sie dann
durch bestimmte Kennzeichen markierten, welche sie dann auf ein weißes Gewand ausstreuten.
Hierauf blickte der Fragende in den Himmel, und hob, ohne hinzusehen, dreimal ein jedes Stück
nacheinander auf. So wie er sie aufhob, so erklärte er nacheinander die Zeichen auf den Stöcken.
Bei unklaren Entscheidungen, zog man auch das Wiehern der Pferde oder den Flug und das Ge-
schrei der Vögel zu Rate. Einige ihrer heiligen Pferde, weiß von der Farbe und zu keinem anderen
Dienst entweiht, lebten auf Kosten des Volkes in den heiligen Hainen, und warteten darauf, dass der
Priester sie an seinen heiligen Wagen anspannt, um dem Gespann dann ehrerbietig nachzufolgen,
und auf ihr Wiehern genauestens zu achten. Das war die wichtigste Art der Wahrsagerei, und der
Priester sah sich dabei bloß als Diener, die Pferde aber als Vertraute der Gottheit an. Es gab aber
noch ein weiteres Mittel, um den Ausgang eines gefährlichen Krieges schon vorher zu erfahren. Ein
Gefangener des gegnerischen Volkes musste gegen einen Krieger vom eigenen Stamm kämpfen,
und der Sieg des einen oder anderen Kämpfers entschied auch über die Zukunft im kommenden
Krieg.

Die Göttin Hertha

Alle diese Völkerschaften verehrten Hertha (gemeint ist vermutlich unsere Erde) als ihre Stamm-
mutter, die, wie sie glaubten, die Schicksale der Menschen nach ihrem Willen verhängen könnte.
Ein Symbol für dieselbe, ein verhüllter Wagen, stand in einem, auf einer Insel in der Ostsee liegen-
dem heiligen Wald. Diesen heiligen Wagen durfte niemand berühren, außer dem Priester. Nur die-
sem war die Anwesenheit der Göttin bekannt. Er spannte immer wieder einmal einige heilige Kühe
vor den Wagen, und folgte mit Ehrfurcht dem Wagen nach; das Alles diente der reinen Freude und
Liebe. An allen Orten, welche die Göttin mit ihrer Gegenwart beehrte (durch die der Wagen kam),
wurden große Freudenfeste gefeiert. Wenn irgendwo Kämpfe stattfanden, so wurden diese augen-
blicklich beendet, ja, man versteckte sogar die Waffen; und die Ruhe und der Frieden herrschten
wenigstens so lange, bis der Priester die Göttin (den heiligen Wagen) in ihren heiligen Wald zurück
brachte. Nun wurde nicht nur der Wagen und dessen Hülle, sondern, wie man versicherte, auch die
Göttin selber, in einem heiligen See gereinigt. Diese Arbeit verrichteten die Knechte des Priesters,
welche danach vom heiligen See verschlungen wurden; das alles verbreitete natürlich Furcht und
Schrecken unter den einfachen Leuten.

Rahmenbauer14, + 1.11.2021
31.08.2019, 19:38
Guten Abend Arndt,

in dem Absatz "Die Göttin Hertha" ist wohl der Hertha-See auf Rügen(Halbinsel Jasmund) gemeint.
Schön gelegen in einem Buchenwald. In der der Nähe des "Königsstuhls".

Ein schönes Wochenende wünscht
Rainer

Antennenschreck
31.08.2019, 20:37
Hallöle

Das kann gut sein Rainer.

Auch noch einen schönen Abend