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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wie kam Johann Heinrich v. Podewils an den Titel?



Iris Freundorfer
11.11.2018, 22:57
Hallo zusammen,

mein Ur-urgroßvater wurde am 17.08.1814 in Lippusch als Johann Heinrich Podwels als Sohn eines Leinewebers geboren. Er heiratete am 4.5.1837 in Neu-Barkoschin Florentine Schröder. Da war er von Beruf Schneider. Das Paar bekam (mindestens) vier Kinder, die alle starben. Als der Sohn Alosius am 25.6.1850 geboren wurde (in Czeszenia?, Kreis Karthaus, Taufe in ev. Kirche Rheinfeld) war der Vater Käthner. Dieser Sohn starb am 16.11.1861 in Röskau (KB Mirchau). Zu diesem Zeitpunkt war der Johann Heinrich Kreiskassen-Exekutor und hieß Johann Heinrich von Podewils. Podewils wurde er schon vorher genannt, aber ohne "von". Offenbar hat er zwischen 1850 und 1861 den Beruf gewechselt und einen Titel bekommen. Berufsbezeichung und Titel sind ab 1861 immer gleich, bzw. in der Sterbeurkunde wird sein Name mit Heinrich v. Podewils angegeben, Beruf Vollziehungsbeamter. (Er war 3x verheiratet.)
Hat jemand eine Idee, wie und aus welchem Grund er an den Titel gekommen ist?

Im Voraus vielen Dank und viele Grüße
Iris

love danzig
12.11.2018, 09:18
Hallo Iris,
die von Podewils waren in Ostpreusen und später auch in Westpreussen anzutreffen. Ich denke deine Podewils waren mit dieser Familie verwandt , und konnten so auch in den Adels-Stand beitreten -Siehe Google--Westpreußen von Podewils.
Grüße Roman

Daniel Hebron
25.11.2018, 22:02
Hallo Iris,
es gibt da m.E. verschiedene Möglichkeiten:
1. Es handelt sich um zwei verschiedene Personen.
2. Der Adel war "verdunkelt" bzw. wurde - aus welchen Gründen auch immer - nicht getragen. (entsprechende Regeln im "Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten). Da wären zunächst einmal der Traubuchauszug der Eltern und der Taufbuchauszug des Vaters, des Leinewebers, interessant anzuschauen.
3. Der Adel wurde ihm - aus welchen Gründen auch immer - zuerkannt. Dann ist mit Sicherheit eine entsprechende Akte oder eine Aktennotiz in der Akte der Familie v. Podewils im Geheimen Staatsarchiv Abt. Heroldsamt in Berlin vorhanden.

Hoffe, das hilft.

Gruß
Daniel

Iris Freundorfer
25.11.2018, 23:27
Hallo zusammen,
danke für die Antworten.

Die von Podewils "alten Adels" sind mir auch bekannt, Roman. Eine Verbindung zu diesen konnte ich aber nicht entdecken.

@ Daniel
Die erste Möglichkeit scheidet aus. Es handelt sich sicher nicht um zwei verschiedene Personen. Belegt ist dies definitiv durch die Tauf- und Sterbeeinträge des Sohnes Alosius. In beiden Einträgen steht der Name des Vaters, bei der Taufe ohne Titel, beim Tod mit Titel. Bei allen anderen Einträgen vor der Taufe des Alosius ebenfalls ohne Titel, bei allen anderen Einträgen danach mit Titel. Die Namen beider Eltern des Johann Heinrich v. Podewils stehen im Traueintrag bei seiner 2. Ehe. Ich habe auch seine Taufe, die seiner Brüder sowie die Trauung der Eltern. Der Vater war definitiv Leineweber in Lippusch. Sehr wahrscheinlich stammt er aus Schöneck. Wenn diese Vermutung stimmt, kann ich die Familie bis etwa 1735 zurückverfolgen, alles Leineweber, der 5x Urgroßvater war zudem Oberkirchenvorsteher und Bürgermeister. Aber alle ohne Titel.

Die beiden anderen Möglichkeiten sind interessant. Wo findet man denn das "Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten"? Kann man beim Geheimen Staatsarchiv in Berlin eine schriftliche Anfrage stellen? Oder muss man vor Ort selbst recherchieren?

Nochmals danke und viele Grüße
Iris

Daniel Hebron
26.11.2018, 13:35
Hallo Iris,

das "Allgemeine Landrecht für die Preuß. Staaten" dürfte in jeder größeren Bibliothek zu haben sein. Am Besten ist es m.E. natürlich, beim GStA vor Ort selbst zu recherchieren. Wenn ich es selbst zu tun hätte, würde ich damit anfangen, in einer größeren Bibliothek im "Gotha" oder dem "Genealogischen Handbuch des Adels" den oder die Artikel betreffend der Familie v. Podewils durchzulesen und zu schauen, ob der Namensträger darin verzeichnet ist. Bei dieser Fragestellung könnte vielleicht auch das "Deutsche Adelsarchiv" in Marburg weiterhelfen.

Gruß
Daniel

Iris Freundorfer
26.11.2018, 14:20
Hallo Daniel,

vielen Dank für die Antwort. Ich habe heute eine E-Mail-Anfrage beim GStA gestellt. Mal abwarten, was passiert. Dann werde ich weitersehen. Berlin ist von hier aus betrachtet weit entfernt.

Viele Grüße
Iris

Iris Freundorfer
26.11.2018, 15:20
Hallo zusammen,

bei einer Suche nach dem Begriff "Verdunkelter Adel" habe ich http://www.adelsrecht.de/Lexikon/lexikon.html etwas Interessantes gefunden:

"in Preußen (II. 9. § 81 PrALR) durch Adelsverschweigung: “Viele Städte oder Zünfte z.B. lehnten eine Aufnahme von Adeligen prinzipiell ab oder forderten vor einer Aufnahme bzw. vor Erteilung des Stadtbürgerrechts die Niederlegung des Adels“ (Dewitz);"
sowie das: "Im gemeinen Recht war mit der Ausübung niederer Gewerbe der Verlust des Adels verbunden. Eine letzte Reminiszenz an diese Regel enthielt § 21 des bayerischen Adelsediktes von 1818, wonach “der Gebrauch des Adelstitels durch die Übernahme niederer, bloß in Handarbeit bestehender Lohndienste, durch die Ausübung eines Gewerbes bei offenem Kram und Laden, oder eines eigentlichen Handwerkes” suspendiert wurde.
Ratio der Regelung war nach Seydel, daß rein körperliche Arbeit, persönliche Bedienung oder unmittelbarer Verkehr mit dem Publikum der “Würde” des Adels nicht entspreche. Wesentlich war die Art der Ausübung der beruflichen Tätigkeit. Die Suspension galt nur für die Dauer der entsprechenden Tätigkeit und erstreckte sich nicht auf die Kinder, “welche sich nicht im gleichen Fall befinden”."

Möglicherweise war die Tätigkeit als Leineweber/Schneider/Käthner nicht mit dem Tragen des Titels vereinbar. Durch den Wechsel in den Beruf des Kreiskassen-Exekutors (=Vollziehungsbeamter bzw. "Steuereintreiber") ging es dann wieder. So meine mögliche Erklärung.

Könnte ja auch irgendwann für andere von Interesse sein.

Viele Grüße
Iris

love danzig
26.11.2018, 16:54
Hallo Iris,
das gleiche Galt auch für den polnischen Adel, sie durften nur ihren Hof oder ihr Gut bearbeiten und keine andere Arbeit verrichten.
Bei Angestellten im Staatsdienst durfte der Adelstitel behalten werden. So konnte also auch ein Königlicher Tellerwäscher ein Adelstitel tragen (Polen). Handwerksberufe waren damals für den Adel nicht gedacht. Aber ein Vollziehungsbeamter im Staatsdienst war dazu wohl berechtigt.

Gruß Roman

MueGlo
27.11.2018, 08:58
Moin,

ein "von" bzw. "van" ist nicht immer ein Titel / Adelstitel sondern kann auch Namensbestandteil sein, der auf einen ursprünglichen Herkunftsort verweist. Bis heute gibt es etliche von / van XYZ in Nordwestdeutschland und Holland, die mit Adel nichts zu tun haben. Derartige von / van tauchen dann auch im Werder auf. Bei einigen bleibt das "von" erhalten, bei anderen verschwindet es sukzessive ... der erste Sohn erscheint im KB mit von, der zweite ohne, der dritte mit, usw., je nach Gusto des Pfarrers ...

Eine weitere Alternative: Er war 1860 im Krieg und hat das "von" als Belohnung erhalten ... ein Schneider avanciert jedoch gemeinhin nicht zum Offizier ...

Und noch eine Alternative: Er hat sich das "von" aufgrund des Adelsgeschlechtes "von Podewils" selber angeklebt mittels einer behaupteten Verbindung zu diesem ... gibt es denn Belege dafür, dass er als Adeliger auftrat?

Frohes Nüsseknacken!

Beste Grüße aus Rabat, Rainer MueGlo

Iris Freundorfer
27.11.2018, 12:12
Hallo Rainer und andere,

die erste Möglichkeit kommt, glaube ich, nicht in Frage. Vor 1861 taucht das "von" nie auf, ab 1861 dagegen immer, auch bei den Einträgen seiner Kinder.

An die dritte Möglichkeit habe ich auch schon gedacht. Wäre denn so etwas möglich gewesen, ohne dass irgendjemand das geprüft bzw. interveniert hätte? Seine Wohnorte im Jahr 1850 und im Jahr 1861 lagen nicht weit voneinander entfernt. Das dürfte doch auch anderen aufgefallen sein, dass er eines Tages ein "von" vor seinem Namen hatte. Hätte das niemand hinterfragt? Oder bei seinen Kindern, von denen mind. zwei heirateten und Kinder bekamen? Ob er als Adeliger aufgetreten ist, weiß ich nicht. Außer KB-Einträgen und Standesamtsurkunden habe ich keine weiteren Belege. Nur noch die mündliche Überlieferung, dass meine Urgroßmutter eine v. Podewils war.

Viele Grüße
Iris

love danzig
27.11.2018, 16:36
Hallo Iris,
ich denke das ich dein Problem erkannt ,aber nicht gelöst habe.
Vielleicht war der Priester auch polnisch sprechend und hat sich vertan.

Auf Altpolnisch heißt Käthner-Komornik
Auf Neupolnisch heißt Komornik -Gerichtsvollzieher.
Wenn der Pfarrer sich nicht viel mühe gemacht hat und es alles so übernommen wurde , ging es wohl auch in anderen Akten nieder. In Polen war ein Gerichtsvollzieher fast immer Nobilis.
Also ein Käthner war ein Arbeiter aber später ein Gerichtsvollzieher--aber nur auf den Papier.
Grüße Roman

Iris Freundorfer
27.11.2018, 19:24
Hallo Roman und andere,

danke für deine Mühe, aber ich denke nicht, dass es so gewesen ist.
Meine Podewils waren evangelisch und die Kirchenbücher wurden in deutscher Sprache geführt. Der Beruf des Johann Heinrich von Podewils wird bei seiner Trauung sowie bei den Taufen seiner Kinder als Kreiskassen-Exekutor angegeben. Dieser Beruf wird auch vom Standesbeamten bei der Trauung der Tochter eingetragen. In seiner Sterbeurkunde wird als Beruf "pensionierter Vollziehungsbeamter" angegeben. Die Standesbeamten eines anderen Ortes werden kaum die Kirchenbücher zu Rate gezogen haben. Der Mann hat von Berufs wegen säumigen Steuerzahlern auf die Füße getreten. Warum sollte das jemand erfinden? Dann dürften wir keiner Eintragung in Kirchenbüchern bzw. Personenstandsurkunden trauen und müssten alles als Makulatur betrachten. Wann genau und aus welchem Grund er den Beruf angenommen hat, ist ungewiss. Dass er ihn ausgeübt hat, ist es meiner Meinung nach nicht.

Noch eine Ergänzung: Der Großvater mütterlicherseits des Johann Heinrich v. Podewils hatte einen ähnlichen Beruf. Der war königl. Officiant u. Accise-Aufseher, also ebenfalls Steuerbeamter, -aufseher. Letzterer war bei der Geburt des Johann Heinrich bereits verstorben, aber wer weiß, wie die weitläufigeren Familienbande waren? Die Witwe des Officianten hat in 2. Ehe übrigens einen "Chirurgus" geheiratet.

Viele Grüße
Iris