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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Danzig Langfuhr 1945



MrMusical
17.11.2019, 23:44
Liebes Forum,
Meine Familie hat bis 1945 in Danzig Langfuhr gelebt. Im März 1945 ist ein Teil meiner Familie mit dem Schiff aus Danzig nach Lübeck geflohen. Der andere Teil blieb- vermutlich bis nach Kriegsende. Erst im August 1945 traf sich die Familie in Sachsen wieder.
Nun meine Frage: hat jemand noch Erinnerungen an die letzten Kriegsmonate und die Zeit danach in Danzig Langfuhr? Was geschah mit den ehemaligen deutschen Behörden, vor allem der Stapo Leitstelle, und ihren Mitarbeitern? Wurden nach diesen durch die Russen gefahndet? Wie konnte man nach Besetzung durch die Russen noch aus Danzig fliehen oder nach Kriegsende ausreisen? Wurden 1945 grundsätzlich 17-18 jährige Jungen für die Verteidigung der Stadt eingezogen?
Ich würde mich über Erinnerungen freuen, um das Schicksal meiner Familie besser verstehen zu können.

Lg Marcus

Belcanto
18.11.2019, 09:10
Wir sind auch von Langfuhr weg. Allerdings erst später, weil meine Mutter noch schwanger war und mein kleiner Bruder im Juni 1945 geboren wurde. Man gab uns noch 14 Tage Schonzeit, dann mussten wir auch unsere Heimat verlassen. Habe heute wenig Zeit.

sarpei
18.11.2019, 09:41
Hallo Marcus,

im Buch 'Unvergänglicher Schmerz' von Peter Poralla finden sich mindestens fünf Berichte von 'Betroffenen' aus Langfuhr. Allerdings nicht unbedingt ein Lesestoff für dunkle Winterabende ... .


Viele Grüße

Peter

Belcanto
18.11.2019, 11:02
Auch ich habe meine schlimmen Erlebnisse, die ich als Kind durchlebte und die schrecklichen Ereignisse, die uns wiederfuhren, und die ich aus Nacherzählungen kannte, aufgeschrieben und im Buch "Das Grab unter dem Kirschbaum" bei Amazon unter Joachim Schroetter veröffentlicht.

MrMusical
18.11.2019, 12:22
Wir sind auch von Langfuhr weg. Allerdings erst später, weil meine Mutter noch schwanger war und mein kleiner Bruder im Juni 1945 geboren wurde. Man gab uns noch 14 Tage Schonzeit, dann mussten wir auch unsere Heimat verlassen. Habe heute wenig Zeit.


Lieber Peter,
Heißt das, die Deutschen wurden vertrieben? Auf welchem Wege?

MrMusical
18.11.2019, 12:23
Liebe Grüße, Marcus

MrMusical
29.11.2019, 08:00
Hallo zusammen,
Wie realistisch ist es eurer Meinung nach, dass man als Deutscher in Langfuhr bis Juli 1945 unbehelligt in seiner Wohnung normal weiterwohnen konnte? Ich versuche, die Lebensumstände meiner Familie zwischen März und Augudt 1945 zu rekonstruieren.

Lg Marcus

Belcanto
29.11.2019, 13:47
Uns ist es genau so gegangen. Eigentlich wollten wir am 31.Januar mit der Wilhelm Gustloff Danzig verlassen. Da meine Mutter aber schwanger war, wäre sie von uns getrennt worden und wäre auf eine Sanitätsschiff gekommen. Wir gingen zurück. Das Kind kam im Juli 1945 zur Welt. Nur weil meine Mutter schwanger war, durften wir so lange bleiben, bis der Kind geboren war. Danach blieb uns noch 14 Tage Zeit. Nachdem das Kind geboren und gleich gestorben war, verging in dieser Zeit kein Tag, wo die Polen unsere Wohnung beschlagnahmen wollten. Die meisten Wohnungen waren im Juli schon verlassen. Unsere Nachbarin konnte dort bleiben, weil sie einen polnischen Freund hatte.

MrMusical
29.11.2019, 22:35
Hallo Peter,
Interessant- mein Vater ist im März mit dem Schiff von Danzig nach Lübeck. Ich weiß nur nicht, welches Schiff es war. Er erinnert sich aber, dass das Schiff überladen war und ein zweites auf See Passagiere abnehmen musste. Hat hier jemand mal davon gehört?

Dann ist es also unwahrscheinlich, dass ein Deutscher alleinstehend noch bis juli in seiner Wohnung in Langfuhr gelebt hat? Wie ist man damals denn über Land geflüchtet? Mit der Bahn?

love danzig
29.11.2019, 23:23
Hallo Marco,
das Passt gut zu deiner Frage.
Gruß Romanhttp://doku.zentrum-gegen-vertreibung.de/archiv/oderneisse1/kapitel-4-1-4-2-3.htm

love danzig
29.11.2019, 23:23
http://doku.zentrum-gegen-vertreibung.de/archiv/oderneisse1/kapitel-4-1-4-2-3.htm

Beate
29.11.2019, 23:25
Guten Abend, Markus,

ich weiß von einer Schwester meiner Oma, dass sie im Mai 1946 (sie wollte ursprünglich beim Vater in Zoppot bleiben nach dem Krieg) mit einem Schiff nach Dänemark fuhr, am 30.5. in Ahrensbök ankam...Sie konnte polnisch und deutsch, der Vater hatte den polnischen Namen immer behalten.
Warum, wieso, weshalb sie dann doch in den Westen kam- ich weiß es nicht...

Schöne Grüße, Beate

Langfuhr43
02.12.2019, 14:04
Hallo Markus,
Meine Familie Kreft wohnte in Danzig Langfuhr, Im Grünen Dreieck 32.
Meine Oma Johanna Kreft ist am 9.03.1945 von dort weggegangen.
Sie kam in Frederikshavn in Dänemark an und war dort mehrere Monate im Lager.
Sie hatte meiner Mutter am 4.01.1946 einen Brief aus dem Lager geschrieben, der am 19.02.1946 in Westfalen angekommen war.
Schöne Grüße von Gisela, geb. 1943 in Danzig-Langfuhr

love danzig
02.12.2019, 15:12
Hallo Gisela
In Danzig wohnen aber noch einige Familien mit den Namen Kreft.
Auch in Langfuhr.
Grüße Roman

Belcanto
02.12.2019, 17:07
#9: es gab keine Bahn es war alles zerstört. Wie heißt dein Vater es gibt Passierlisten.

Felicity
03.12.2019, 06:26
So ist es, meine zwei Schestern kamen in 1949 auf der Fairsea nach Australien, beide , Galina und auch Eugenia Wlasiuk sind auf der Passagier Liste und ich kam auf dem Troop Transport General Haan in 1949 hierher und auch mein Name, Felizitas Wlasiuk ist auf der Passagier Liste. Liebe Gruesse von der Feli.

Langfuhr43
03.12.2019, 13:27
Meine Oma hieß Johanna Kreft, geb. Ziemer, geb. am 24.06. 1895. Sie ist von Langfuhr am 9.03.1945 geflüchtet.
Ich vermute mal, dass sie mit einem Schiff nach Dänemark kam.

Meine Mutter war eine geborene Kreft.
Sie ist mit mir von Riesenburg aus geflüchtet. Mein Vater war in Riesenburg stationiert.

Fischersjung
03.12.2019, 16:53
Hallo Roman,
danke für den Link in #12, obwohl es nur ein sehr kleiner Ausschnitt ist.

Ich stelle den kompletten Link hier nochmal, nicht nur mit diesem Teil, ein.

http://doku.zentrum-gegen-vertreibung.de/archiv/oderneisse1/inhalt.htm#41423

Langfuhr43
03.12.2019, 18:55
Berichtigung

Im Grünen Dreieck 35 in Danzig Langfuhr

Danke Joachim

MrMusical
03.12.2019, 22:56
Hallo,
eher meine Oma, die war ja erwachsen: Emma Seifert. Wo kann man die Passagierlisten denn finden?

Lg Marcus

MrMusical
03.12.2019, 22:57
Hallo,
eher meine Oma, die war ja erwachsen: Emma Seifert. Wo kann man die Passagierlisten denn finden?

Lg Marcus

Bezieht sich auf #15
Ich muss das noch etwas üben, sorry.

MrMusical
03.12.2019, 23:01
Ich habe nun schon von vielen gelesen, dass sie Mit dem Schiff nach Dänemark gekommen sind. Kennt jemand Schiffe, die nach Lübeck gefahren sind?

Dann ist die Flucht nach Kriegsende auf dem Landweg offenbar nicht per Bahn sondern individuell erfolgt. Meine Oma hat Danzig im März (vermutlich 11.3.) per Schiff verlassen, mein Opa ist erst im August nachgekommen. Ich frage mich, was er die ganze Zeit noch gemacht hat. Die Wohnung ist sicher sehr bald konfisziert worden.

sarpei
04.12.2019, 08:30
Hallo Marcus,

würdest du uns auch den Vornamen deines Großvaters nennen? Dann könnte eine Suche zielgerichteter erfolgen.


Viele Grüße

Peter

Belcanto
04.12.2019, 09:14
Hallo Langfuhr43 der Name Kreft taucht auf irgendwo in unsere Familienchronik auf.

MrMusical
05.12.2019, 20:22
Hallo Peter, mein Opa hieß Otto Seifert

Lavendelgirl
05.12.2019, 22:19
Hallo zusammen,

laut Adressbuch Danzig von 1942 war ein Otto SEIFERT im Kleinhammerweg 35, Langfuhr, wohnhaft.
Regierungsobersekretär von Beruf

Lavendelgirl
05.12.2019, 22:30
Hallo zusammen,

kein Eintrag in der HOK (Heimatortskartei Danzig) für die genannte Adresse

Lavendelgirl
05.12.2019, 22:42
Hallo zusammen,

entnommen aus dem Forum der Wehrmacht:

mein Opa war in Danzig bei der Stapo Leitstelle seit 1940/1941 als Referatsleiter für den Aufbau des Erkennungsdienstes verantwortlich und hat dort dann auch die Referate II C (Reaktion und Opposition), II H (Parteiangelenheiten und Gliederungen) und II P (Presse) geleitet. Zuvor war er nach Berlin abgeordnet und hat dort den Erkennungsdienst der Stapo Leitstelle Berlin aufgebaut. Sein Name ist Otto Seifert.

Mein Opa war in der Tat seit 1921 im Polizeidienst in Danzig (Kripo)- und hat sich (da Danzig danach dem Völkerbund unterstellt wurde) 1936 beworben, um in den preußischen Staatsdienst übernommen zu werden. Dort wurde er der Gestapo zugeteilt.
Kriminalinspektor ist richtig, so steht es auch in seiner Dienstakte.
War eine gleichzeitige Mitgliedschaft in der SS üblich oder eher ungewöhnlich?
Ich frage mich, mit welchen Aufgaben die genannten Referate in Danzig betraut waren- wisst ihr darüber etwas? Und was hat sie stapo Leitstelle Danzig zwischen März 1945 und August 1945 gemacht- in der Zeit war mein Opa offenbar noch in Danzig.

@Mr.Musical

Wenn dir hier geholfen werden soll, solltest du sämtliche bekannte Daten auch nennen.
Wie hieß seine Frau mit Geburtsnamen?
Wo und wann wurde Otto SEIFERT geboren?

sarpei
05.12.2019, 23:27
... aha, also doch ...

Dieter Schenk schreibt in seinem Buch "Danzig 1930-1945 - Das Ende einer Freien Stadt" auf Seite 166:

"Die Auflösung der Danziger Sicherheitspolizei fand in verschiedenen Etappen statt. Sogenannte Geheimnisträger wurden Anfang Februar 1945 in Neufahrwasser eingeschifft und in das nicht besetzte Reich verlegt. ...
Ab Anfang März wurden die Gestapo-Beamten in ihrem Dienstgebäude kaserniert, die Führungsriege im Raum Danzig disloziert. ...
... Gruppe, die am 22. März auf dem Seeweg nach Kopenhagen gelangte. Dort erhielten die Beamten den Auftrag, sich im Reich bei bestimmten Polizeidienststellen zu melden. ...
Die Danziger Geheime Staatspolizei und die Kriminalpolizei lösten sich endgültig am 28. März 1945 auf. Die noch in Danzig verbliebenen Angehörigen der Dienststelle wurden über die Halbinsel Hela auf dem Seeweg nach Swinemünde evakuiert und zunächst in einem Lager in Lübeck untergebracht und dann nach Flensburg kommandiert. In Flensburg fand die Entlassung der der Danziger Polizeiangehörigen statt. Im Polizeipräsidium wurden auf Wunsch Personalausweise mit einem falschen Namen ausgestellt."


Viele Grüße

Peter

MrMusical
06.12.2019, 06:14
Mensch Peter, klasse! Vielen Dank für die Information und deine Quellenangabe! Sehr interessant. Das Buch werde ich mir besorgen!
Liebe Grüße, Marcus

MrMusical
06.12.2019, 06:56
Hallo Frank,
Vielen Dank, dass du dir die Mühe gemacht hast zu gucken. Die Adresse stimmt. Das von dir genannte Heimatsortkartei kenne ich nicht-welche Bewandtnis hat es damit?

Lg Marcus

Fischersjung
06.12.2019, 07:55
Hallo, guten Morgen
Ich bin sprachlos über die Krümeltaktik, fühle mich von manchen, auch Suchanfragen, sowie anschließendem Versteckspiel veralbert.
So deutlich, sorry, musste ich es sagen. Kann ja entfernt werden.

Weiterhin einen schönen Tag

MrMusical
06.12.2019, 08:48
Guten Morgen Joachim,
Es tut mir leid, wenn ich Dich verärgert habe, das war nicht meine Absicht.
Herzliche Grüße, Marcus

sarpei
06.12.2019, 09:07
Hallo Marcus,

zur Heimatortskartei findest du einen ganzen Thread im Bereich 'Quellen' unter http://forum.danzig.de/showthread.php?15140-Heimatortskartei-Danzig-Westpreu%DFen-1939-1963&highlight=Heimatortskartei - oder du gibst den Begriff mal bei wikipedia ein.

Noch eine persönliche Anmerkung zu dem Zitat 'Mein Opa war in der Tat seit 1921 im Polizeidienst in Danzig (Kripo)- und hat sich (da Danzig danach dem Völkerbund unterstellt wurde) 1936 beworben, um in den preußischen Staatsdienst übernommen zu werden.' im Beitrag #28. Entweder ist die Formulierung verunglückt, der historische Hintergrund nicht bekannt oder es soll/wird hier etwas beschönigt: Danzig war bereits nach dem ersten Weltkrieg unter Völkerbundsmandat, 1936 gab es keinen preußischen Staatsdienst mehr. Bei mir läuft da ein ganz anderer Film ab ... .


Viele Grüße

Peter

MrMusical
06.12.2019, 09:32
Lieber Peter,
Ich bin dabei, das alles zu verstehen und sammle viele Puzzleteile zusammen. Ich habe seine Ernennungsurkunde zum preußischen Beamten gesehen. Also muss es da noch eine preußische Polizei gegeben haben. Dass die Polizeien Reichsbehörden waren bzw. wurden, weiß ich. Ob die Informationen, die ich versuche zu bekommen, alle korrekt sind, weiß ich nicht, aber ich gebe mir Mühe, das alles zu verstehen, zu hinterfragen und einzuordnen. Ich bin für jeden Hinweis dankbar.

Liebe Grüße, Marcus

sarpei
06.12.2019, 10:00
Hallo Marcus,

mit hoher Wahrscheinlichkeit ist der von dir benannte Otto Seifert am 28.08.1894 geboren. Zum 1. November 1921 trat er mit der Besoldungsgruppe 6 als Kriminalassistent in den Dienst der Polizei Danzig. Zum 1. Dezember 1932 wurde er zum Kriminalsekretär ernannt. So wird er bis 1935 in den Danziger Beamtenbüchern geführt. Ab 1936 verlieren sich seine Spuren in den öffentlich zugänglichen Dokumenten.


Viele Grüße

Peter

MrMusical
06.12.2019, 10:18
Lieber Peter,
Geburtstag stimmt. Zunächst war er uniformierten Polizei in Danzig, dann bei der Kripo. Mit Wirkung zum 1.1.36 wurde er nach Berlin versetzt und kam Ende 1940 zurück nach Danzig an die Stapo Leitstelle. Die preußische Polizei war da offenbar auf dem Papier noch existent. Ich versuche zu verstehen, was er dort gemacht hat und wofür er persönlich verantwortlich war. Dank eurer Hilfe habe ich schon ein wenig mehr über die Zeit der letzten Kriegsmonate erfahren können, als sich alle Mitglieder der Stapo Leitstelle aus Danzig abgesetzt haben.

Danke für Deine Hilfe und verzeiht mein Ungeschick.

Lg Marcus

Lavendelgirl
06.12.2019, 12:33
Hallo Marcus,

ist dieses bekannt?
r.

190 971

Otto SEIFERT



971

Otto SEIFERT





971

Otto SEIFERT





190 971 SS-Nummer
Otto SEIFERT
SS-Obersturmführer - awans w dniu 27.07.1944 r
Übersetzung: Beförderung am 27.07.1944.

MrMusical
06.12.2019, 13:29
Hallo Frank,
Ja, davon habe ich gelesen. Diese Beförderungen waren ziemlich parallel zu denen im Polizeidienst. So ganz ist mir der Hintergrund dieser unsäglichen Mitgliedschaft nicht klar.
Liebe Grüße und danke für die Recherche! Marcus

Fischersjung
06.12.2019, 13:40
Hallo Marcus,
klare Fragen mit schon bekannten Daten und Fakten ergeben gute Ergebnisse und bei Helfenden spart es Zeit.


Was würdest du zu meiner Suchanfrage sagen?
Beispiel:
Meine Urgroßeltern Müller flüchteten mit Pferd und Wagen aus Westpreußen im Alter von über 80 Jahren in den letzten Kriegstagen 1945
nach Magdeburg.
Nachdem sie alle 8 Kinder mit ihren Familien in Sicherheit wussten, waren sie die Letzten die Hof und Tiere zurücklassen mussten.
Die Uroma Müller starb ein halbes Jahr nach der Flucht, eine Woche später nach ihrem Mann.
Wer kann Hinweise geben.

Übrigens diese Geschichte ist nicht erfunden!

MrMusical
06.12.2019, 13:48
Lieber Joachim,
du hast natürlich Recht. Meine ursprüngliche Frage zielte mal darauf ab zu verstehen, wie die letzten Kriegsmonate in Danzig gewesen sind, um ein Gefühl zu bekommen, wie die konkreten Umstände damals waren. Da dachte ich, dass auch andere Familiengeschichten und Ereignisse helfen könnten, um die Lebensumstände meiner Vorfahren zu verstehen. Ich habe aber gesehen, dass die Mitglieder sich hier sehr viel Mühe geben, auch konkreten „Geschichten“ auf die Spur zu gehen und zu helfen. Damit hatte ich nicht gerechnet und ich freue mich darüber. Mit konkreten Angaben hätte ich einige Hinweise ohne Nachfragen erhalten und euch etwas Arbeit erspart. Hab dazugelernt und gelobe Besserung. Für mich ist das gesamte Thema noch recht neu- auch die Arbeit im Forum.
Danke für Deine Hinweise und eure Hilfe! Marcus

sarpei
06.12.2019, 15:19
Hallo Marcus,

kann man so nachvollziehen oder auch nicht.

Real betrachtet waren Otto Seifert und seine Familie privilegiert und nicht repräsentativ für das Leiden der Danziger Zivilbevölkerung in den letzten Kriegsmonaten und danach. Sie hatten Informationen aus erster Hand, wurden nicht bis zum absoluten 'no go' unter Todesandrohung an der Flucht gehindert, erhielten einen organisierten Rückzug, bekamen bevorzugte Plätze auf den Schiffen und konnten weit mehr Gepäck mitnehmen als alle anderen Flüchtlinge.

Aus dem Schicksal der 'Normalflüchtlinge' auf das von Otto Seifert zurückschließen zu wollen, ist m.E. nicht zulässig.

Wer mit dem Einmarsch der Russen noch in Danzig war, war zu 99,9% entrechtet, verlor sein gesamtes Hab und Gut (oftmals auch das Leben), wurde wie ein Sklave eingesetzt und vegetierte wie ein Tier. Die fehlenden 0,1% hatten etwas in die Waagschale zu werfen: spezielles Können oder ihren Körper. Über diese Personen wird in dem von mir im Beitrag #3 angesprochenen Buch von Überlebenden berichtet. Das sind allerdings nicht die Erlebnisse, die Otto Seifert haben musste. Die Organisation, die er mit verkörperte (unabhängig von persönlicher Schuld), war Schuld daran, dass so gut wie jede polnische Familie in Danzig mindestens ein Familienmitglied verlor - und zwar ohne Kriegseinwirkung. Deren Leid entlud sich nach dem Zusammenbruch um so heftiger und Betroffene waren die Deutschen, die noch vor Ort waren.


So, das lag mir jetzt auf der Seele.

Peter

MrMusical
06.12.2019, 15:59
Hallo Peter,
Da hast du Recht und ich stimme dir uneingeschränkt zu. Vor einigen Monaten wusste ich über meinen Opa noch überhaupt nichts- und hatte mich bis dato auch noch nicht mit dem Schicksal der Danziger Bevölkerung auseinandergesetzt. Dank der Beiträge hier und einigen Büchern beginne ich vieles besser zu verstehen und ich lerne täglich dazu- das ist erforderlich, um differenzieren und einordnen zu können. Ich wollte nichts vergleichen, nur besser verstehen. Im Laufe der Zeit kann man dann sicher auch bessere Fragen stellen.
Dank dir, Marcus

sarpei
06.12.2019, 16:21
Hallo Marcus,

'chapeau' für diese Reaktion! Da habe ich schon ganz Anderes erlebt. Guuuuut!


Viele Grüße

Peter

love danzig
06.12.2019, 18:13
Hallo Marcus,
ich weiß das sich einige Museen in Gdansk , mit der Gestabo in Danzig beschäfdigt haben, dein Großvater war Oberleutnant der ss und höherer Gestabobeamte ich denke das dort etwas von ihn vorhanden ist.
Gruß Roman

MrMusical
06.12.2019, 20:39
Hallo Roman,
Weißt du eventuell welche Museen das sind, die die Gestapo Geschichte in Danzig aufgearbeitet haben?

Lg Marcus

love danzig
06.12.2019, 21:21
Hallo Marcus,
da ich selber viele Fragen über Gestabo und KZ in Danzig hatte, wurde mir sehr vom Museum Stutthof geholfen. Schreibe eine Mail auf Englisch und sie sagen dir auch wo du weitere Auskunft bekommst. Aber ich denke auf Deutsch kannst du auch schreiben. Ich weiß das die Gestabo in Danzig auch mit den KZ in Stutthof zusammengearbeitet hat. Die Gestabo war in Danzig-Neugarten.

Grüße Romam

MrMusical
06.12.2019, 22:34
Vielen Dank Roman,
Das werde ich versuchen.
Liebe Grüße, Marcus

Jürgen_W
26.12.2019, 22:13
Uns ist es genau so gegangen. Eigentlich wollten wir am 31.Januar mit der Wilhelm Gustloff Danzig verlassen. Da meine Mutter aber schwanger war, wäre sie von uns getrennt worden und wäre auf eine Sanitätsschiff gekommen. Wir gingen zurück. Das Kind kam im Juli 1945 zur Welt. Nur weil meine Mutter schwanger war, durften wir so lange bleiben, bis der Kind geboren war. Danach blieb uns noch 14 Tage Zeit. Nachdem das Kind geboren und gleich gestorben war, verging in dieser Zeit kein Tag, wo die Polen unsere Wohnung beschlagnahmen wollten. Die meisten Wohnungen waren im Juli schon verlassen. Unsere Nachbarin konnte dort bleiben, weil sie einen polnischen Freund hatte.

Meine Großeltern lebten mit einer polnischen Familie zusammen im gleichen Haus in Oliva, Colbatzer Str. 34
Der Sohn "Clemens" der polnischen Familie wurde von den Rotarmisten aus dem Haus geschleppt und erschlagen.

Polen hatten kaum ein besseres Schicksal als Deutsche.

love danzig
26.12.2019, 22:47
Hallo Jürgen,
meine Großeltern mit Kindern wohnten auch 1938 in Oliva

sarpei
30.01.2020, 21:47
Hallo miteinander,

die nachstehende Basisinformation habe ich in folgender Veröffentlichung gefunden:

- Staatsarchiv Danzig - Wegweiser durch die Bestände bis zum Jahr 1945, erschienen im Jahr 2000 in der Schriftenreihe 'Schriften des Bundesinstituts für ostdeutsche Kutur und Geschichte' als Band 16.

"o Bestandsgruppe: 0612 / 0612

o Bestandsbezeichnung: Geheime Staatspolizei. Leitstelle Danzig (Tajna Policja Pañstwowa „Gestapo“. Placówka Kierownicza Gdansk).

o Zeitliche Begrenzung und Umfang: 1942-1943 - 5 Akteneinheiten - 0,1lfm.

o Geschichte: Im nationalsozialistischen Deutschland war die Polizei in Sicherheits- und Ordnungspolizei unterteilt. Die Sicherheitspolizei setzte sich aus der Kriminalpolizei, die gewöhnliche Verbrechen bekämpfte, und der Geheimen Staatspolizei, die gegen politische Gegner der NSDAP und des Staates vorging, zusammen. Für die Koordinierung der politischen Polizei auf Gauebene waren die Gestapo-Leitstellen verantwortlich. Die Chefs der Leitstellen waren zugleich Referenten der politischen Provinzialpräsidenten. Die Leitstellen führten also Anordnungen und Direktiven ihrer Vorgesetzten Dienststelle in Berlin aus und waren gleichzeitig den zuständigen Provinzialbehörden unterstellt. Nachgeordnete Dienststellen der Sicherheitspolizei wirkten in den Kreisen und größeren Städten.

In der Freien Stadt Danzig existierte nur eine Kriminalpolizei. Sie wurde jedoch nach nationalsozialistischem Vorbild geführt und war auch mit der Bekämpfung politischer Gegner befasst. Ihre Abhängigkeit auf diesem Gebiet von der Zentrale in Berlin ist unstrittig. Im November 1939 wurde in Danzig eine selbständige Dienststelle der Geheimen Staatspolizei geschaffen. Sie übernahm alle Funktionen, die bisher die Gestapo im Reich hatte. Einen besonderen Schwerpunkt bildete die Bekämpfung des polnischen Widerstandes und der Sabotage sowie von pazifistischen Handlungen in Pommerellen.

o Bestandsinhalt: Gehaltslisten von Beamten, Reservisten der Waffen-SS und der Geheimen Feldpolizei.

o Bestandssignatur: Signatur: APG 277 - Findbuch."


Viele Grüße

Peter

MrMusical
11.03.2020, 09:30
Lieber Peter,
Das ist ja sehr interessant. Zugang zu den genannten Quellen hast aber nicht oder?

Liebe Grüße, Marcus

Weimaraner
13.03.2020, 01:50
Hallo Markus,

hast du schon die Antworten in dem dir bekannten Forum gelesen? Wenn Nicht schau mal nach.

Gruss
Dieter

sarpei
15.03.2020, 08:15
Hallo Marcus,

ich verstehe deine Frage in #52 nicht. Daher fange ich mal an zu interpretieren.

- Die Quellen liegen nicht bei mir, sondern wie von mir geschrieben im Staatsarchiv Danzig.
- Grundsätzlich hat - nach Voranmeldung - ein Interessierter Zugang zu den Quellen.
- Eine online verfügbare Quelle der angesprochenen Unterlagen ist mir nicht bekannt.

Beantwortet das im Kern deine Frage?


Viele Grüße

Peter

MrMusical
15.03.2020, 21:20
Lieber Peter,
Vielen Dank- genau das wollte ich wissen :-) Dankeschön!

Jürgen_W
16.03.2020, 20:36
hallo MrMusical:
zu deiner Frage:
Wie ist man damals denn über Land geflüchtet? Mit der Bahn?
------------------------

Ja, denn Danzig, Langfuhr und Oliva verfügten damals schon über eine gute Zugverbindung.
Viele sind entlang der Ostsee mit der Bahn Richtung Stettin, Rostock oder Stralsund geflüchtet.
Wie meine Mutter mit ihren Verwandten. Es waren insgesamt 13 Personen die es alle beim Eintreffen der Russen in Danzig noch in einen Zug geschafft haben.

jürgen

Gerhard Jeske
27.03.2020, 22:01
Sarpei #51 War die Sicherheitspolizei identisch mit dem SD? Gustav Nord war ein Vertreter des SD, also der Kontaktmann vom Theater zur Geheimen Staatspolizei. Er war ein waschechter Nationalsozialist. Komisch, dass vor lauter Lob auf den Schauspieler der politsche Nord übersehen wird. Gerhard Jeske

sarpei
28.03.2020, 08:23
Einen schönen guten Tag, Gerhard!

Ein einleitender Hinweis für Mitleser: In der Zeit der braunen Diktatur wurde die Polizei ab 1933 zentralisiert. Heinrich Himmler führte 1936 eine Neuorganisation durch und teilte die Polizeikräfte in eine uniformierte (Ordnungs-)Polizei und eine zivile Sicherheitspolizei ein. Die Sicherheitsploizei wiederum gliederte sich in Kriminalpolizei und Geheime Staatspolizei. Parallel zu diesen Polizeikräften gab es 'Ordnungskräfte' der Partei, die seit 1933 von Reinhard Heydrich organisiert wurden - den Sicherheitsdienst (SD). Er schöpfte sein Personal aus den politischen Polizeien der Länder. Insofern gab es eine enge Verzahnung von Polizei und SS.

Über die Zugehörigkeit einzelner Personen im Danzig der braunen Machthaber kann ich nichts beitragen.


Viele Grüße

Peter

Martschinke
28.03.2020, 09:59
ja, lieber Peter so war es, als Danzig noch eine Freie Stadt war, hat die Danziger
Polizei im Jahre 1936 die Danziger Nazi-Gegner in ihrem eigenen Heimen verhaftet
und in das Danziger Gefängnis /Schießstange gebracht. Gefangene die bereit waren
sich nicht mehr gegen die Nazi-Behörden zu stellen kamen mit Geldstrafe wieder frei.
Andere wurden verurteilt und mußten ihre Strafe auch außerhalb von Danzig büßen.
Im Jahre 1939 nach dem Anschluß zum Deutschen Reich wurde das KZ-Stutthof für
Nazi-Gegner und Juden eingerichtet. Die breite Masse der Danziger Bevölkerung war
damit nicht einverstanden, aber sie unterordnete sich der höheren Gewalt, die sie
nichts entgegen zu setzen hatte. Die Danziger Bevölkerung wollte wohl gern den
Anschluß an das Reich wegen der Absperrung durch den polnischen Korridor aber
doch ungern den Tausch für eine radikale-brutale Zwangsherschaft hinzunehmen-
Jeder Bürger der freien Stadt Danzig hatte die Wahl zwischen Pech oder Schwefel

viele freundliche Grüße kurt in *Laatzen