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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Besiedlung Pommerns und Ostpreussens



Jürgen_W
10.02.2020, 14:45
Wer gerne etwas zum Thema Besiedlung Pommern und Ostpreussen lesen möchte, dem möchte ich die Geschichte Polens z.B. "Mazurka von Mitchener" oder historische Romane wie "Gold des Meeres von Daniel Wolff" und natürlich die Geschichte der Ordensritter empfehlen. Das sind dann fürs erste etwa 3000 Seiten Lesestoff ;)
Die Geschichte beginnt etwa um das Jahr 800

vg
jürgen

Antennenschreck
10.02.2020, 16:48
Hallöle,

hier etwas aus meinem Buch dazu:

Die Einwanderung der Slawen in das baltische Südküstenland
Wie schon geschrieben, sind zuerst die Kelten durch unser Land gewandert; und nach ihnen haben
dann die Germanen und die Gothen darin gewohnt; zahlreicher aber als diese Völker zieht nun ein
drittes Volk nach Osteuropa ein. Den Namen Wenden, welchen diesem Volk die Germanen gaben,
hörte zuerst Plinius (Venedi), Tacitus aber vernahm später, einem klassisch celtischen Volksnamen
analog, „Veneti“; Ptolemäus aber „Venedae“; gemeint ist hierbei aber immer das mächtige Volk der
Slawen, welches sich selbst Slawenen, Slowenen (von Slowo, Wort) die sich selber „die sich ge-
genseitig Verstehenden“ nennen, und welche ihre westlichen Nachbarn (besonders die Deutschen),
im Gegensatz dazu, als die Stummen (njem, njemetz), barbari, „eine eigene Sprache redend“
bezeichneten. Ebenso wie die Kelten und Germanen, der indogermanischen Völkergruppe angehö-
rend, waren die Slawen schon im frühesten Altertum in Europa angekommen; sie waren aber da-
mals noch sehr unterentwickelt, und siedelten sich zuerst im Osten der Weichsel und des baltischen
Meeres, hinter den Germanen verborgen an, um dann aber bald desto gebieterischer aufzutreten.
Friedliebend, an feste Sitze gewöhnt, der Viehzucht und dem Ackerbau hold, überhaupt nicht so
kriegerisch wie die Germanen, blieben sie für eine lange Zeit im geschichtlichen Dunkel verborgen.
Da sie niemals ein gemeinsames Oberhaupt hatten, werden sie wohl sehr oft ihren kriegerischen
Nachbarn unterlegen gewesen sein, und gehörten im vierten Jahrhundert zur ausgedehnten Herr-
schaft des Gothenkönigs Ermanriks, und wurden von den germanischen Völkern von der Donau
und dem Pontus abgehalten. Als aber des Amalers Macht von den Hunnen gebrochen wurde, ver-
schafften ihnen hier die westwärts wandernden Gothen und Gepiden einen Tummelplatz, und sie
stellten sich in zwei größeren Abteilungen dem römischen Reich gegenüber. Sehr wichtig war für
die Slawen Attilas Herrschaft, um ihre welthistorische Stellung vorzubereiten; weil einerseits die
Hunnen slawische Sitten und Gebräuche annahmen, und diese andererseits aus den unkriegerischen
Slawen waffengeübte Streitgenossen machten. Als Sklabenen mit ihrem volkstümlichen Namen,
tauchen sie zuerst zur Regierung Justinians auf, sie verwüsten damals ganz Thrakien und breiten
sich weiter westlich aus. Im Osten kennt man sie unter dem Namen Anten; beide Stämme, mit ei-
nem unterschiedlichen Dialekt, sie nannten sich aber selber Slowenen. Obwohl schon um das Jahr
500 alle Länder von der Mündung der Elbe, mit Ausnahme des Warnergebietes, um die Sudeten
und Karpathen bis zur Mündung der Donau offen standen, füllten die Slawen trotzdem erst einmal
nur die südöstlichen Bereiche. Nachdem nun Thrakien und Illyrikum überwiegend von den Sla-
ven und Anten verheert worden waren, beginnt im letzten Drittel des sechsten Jahrhunderts die
zweite slawische Völkerwanderung. Das war an sich eine recht seltsame Geschichte, deren rätsel-
haftes Gewirr unser Auge in Erstaunen versetzt, welche aber schier unermessliche Folgen für die
spätere Geschichte hatte, da sich hierbei die Sitze aller europäischen Völker, mit Ausnahme der Ma-
dscharen und Normannen, verändert und endgültig festgelegt haben. Es verschwinden nun auch
die beiden Hauptnamen der Slawen, also die Slowenen und Anten; und alle Stämme bilden neue
Verbände, mit bis dahin unbekannten Namen; diese verteilen sich nun von den Quellen der Wolga,
von den Höhen des Waldaigebirges, von der Ebene des Dniepers und den Donaumündungen bis
zum Südweststrand der Ostsee, den Dänen benachbart, dringen sie im mittleren Bereich über die
Elbe bis tief nach Germanien ein, treten den Bayern im Südosten als gefährliche Nachbarn zur Sei-
te, siedeln sich am Südostabhang der Alpen bis zum adriatischen Meer, und vom Nordabhang des
thrakischen Gebirges bis zur Donau an, vertreiben die Griechen aus weiten Teilen ihres Landes, und
pflanzen ihre heidnischen Götzenbilder in der heraklidischen Peloponnes auf, während ihre Brüder
das nördliche Inselland Germaniens besiedeln. So kommt nun plötzlich eine Flut, welche alles vor
sich hertreibt und hinter sich verändert, was aber erst nach einigen Jahrhunderten den staunenden
Blicken der Deutschen offenbar wird. Hier nun ein Bericht eines Mönches im Höhlenkloster zu
Kiew, vom Anfang des zwölften Jahrhunderts:
540„Und nach vielen Jahren saßen die Slowenen an der Donau, wo heute Ungarn und Bulgarien
sind. Von diesen Slowenen verbreiteten sich die Slawenvölker über ganz Europa (über die ganzen
Erde war wohl leicht übertrieben) und legten sich neue Namen bei, wenn sie sich an einem be-
stimmten Ort niederließen. So nannte sich die Ankömmlinge, welche am Fluss Morava blieben,
Moraven, und andere hießen Tschechen, und diese Slowenen selbst (die Donauslawen sind)
nannten sich die weißen Chorwaten, die Serben, die Carantanen. Als die Wlachen einen Überfall
auf die Slowenen machten und sich unter ihnen niederließen, und ihnen Gewalt antaten, so
wanderten die Slowenen aus, ließen sich am Fluss Weichsel nieder und hießen nun Lechen. Und
einige von diesen Lechen wiederum wurden Polen genannt und andere Lechen Lutizier, Maso-
vier oder Pommern. Ebenso sind auch Slowenen angekommen, die sich am Dnieper niederließen
und Polen genannt wurden; andere hießen wieder Drewier, weil sie in Wäldern saßen. Andere
setzten sich zwischen dem Pripiat und der Dwina, und Wurden Polotschanen genannt, nach ei-
nem Flüsschen Namens Polota, das in die Dwina läuft. Wieder andere Slowenen, Ankömmlinge
von der Donau, setzten sich um den Ilmensee und behielten ihren alten Namen; sie bauten eine
Stadt und nannten sie Novgorod, wieder andere setzten sich an der Desna, am Dnea und an der
Sula nieder, und nannten sich nun Sjewerer. Und so verbreitete sich das ganze Slowenenvolk,
von dem auch die slowenische Schrift ihren Namen hat.“
Hier bekommen wir einen kleinen, wenn auch keinen wirklich chronologischen, Überblick über die
Wanderungen des slowenischen Volkes; man hört die Namen von kleineren Völkern aus der direk-
ten Umgebung des Mönches, die größeren aber setzt er längs der Donau und der Elbe hin. Er lässt
die Slowenen von gemeinschaftlichen Sitzen an der Donau los wandern, und unterscheidet als Slo-
wenen im engeren Sinne die im Osten verbliebenen, also die eigentlichen Anten, während er dem
westlichen Zweig den Sammelnamen Ljachowe (Lechen) beilegt. Ob aber die Bezeichnung Lja-
chowe auf das Stammwort Ljas, Ljes, also Wald oder Waldbewohner zurückgeht, kann man nur
vermuten, weil man damals die Lechen an der Weichsel, auf der Ostseite des karpathischen Waldes
bis hin zur Donau findet. Wir sehen darin zumindest die erste allgemeine Bezeichnung, unter wel-
cher Pommern und Lutizier nebst den Weichsel Polen und Masoviern inbegriffen sind. Zumin-
dest kann man hier erkennen, dass die Ausbreitungs- und Verbreitungszeit der Slawen nicht plötz-
lich, und mit einem Mal, sondern in zwei Hauptströmungen stattfand; nämlich eine, welche die
Mähren und Tschechen aus ihrer Heimat führte, währen die Donauslawen nur in ihrer unmittelba-
ren Nähe weiter rückten; und dann gab es später noch eine zweite große Bewegung, bei welcher die
Wlachen den Slowenen an der Donau Gewalt antaten, und diese dadurch in Richtung Norden,
Nordosten und Nordwesten vertrieben; also ins heutige Russland und in die baltischen Staaten. Es
ist aber naheliegender, dass die Avaren und Hunnen, welche aus dem fernsten Osten kamen, haupt-
sächlich die slawischen Völkerwanderungen auslösten. Um das Jahr 530, zur Zeit des Verfalls des
Thüringer Reiches, will man sogar schon erste Spuren von den Sorbenwenden an der Saale und
der Unstrut gefunden haben.