Putzig
15.02.2008, 12:32
Gdingen / Hela
Anläßlich einer Patenschaft war im Frühsommer 2000 die heutige Fregatte Schleswig Holstein mit vier Begleitschiffen in Gdynia.
Vom deutschen Generalkonsulat wurde ein offizieller Empfang organisiert, zu dem die Mitglieder des deutschen Wirtschaftskreises – darunter auch ich - eingeladen waren.
Offizielle aus Danzig, Gdingen, der Umgebung, Mitglieder der deutschen Minderheit, Konsulatsbeamte, Botschafter aus Warschau und eine große Anzahl hochrangiger Marineoffiziere aus Polen und Deutschland vergnügten sich im Hubschrauberhangar der Fregatte bei Sekt, Bier und kalten Platten.
Das Schiff – modernstes der deutschen Marine – wurde uns in einer kurzen Führung gezeigt, zu fortgeschrittener Stunde stand ich dann mit dem Kapitän und seinem 1. Offizier zusammen.
Wir diskutierten über Gott und die Welt – auf jedem Fall kam heraus, dass die derzeitigen Offiziere der Fregatte schon mehrere Wochen unterwegs waren, zeitlich sehr stark eingebunden und nicht einmal die Zeit hatten polnische Küche kennen zu lernen.
Tja, lange Rede – kurzer Sinn, ich schlug dem Kapitän vor, ihn und seine Offiziere zum Essen in unser Hotel einzuladen – dafür zeigt er unseren Hotelgästen am Sonntag sein Schiff.
Der 1. Offizier war sofort begeistert, der Kapitän konnte aber nicht zustimmen, da er die Genehmigung seines Vorgesetzten brauche, dieser stand mit unserem Vizekonsul Herrn W. Zusammen, welchen ich sehr gut kannte und so sprach ich diesen auch sofort an. Nach kurzer Abstimmung mit Herrn W. wurde die Zustimmung erteilt und so organsierte wir für den kommenden Abend einen Bus und holten die Offiziere am Schiff ab.
Gerechnet hatte ich mit 25 Leuten – aber irgendwie kam das Schiff dann auf 50 Offiziere.
Im Bus wurde es eng, aber gemütlich im Hotel dann zunächst ein zünftiges, polnisches Abendessen mit Vodka – und anschließendem Diskothekenbesuch.
Viele kleine Geschichten rund um das Schiff kamen auf, über eine lange Kameradschaft, über Freundschaften die deutlich über ein berufliches Engagement hinausgingen – zu vorgerückter Stunde erfuhr ich dann, dass der Herr Kapitän (Fregattenkapitän) ein Großenkel des letzten kommandierenden Offiziers (Oberleutnant) der Halbinsel Hel war.
Dieser hatte mit zwei weiteren Soldaten eine Funkleitstelle auf Hel besetzt gehalten und den deutschen Flüchtlingsverkehr der Schiffe vor und um Danzig mit koordiniert.
Er wollte damals nicht mit den letzten Booten fliehen, sondern hat versucht, mit seinen Möglichkeiten den Schutz der Fliehenden zu gewährleisten. Das letzte, was die Familie wußte, war, daß er sich über Funk bei einem der letzten Schiffe abmeldete als die Russen vor seiner Bunkertür standen. Er und seine zwei Kameraden erschossen sich selbst.
Die Familie erfuhr schon nach wenigen Wochen von der Begebenheit und bis 1965 wurde das Grab auf dem Friedhof von Hela von ihm und seinen beiden Kameraden von der Familie finanziert.
1965 wurde dass Grab dann auf Anordnung des russischen Militärs umgebettet, da der bestehende Friedhof eingeebnet wurde, der Pastor, welcher damals das Grab mit betreute verstarb und es war der Familie nicht mehr möglich die neue Grabstelle ausfindig zu machen.
Ich erhielt von dem Kapitän am nächsten Tag Namen, Daten usw. und begab mich auf die Suche – zugegebener Maßen nicht sehr intensiv, mir fehlte einfach auch die Zeit.
Aber ein Jahr später lernte ich zufällig einen Priester der Gemeinde Jastarnia/Heisternest kennen und erzählte ihm die Geschichte.
Der Mann war an der Historie der Insel interssiert, wußte viel und machte sich in den Kirchenbüchern auf die Suche.
Er konnte die drei Gräber in Kussfeld ( heute Kuznica) auf dem Friedhof ausmachen. Sie waren tatsächlich noch vorhanden, drei sehr verwilderte und zugewucherte Gräber am äußeren Rand des Friedhofs, leider war nicht mehr zu bestimmen, in welchem Grab der Oberleutnant lag.
Nach vielen Monaten hatten wir dass Grab also tatsächlich gefunden – ich informierte darüber auch den Fregattenkapitän – und wirklich, im Sommer 2001 tauchte er auf, mit seiner Frau und einem Sohn, welcher selber mittlerweile Marineoffizier war.
Wir fuhren zu der Grabstelle und dem Priester. Die Grabstellen wurden von der Familie erworben, ich half mit die Gräber in Ordnung zu bringen und sie wurden mit Efeu und einem Lebensbaum bepflanzt. Der Gemeindepfarrer erhält einen jährlichen Obulus und pflegt seitdem die Gräber.
Sommer 2003
Am Abend komme ich mit einem älteren Herrn ins Gespräch, der seit einigen Tagen Gast bei mir ist.
Er ist hier mit seinem Sohn unterwegs, um Ihm zu zeigen wo er und seine Frau sich kennen lernten, wo die Mutter herkam.
Er selbst war seit Ende 1944 als U-Boot Artillerie Offizier zur Ausbildung in Hela stationiert, lernte dort seine zukünftige Frau kennen, die als gebürtige Putzigerin dort ein Flüchtlingslager mit Kindern betreute.
Im April 1945 wurden aus Gotenhafen noch sechs nagelneue Spezial U-Boote überstellt, welche für den Einatz vor der amerikanischen Küste gebaut waren.
Sie erhielten in der Basis von Hela den Befehl zur Ausrüstung und zum Auslaufen zum Einsatz nach Nordamerika.
Die Offiziere der kleinen U-Boot Flotte setzten sich gemeinschaftlich über den bestehenden Befehl der hinweg und beluden die U-Boote mit den Flüchtlingskindern und Frauen von Hela, unter Mithilfe der Offiziere von Hel – eben auch des letzten Kommandanten – liefen die Boote 1945 vollbesetzt mit Flüchtlingen nach Kiel aus.
Bei Nacht und Nebel mußten die Flüchtlinge an der SS vorbei in die Boote geschafft werden, dies gelang mit der Unterstützung des letzten Kommandanten und seiner Offiziere aus Hela.
Nach einer abenteuerlichen Fahrt unter Wasser erreichten die Boote dann letztendlich Kiel und setzten dort die Flüchtlinge ab, die Boote selber wurden in Kiel versenkt, aber durch die Amerikaner wieder gehoben und in die Staaten überführt.
Die Frau des älteren Herrn ist schon verstorben, ihn selbst habe ich noch mit dem Fregattenkapitän bekannt gemacht, es ergab sich eine lockere Freundschaft daraus, denn der ältere Herr, war wohl einer der letzten, welcher diese letzte Besatzung von Hel noch lebend kennen lernte.
Eine kleine Geschichte am Rande der Geschichte Danzigs, welche doch von einem Engagement im Bereich der Menschlichkeit spricht, die für mich wahres Heldentum ist, denn mit Ihrer Befehlsverweigerung haben die damaligen Offiziere und Mannschaften ihr eigenes Leben riskiert.
Die Boote mußten sich auf Ihrer Flüchtlingsfahrt nicht nur vor den feindlichen Kräften, sondern auch vor den eigenen verstecken.
Leider ist diese Geschichte nie bekannt geworden.
Die heute noch lebenden wollen es eigentlich auch nicht namentlich bekannt machen. Schade, für mich ein erwähnenswertes Stück deutscher Geschichte und deutscher Verantwortung.
Übrigens hielt der Fregattenkapitän sein Wort - wir kamen Sonntags mit rund 80 Hotelgästen und erhielten eine interessante, exclusive Führung durch seine Fregatte.
Erstaunt war ich vor allem über die Möglichkeiten und die Leistungsfähigkeit - wobei wir sicherlich nur einen kleinen Teil der bestehenden Möglichkeiten erfuhren. Diese fregatte alleine, hätte 1945 ein ganzes Geschwader lahm legen können, ohne dass feindliche Schiffe sie jemals zu Gesicht bekommen hätten.
Anläßlich einer Patenschaft war im Frühsommer 2000 die heutige Fregatte Schleswig Holstein mit vier Begleitschiffen in Gdynia.
Vom deutschen Generalkonsulat wurde ein offizieller Empfang organisiert, zu dem die Mitglieder des deutschen Wirtschaftskreises – darunter auch ich - eingeladen waren.
Offizielle aus Danzig, Gdingen, der Umgebung, Mitglieder der deutschen Minderheit, Konsulatsbeamte, Botschafter aus Warschau und eine große Anzahl hochrangiger Marineoffiziere aus Polen und Deutschland vergnügten sich im Hubschrauberhangar der Fregatte bei Sekt, Bier und kalten Platten.
Das Schiff – modernstes der deutschen Marine – wurde uns in einer kurzen Führung gezeigt, zu fortgeschrittener Stunde stand ich dann mit dem Kapitän und seinem 1. Offizier zusammen.
Wir diskutierten über Gott und die Welt – auf jedem Fall kam heraus, dass die derzeitigen Offiziere der Fregatte schon mehrere Wochen unterwegs waren, zeitlich sehr stark eingebunden und nicht einmal die Zeit hatten polnische Küche kennen zu lernen.
Tja, lange Rede – kurzer Sinn, ich schlug dem Kapitän vor, ihn und seine Offiziere zum Essen in unser Hotel einzuladen – dafür zeigt er unseren Hotelgästen am Sonntag sein Schiff.
Der 1. Offizier war sofort begeistert, der Kapitän konnte aber nicht zustimmen, da er die Genehmigung seines Vorgesetzten brauche, dieser stand mit unserem Vizekonsul Herrn W. Zusammen, welchen ich sehr gut kannte und so sprach ich diesen auch sofort an. Nach kurzer Abstimmung mit Herrn W. wurde die Zustimmung erteilt und so organsierte wir für den kommenden Abend einen Bus und holten die Offiziere am Schiff ab.
Gerechnet hatte ich mit 25 Leuten – aber irgendwie kam das Schiff dann auf 50 Offiziere.
Im Bus wurde es eng, aber gemütlich im Hotel dann zunächst ein zünftiges, polnisches Abendessen mit Vodka – und anschließendem Diskothekenbesuch.
Viele kleine Geschichten rund um das Schiff kamen auf, über eine lange Kameradschaft, über Freundschaften die deutlich über ein berufliches Engagement hinausgingen – zu vorgerückter Stunde erfuhr ich dann, dass der Herr Kapitän (Fregattenkapitän) ein Großenkel des letzten kommandierenden Offiziers (Oberleutnant) der Halbinsel Hel war.
Dieser hatte mit zwei weiteren Soldaten eine Funkleitstelle auf Hel besetzt gehalten und den deutschen Flüchtlingsverkehr der Schiffe vor und um Danzig mit koordiniert.
Er wollte damals nicht mit den letzten Booten fliehen, sondern hat versucht, mit seinen Möglichkeiten den Schutz der Fliehenden zu gewährleisten. Das letzte, was die Familie wußte, war, daß er sich über Funk bei einem der letzten Schiffe abmeldete als die Russen vor seiner Bunkertür standen. Er und seine zwei Kameraden erschossen sich selbst.
Die Familie erfuhr schon nach wenigen Wochen von der Begebenheit und bis 1965 wurde das Grab auf dem Friedhof von Hela von ihm und seinen beiden Kameraden von der Familie finanziert.
1965 wurde dass Grab dann auf Anordnung des russischen Militärs umgebettet, da der bestehende Friedhof eingeebnet wurde, der Pastor, welcher damals das Grab mit betreute verstarb und es war der Familie nicht mehr möglich die neue Grabstelle ausfindig zu machen.
Ich erhielt von dem Kapitän am nächsten Tag Namen, Daten usw. und begab mich auf die Suche – zugegebener Maßen nicht sehr intensiv, mir fehlte einfach auch die Zeit.
Aber ein Jahr später lernte ich zufällig einen Priester der Gemeinde Jastarnia/Heisternest kennen und erzählte ihm die Geschichte.
Der Mann war an der Historie der Insel interssiert, wußte viel und machte sich in den Kirchenbüchern auf die Suche.
Er konnte die drei Gräber in Kussfeld ( heute Kuznica) auf dem Friedhof ausmachen. Sie waren tatsächlich noch vorhanden, drei sehr verwilderte und zugewucherte Gräber am äußeren Rand des Friedhofs, leider war nicht mehr zu bestimmen, in welchem Grab der Oberleutnant lag.
Nach vielen Monaten hatten wir dass Grab also tatsächlich gefunden – ich informierte darüber auch den Fregattenkapitän – und wirklich, im Sommer 2001 tauchte er auf, mit seiner Frau und einem Sohn, welcher selber mittlerweile Marineoffizier war.
Wir fuhren zu der Grabstelle und dem Priester. Die Grabstellen wurden von der Familie erworben, ich half mit die Gräber in Ordnung zu bringen und sie wurden mit Efeu und einem Lebensbaum bepflanzt. Der Gemeindepfarrer erhält einen jährlichen Obulus und pflegt seitdem die Gräber.
Sommer 2003
Am Abend komme ich mit einem älteren Herrn ins Gespräch, der seit einigen Tagen Gast bei mir ist.
Er ist hier mit seinem Sohn unterwegs, um Ihm zu zeigen wo er und seine Frau sich kennen lernten, wo die Mutter herkam.
Er selbst war seit Ende 1944 als U-Boot Artillerie Offizier zur Ausbildung in Hela stationiert, lernte dort seine zukünftige Frau kennen, die als gebürtige Putzigerin dort ein Flüchtlingslager mit Kindern betreute.
Im April 1945 wurden aus Gotenhafen noch sechs nagelneue Spezial U-Boote überstellt, welche für den Einatz vor der amerikanischen Küste gebaut waren.
Sie erhielten in der Basis von Hela den Befehl zur Ausrüstung und zum Auslaufen zum Einsatz nach Nordamerika.
Die Offiziere der kleinen U-Boot Flotte setzten sich gemeinschaftlich über den bestehenden Befehl der hinweg und beluden die U-Boote mit den Flüchtlingskindern und Frauen von Hela, unter Mithilfe der Offiziere von Hel – eben auch des letzten Kommandanten – liefen die Boote 1945 vollbesetzt mit Flüchtlingen nach Kiel aus.
Bei Nacht und Nebel mußten die Flüchtlinge an der SS vorbei in die Boote geschafft werden, dies gelang mit der Unterstützung des letzten Kommandanten und seiner Offiziere aus Hela.
Nach einer abenteuerlichen Fahrt unter Wasser erreichten die Boote dann letztendlich Kiel und setzten dort die Flüchtlinge ab, die Boote selber wurden in Kiel versenkt, aber durch die Amerikaner wieder gehoben und in die Staaten überführt.
Die Frau des älteren Herrn ist schon verstorben, ihn selbst habe ich noch mit dem Fregattenkapitän bekannt gemacht, es ergab sich eine lockere Freundschaft daraus, denn der ältere Herr, war wohl einer der letzten, welcher diese letzte Besatzung von Hel noch lebend kennen lernte.
Eine kleine Geschichte am Rande der Geschichte Danzigs, welche doch von einem Engagement im Bereich der Menschlichkeit spricht, die für mich wahres Heldentum ist, denn mit Ihrer Befehlsverweigerung haben die damaligen Offiziere und Mannschaften ihr eigenes Leben riskiert.
Die Boote mußten sich auf Ihrer Flüchtlingsfahrt nicht nur vor den feindlichen Kräften, sondern auch vor den eigenen verstecken.
Leider ist diese Geschichte nie bekannt geworden.
Die heute noch lebenden wollen es eigentlich auch nicht namentlich bekannt machen. Schade, für mich ein erwähnenswertes Stück deutscher Geschichte und deutscher Verantwortung.
Übrigens hielt der Fregattenkapitän sein Wort - wir kamen Sonntags mit rund 80 Hotelgästen und erhielten eine interessante, exclusive Führung durch seine Fregatte.
Erstaunt war ich vor allem über die Möglichkeiten und die Leistungsfähigkeit - wobei wir sicherlich nur einen kleinen Teil der bestehenden Möglichkeiten erfuhren. Diese fregatte alleine, hätte 1945 ein ganzes Geschwader lahm legen können, ohne dass feindliche Schiffe sie jemals zu Gesicht bekommen hätten.