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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Evakuierung des KZ Stutthofs über See



ruedigerzim
13.09.2022, 09:08
Therkel Stræde, Professor für Zeitgeschichte an der Universität Odense, legte jüngst – gemeinsam mit einem internationalen Forschungsteam - einen wissenschaftlichen Abschlussbericht zum „Stutthof maritime evacuation project“ vor. Der „Academic report“ in englischer Sprache liegt im Netz und kann dort abgerufen werden. IHRA_SDU_NG_ScholarlyReport210315.pdf (holocaustremembrance.com)

Das Forschungsprojekt wurde durch den Fund eines Wracks eines Lastkahns in dänischen Gewässern beim Bau des Offshore-Windparks Kriegers Flak stimuliert. Das Wikingermuseum in Roskilde, in Dänemark zuständig für Unterwasserarchäologie, wollte eruieren, ob der untergegangene Kahn zur „Evakuierungsamada“ des Konzentrationslagers Stutthof gehörte. Als Holocaust-Unterwasserdenkmal sollte das Wrack vor unbefugten Tauchgängen u.ä. in Zukunft geschützt werden. Dieser Anfangsverdacht konnte durch das internationale Forschungsteam nicht bestätigt werden.

Der Report wertet umfassend alle unveröffentlichten und veröffentlichten Quellen zur zweiten Evakuierung des Konzentrationslager Ende April/Anfang Mai 1945 aus. Die erste Evakuierung fand Anfang 1945 auf dem Landweg statt. Die Evakuierung der KZ-Insassen über See ereignete sich zeitgleich mit der Verbringung der Stutthöfer Zivilbevölkerung nach Dänemark. Auch „meine Leute“, die am 27. April 1945 aus Stutthof aufbrachen, gehörten zu den Zivilisten, die über Nickelswalde und die Halbinsel Hela nach Dänemark gebracht wurden.

Allerdings waren die Bedingungen des KZ-Transportes mit der zivilen Rettungsaktion in nichts zu vergleichen.

Stræde resumiert: Obgleich das Forscherteam aus gestandenen Holocaust-Forschern bestand, die viel gelesen und gehört hatten, habe das unermessliche Leid der Häftlinge und die verübten Grausamkeiten, die den Forschern aus den Quellen entgegentrat, für die Beteiligten eine neue Qualität gehabt.,

Der akademische Abschlussbericht – so Professor Stræde in einer privaten Notiz – sei auf Wunsch der Auftraggeber sehr trocken gehalten. Ein „vermittlungsgeeignetes, reich bebildertes Buch“ soll in Kooperation mit dem Leiter des Archivs der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Dr. Reimer Möller, im nächsten Jahr erscheinen. Eventuell ist auch an eine Dokumentationsfolge für das Fernsehen gedacht. Hier sollen dann auch Informationen über Stutthof vor dem KZ-Bau einfließen und das Alltagsleben der Ortsbevölkerung im Kontrast zur „Hölle auf Erden“ hinter dem Stacheldrahtzaun skizziert werden.

JuHo54
13.09.2022, 11:08
Hallo Rüdiger,

ein sehr interessanter Beitrag zur Aufarbeitung dieses Themas. Die Betroffenen haben sich ja weitgehend ausgeschwiegen, jedenfalls war das in meiner Familie so...
Liebe Grüße
Jutta