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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Zeugnis: "Wohl und Vergnüglich"



Karsten_A
13.07.2024, 13:05
Hallo zusammen,

es geht um Prüfungsbeurteilungen des 18. Jahrhunderts von Theologie-Studenten in Danzig.

Beim Entziffern von "Wohl und Vergnüglich" war mein erster Gedanke, dass es dem Prüfling gut ging und dieser bester Laune war. Oder waren die Prüfenden vergnüglich, weil der Kandidat so gut geantwortet hat? Allerdings ergibt ersteres in diesem Zusammenhang keinen Sinn und letzeres ist zumindest sehr zweifelhaft.

Nun wieder etwas ernsthafter:

In "Die Schule in Danzig und ihr Verhältniß zur Kirche (https://pbc.gda.pl/dlibra/publication/29881/edition/24537/content)", Schnaase, 1859, findet man dazu auf Seite 4:



Das Verzeichniß der in Danzig examinirten Candidaten der Theologie, welche von 1709 bis 1809 (Vgl. Ephr. Prätorii Danziger Lehrergedächtniß S. 82 bis S. 96, und die handschriftliche Fortsetzung dazu) mit den Zeugnissen: "Wohl und vergnüglich", "Wohl", "Vergnüglich", "Ziemlichermaßen", und "hat sich bemüht, auf einige Fragen zu antworten" für wahlfähig erklärt worden waren, weis't uns 315 Candidaten auf; [...]


In einigen Exemplaren des "Danziger Lehrer Gedächtniß" stehen außer den oben bereits genannten auch folgende Beurteilungen:
"Ziemlich wohl", "Wohl und fertig", "wohl und gründlich" und "Nothdürftig".
Manchmal ist die Reihenfolge umgekehrt: "Vergnüglich und wohl" sowie "Fertig und wohl"
Von 1799...1801 bis 1807...1809 "Vorz." (evtl. Vorzüglich), "Gut", "Mitt." und "Mittelm." (beides vmtl. Mittelmäßig)


Recht sicher erscheint mir folgende Rangfolge, insbesondere wegen der Reihenfolge im oben zitierten Buch und den Bedeutungserklärungen aus "Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimmund Wilhelm Grimm (https://www.dwds.de/wb/dwb/)" ("=" steht für "gleichwertig mit"):
1) Wohl und vergnüglich = Vorzüglich = Wohl und fertig = Wohl und gründlich = Vergnüglich und wohl = Fertig und wohl
2) Wohl = Gut
3) Vergnüglich
4) Ziemlichermaßen
5) hat sich bemüht, auf einige Fragen zu antworten

Ob nun "Ziemlich wohl" und "Mittelmäßig" unter 3 oder 4 bzw. "Nothdürftig" unter 4 oder 5 einzusortieren sind, vermag ich nicht zu beantworten.

Übrigens haben selbst die beiden Kandidaten mit dem Ergebnis "Hat sich bemüht, auf einige Fragen zu antworten" eine Anstellung gefunden.

Evtl. hat ja jemand ein (Schul-) Zeugnis aus dieser Zeit mit ähnlichen Noten oder gar einem Schema. Über einen Hinweis würde ich mich freuen.

Karsten

- - - Aktualisiert - - -

Von den meist mehreren Bedeutungen der folgenden Worte führe ich nur die m.E. für die Benotung in Frage kommenden auf:

Wohl (https://www.dwds.de/wb/dwb/wohl#GW24777):


gut
abgetönt wird wohl häufig durch ziemlich
und allgemein. verstärkung liegt sodann vor, wo sich wohl zu zwillingsformeln mit gut (wohl und gut) und recht (wohl und recht, bzw. recht und wohl), alliterierend älternhd. mit willig (willig und wohl) bindet.


Vergnüglich (https://www.dwds.de/wb/dwb/vergn%C3%BCglich):


genügend
'mit genügen begabt'


Fertig (https://www.dwds.de/wb/dwb/fertig#GF03251):

bereit, auf dem Sprung stehend, gerüstet
es inne haben
rasch, schnell


Gründlich (https://www.dwds.de/wb/dwb/gr%C3%BCndlich):

'bis auf den grund, bis ins letzte gehend', tiefgehend
genau
ausführlich, vollständig, umfassend
sicher, bestimmt
(siehe insbesondere B.2.c "gründlich lernen" und C.2.b "namentlich bei begriffen wie kenntnis, wissen")


Ziemlichermaßen (https://www.dwds.de/wb/dwb/ziemlichermaszen):

in angemessener, gehöriger weise
einigermaszen


Mittelmäßig (https://www.dwds.de/wb/dwb/mittelm%C3%A4szig):

mittleres masz
mildernder ausdruck für gering


Nothdürftig (https://www.dwds.de/wb/dwb/nothd%C3%BCrftig):

nicht übermäszig, aber hinreichend und genügend.
nur zur noth befriedigend, kaum hinreichend und genügend, kümmerlich


- - - Aktualisiert - - -

im Titel sollten die beiden " nicht erscheinen...

Peter von Groddeck
14.07.2024, 06:59
Hallo,
zur Ergänzung Auszüge aus dem Zeugnis meines Urgroßvaters aus Danzig von 1856.
Viele Grüße
Peter

Zeugniss der Reife
für
Albrecht Ludwig v. Groddeck
I. Aufführung:
war stets musterhaft.
II. Fleiß:
er hat stets einen regelmäßigen Fleiß bewiesen.
III. Kenntnisse:
(Hier folgt ein langer ausführlicher Text)
Auf den Grund der vorstehenden Charakteristik
wurde demselben nach der mündlichen Prüfung am
8ten und 10ten März d. J. das Zeugnis der Reife mit
dem Prädikat :
"Gut bestanden"
zuerkannt.
Danzig den 14ten März 1856.
königliche Prüfungs = Commission

Karsten_A
20.07.2024, 13:21
Hallo Peter,

danke für Deine Ergänzung! Hast Du sein Zeugnis in einem Archiv gefunden? Weißt Du, ob dort noch andere Zeugnisse aus der Danziger Gegend vorhanden sind?

Inzwischen habe ich stichpunktartig einige Jahrgänge der Realschule zu St. Petri und Pauli durchsucht und finde als Abschlussnoten ab 1856:
- Vorzüglich bestanden
- Gut bestanden
- Genügend bestanden
- Hinreichend bestanden


Für das städtische Gymnasium finde ich als Abschlussnoten ab 1824 (Das war die erste online gefundene Quelle mit Benotungen - Laut Titel die "Siebente Nachricht") bis mindestens 1834:
- Zeugnis (der unbedingten Reife) No. I = Zeugnis ersten Grades
- Zeugnis No. II mit (besonderer) Auszeichnung
- Zeugnis No. II
- Zeugnis No. II mit einiger Beschränkung
- Zeugnis No. II mit grosser Beschränkung
- Zeugnis No. III
und ein paar Erklärungen
aus 1826: "Da <...> fast ganz den Forderungen des ersten Zeugniss-Grades genügten, so ist ihnen das zweite Zeugniss mit dem Zusatz "mit Auszeichnung" ertheilt worden."
aus 1834: "[...] dass ein der Theologie Beflissener, welcher nicht beim Abiturienten-Examen das Zeugniss der unbedingten oder bedingten Reife (Nr. I. oder II.) erhalten und wenn er mit dem Zeugnisse Nr. III. oder der Untüchtigkeit vom Gymnasium abgegangen, sich nachher kein besseres Zeugniss in der Prüfung bei Einer Königl. wissenschaftlichen Prüfungs-Commission erworben hat, zur Prüfung pro licentia concionandi nicht zugelassen werden soll: [...]"


Für die Theologie-Stundenten gibt es in "Instruction für die Consistoria über die theologischen Prüfungen (https://www.zvdd.de/dms/load/met/?PPN=PPN1724378910)" (Prüfungsbestimmungen) vom 12.2.1799:
- vorzüglich
- gut
- mittelmäßig
- schwach (nur beim Tentamina pro licentia concionandi in §17 erwähnt, aber in §15 nicht genauer beschrieben)
- untüchtig
Für "Tentamina pro licentia concionandi" (Prüfung zur Lizenz zu predigen) stehen sie in §17 und die Kriterien in §15.
Für "Examina pro Ministerio" in §6.2 und die Kriterien in §9.

Ein schönes Wochenende
Karsten

Peter von Groddeck
20.07.2024, 16:34
Hallo Karsten,
das Zeugnis ist in unserem Familienarchiv.
Auch ein schönes Wochenende
Peter