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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Suche nach Herkunft von (Waise?) Gerhard Mierau / Gerhard Rieß



cle.mens
27.02.2025, 21:27
Hallo zusammen,

vielen Dank für die Aufnahme in diesem Forum!
Ich habe vor ein paar Wochen mit der Ahnenforschung begonnen und konnte durch die Unterlagen meiner Großmutter bereits viele Linien nachzeichnen. Allerdings stecke ich bei einer Linie fest und hoffe auf die Expertise der Danzig-Forscher:innen hier.

Grundlegend geht es um die Frage, wer die Eltern meines Großvaters Gerhard Mierau sind. Dabei steht die Behauptung im Raum, dass er ein Vollwaise war, was ich teilweise in Zweifel ziehe. Hierfür hoffe ich auf weitere Unterlagen, die meinen Verdacht bestätigen oder verwerfen.

Was ich aus der Familienerzählung weiß

Meine Großmutter, Lieselotte Stutzer, heiratete meinen Großvater Gerhard Mierau. Den gemeinsamen Kindern wurde erzählt, dass Gerhard ein adoptiertes Waisenkind sei. Einmal, als er schon verheiratet war und mehrere Kinder hatte - also in den 1950er Jahren - soll ein älteres Paar zu Besuch gewesen sein. Die Kinder von Gerhard und Lieselotte wurden damals weggeschickt, weil es angeblich die Adoptiveltern von Gerhard waren und die Kinder das nicht sehen sollten. Diese Geschichte war für die Kinder sehr geheimnisvoll.


Nun gehe ich dieser Familiengeschichte nach und stoße auf einige Unklarheiten. Eine Waisengeschichte kann die Ahnenforschung erschweren oder sogar beenden – aber vielleicht gibt es doch noch Möglichkeiten, mehr herauszufinden.


Gesicherte Daten

Großmutter:
* Liese

lotte Stutzer
* Geboren am 8. April 1923 in Hecklingen
* Gestorben 2011 in Berlin
Großvater:
* Gerhard Mierau
* Geboren am 13. März 1922 in Polen
* Verstorben in Berlin


Angaben aus der Eheurkunde von Lieselotte und Gerhard

Die Urkunde dokumentiert die Ehe zwischen:
* Anna Dorothee Lieselotte Bürgmann (geb. Stutzer)
* Gerhard Heinrich Mierau
* Eheschließung am 8. Oktober 1951 in Stangerode/Alterode

Besonders interessant sind die Details zu Gerhard

* Vater: unbekannt (durchgestrichen)
* Mutter: Gertrud Elisabeth Rieß, später verehelichte Mierau, zuletzt wohnhaft in Danzig
* Standesamtliche Geburtsangabe von Gerhard: Danzig-Langfuhr (?), Nr. 44/1922 - 13. März 1922
* Der Nachname Mierau wurde laut DDR-Recht geführt, was auf eine Adoption durch den Ehepartner der Mutter hindeutet.


Weitere Recherchen zu Gertrud Elisabeth Rieß
Über Ancestry habe ich zur in der Urkunde eingetragenen Mutter folgende Daten gefunden:
* Gertrud Elisabeth Rieß
* Geboren am 22. Oktober 1901 in Danzig
* Beruf (laut Eheurkunde, schwer lesbar): Hausmädchen
* Eheschließung am 21. Oktober 1926 in Danzig mit Erich Max Mierau
* Sie brachte Gerhard also als fast vierjähriges Kind mit in die Ehe.
* Gestorben als Gertrud Mierau am 22. September 1932 in Danzig


Offene Fragen und Überlegungen
1. Stimmt die Geschichte mit den "Adoptiveltern" nicht?
* Seine Mutter Gertrud ist bereits 1932 verstorben.
* Wer könnte das ältere Paar gewesen sein, das Jahrzehnte später zu Besuch kam? Gab es vielleicht doch noch den angeblich unbekannten Vater? Oder war es der Stiefvater?
2. War Gerhard wirklich Vollwaise?
* Laut Urkunde wird seine Mutter als solche geführt.
* War sie seine leibliche Mutter oder gibt es Hinweise auf eine Adoption?
* Es ist ungewöhnlich, dass ein Hausmädchen mit 21 Jahren ein Kind adoptiert.
3. Gibt es weitere Informationen in der Geburtsakte?
* Die genaue Angabe aus der Eheurkunde lautet: Standesamt Danzig-Langfuhr, Nr. 44/1922
* Leider liegt mir diese Geburtsakte nicht vor. Könnte sie mehr über die Elternschaft verraten?
4. Könnte der biologische Vater ein “Hausherr” gewesen sein?
* Ein Hausmädchen, das ein Kind mit in eine Ehe bringt – könnte das auf eine uneheliche Geburt durch einen "Hausherren" hindeuten?
* Gibt es Archive über Hausangestellte in Danzig?
5. Falls Gerhard tatsächlich Waisenkind war:
* Gibt es Archive von Waisenhäusern aus dieser Zeit, die Informationen liefern könnten?
*
Weitere Spuren
Ich habe in alten Telefonbüchern Hinweise auf einen Gerhard Mierau in Danzig gefunden.
* Ob es sich dabei um meinen Großvater handelt, weiß ich nicht.
* Interessant ist die Angabe Eisenhändler als Beruf – möglicherweise eine Fehlspur.

Dokumente

Die mir vorliegenden Dokumente habe ich hier hinterlegt
https://www.dropbox.com/scl/fi/wgbbl0acwy5ze16kllku6/gerhardmierau.zip?rlkey=czd8l9xjskmxwtdqhazelb3mt&st=6qrs14pd&dl=0


Falls jemand Informationen zu den genannten Personen oder hilfreiche Quellen kennt, wäre ich für jeden Hinweis sehr dankbar! Ich verfüge über einen Ancestry-Account, falls dies relevant ist.

Viele Grüße

Caspar C. Mierau

Fischersjung
27.02.2025, 23:09
Hallo Caspar
- Die Mutter von Gertrud Elisabeth RIEß, *22.10.1901, war das unverehelichte Dienstmädchen, Louise Franziska RIEß
Religion: katholisch
Geburtsurkunde Nr.4206 StA Danzig vom 24.10.1901 hier frei / ohne Anmeldung im Link eisehbar:
https://metryki.genbaza.pl/genbaza,detail,350081,124

Weitere Recherche ist sehr schwierig. Auf der Heiratsurkunde von Louise Franziska RIEß könnte stehen ob der Ehemann auch der Vater ist, könnte!

Susanna
27.02.2025, 23:23
Hallo Caspar,

auf den ersten Blick ist meine persönliche Einschätzung eindeutig:

Die Mama von deinem Großvater ist seine leibliche Mama, der Papa ist unbekannt. Er ist bei der Hochzeit ca. 4 gewesen und hat nach Heirat der Mama den neuen Familiennamen angenommen. Nach meinem weiteren Dafürhalten ist die Geschichte, er sei Weise, drumherum gesponnen wurden, weil es möglicherweise für seine Mama eine unangenehme Situation war und eindeutig ja auch vor allen bekannt war, dass ihr Gatte nicht sein Papa war, wenn das Kind bei Hochzeit schon 4 war.

Und nein, dass ein Hausmädchen alleine ein Kind adoptiert würde ich ausschließen!

Der Rest ist Spekulation: Ob der Vater der Hausherr war, bei dem seine Mutter angestellt war: denkbar und ja wahrlich nicht selten. Meistens hatten die Hausmädchen wenig Wahl. Genauso denkbar, dass es jemand der Mitangestellten oder wer auch immer es war. Spekulation ist erlaubt, führt aber zu keinem Ziel. Genauso die Geschichte mit dem Besuch. Vermutungen können angestellt werden, jedoch ohne Ergebnis, nach langer Zeit nun auch nicht mehr zielführend.

Ein Weg wäre, die Geburtsurkunde in Danzig anzufordern (Geburtsdatum und Namen der Mutter vorhanden, der ja auch sein Geburtsname gewesen sein muss), dafür wirst du sicher hier sehr gute Hinweise bekommen können, wie du das am besten machst.

Eine weitere Möglichkeit wäre via ancestry einen Gentest zu machen und auf einen Match zu hoffen, der dir möglicherweise eine Richtung weist.

Jedenfalls ist das Ganze kein Grund zur Sorge und ja auch nicht ganz selten. Mein Großvater war z.B. auch ein uneheliches Kind, geb. in Langfuhr 1919 und ich habe das unendliche Glück, dass Kopien der Geburtsurkunde seines leiblichen Vaters und seiner Großeltern irgendwann zur Nazizeit beigebracht werden mussten und auf mich gekommen sind. Über den Verbleib seines Vaters habe ich Hinweise aber leider noch keine endgültigen Beweise, alle seine Onkels sind aber nach Detroit ausgewandert (ancestry ist Gold wert) und der Gentest auf ancestry hat die Linie zu 100 % bestätigt.

Gutes Gelingen!
Susanna

Fischersjung
27.02.2025, 23:42
...laut Heiraturkunde Nr.825 StA Danzig vom 21.10.1926, zwischen Gertrud Elisabeth RIEß oo Erich Max MIERAU
waren die Eltern:
die verstorbene Louise Franziska RIEß, verehelicht gewesen mit Bruno GRAMOWSKI
zuletzt wohnhaft in Danzig.

- - - Aktualisiert - - -

...die Eheschließung von Louise Franziska RIEß, verehelicht gewesen mit Bruno Hermann GRAMOWSKI
war am 30.10.1903, Nr.964 im StA Danzig
https://www.ancestry.de/search/collections/60749/records/900908582?tid=&pid=&queryId=21fb8b6b-41dd-4445-8d2a-6a4b82740f3e&_phsrc=FgB15&_phstart=successSource

Metryki:
https://metryki.genbaza.pl/genbaza,detail,350144,178

---
Leider steht hier keine Anerkennung des Kindes Gertrud Elisabeth durch Bruno Hermann GRAMOWSKI auf der Urkunde.
Somit ist Bruno Hermann GRAMOWSKI mit hoher Wahrscheinlichkeit NICHT der Vater von Gertrud Elisabeth RIEß.
Ob im kath. Kirchenbuch der Geburt/Taufe von Gertrud Elisabeth RIEß, 1901 etwas vom event. Vater steht, habe ich nicht geprüft.

Fischersjung
28.02.2025, 12:27
Guten Morgen Caspar,
nachdem ich gestern Recherche der Vergangenheit der Familie RIEß machte, nun zu deiner Frage zum damaligen Besuch.

Die Mutter von Gerhard Heinrich MIERAU war bekannt, die unehelich geborene Gertrud Elisabeth RIEß, *22.10.1901, > verh. MIERAU (#2)
Die Mutter von Gertrud Elisabeth RIEß war das unverehelichte Dienstmädchen, Louise Franziska RIEß, *03.11.1880 in Danzig.
Louise Franziska RIEß heiratet am 30.10.1903, Nr.964 im StA Danzig (siehe#4) den Dachdeckergesellen Bruno Hermann GRAMOWSKI
In dieser Ehe wurde ein Sohn Hermann Bruno Gustav GRAMOWSKI am 13.08.1904 in Danzig geboren.
Geburt Ancestry: https://www.ancestry.com/search/collections/60749/records/6234273
Geburtsurkunde Nr. 3289, hier frei einsehbar: https://metryki.genbaza.pl/genbaza,detail,350167,58
Bruno Gustav GRAMOWSKI ist laut Stempelung 1928 in Danzig gestorben.

Der Besuch 1950 könnte der Stiefvater von Gertrud Elisabeth RIEß, der Bruno Hermann GRAMOWSKI geb. *27.09.1881, gewesen sein.
1950 könnte er 65 Jahre alt gewesen sein > Besuch möglich!
Gertrud Elisabet geb. RIEß wird nach der Ehe ihrer Mutter 1903 zusammen mit ihrem Halbbruder Hermann Bruno Gustav GRAMOWSKI in der Familie aufgewachsen sein.

Zu Gerhard Heinrich (geb. RIEß ?) MIERAU, *1922, habe ich noch keinen Ansatz zur Forschung.
BGB §1706 DDR: https://www.gvoon.de/buergerliches-gesetzbuch-bgb-nebengesetze-ddr-1956/seite-344-303615.html

- - - Aktualisiert - - -

Ergänzung zu #5
... auch Bruno Hermann GRAMOWSKI war ein uneheliches Kind.
Mutter: Elisabeth Luise geb. TOSCH, Dienstmädchen

Geburtsurkunde von Bruno Hermann GRAMOWSKI *27.09.1881 in Danzig, mit Randbemerkung zur Vaterschaftsanerkennung:
Ancestry, Nr.2908:
https://www.ancestry.com/search/collections/60749/records/301414304?tid=&pid=&queryId=630dd143-1ebc-4922-8591-89404f9dd95f&_phsrc=oGp7&_phstart=successSource

Metryki, Nr.2908:
https://metryki.genbaza.pl/genbaza,detail,349550,98

Vater: Dachdecker, Gustav Gottlieb GRAMOWSKI
Mutter: siehe oben

Heirat der Eltern am 20.09.1884, StA Danzig Nr562:
Teil1: https://metryki.genbaza.pl/genbaza,detail,349627,171
Teil2: https://metryki.genbaza.pl/genbaza,detail,349627,172

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Vielleicht findet man den Sterbeintrag von Bruno Hermann GRAMOWSKI erst nach den 1950ziger Jahren.

Weiterhin viel Erfolg!

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Anmerkung:
Uneheliche Kinder sind KEINE Weisenkinder !

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Hallo Caspar
Hermann Bruno Gustav GRAMOWSKI, *13.08.1904 ist am 30.01.1928 in Danzig verstorben.
Ehefrau war Erna Käthe Henriette Gramowski, geb. WOHNS
Siehe hier:
https://www.ancestry.com/search/collections/60749/records/601403913?tid=&pid=&queryId=c4ae209b-07c8-42f3-8b4b-9522f001f779&_phsrc=oGp11&_phstart=successSource

Sohn des verstorbenen Dachdeckers Bruno GRAMOWSKI und Luise Franziska geb. RIEß, zuletzt wohnhaft in Sonnenburg

Somit ist der Stiefvater Bruno GRAMOWSKI nicht der Besuch in den 50zigern!

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Berichtigung: Erna Käthe Henriette Gramowski, geb. WÖLMS

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Hallo Caspar,
zu #1, Weitere Spuren:

Eisenwarenhändler Gerhard MIERAU:
Dieser Gerhard MIERAU wohnte in Zoppot, Adolf-Hitler-Str. 807, geboren 14.12.1903 in Marusch/Graudenz.
Somit eine von die genannte Fehlspur.
Seine HOK (Heimatortskartei Danig) ist hier, NACH der kostenfreien Anmeldung frei einsehbar:
https://www.familysearch.org/ark:/61903/3:1:3Q9M-CSRD-JQ29-B?i=3643&cat=232907&lang=de

cle.mens
28.02.2025, 19:55
Guten Abend, liebes Forum!

Vielen Dank für Eure zahlreichen und ausführlichen Antworten. Ich weiß es sehr zu schätzen, dass Ihr Eure Zeit hilfreich investiert.

Ich werde Eure Antworten nun erst einmal in Ruhe sichten, ordnen und sortieren und entscheiden, wie ich damit weiterrecherchiere. Ich melde mich dann sicher noch einmal mit einem überarbeiteten Stand.

Leider kann ich anderen nur kaum beim Thema im Gegenzug Danzig helfen. Sollte es aber Fragen von Euch zum Thema Eberswalde geben, wo ich derzeit lebe, gerne her damit (habe gerade völlig überraschend einen Vorfahr hier auf einem Friedhof aufspüren lassen).

Viele Grüße und einen guten Freitag Abend.

Orika
04.03.2025, 21:13
Hallo Caspar,
ich würde auch vermuten, dass dein Großvater unehelich geboren wurde. Selbst heute ist ein Adoption nur für verheiratete Paare möglich, nicht aber für eine ledige Person. Seit 1900 gab es bereits die Möglichkeit, dass Männer bei der Heirat mit einer Frau derem unehelichen Kind ihren Nachnamen geben konnten (§1618 BGB, heute Einbenennung), ohne dass es ggf. unliebsames Konsequenzen in Sachen Erbrecht hatte. Dadurch erhielt das Kind den gleichen Familiennamen wie der Rest der Familie und war nicht mehr (unter Umständen lebenslang) als "Bastard" gebrandmarkt.
Genauso konnten Kinder "an Kindesstatt" angenommen werden mit den vollen Rechten eines leiblichen Kindes. Adoption im heutigen Sinen war meines Wissens noch nicht so verbreitet.
Mein Vater wurde 1940 in Danzig unehelich geboren; bei einer späteren Eheschließung seiner Mutter wurde er einbenannt und erhielt den Nachnamen des Stiefvaters. In der polnischsprachigen Geburtsurkunde, die mein Vater 2004 aus Danzig anforderte, wird diese Einbenennung übrigens mit "an Kindesstatt angenommen" gleichgesetzt (Übersetzungsfehler? Einbenennung in Polen unbekannt?). Es wurden dann auch dessen drei Vornamen allesamt falsch geschrieben (z. B. Gustaw statt Gustav), und der Vorname meine Vaters ebenso ("Klaus Jorg" statt "Klaus-Jörg"). Womit ich nur sagen will, dass heute ausgestellte Urkunden nicht unbedingt helfen.
Mein Vater konnte dann das hiesige Passamt davon überzeugen, dass er auch so weiterhin so heißen durfte wie die 64 Jahr zuvor, weil er insgesamt nun drei Urkunden hat mit drei verschiedenen Namen/Schreibweisen.
Viel Erfolg bei der Suche!
Bettina