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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wolfgang Federau: Litanei über den Tod



Christkind
01.11.2008, 22:19
Wie viele wohl der Toten sind?
Was fragst du mich?Frage den Wind!
Der Wind sagt's dir, der früh und spät
über verlaß'ne Gräber weht.
Er hat so oft sich abgequält
und sich gemüht und sie gezählt.
Ja, jedes Grab hat er besucht
und sich gemerkt und es verbucht.
Er weiß genau,wieviel sie sind,
die Toten. Frage den Wind!

Den Wald, in dem du oft geruht,
ihn frage nur. Er weiß es gut.
Es ist kein Baum in diesem Wald,
der nicht ein blasses Würzlein krallt
in Erde, die einst Leben war,
in eines toten Mädchen Haar,
in leerer Augenhöhlen Grund,
in eines Schädels weißem Rund,
in Knochen einer Männerfaust -
ja, frag' den Wald, wenn dir nicht graust!

Wie groß die Zahl derer, die tot?
Frage die Blumen, blau und rot,
frag das geringste Ährenfeld
auf dieser großen weiten Welt.
Ein Toter hat das Korn gedüngt,
das golden auf der Tenne springt.
Aus toten Leibern sog der Schaft
der Blüten seinen Lebenssaft,
und jede Rose, die dich grüßt,
aus Asche der Verstorbnen sprießt.

Der Toten Zahl? So frag die Zeit!
Sie sät mit Lust, sie mäht mit Leid.
Der Menschen Leben, Bangen, Glück,
sie löscht es aus im Augenblick.
Ob arm ob reich, ob klein ob groß,
ein jeder fällt in ihren Schoß.
Ja, eines ganzen Lebenskreis
ist ihr ein Nichts. Die Zeit, sie weiß,
wie viele schon der Toten sind,
besser als Ähre, Baum und Wind...!

Wolfgang
01.11.2008, 22:34
Hallo Christa,

danke für dieses Gedicht Wolfgang Federaus das ich noch nicht kannte.