Wolfgang
06.12.2008, 13:21
Aus „Unser Danzig“, Nr.12 vom Dezember 1954, Seite 7
Märcheninsel Hoenepark
von Gert. Schoenhoff
Viel haben wir aus der Heimat Vertriebenen verloren, aber eins ist uns verblieben, das nichts und niemand uns rauben kann: die Erinnerung.
In der Erinnerung können wir all die Wege wieder gehen, die unsere Füße auf der Heimaterde gewandelt sind, damals vielleicht ohne uns dessen bewusst zu sein, wie teuer sie uns war, heute mit vollem Bewusstsein empfindend, dass wir sie zutiefst besitzen, seitdem wir sie verloren haben. Nur fest die Augen schließen, und vor unserm inneren Blick ersteht lebendig, was unser war und bleibt: unser Danzig, unsere Heimat!
Wandern wir in der Erinnerung einen Weg, den wir wohl alle kennen: der Radaune entgegen, gen Süden, von wo sie in ihrem schmalen Kanalbett in die Stadt flutet, still, geheimnisvoll, als käme sie aus einem Märchenland.
Auf der hohen Uferpromenade, vorbei am alten Friedhof von St. Salvator und seinem Vorstadtkirchlein, kommen wir den breiten Damm entlang weiter durch Stadtgebiet (Ohra), deren biederes Vorstadtgebiet sich hinter dichten Baumkronen verbirgt. Am anderen Ufer schweift der Blick zu den Höhen Bischofsberg und Stolzenberg hinan, von deren schützendem Rücken sich Gärten neben Gärten die Hänge entlang ziehen. Ein winziges Gasthaus, „Zur Kleinen Mühle", steht wie eine Kulisse aus gemütlicher Zeit mitten auf dem Damm; eine Brücke führt zu der zweihundertjährigen Kirche jenseits hinüber. Mächtige Erlen, die Wurzeln vom Wasser umspült, säumen die Böschung; hie und da ruht ein Kahn an einem kleinen Holzsteg vertäut.
Auf einmal tut ein Tal sich auf, aus dem ein Bach heranrauscht: wir sind beim Hoenepark angelangt, dem einstigen Sommersitz der Alt-Danziger Patrizierfamilie Hoene, der Stadt gestiftet für die Allgemeinheit.
An dem schlichten Landhaus vorbei schreiten wir zwischen bejahrten Baumriesen an einem rasenumgürteten Teich vorüber, links die bewaldete Anhöhe empor, und stehen dann überrascht vor der Fernsicht, die sich uns oben bietet. Unter der hellen Himmelskuppel breitet sich weithin die Niederung bis an den Horizont, links gesäumt von der dunklen Linie der Dünenwälder, hinter denen unser schweifender Blick die See erahnt. Mächtige Findlingsblöcke, neben denen wir stehen, erzählen von grauer Vorzeit, da das Schmelzwasser der Urgletscher sie hier angeschwemmt hat.
Von der andern Seite der Höhe kommen wir auf einem bequemen Stiegenweg hinunter zu einem zweiten Teich, dessen baumüberschatteter Spiegel von Schwänen belebt ist. Neben ihm springt in munterem Wasserfall das Bächlein dahin. Eine kleine Brücke führt uns zu einer andern Anhöhe hinüber, und oben öffnet sich uns wieder ein prächtiger Rundblick, auf die dunklen Wälder hinter uns, vor uns auf das weite, ebene Land, und seitlich zwischen den Wipfeln des Walddomes lugt gar unsere „dicke Marie" herüber.
Wir stehen und schauen, das Herz geweitet im Anblick des unvergesslichen Bildes unserer Heimat.
Wieder vorüber an den stillen Teichen und dem murmelnden Bächlein, verlassen wir dies Stückchen Paradies, diese Märcheninsel inmitten schützender Waldeshöhen...
Wir wandern zurück über die Höhen, den Stolzenberg, den Bischofsberg. An jeder Biegung erfreut uns der Blick auf die Stadt, die mit ihren roten und grünen, schlanken und wuchtigen Türmen, ihren buckligen Dächern und zierlichen Giebeln sich hinbreitet wie ein bunter Mosaikteppich.
Wir erinnern uns lächelnd an das bekannte Scherzwort, dass der Bischofsberg die höchste Erhebung Europas ist, da man von ihm über das „Schwarze Meer" sehen kann. Und durch dieses Schwarze Meer kommen wir zurück zur Radaune, an deren Ufer Trauerweiden uns wehmütigen Abschied zuwinken.
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Die Veröffentlichung dieses Artikels erfolgte mit freundlicher Genehmigung des "Bundes der Danziger" in Lübeck.
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Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang
Märcheninsel Hoenepark
von Gert. Schoenhoff
Viel haben wir aus der Heimat Vertriebenen verloren, aber eins ist uns verblieben, das nichts und niemand uns rauben kann: die Erinnerung.
In der Erinnerung können wir all die Wege wieder gehen, die unsere Füße auf der Heimaterde gewandelt sind, damals vielleicht ohne uns dessen bewusst zu sein, wie teuer sie uns war, heute mit vollem Bewusstsein empfindend, dass wir sie zutiefst besitzen, seitdem wir sie verloren haben. Nur fest die Augen schließen, und vor unserm inneren Blick ersteht lebendig, was unser war und bleibt: unser Danzig, unsere Heimat!
Wandern wir in der Erinnerung einen Weg, den wir wohl alle kennen: der Radaune entgegen, gen Süden, von wo sie in ihrem schmalen Kanalbett in die Stadt flutet, still, geheimnisvoll, als käme sie aus einem Märchenland.
Auf der hohen Uferpromenade, vorbei am alten Friedhof von St. Salvator und seinem Vorstadtkirchlein, kommen wir den breiten Damm entlang weiter durch Stadtgebiet (Ohra), deren biederes Vorstadtgebiet sich hinter dichten Baumkronen verbirgt. Am anderen Ufer schweift der Blick zu den Höhen Bischofsberg und Stolzenberg hinan, von deren schützendem Rücken sich Gärten neben Gärten die Hänge entlang ziehen. Ein winziges Gasthaus, „Zur Kleinen Mühle", steht wie eine Kulisse aus gemütlicher Zeit mitten auf dem Damm; eine Brücke führt zu der zweihundertjährigen Kirche jenseits hinüber. Mächtige Erlen, die Wurzeln vom Wasser umspült, säumen die Böschung; hie und da ruht ein Kahn an einem kleinen Holzsteg vertäut.
Auf einmal tut ein Tal sich auf, aus dem ein Bach heranrauscht: wir sind beim Hoenepark angelangt, dem einstigen Sommersitz der Alt-Danziger Patrizierfamilie Hoene, der Stadt gestiftet für die Allgemeinheit.
An dem schlichten Landhaus vorbei schreiten wir zwischen bejahrten Baumriesen an einem rasenumgürteten Teich vorüber, links die bewaldete Anhöhe empor, und stehen dann überrascht vor der Fernsicht, die sich uns oben bietet. Unter der hellen Himmelskuppel breitet sich weithin die Niederung bis an den Horizont, links gesäumt von der dunklen Linie der Dünenwälder, hinter denen unser schweifender Blick die See erahnt. Mächtige Findlingsblöcke, neben denen wir stehen, erzählen von grauer Vorzeit, da das Schmelzwasser der Urgletscher sie hier angeschwemmt hat.
Von der andern Seite der Höhe kommen wir auf einem bequemen Stiegenweg hinunter zu einem zweiten Teich, dessen baumüberschatteter Spiegel von Schwänen belebt ist. Neben ihm springt in munterem Wasserfall das Bächlein dahin. Eine kleine Brücke führt uns zu einer andern Anhöhe hinüber, und oben öffnet sich uns wieder ein prächtiger Rundblick, auf die dunklen Wälder hinter uns, vor uns auf das weite, ebene Land, und seitlich zwischen den Wipfeln des Walddomes lugt gar unsere „dicke Marie" herüber.
Wir stehen und schauen, das Herz geweitet im Anblick des unvergesslichen Bildes unserer Heimat.
Wieder vorüber an den stillen Teichen und dem murmelnden Bächlein, verlassen wir dies Stückchen Paradies, diese Märcheninsel inmitten schützender Waldeshöhen...
Wir wandern zurück über die Höhen, den Stolzenberg, den Bischofsberg. An jeder Biegung erfreut uns der Blick auf die Stadt, die mit ihren roten und grünen, schlanken und wuchtigen Türmen, ihren buckligen Dächern und zierlichen Giebeln sich hinbreitet wie ein bunter Mosaikteppich.
Wir erinnern uns lächelnd an das bekannte Scherzwort, dass der Bischofsberg die höchste Erhebung Europas ist, da man von ihm über das „Schwarze Meer" sehen kann. Und durch dieses Schwarze Meer kommen wir zurück zur Radaune, an deren Ufer Trauerweiden uns wehmütigen Abschied zuwinken.
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Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang