PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Schöneberg an der Weichsel



Wolfgang
06.12.2008, 20:24
Aus „Unser Danzig“, Nr. 7 vom Juli 1954, Seite 21

Schöneberg an der Weichsel
von Gert. Schoenhoff

Eines der bemerkenswertesten Dörfer in unserer Danziger Heimat war Schöneberg, das vor zwei Jahrzehnten sein 600-jähriges Bestehen feierte. Urkundlich wurde das Dorf Schöneberg im Jahre 1333 gegründet, als der Deutsche Ritterorden hier einen Ordenshof errichtete. Dicht hinter dem Deich, gleichsam mit ihm verwachsen, stand das mächtige Gebäude, die „alte Burg“, und wie eine Burg beherrschte sein stattlicher rotbrauner Fachwerkgiebel weithin Land und Strom.

Der Schöneberger Ordenshof war einer der ersten von mehreren Gutshöfen, die der Ritterorden im Ostlande gründete; er hatte die Marienburg mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen und mit Vieh zu versorgen. Zu ihm gehörte der Fährbetrieb mit dem Fährkrug und eine Brauerei mit Schankbetrieb, woran die Erinnerung nur noch in dem Namen des angebauten Brauhauses erhalten geblieben ist. Die Wetterfahne mit der Jahreszahl 1694 verriet, dass die Burg im Läufe der Jahrhunderte bauliche Veränderungen erfahren hat; seit der letzten Instandsetzung im Jahre 1929 stand das Anwesen unter Denkmalschutz.

Bis tief unter den Spiegel der Weichsel ragten die meterdicken Grundmauern. Dem wuchtigen Äußeren entsprach das Innere des Hauses, die gewaltigen Gewölbe, das Balkendachgestühl, zu dem sich die Treppe um ihren aus einem Stück gefertigten Eichenpfosten empor wand, die schweren nägelbeschlagenen Türen mit den altertümlichen Riegeln. Krug und Fährbetrieb waren generationenlang im Besitz derselben Familie.

Aus der gleichen Zeit wie der Ordenshof stammte die katholische Kirche des Ortes, deren Äußeres von verschiedenen Bauzeiten zeugte. Hervorragend an dem schlichten Bau war der reich gegliederte Ostgiebel. Ein Grabstein vor der Eingangspforte aus dem Jahre 1649 kündete von einem Besitzer des Ordenskruges; ein Ölgemälde neben der Kanzel stellte nach einer altdeutschen Inschrift unter dem schön geschnitzten Holzrahmen einen andern, 1705 verstorbenen Besitzer des Kruges aus derselben Familie dar. Neben der Turmpforte stand auf der weiß getünchten Mauerwand in ungefüger Blockschrift zu lesen: „Anno 1526 don ist die Weyssel ausgerissen bey der Fer und ist in diesem Jahr nicht gefangen worden.“ Unter den vielen Hochwasser- und Eisgangkatastrophen, die das Danziger Land heimgesucht haben, war dieses die größte; sämtliche Dörfer in weitem Umkreis wurden damals überschwemmt, und 5000 Menschen kamen dabei ums Leben.

Die auf der anderen Straßenseite gelegene evangelische Kirche, ein schmucker Backsteinbau mit schlankem Spitzturm, war noch nicht hundert Jahre alt. Ein kleines Bild in der Halle zeigte das vorherige Gotteshaus, das seit ungefähr 1700 etwa an derselben Stelle stand: eine scheunenartige, holzverschalte Bude, ohne Turm, mit schmalen, waagerechten Fenstern, dicht unter dem flachen, rohrgedeckten Dach. Nach geschichtlicher Überlieferung wurde die Errichtung dieses Gotteshauses von den damaligen polnischen Machthabern in Warschau nur unter der Bedingung genehmigt, dass es von außen nicht einer Kirche gleiche, und die Sage erzählt, dass — als der Bau halb fertig war, plötzlich der Befehl gekommen wäre, ihn sofort wieder abzubrechen, wenn er nicht innerhalb 24 Stunden fertiggestellt wäre. Dank der opferwilligen Gemeinschaftsarbeit aller, gelang es der Gemeinde, ihr Kirchlein über Nacht notdürftig zu vollenden.

Zwei weitere unter Denkmalschutz stehende Zeugen aus alter Zelt hatte Schöneberg aufzuweisen: eine Windmühle auf dem sogenannten Windmühlenberg, deren viereckiger eichener Unterbau die Jahreszahl 1686 trug, und die große Wasserschöpfmühle, ein Entwässerungswerk, das sich zwischen den Feldern neben einem breiten Graben rechts von der Chaussee nach Schönsee erhob.

-----

Die Veröffentlichung dieses Artikels erfolgte mit freundlicher Genehmigung des "Bundes der Danziger" in Lübeck.

Weitere Verwendungen / Veröffentlichungen bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung durch den Rechteinhaber:
Bund der Danziger
Fleischhauerstr. 37
23552 Lübeck

Bei vom Bund der Danziger genehmigten Veröffentlichungen ist zusätzlich ist die Angabe "Übernommen aus dem forum.danzig.de" erforderlich.

-----

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

mafalda1
03.05.2011, 12:31
Hallo,
mich würde interessieren, wo denn die "Burg" genau stand. Meine Mutter stammt aus Schöneberg, ist als kleines Kind geflüchtet und kann sich nicht mehr erinnern.
Ich habe inzwischen eine topographische Karte runter geladen und kann leider nicht entnehmen, wo die Burg stand. War sie gleich neben dem Gasthof Schöneberger Fähre?
Vielen Dank schon mal im Voraus und viele Grüße
Claudia Lerbs

Wolfgang
03.05.2011, 19:04
Schönen guten Nachmittag,
hallo Claudia,

nach meiner Kenntnis hat es in Schöneberg an der Weichsel keine Burg gegeben, sondern in früheren Zeiten mal ein schlossähnliches Gebäude an der Weichsel.

Kann es evtl. sein, dass die Burg Schöneberg (Szymbark) meinst? Näheres zu dieser riesigen Burganlage, die heute nur noch als Ruine steht, findest Du unter http://westpreussen.we.funpic.de/schoenberg/schoenberg1/schoenberg_teil1.htm

Viele Grüße aus dem eiskalten Danzig
Wolfgang

mafalda1
03.05.2011, 20:42
Hallo Wolfgang,
vielen Dank für die schnelle Antwort. Ich meine dieses schlossähnliche Gebäude direkt am Weichseldamm in Schöneberg, so wie es im Text unten hier im Forum erwähnt wird.
Vielleicht weißt du, wo es sich genau befand?
Danke und Gruß aus dem auch nicht sehr warmen Frankfurt

Marc Malbork
04.05.2011, 00:43
Hallo mafalda1 und Wolfgang,

Ich glaube, Schoenhoff hat sich hier missverständlich ausgedrückt. Aus einem späteren Artikel in "Danziger Heimat" 1957 geht hervor, dass er insgesamt die zu seiner (Vorkriegs-)Zeit noch bestehenden Baulichkeiten des Fährkrugs an der Weichselfähre meint und nur der Auffassung ist, hier habe sich schon der Ordenshof des Ritterordens befunden, den er dann auch noch zusätzlich "alte Burg" nennt. Bernhard Schmid (1919) konnte die Grundgemäuer des Baus hingegen nur "wohl noch" dem 17. Jahrhundert zuordnen. Die Jahreszahl auf der Wetterfahne dürfte i. Ü. als 1674 zu lesen sein (Fieguth 1983).

Ich war leider nie in Ostaszewo. Steht dieses "mächtige Bauwerk mit seinem bunten Fachwerkgiebel" denn noch ?

Marc Malbork
04.05.2011, 00:54
Also vermutlich steht da nichts mehr vom alten Fährkrug, sonst würde es hier auf den schönen Bildern von Ostaszewo und Umgebung aufscheinen:

http://www.ostaszewo.pl/modules.php?name=News&file=categories&op=newindex&catid=12

Marc Malbork
04.05.2011, 01:22
Entschuldigung für mein Rumstottern in drei Beiträgen, aber hier gibts jetzt noch auf einer Postkarte den "Gutshof Hellwig". Das ist der hier gemeinte alte Fährkrug, der sozusagen an den Deich rangebaut war:

http://www.nowydworgdanski.fora.pl/ostaszewo,41/przedwojenne-ostaszewo-sch-neberg,367.html#top

mafalda1
04.05.2011, 13:43
Hallo,
den Fährkrug gibt es noch als Ruine. Ich war im September 2010 in Schöneberg, würde auch gerne das Bild hochladen, aber leider habe ich noch nicht herausgefunden, wie das geht.

Marc Malbork
05.05.2011, 01:39
Fein, Foto hochladen geht hier so:

http://forum.danzig.de/showthread.php?4066-Wichtig!-Freischalten-und-Anlegen-Anzeige-von-Fotoalben

Hartmut1953
02.04.2019, 18:27
Guten Tag lieber Wolfgang, bei mir dauert immer alles etwas länger, auch das mit meinen Vorfahren.
Habe auch nicht untätig herumgesessen, gerade vor ein paar Tagen habe ich aus Ostaszewo eine
Kopie der Geburtsurkunde meiner Mutter bekommen vom Standesamt in Ostaszewo.
Mit Interesse habe ich Deinen Beitrag gelesen. Ich bin auf der Suche nach Allem, was die Vorfahren
mütterlicherseits angeht. Mich würde z.B. interessieren, ob meine Vorfahren in irgendwelchen Einwohnerbücher
eingetragen waren. Der Name ist DRUDE. Für jeden Tipp oder Hinweis wäre ich äußerst dankbar.
Auch Dein Beitrag hat mich angesprochen.

LG Hartmut