Wolfgang
19.01.2009, 21:37
In "Unser Danzig", 1956, Heft Nr.14, vom 01.12.1956, Seite 8 stand ein Artikel über das Haus „Thule“ in Neufahrwasser, den ich auszugsweise über den Abschnitt Brösen wiedergebe (Hans-Jörg, diesen Artikel bringe ich für Dich, einen unserer aktivsten Teilnehmer!):
[...] Der Tag fing ja so herrlich an. Früh um sieben zur Elektrischen, die von Langfuhr die ersten zwei Badegäste mitbrachte, hin durchs Brösener Wäldchen, zwei Minuten von meinem „Haus in der Sonne“, hin an die geliebte Ostsee. Unsere Badeanstalt, unser lieber Bademeister Stenzel, der seine Augen nun schon geschlossen hat, und seine liebe Frau, unsere Bademeisterin, seine Söhne! Stets freundlich, entgegenkommend. Blau das Meer, leise plätschern die Wellen an den weißen steinlosen Strand. Oder die Wogen bei stürmischem Wetter! Welche Lebenslust, welche Lebensfreude, auf und ab zu schwimmen. Die Bucht mit den Höhen von Oliva, Adlershorst in der Ferne! „Trinkt ihr Augen, was die Wimper hält, von dem goldenen Überfluss der Welt!“ Welche Reinheit und Stille! Man fühlte sich verbunden mit Gottes wunderbarer Schöpfung. Unser Brösener Wäldchen! Was war es gegen die großen Anlagen in Zoppot? Einst voller Mückentümpel, ungepflegt, dann durch Kurdirektor Barendt zu einem wunderschönen Park gestaltet mit dem Denkmal für die Gefallenen von 1914-1918. Der Blick vom Denkmal aufs Meer! Die Einfassung des Platzes - weiß der Schlehdorn, dunkelgrün die Tannen, rotgelb die Hagebutten, doch vorher die vielen wilden Rosen. Doch ich will zur Badeanstalt. Eröffnung der Badesaison!
Angetreten sind alle Angestellten, die Mädel in weißen Kleidchen mit kornblumblauem Besatz, die Jungens in weißen Hosen und blauen, leuchtenden Pullovern. Wimpel, Blätter- und Blumenschmuck am Eingang. Ermahnung zur Pflichterfüllung, zum Dienst am Kunden. (Was ja bei Stenzels sich erübrigte!) und dabei ein Gast - ich - als erste im zeitigsten Frühling, als letzte im Herbst (einmal war der 15. November der letzte Badetag) in der geliebten See. „Herzlich willkommen zum 100. Bad“. So stand über Kabine 13 Jahr für Jahr, schon oft Anfang Juli. Danziger Radierungen, gerahmt, gewidmet vom Senat der Freien Stadt Danzig, wurden feierlich und fröhlich überreicht. Und mein offizielles 1000. Bad wurde mit einem großen Foto, einer „Birke im Sturm“ - sie stand am Wäldchen, am Meer - belohnt. Die Feiern in unserer Badeanstalt: Da wurden in aller Frühe das 25., 50., 75., 100. gefeiert. Die lieben Kameradinnen werden diese Stunden nie vergessen. Das war ein Genuss! Sonne, Luft, Wasser und Mokka mit Sahne. Die knusprigen Mohnbrötchen von Schauer. Honig und Erdbeeren aus eigener Ernte. Frische Eier aus eigenem Hühnerstall! Kraft und Freude gab uns unsere Ostsee. Und abends auf der Mole? Stundenlang konnte man dort sitzen. Unter der sinkenden Sonne färbten sich Himmel und Meer in einer Farbenpracht, die kein Maler wiedergeben kann. Kein Laut, nur das leise Plätschern und ab und zu leichte Ruderschläge, oder ein Segelschiff fuhr in den Hafen. Wenn dann der Mond seine silbernen Strahlen ins Meer senkte: „Der Mond ist aufgegangen, die güldnen Sterne prangen am Himmel hell und klar“ - wessen Herz wurde da nicht stille?
Viele, viele Bilder könnte ich malen. Immer neue tauchen auf. Das schlichte Fischerdorf mit den urwüchsigen Bewohnern am Meer. Den anderen Teil Brösens meine ich nicht. Nur noch das schmucke Pfarrhaus, die schöne, neue Kirche, von den Brösenern zum größten Teil selbst erbaut. Auch die Schulkinder halfen. Der Strand mit den Fischerbooten, den im Winde wehenden Netzen. Die vielen, frohen Menschen, die von nah und fern zur Erholung kamen und Frieden und Freude fanden in Brösen. Kleine Dampfer, die am Seesteg anlegen, uns nach Zoppot bringen, auch zu den Festspielen. Was haben wir erlebt! Großes, Unvergängliches, stärker eingeprägt durch die Stille, den Frieden unseres bescheidenen „Fischerdorfes“.
Dann kamen andere, nicht so lichte, strahlende, friedliche Tage. Eine Nacht kam, es war die vom 25. zum 26. März 1945. Da zogen Hunderte von Brösenern und mit ihnen Trecks aus Ost- und Westpreußen hinaus, über den Menschen Bomber und Tiefflieger. Viele wollen die Heimat nicht verlassen, nur Schutz suchen in den Wäldern Heubudes. Auf Umwegen, über Lauental (Neufahrwasser brannte) zogen sie dahin, um hinüberzukommen über den Fluss. Der Nachthimmel war rot gefärbt von den Bränden.
Und da stand ich zum letzten Mal hinter dem Haus Thule, mit dem Turm, in dem viele Hunderte von Krokussen und Frühlingsblumen, wie sie auch in meinem geliebten Garten nie schöner blühten als an dem Palmsonntag 1945.
Heimat! Heiß geliebte, verlorene Heimat. Wenn „Unser Danzig“ kommt, ich immer liebe, bekannte Namen finde, Erinnerungen wach werden, dass ich keine Ruhe finde, dann wird das Herz so schwer. Und doch, nichts kann die Liebe, die Sehnsucht nach der Heimat mindern. So wollen wir sie weiter lieben und die Erinnerung pflegen und bitten: „Gib uns wieder unser Danzig und mir mein Brösen.“
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Die Veröffentlichung dieses Artikels erfolgte mit freundlicher Genehmigung des "Bundes der Danziger" in Lübeck.
Weitere Verwendungen / Veröffentlichungen bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung durch den Rechteinhaber:
Bund der Danziger
Fleischhauerstr. 37
23552 Lübeck
Bei vom Bund der Danziger genehmigten Veröffentlichungen ist zusätzlich ist die Angabe "Übernommen aus dem forum.danzig.de" erforderlich.
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Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang
[...] Der Tag fing ja so herrlich an. Früh um sieben zur Elektrischen, die von Langfuhr die ersten zwei Badegäste mitbrachte, hin durchs Brösener Wäldchen, zwei Minuten von meinem „Haus in der Sonne“, hin an die geliebte Ostsee. Unsere Badeanstalt, unser lieber Bademeister Stenzel, der seine Augen nun schon geschlossen hat, und seine liebe Frau, unsere Bademeisterin, seine Söhne! Stets freundlich, entgegenkommend. Blau das Meer, leise plätschern die Wellen an den weißen steinlosen Strand. Oder die Wogen bei stürmischem Wetter! Welche Lebenslust, welche Lebensfreude, auf und ab zu schwimmen. Die Bucht mit den Höhen von Oliva, Adlershorst in der Ferne! „Trinkt ihr Augen, was die Wimper hält, von dem goldenen Überfluss der Welt!“ Welche Reinheit und Stille! Man fühlte sich verbunden mit Gottes wunderbarer Schöpfung. Unser Brösener Wäldchen! Was war es gegen die großen Anlagen in Zoppot? Einst voller Mückentümpel, ungepflegt, dann durch Kurdirektor Barendt zu einem wunderschönen Park gestaltet mit dem Denkmal für die Gefallenen von 1914-1918. Der Blick vom Denkmal aufs Meer! Die Einfassung des Platzes - weiß der Schlehdorn, dunkelgrün die Tannen, rotgelb die Hagebutten, doch vorher die vielen wilden Rosen. Doch ich will zur Badeanstalt. Eröffnung der Badesaison!
Angetreten sind alle Angestellten, die Mädel in weißen Kleidchen mit kornblumblauem Besatz, die Jungens in weißen Hosen und blauen, leuchtenden Pullovern. Wimpel, Blätter- und Blumenschmuck am Eingang. Ermahnung zur Pflichterfüllung, zum Dienst am Kunden. (Was ja bei Stenzels sich erübrigte!) und dabei ein Gast - ich - als erste im zeitigsten Frühling, als letzte im Herbst (einmal war der 15. November der letzte Badetag) in der geliebten See. „Herzlich willkommen zum 100. Bad“. So stand über Kabine 13 Jahr für Jahr, schon oft Anfang Juli. Danziger Radierungen, gerahmt, gewidmet vom Senat der Freien Stadt Danzig, wurden feierlich und fröhlich überreicht. Und mein offizielles 1000. Bad wurde mit einem großen Foto, einer „Birke im Sturm“ - sie stand am Wäldchen, am Meer - belohnt. Die Feiern in unserer Badeanstalt: Da wurden in aller Frühe das 25., 50., 75., 100. gefeiert. Die lieben Kameradinnen werden diese Stunden nie vergessen. Das war ein Genuss! Sonne, Luft, Wasser und Mokka mit Sahne. Die knusprigen Mohnbrötchen von Schauer. Honig und Erdbeeren aus eigener Ernte. Frische Eier aus eigenem Hühnerstall! Kraft und Freude gab uns unsere Ostsee. Und abends auf der Mole? Stundenlang konnte man dort sitzen. Unter der sinkenden Sonne färbten sich Himmel und Meer in einer Farbenpracht, die kein Maler wiedergeben kann. Kein Laut, nur das leise Plätschern und ab und zu leichte Ruderschläge, oder ein Segelschiff fuhr in den Hafen. Wenn dann der Mond seine silbernen Strahlen ins Meer senkte: „Der Mond ist aufgegangen, die güldnen Sterne prangen am Himmel hell und klar“ - wessen Herz wurde da nicht stille?
Viele, viele Bilder könnte ich malen. Immer neue tauchen auf. Das schlichte Fischerdorf mit den urwüchsigen Bewohnern am Meer. Den anderen Teil Brösens meine ich nicht. Nur noch das schmucke Pfarrhaus, die schöne, neue Kirche, von den Brösenern zum größten Teil selbst erbaut. Auch die Schulkinder halfen. Der Strand mit den Fischerbooten, den im Winde wehenden Netzen. Die vielen, frohen Menschen, die von nah und fern zur Erholung kamen und Frieden und Freude fanden in Brösen. Kleine Dampfer, die am Seesteg anlegen, uns nach Zoppot bringen, auch zu den Festspielen. Was haben wir erlebt! Großes, Unvergängliches, stärker eingeprägt durch die Stille, den Frieden unseres bescheidenen „Fischerdorfes“.
Dann kamen andere, nicht so lichte, strahlende, friedliche Tage. Eine Nacht kam, es war die vom 25. zum 26. März 1945. Da zogen Hunderte von Brösenern und mit ihnen Trecks aus Ost- und Westpreußen hinaus, über den Menschen Bomber und Tiefflieger. Viele wollen die Heimat nicht verlassen, nur Schutz suchen in den Wäldern Heubudes. Auf Umwegen, über Lauental (Neufahrwasser brannte) zogen sie dahin, um hinüberzukommen über den Fluss. Der Nachthimmel war rot gefärbt von den Bränden.
Und da stand ich zum letzten Mal hinter dem Haus Thule, mit dem Turm, in dem viele Hunderte von Krokussen und Frühlingsblumen, wie sie auch in meinem geliebten Garten nie schöner blühten als an dem Palmsonntag 1945.
Heimat! Heiß geliebte, verlorene Heimat. Wenn „Unser Danzig“ kommt, ich immer liebe, bekannte Namen finde, Erinnerungen wach werden, dass ich keine Ruhe finde, dann wird das Herz so schwer. Und doch, nichts kann die Liebe, die Sehnsucht nach der Heimat mindern. So wollen wir sie weiter lieben und die Erinnerung pflegen und bitten: „Gib uns wieder unser Danzig und mir mein Brösen.“
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Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang