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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Reise zu Stätten der Familiengeschichte



langhecken, +26.09.2011
24.02.2008, 18:31
Eine Reise zu Stätten der Familien-Geschichte

Mit Sohn und Schwiegertochter unternahm ich im Frühjahr 2003 mit einem Linienbus eines Danziger Unternehmens von Frankfurt aus eine Reise nach Danzig. Meine Vorfahren stammen aus Pommern und Westpreußen. Ich bin am Fuße der Wartburg in Eisenach geboren. Meine Geschwister waren in den 30er Jahre in Danzig bei der Großmutter gewesen und sind im verplombten Waggon durch den polnischen Korridor gereist. Als Nachgeborener reiste ich nun zum ersten Mal nach Danzig, der Stadt in der von 1808 bis 1945 meine Vorfahren lebten. Durch meine Familienforschung kannte ich schon einige Adressen, die wir suchen wollten.

Wir waren die einzigen Deutschen unter den Busreisenden. Am frühen Morgen passierten wir Preuß. Stargard, wo wir an der Fassade der von meinem Urgroßvater gegründeten Spirituosenfabrik vorbeifuhren. Der erste Blick auf Danzig: die mächtige Marienkirche. Ankunft hinter dem Danziger Hauptbahnhof gegen 7 Uhr früh. Mit dem Taxi Fahrt zum Hotel Dom Muzyca in der Weidengasse. Zimmer noch nicht frei. Wir erhielten einen Raum, um uns nach der nächtlichen Fahrt frisch zu machen und die Koffer einzustellen. Dann gab es ein Frühstück. Unsere Zimmer im 5. Stock über der Musikakademie konnten wir erst am Nachmittag beziehen.

Nun ging’s zu Fuß über die beiden Mottlau-Brücken zur Altstadt. Blick auf die Lange Brücke und das Krantor, dessen Bild in meinem Elternhaus hing. Gegenüber dem Milchkannenturm suchten wir nach dem Haus Milchkannengasse Nr. 27, in dem meine Großeltern kurz nach der Geburt meines Vaters in Preuß. Stargard 1882 zuerst in Danzig wohnten. Daneben hatte mein Großvater sein direkt an der Neuen Mottlau liegendes Kohlenkontor. Die rechte Seite der Milchkannengasse, von Langgarten aus kommend, liegt heute noch als Ruinenfeld hinter einem hohen Bretterzaun.

Nun gingen wir durch das Grüne Tor zum Langen Markt und blieben vor einem wunderschönen Haus stehen und machten Fotos. Es war das Haus Nr. 41, das sog. Steffensche oder Goldene Haus. Erst nach der Rückkehr von der Reise entdeckte ich in einem Fotoalbum meines verstorbenen Bruders ein Foto dieses Hauses von 1904 mit dem Vermerk meines Vaters „Hier verbrachte ich meine Jugend“. Inzwischen fand ich in einem Danziger Adressbuch von 1899 den Eintrag der Wohnung meiner Großeltern in diesem Haus.

Nun gingen wir in die imposante Marienkirche, in der 1882 mein Vater getauft wurde. Am Eingang stand das Taufbecken. Ein Turmwärter erzählte mir, dass dieses Becken nicht das von 1882 sei, es stamme vielmehr aus der Johanniskirche.

Dann besuchten wir die nahe gelegene Nikolaikirche, in der mein Urgroßvater 1817 getauft wurde. Leider entdeckten wir hier den Taufstein nicht. Diese Kirche ist im Kriege nicht zerstört worden. An der Markthalle vorbei ging’s dann zum Hauptbahnhof und weiter zum Karrenwall. Dort wohnten meine Großeltern später, als die Söhne aus dem Haus waren.

Dann suchten wir noch die Hundegasse auf. In Nr.81 hatte ein Bruder meines Urgroßvaters seine Praxis als „Hühneraugen-Operateur“ und Barbier. Die Hundegasse ist auch im alten Stil wieder aufgebaut worden und dort standen sogar Autos. Am Thornschen Weg suchten wir die Nr. 12b, wo die Stargarder Firma ihre Danziger Niederlassung hatte, fanden aber nichts mehr.

Den ersten, erlebnisreichen Tag beendeten wir mit einem Abendessen im Ratskeller. Über den nächtlichen Langenmarkt ging’s durch das Grüne Tor zurück ins Hotel.

Am 2. Tag fuhren wir mit der Bahn nach Lauenburg/Pommern (Lebork). Hier suchten wir nach Spuren der Eltern meines Urgroßvaters, der dort Hutmachermeister war um 1760 herum. Besichtigten die Kirche, in der ihre Kinder getauft wurden. Wir hatten uns über Marianne Stanke mit dem Prior vor der Reise in Verbindung gesetzt und unser Kommen angekündigt mit dem Wunsche nach Einsicht in die Kirchenbücher. Leider war der Prior abwesend. Die Mönche waren hilfsbereit, aber keiner sprach Deutsch oder Englisch. Schließlich kam einer auf die Idee, auf dem PC ein Übersetzungsprogramm aufzurufen. So konnten wir mittels Tastatur uns notdürftig verständigen. Im Büro hatten sie nur Kirchenbücher aus jüngerer Zeit. Sie erwähnten das Archiv. Ich hoffte „Wann geht nun einer von ihnen mit dem Schlüssel ins Archiv?“. Leider nicht, man versprach E-mail-Kontakt nach Rückkehr des Priors. Aber lange Zeit rührte sich nichts. Inzwischen habe ich über Kontakte mit der Lauenburg-Liste CDs mit von Polen fotografierten Kirchenbuch-Seiten erhalten. Leider noch nicht vollständig zur Klärung der Lücken bei meiner Familienforschung. Auf der Rückfahrt nach Danzig stiegen wir in Oliva aus. Hier suchten wir in der Goethestraße nach dem Haus meines Onkels, in dem auch meine Großmutter bis zu ihrem Tode gelebt hatte. Fanden es leider nicht. Ein Pole, der lange in Oliva gewohnt hatte, fand das Haus nach meinen Beschreibungen und schickte mir Fotos.

Am nächsten Tag fuhren wir mit dem Linienbus vom Hauptbahnhof nach Preußisch Stargard. In jedem Dorf stiegen Leute aus und ein. Man konnte in Ruhe Einblick nehmen in den einfachen Zustand der Häuser und Straßen. In einem Dorf stand in mitten der alten niedrigen Häuser ein modernes großes Haus umgeben von einem gepflegten Garten und einer Mauer. Solcher Reichtum inmitten der ärmlichen Umgebung !

Zunächst besuchten wir das Museum. Der Direktor begrüßte meine Schwiegertochter mit Handkuss. Er zeigte uns einen Schaukasten mit Dokumenten der Firma meines Urgroßvaters und seiner Nachkommen und öffnete die Scheiben, damit wir besser fotografieren konnten. Anschließend begleitete er uns in die Stadt. Zunächst sahen wir die Stelle in der Ritterstrasse, wo die erste Fabrik stand, die im Frühjahr 1945 zerstört wurde. Dann machten wir am Markt ein Foto von dem Haus, das Christa Krieg´s (Kiki) Großeltern gehört hatte. Sie hatte mich darum gebeten. Die ehemalige evangelische Kirche am Markt, in der alle Kinder meines Urgroßvaters getauft worden sind, war leider verschlossen. Wir konnten aber durch die Glasscheiben der Eingangstür einen Blick in das wunderschöne Innere werfen. Der Museumsdirektor machte darauf aufmerksam, dass mein Urgroßvater einen der großen Leuchter gestiftet hätte. Inzwischen habe ich durch einen Polen Fotos vom Inneren der Kirche erhalten. Nächste Station war das Rathaus, wo wir vom Bürgermeister begrüßt wurden, der erwähnte, dass sein Großvater in der Fabrik meines Urgroßvaters gearbeitet hätte.

Nun kamen wir zur Fabrik am Bahnhof, die von den Söhnen meines Urgroßvaters erbaut wurde und den Krieg unbeschädigt überstand. Der englisch-sprechende Direktor begrüßte meine Schwiegertochter ebenfalls mit Handkuss und führte uns durch die Fabrik. Zu Zeiten des Familienbesitzes beschäftigte die Fabrik ca. 500 Leute, heute sind es noch 150. Die damalige hohe Beschäftigtenzahl war erforderlich weil neben der Herstellung der Spirituosen alles Nötige zum Versand selbst hergestellt werden musste, wie Fässer, Kisten, Flaschen etc. Hersteller dafür gab es vor dem Bau der Eisenbahn in Westpreußen nicht. Man musste alles selbst herstellen. Nach der Besichtigung genossen wir im Probierstübchen die Erzeugnisse der heutigen Fabrik und bekamen noch einige Flaschen geschenkt. Die Fabrik gehört jetzt zu einem französischen Konzern.

Beim Abschied sagten wir, dass wir noch den Friedhof besuchen wollten. Vertreter der deutschen Städtepartnerschaft hatten mich darauf hingewiesen, unbedingt nach dem großen Familiengrab zu sehen. Der Direktor stellte sofort einen PKW und Fahrer zur Verfügung, um zum Friedhof zu gelangen. Aber die Stadt hatte 3 Friedhöfe, die wir dann zu Fuß, beladen mit den vielen Flaschen und bei ziemlicher Hitze, aufsuchten. Der letzte Friedhof, der von der Straße her nicht als solcher zu erkennen war, stellte sich nach Hinweisen eines deutsch-sprechenden Taxifahrers dann als der gesuchte heraus. An einem Hang gelegen waren nur noch ganz wenige Reste von Grabumrandungen zu sehen. Ganz oben endlich entdeckten wir die Reste des Grabes meiner Urgroßeltern. Die Rückwand war umgestürzt, keine Namen zu lesen und im Eingang zur Gruft sahen wir nur Erde. Vor einem Jahr erhielt ich eine mail von einem Journalisten aus Stargard, der meine Meinung erkunden wollte zu dem Plan des Stargarder Bürgermeisters, den ehemaligen deutschen Friedhof in einen Park umzuwandeln. Bislang konnte Jutta Arth, die ja oft in der Nähe von Stargard ist, nicht feststellen, dass dieser Plan verwirklicht wurde.

Am folgenden Tag fuhren wir mit der Bahn nach Marienburg. Es war der 1. Mai und unter der Burg hatten Schüler zum „Europatag“ in Zelten für jedes Land der EU Interessantes zur Schau gestellt.. Die Führung durch die gewaltige Burg des Deutschen Ordens erfolgte in Polnisch und dauerte 3 Stunden. Leider gab es zu den Ausstellungsstücken keine Erklärungen in Deutsch oder Englisch. Die Burg ist nach den Kriegszerstörungen bis auf das Innere der Kirche wieder in den alten Zustand versetzt worden und vermittelt einen Eindruck von der Pracht, in der die Oberen des Ordenslandes lebten.

Bei der Rückfahrt hatten wir das einzige unangenehme Erlebnis unserer Reise: Der Schaffner beanstandete unsere Hin- und Rückfahrkarten aus Danzig. Für die Fahrt mit diesem Zug seien sie nicht gültig. Nach langem Palaver zahlten wir 50 Zloty. Ein mitreisender junger Pole schüttelte nur den Kopf. Der Schaffner sah in uns Touristen, die man zu eigenen Gunsten abkassieren kann.

Am letzten Tag fuhren wir mit der S-Bahn nach Zoppot und besuchten bei herrlichem Sonnenschein den 500 m langen Seesteg. Zurück in Danzig genossen wir in einem schottischen Restaurant in der Brotbänkengasse ein Fischgericht zum Abschluss unseres kurzen Aufenthaltes in Danzig. Am Nachmittag fuhren wir mit dem gleichen Bus zurück über Stettin nach Frankfurt. Eindrucksvoll war die Fahrt im Abend-Sonnenschein durch das Pommernland mit weitem Blick auf eine Windmühle, Rehe und Störche. Schade, dass die Reise so kurz war. Mit meinen heutigen Kenntnissen der Familiengeschichte hätten wir noch viele weitere Stätten finden können. Ich hoffe, dass die Ahnenforschungs-Ergebnisse meine Kinder oder Enkel einmal veranlassen werde auch auf die Suche nach weiteren Stätten der Familienvergangenheit zu gehen, wie z.B. Altstädtischer Graben, Langgasse, Wallgasse, Breitgasse usw.


Fotos dieser Reise findet man im Internet unter: http://picasaweb.google.de/langhecken

mottlau1
01.03.2008, 14:18
Hallo lieber Gerd,

vielen Dank für diesen ausführlichen und sehr interessanten Bericht Deiner Reise in die Vergangenheit. Habe alles mit grossem Interesse gelesen.
Wie Du erwähnst bin ich ja sehr oft in Pr.Stargard und kann so alles
nachvollziehen. Werde auch während meines diesjährigen Urlaubs von Ostern an zum Friedhof Deiner Ahnen fahren u. schauen ob der Friedhof in einen würdigen Zustand gebracht worden ist. Wenn ja, werde ich ein Foto für Dich machen.
Die Kirche in der sich die zwei gespendeten Leuchter Deines Urgroßvaters hängen ist von innen sehr schön.
-Habe ja zum Glück den wunderbaren Band mit sehr vielen Fotografien des alten Pr.Stargard in der Buchhandlung erstehen können. Bemerkenswert ist die Tatsache , dass viele polnische Sammler wie Herr R. Preising, den ich persönlich kenne, diese Fotos gesucht haben (sogar in Berlin u. anderen Städten). Überhaupt sind viele Menschen an der alten Geschichte der Stadt Pr.Stargard interessiert wie ich immer wieder hören konnte.


Sende Dir herzliche Grüsse
Jutta

langhecken, +26.09.2011
01.03.2008, 19:15
Liebe Jutta,

Danke für Deine Bereitschaft bei Deinem nächsten Besuch in Pr.Stargard
nach dem Zustand des ehemaligen ev. Friedhofes zu schauen. Empfehle
auch sehr einen Besuch im Stadt-Museum.
#
Viele Grüße
Gerd

langhecken, +26.09.2011
22.04.2008, 12:41
Hallo Ahnenforscher,

wer sehen will, was man alles durch systematische Ahnenforschung
erfahren kann, dem empfehle ich einen Blick in meine Homepage

www.familie-winkelhausen.de (http://www.familie-winkelhausen.de)

Ich habe durch diese Veröffentlichung im Laufe der Zeit viele Kontakte
zu Verwandten bekommen, durch die ich weitere Informationen, Fotos
und Unterlagen erhielt, die ich ohne diese Homepage nie erhalten hätte.

Empfehle ein besonderes Thema im Forum "Ahnenforschung".

Gruß
Gerd