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Wolfgang
07.02.2009, 20:30
Aus „Unser Danzig“, Nr. 3 vom 05.02.1965, Seite 9

Der Dominikanerplatz
von Walther Domansky

Gehe ich abends bei Mondschein über den Dominikanerplatz, dann fangen die Steine zu reden an.

Wer glaubt es, dass einstmals auf diesem Platz, wo sich jetzt die Markthalle so recht behäbig wie eine Handelsfrau hingesetzt hat, ein uraltes Kloster gestanden hat? Jetzt ist davon im Hintergrunde nur noch die Kirche mit ihrem Glockenturm zu sehen. Und doch hat das Dominikanerkloster, nach dem der Platz seinen Namen hat, nahezu 600 Jahre im Leben unserer Stadt eine Rolle gespielt. Die Dominikaner wurden vom Danziger Volksmund Schwarzmönche genannt, ein Name, der sich für die Nikolaikirche bis auf den heutigen Tag erhalten hat. Im Jahre 1260 erhielten die Dominikaner von Papst Alexander IV. einen großen Ablass bewilligt, der alljährlich am 5. August auszuspenden war. Mit diesem Ablass war dann, wie es zu geschehen pflegte, ein Jahrmarkt verbunden, aus dem sich der berühmte „Danziger Dominik“ entwickelte.
In den achtziger und neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts spielte sich der Dominiksmarkt, der seinen Standort vielfach gewechselt hat, zum Teil auch auf dem Dominikanerplatz ab. So standen dort längs der Kirche z.B. die Buden der Tilsiter Schuhmacher, und wenn ich dort hindurch wandelte, konnte ich mir vorstellen, wie die ehrsamen Meister daheim auf ihrem niedrigen Schemel am Arbeitstischchen saßen und beim Widerschein der Glaskugel an Stiefeln und Schuhen hantierten und dabei über allerlei nachsannen. Denn das Schusterhandwerk ist ein nachdenkliches Gewerbe, wie uns Wilhelm Raabe in seinem „Hungerpastor“ gelehrt hat.

Im Jahre 1910 konnte der Danziger Dominik übrigens sein 650jähriges Bestehen feiern. Er lebt also noch und hoffentlich noch recht lange, denn das Herz eines jeden echten, eingeborenen Danzigers hängt daran.

Im Laufe der Zeit haben sich die Insassen des Dominikanerklosters auch wiederholt in die Welthändel eingemischt. Aber wir wollen hier davon nicht reden. Wir wollen vielmehr von einzelnen Personen erzählen, die mit dem Kloster irgendwie im Zusammenhang standen.

Da sehe ich an einem frühen Winterabend den Mönch Simon Grunau in seiner einsamen Zelle sitzen. Draußen heult ein Schneesturm, aber er lässt sich dadurch nicht beirren, sondern schreibt beim trüben Schein seiner Lampe an einer Chronik. Eine Beschreibung der Historien des namkundigen Landes zu Preußen von Christi Geburt an bis zum heutigen Tage (da er dieses schrieb) wollte er geben, soweit dieses einem Menschen möglich ist, Anno 1526. Also hatte er am Anfang des Buches geschrieben. In dem Kapitel „Von dem Gebrauch des Bernsteins“ erzählt er, wie er Anno 1520 eine Sache zu Rom gehabt vor Papst Leo X., und wie er dem Kardinal Johannes ein Herz von Bernstein mitgebracht,' um ihn für seine Sache geneigt zu machen. Das Herz von goldleuchtendem Bernstein sei nur eines Mannes halben Finger lang gewesen, und darin habe ein geschnitztes Jesuskindlein aus weiß glänzendem Bernstein gelegen. Wahrlich, ein sinniges und zugleich kunstreiches Angebinde, das der arme Bettelmönch nach Rom mitnahm und das unserem Danziger Kunsthandwerk alle Ehre machte.

Dann sehe ich Anno 1773 zur Sommerzeit einen stattlichen Herrn in die Dominikanerkirche gehen. Er ist aus Berlin zum Besuch nach Danzig gekommen. Man wird schon gemerkt haben, wen ich meine. Es ist unser berühmter Landsmann Chodowiecki. Natürlich hat er sein Skizzenbüchlein und den Zeichenstift schon, zur Hand. Und so zeichnet er den Vater Ludwig Mathis mit dem so charakteristischen Profil und auch einige Beterinnen in ihren andachtsversunkenen Stellungen.

Und wieder ein paar Jahre später, nämlich 1781, sehe ich ein junges Bürschchen am Sonntagvormittag eilig in die Dominikanerkirche schlüpfen. Das ist unser Johannes Falk, derselbe, der seine Kindheit so hübsch erzählt hat in der „Jugendgeschichte des Johannes von der Ostsee“. Er wollte gern lernen, viel lernen und später studieren, aber sein Vater hatte „kein Ohr dazu“, sondern steckte ihn in sein Geschäft, das im Perückenmachen bestand. Da hieß es dann vorerst geduldig ausharren nach dem Rezept: „Schick dich in die Zeit, bet und arbeit, und das übrige Gott befohlen.“ So sagte nämlich der Pater Lambert zu Schwarz-Mönchen zu ihm. Denn unser Johannes Falk machte dort zum Hochamt auf dem Orgelchor Musik, nämlich „an der zweiten Violine“. Nun, späterhin hat er doch das Danziger Gymnasium besucht und hat auch studiert und ist ein berühmter Mann geworden.

Aber nun sehe ich mich in der Umgebung des Klosters um. Dort die Gegend an der Lawendelgasse bis zur Häkergasse hin hieß einstmals Kogelzyppel. Gegenüber dem Chor der Kirche wohnten Beguinen, in Danzig auch Klepelnonnen genannt, die sich zusammengeschlossen und den Gebets und Bußübungen des Klosters unterworfen hatten. Sie trugen ein einfaches, graues Ordenskleid und beschäftigten sich auch mit Jugendunterricht, wie denn z.B. Frau Barbara Lübbe in ihrer Jugend zehn Jahre bei ihnen lebte und „lernte bei ihnen Bücher lesen, nähen und was sonst den Weibern zum Nutzen gereicht.“

Wo ist schließlich das Kloster geblieben? Schon während der Belagerung im Jahre 1813 war es zum Teil abgebrannt und 1835 wurde es aufgehoben. In den nachmaligen Ruinen, solange bis sie abgetragen wurden, konnte die umwohnende Knabenwelt wohl fein „Ritter und Räuber“ spielen. Und zur Winterszeit, wenn Schnee lag, konnte man dort Schneeballschlachten liefern und Schlitten fahren. Ei, da ist es mir doch so, als ob St. Nikolaus sich einmal unter die jugendfrohe Schar mischte und sich auf einen Schlitten setzte, eines der Kleinsten auf den Schoß nahm und sich umher fahren ließ und dann seine Gaben verteilte. Denn er war ja der Kinderfreund. Aber dazu gehören Märchenaugen, um das zu sehen.

Zuletzt blieb nur noch der Turm stehen, der im Volksmund der „Blumentopf“ hieß, weil sich oben auf ihm ein Bäumchen angesiedelt hatte. Wenn ich nicht irre, soll sich damals, als der Turm vor der Markthalle weichen musste (1896), ein Hausbesitzer der Umgegend das Bäumchen ausgebeten und in seinen Garten verpflanzt haben. Ich hätte es gern einmal besucht, wenn es noch jetzt grünt und gedeiht, konnte es aber bisher nicht ausfindig machen. Jetzt bezeichnet nur noch ein Kreis im Pflaster des Dominikanerplatzes die ehemalige Stätte des Turmes.

Aber noch steht der Kiek en de Kök (von ca. 1410), der seinen Namen erhielt, weil die Danziger von ihm in den Schlosshof der ehemaligen Ordensritter schauen konnten. So erhält sich wenigstens hartnäckig die Überlieferung.

Und dann schaut noch ein anderer Turm herab auf den Dominikanerplatz. Unvergesslich ist es mir, wenn ich (es ist der ehemalige Turm, den ich meine) gelegentlich mit dem damaligen Glockenisten die hölzernen Treppen emporstieg und, bei dem uralten Türmerstübchen vorbei, bis unter die Glocken gelangte. Und während der Glockenist noch in der alten Art das Glockenspiel bediente, schaute ich träumend hinaus über den Dominikanerplatz bis nach St. Marien, wo an schönen Sommertagen die Tauben kreisten. Und dann stand ich am frühen Morgen des 3. Juli 1905 auf dem Dominikanerplatz und sah erschüttert zu dem vom Blitzstrahl getroffenen St.KatharinenTurm empor, der in einem Feuermantel dastand und dessen Glocken feurige Tränen weinten. Polterte da nicht, nur um das nackte Leben zu retten, der alte Turmwächter von Anno dazumal mit versengtem Haar in fliegender Hast die Treppen herunter und rang draußen im Freien die Hände über seinen geliebten Turm? Nein, das war nur ein Spuk der aufgeregten Sinne. Aber in den nachfolgenden Jahren ist der Turm neu erstanden und schaut als ein getreuer Wächter wiederum herab auf den Dominikanerplatz.

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Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang