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Wolfgang
07.02.2009, 22:36
Aus „Unser Danzig“, Nr. 5 vom 05.03.1965, Seiten 11-13

Das junge Danzig
Zur Geschichte der Jugendbewegung
von Bernhard Heister

In seinem Odysseus-Roman „Der sechste Gesang“ sagt Ernst Schnabel: „Alte Geschichten, alte Geschichten. Warum holt ihr sie noch einmal jetzt hervor? Ihr habt sie euch so oft erzählt, damals, später, jederzeit, dass sie wie Glaskugeln geworden sind, bunt, durchsichtig, hart, ganz glatt. Kinder spielen damit, so dass es nur eine Frage der Zeit noch ist, wann sie verloren gehen.“

Diese Worte können wir wohl auch als an uns gerichtet betrachten. Warum wir von der Jugendbewegung berichten, noch dazu von der Jugendbewegung im deutschen Osten? Weil wir - durchaus kritisch - nicht vergessen wollen, woher wir kommen. Weil sie ein Stück Heimat ist. Weil so vieles davon noch lebt. Weil wir nicht der Meinung sind, dass unsere „Glaskugeln“ schon so ganz und gar abgegriffen sind.

Vor mir liegt ein Foto aus dem Jahre 1913. Es zeigt sieben Danziger Mädchen beim Wettsingen auf dem Bundestag des Alt-Wandervogels in Wöbelin. Die Mädchen tragen lange Röcke und lange Jacken. Sie haben Schnecken, Gretchenfrisur oder Hängezöpfe. Sechs von ihnen halten mit langen Bändern geschmückte Klampfen im Arm. Ich kann mir gut vorstellen, dass ein Teenager von heute darüber lächelt: „Heilsarmee!“, nicht ahnend, dass so manche der „Freiheiten“ heutiger Jugend kaum denkbar sind ohne den „Aufbruch“ von damals.

Am 21. Juni 1911 erschien der Wandervogel zum ersten Male in der Danziger Öffentlichkeit. Anlässlich des „Margaritentages“ - Bedeutung unbekannt - marschierten die Wandervögel mit Gesang und Klampfen in Kluft durch die Straßen der alten Hansestadt.

Dem Jahresbericht 1913 des Danziger Wandervogels entnehmen wir, dass dem Wandervogel 150 Erwachsene als offizielle „Mitglieder“ und 200 Jugendliche als eigentliche Wandervögel angehörten. Unter den Jugendlichen waren von 150 Jungen noch 110 schulpflichtig, von 50 Mädchen noch 40. Die älteste und größte Gruppe war die „Scholarengruppe Danzig“. Sie war im Jahre 1913 so angewachsen, dass die Langfuhrer Wandervögel im September 1913 in einer besonderen „Langfuhrer Scholarengruppe“ zusammengefasst wurden. Um auch die ganz kleinen „Stifte“ von zehn bis zwölf Jahren für den Wandervogel zu gewinnen, veranstalteten die Langfuhrer Führer für diese an den Sonnabendnachmittagen kleine Spielfahrten und besondere Nestabende, an denen Märchen und abenteuerliche Geschichten erzählt und vorgelesen wurden sowie sehr viel gesungen wurde.

Die „Bubengruppe Danzig“ bestand aus Mittelschülern. Zu der „Mitgliedergruppe“ gehörten nur ältere Wandervögel. Ihr Fahrten und Nestabendbetrieb war ihrer Altersstufe angepasst. Der „Mitgliedergruppe II“ gehörten zum größten Teil junge Kaufleute an, die auf Grund ihrer damals bestehenden beruflichen Pflichten fast nie auf größere Fahrten gehen konnten, manche nicht einmal einen ganzen Tag. Die Geschäfte waren auch noch am Sonntag geöffnet, Urlaub gab es nicht. Die „Mädchengruppe Langfuhr“ und die „Mädchengruppe in Danzig“ (W. V. an der Viktoriaschule) arbeiteten sehr eng zusammen und führten ihre Veranstaltungen fast alle gemeinsam durch.

Im Jahresbericht 1913 wird noch erwähnt, dass sich das Verhältnis des Wandervogels zur Schule und zum Elternhaus zunehmend besserte. Die meisten Eltern ließen ihre Kinder gern auf Fahrt gehen und freuten sich, wenn ihr Junge oder Mädchen am Abend mit roten Backen und leuchtenden Augen heimkehrte und von seinen Erlebnissen erzählte.

Zu Neujahr 1914 fand in Danzig der erste „deutsche Führertag“ statt. Er begann mit einem Lichtbildervortrag über „Danzig und seine Bauten“. Am nächsten Tag folgten Besichtigungen, am Nachmittag eine Schneeballschlacht auf der Königshöhe und ein Marsch an die Ostseeküste. Am Abend hielt Friedrich Wilhelm Fulda im Danziger Nest einen Vortrag über „Schule und Elternhaus“.

Am darauf folgenden Sonnabend wurde am Vormittag in der Umgebung umher gestreift. Am Nachmittag tagten die Ortsgruppenvertreter, und am Abend sprach Fulda in der bis auf den letzten Platz gefüllten Aula der Petrischule öffentlich über „Die Wandervogelbewegung“, über Fahrten, Volkstänze und Wandervogelheime.

Der sich am Sonntag an den Führertag anschließende Gautag endete damit, dass zu später Stunde jemand den Vorschlag machte, in den verschneiten Gutenberghain zu ziehen und dort noch ein wenig bei nächtlicher Stunde zu tanzen. Bald bewegte sich gespenstisch ein großer Kreis singender Mädchen und Burschen im Reigen auf dem Platz der Waldfestspiele, nur undeutlich vom Monde beleuchtet. So erzählt der Elbinger Fritz Wiese im „Wandervogel“-Gaublatt vom Hornung 1914.

Soviel über die „Frühzeit“ der Danziger Jugendbewegung. Aus der Zeit des 1. Weltkrieges wird berichtet, dass die Wandervögel in Danzig wie anderswo auch auf Erntearbeit und Brennesselnsuchen gingen. Für das Kriegsjahr 1917 meldeten die Wandervogelgruppen in Danzig 2748,0 Wandertage für Jungen und 1489,5 Wandertage für Mädchen. Im Durchschnitt war jeder Junge an 23 Tagen, jedes Mädchen an 27,6 Tagen auf Fahrt gewesen.

Im Jahre 1919 gründete der aus dem Kriege heimkehrende Wandervogel Alfred Siedenbiedel die „Danziger Spielgemeinde“. Die „Spielgemeinde“ war „überbündisch“. Ihre Mitglieder kamen aus allen Volksschichten und Berufen. Sie wollten alte deutsche Volkskunst durch Laienspiel, Volkslied und Volkstanz der Allgemeinheit nahe bringen. Kostüme, Requisiten, Plakate, alles wurde selbst hergestellt. Die Proben fanden zuerst in der Wiebenkaserne, später im Stockturm statt. Mindestens alle vierzehn Tage gingen die Angehörigen der Spielgemeinde auf Fahrt. Die mäßigen Eintrittsgelder von den Veranstaltungen dienten zur Unkostendeckung und für die notwendigen Anschaffungen.

Im Februar 1920 fand als erste öffentliche Veranstaltung der Danziger Spielgemeinde in der Aula des Petri-Realgymnasiums ein Volksliederabend statt. In den folgenden Jahren entwickelte sich ein reiches Programm, Das Spieljahr wurde jeweils mit Fastnachtsspielen begonnen, wie „Das heiße Eisen“, „Der Rossdieb zu Füsing“, „Der Bauer im Fegefeuer“, „Das Kälberbrüten“, sämtlich von Hans Sachs. Ostern 1924 wurden zum ersten Male die beiden mittelalterlichen Mysterienspiele,„Das Redentiner Osterspiel“ und „Seth, die goldene Legende der Verheißung“ aufgeführt und darin alljährlich wiederholt, anlässlich einer Tagung des Kronacher Wandervogels in Danzig auch einmal im Remter von St. Johann.
In den ersten Frühlingstagen gab es im Wald und auf grüner Wiese bei Weichselmünde, Krakau (bei Danzig) und Heubude alljährlich das „Maispiel“ in der Bearbeitung von Karl Plenzat, anschließend allgemeines Volksliedersingen und Volkstanzen mit der Dorfjugend, bisweilen auch Märchenspiele.

Am Morgen des 1. Pfingstfeiertages 1921 sang die Spielgemeinde bei einer Morgenfeier im Burghof der Marienburg vierstimmige Chöre. Am Nachmittag spielte sie im Marienburger Stadtpark vor Tausenden von Zuschauern das Märchenspiel „Friedel mit der Fiedel“.

Am Totensonntag wurde einmal in der Danziger Garnisonkirche eine öffentliche Feierstunde zum Gedenken der Gefallenen des 1. Weltkrieges gestaltet. Für die Weihnachtszeit wurde die Aufführung eines Krippenspiels in der Bearbeitung von Karl Plenzat mit vielen eingeflochtenen Liedern und Chören Tradition.

Bei einem Ostertreffen der Kronacher sang die Danziger Spielgemeinde in einer Elbinger Kirche. Zwei Mitglieder der Spielgemeinde nahmen an einer Spiel und Singfahrt der Allensteiner nach Riga im Oktober 1924 teil. Bei Hochzeiten aus den eigenen Reihen wurden in der Kirche vierstimmige Chöre gesungen. Bei der anschließenden Feier wurden „Die ungeschlachten Männer geschlacht zu machen“ von Hans Sachs gespielt. Die meisten Aufführungen der Spielgemeinde fanden im Werftspeisehaus statt. Die Öffentlichkeit nahm daran immer großen Anteil. Unter den Gästen sah man auch Senatoren, Pressevertreter und Schulleute. Einen breiten Raum nahmen die Aufführungen der schon erwähnten Märchenspiele ein, u. a. „Einer, der auszog, das Gruseln zu lernen“ in einer Bühnenbearbeitung wie ich erfreut feststellte von Eva Caskel, die aus der Danziger Jugendbewegung kommend heute eine bekannte Schriftstellerin ist. Ich nenne hier nur ihren wohl besten Roman, der gleich zweimal unter verschiedenen Titeln erschien „Marguerite Valmore“ oder „Jenseits des Stromes“ und ihr bisher sicherlich schönstes Buch, die Eleonore-Duse-Novelle „Die große Liebende“.

Natürlich gab es in Danzig im Laufe der Jahre an Bünden und Gruppen so ziemlich alles wie anderswo in größeren Städten auch und bot so ein Bild der Zerrissenheit und der Vielfalt der deutschen Jugend jener Zeit. In den zwanziger Jahren existierte in Danzig ein Jugendring, dem auch außer den eigentlichen Wandervogel und bündischen Gruppen die verschiedenen Jugendlogen und die kommunistische Arbeiterjugend angehörten.

Im Deutschen Jugendherbergsverband bildete Danzig einen besonderen Gau. Im Jugendherbergsverzeichnis von 1931 finden wir die große Jugendherberge in der Danziger Wiebenkaserne, ferner die Jugendherbergen in Prangenau im Radaunetal, in Schnakenburg am Weichseldurchstich und in Mariensee. Die Jugendherbergen in Schnakenburg und in Mariensee hat der Architekt Herbert Schilling, der der Deutschen Freischar Danzig angehörte, erbaut. Bei der Einweihung der Jugendherberge Mariensee wirkte die Danziger Spielgemeinde mit dem Märchenspiel „Das tapfere Schneiderlein“,“ mit Volkstänzen und Stegreifaufführungen mit. 1924 war die Akademische Freischar Danzig gegründet worden. Die Deutsche Freischar machte es ihren Studenten zur Pflicht, wenigstens ein Semester an einer Hochschule im deutschen Osten - in Königsberg oder Danzig - zu studieren. So kamen auch viele Studenten aus dem Reichsgebiet nach Danzig. Die Akademische Freischar Danzig besaß ein eigenes Heim, eigene Studentenbuden und eine große Segeljacht.


Zwischen den beiden Weltkriegen erschloss die besondere staatsrechtliche Stellung der Freien Stadt Danzig den dortigen Gruppen Polen als Fahrtengebiet. Die Jungenschaft Danzig in der Deutschen Freischar berichtete in Heft 9/1928 der Jungenzeitschrift „Spur“ ausführlich von diesen Fahrten. Sie eröffneten den Jungen einen Blick in eine heute Vergangene, jedoch auch für uns noch interessante Welt, so dass wir aus diesen Berichten wenigstens zwei Stellen zitieren wollen.

Zuerst von einem Besuch des damaligen Gettos in Krakau: „Schon ist es Nacht. Wir sind im Getto. Die Stimmung dieses seltsamen Stadtteils, der nur abends lebendig ist, wirkt auf uns. Wir flüstern einander Worte zu, als hätten wir etwas zu verschweigen. Unser Abendspaziergang kommt uns mehr wie ein Ausflug in eine andere Welt vor. „Sieh mal den da“, sagt Viktor leise zu mir. Ein Jude in schwerseidenem Mantel rauscht an uns vorüber, er hat ihn weit aufgeschlagen. Außer dem Kaftan hat er noch eine Jacke und Weste an, ebenfalls aus schwerer Seide. Aus seiner turbanartigen Mütze ringeln sich lange Locken heraus, auch sein Bart ist stark gelockt.

Nach der etwas oberflächlichen Besichtigung des regen Straßenlebens (um diese Zeit sind alle, falls nicht zur Andacht um den Tisch des Hauses herum, auf der Straße) beginnen wir uns mehr für das Innere der Häuser und Höfe zu interessieren. Langsam gehen wir in ein Haustor hinein. Eine kahle Diele, hinten in der Ecke steigt eine Eisentreppe zu den Stockwerken auf. Ich gehe voran und lehne mich durch ein Fenster in den Hof. Da sehe ich einen unheimlichen Hofschacht, in den sich eine Unmenge erleuchteter Fenster öffnen. Ich kann genau in die Stuben schauen, überall dasselbe Bild. Ein langer Tisch, in der Mitte darauf Kerzen und in der Runde bemützte Juden, denen der Hausvater aus einem Buch vorliest. Sabbath.

An diesem Abend scheint uns alles Merkwürdige dieser Welt erscheinen zu wollen.

Über die Straße hinweg beginnt ein Wechselgesang. Eine Baritonstimme setzt tief ein. Kaum klingt das Echo aus, antwortet eine helle Sopranstimme gegenüber in der Straße. Das immerwährende Antwortsingen macht uns fast müde, aber es ist dennoch schön. Wir machen uns langsam auf den Heimweg. Das Burgtor ist zu, wir klettern hinüber. Vom Ring aus sehen wir in die lichterfüllte Stadt hinunter, dicht unter uns aber fließt die Weichsel dunkel durch die Nacht. Am nächsten Morgen klettern wir auf den Turm, frühstücken, nehmen Abschied von Krakau, setzen uns auf die Bahn nach Zakopane und werden nun ins Gebirge wandern.“

Dann von einer Fahrt an den Bug: „Weiter unten am Bug mussten auch deutsche Dörfer sein. Da wollten wir unbedingt hin. Niemierska Kania stand auf der Karte. Sicher ein deutsches Dorf. Gerade als wir aufwachen, legt der Kahn an. Einige Fragen. Nein, hier wohnen keine Deutschen, aber landeinwärts in Nowawies. Also hin. Schon von weitem sieht das Dorf anders aus als alle anderen. Stattliche Gehöfte, große Obstgärten. Auf dem Hofe Ordnung, Sauberkeit, Wohlstand. Der erste, den wir treffen, ist ein alter Mann. Er freut sich sichtlich, endlich wieder einmal Deutsche zu sehen. Anfangs mustert er uns etwas misstrauisch. Dann taut er auf. Erzählt uns von seinen Reisen. Er war in ganz Russland, ja, in Kleinasien, Palästina, Jerusalem, Bethlehem. Davon spricht er viel. Er ist sicher Mennonit oder Gemeinschaftler, klagt über die Zeiten: 'Es gibt heutzutage viel Unglauben in der Welt'. Wir sind etwas verwundert, unterhalten uns aber sehr gut, sprechen von diesem und jenem, vom Kriege. 'Ja, wie haben sich die Deutschen gewundert, dass hier deutsche Bauern wohnen'. Der Enkel dieses Mannes ist irgendwo auf einem Lehrerseminar. Er wird später deutscher Lehrer sein. Das ist nötig wie das liebe Brot. Endlich gehen wir weiter. Lange noch blickt uns der Alte nach.“

Die Jungen berichten aber auch von einem Winterlager in der Kaschubei: „Fast jede zweite Sonntagsfahrt führt uns über die Grenze nach Pommerellen hinein. Das waren in den ersten Tagen nach der Besitzergreifung dieses Landes durch Polen und der Besetzung der Grenze durch polnische Infanterie gewagte Unternehmen, sie brachten manche Abenteuer mit sich, die heute noch viel in den Fähnlein erzählt werden. Mit dem Danziger Pass ausgerüstet können wir jetzt ohne jede Schwierigkeit dieses bevorzugte Fahrtenland erreichen. Immer wieder zieht es uns in dieses eigenartige, bergige Heideland mit seinen weiten düsteren Kiefernwäldern, den ungezählten Seen, den strohgedeckten Lehmkaten und den eigenartigen kaschubischen Bewohnern. Winterlager in der Kaschubischen Schweiz - mächtiger Jubel bei den Jungen. Ein altes Bauernhäuschen harrte unser mit mächtigen Deckenbalken und einem riesigen Kachelofen in der großen Stube und einem stattlichen Kamin in der Küche ...

Vor dem Kriege hatten wir in diesem deutschen Dorf ein Landheim und jetzt, nach fast 15 Jahren sollten wir erfahren, wie unsere alten Führer hier günstig gewirkt hatten. Wir sitzen um den großen Tisch im Scheine einiger Kerzen, die auf einem über uns hängenden Ski befestigt sind, als es draußen klopft und ein alter Bauer eintritt, indem er uns einen guten Abend wünscht. Ein froher Gruß von unserer Seite, ich drücke ihm die Hand und lasse ihn auf unserem Großvaterstuhl am Kopf des Tisches Platz nehmen. Es ist Ebel, eine prächtige Bauerngestalt, der Besitzer unseres ehemaligen Landheimes. Man sieht ihm die Freude an, wieder nach so langen Jahren Wandervögel um sich zu sehen. Einen Zupf von 1912 holt er hervor und zeigt uns stolz die von vielen Führern unterschriebene Widmung. Er fragt nach ihnen, und es wird stiller in unserem Kreise, als ich ihm erzählen muss, dass die meisten dieser frohen Fahrtgesellen, die hier bei diesen deutschen Siedlungsbauern in bester Erinnerung sind, Russlands oder Frankreichs Rasen deckt. Wir nehmen die Klampfen und singen. Er bittet um Lieder, die seinerzeit viel gesungen wurden und unseren Jungen heute weniger bekannt sind. Manches Lied singt er mit ...“

Damit kommen wir zu der besonderen Bedeutung, die Danzig im Rahmen der Jugendbewegung zwischen den Kriegen gewonnen hat. Durch das sogenannte „Danziger Loch“ bekamen deutsche Jugendgruppen aus Polen die Möglichkeit, im Reichsgebiet auf Fahrt zu gehen. In Marienau bei Danzig fand 1926 das erste große Bundeslager der Deutschen Jungenschaft in Polen statt. Danziger Gruppen, vor allem der Deutschen Freischar, die einen engen ideellen Kontakt zur Deutschen ihr auch in Polen, besonders im Norden des Landes sowie in der Tucheler Heide, in der Kaschubei und auf der Putziger Nehrung.

Die Deutsche Freischar in Danzig versorgte - wie außerdem auch die Marienburger Gruppe des gleichen Bundes - die Stämme und Sippen der Deutschen Jungenschaft in Polen bis nach Mittelpolen hinunter großzügig mit Lieder und Laienspielbüchern. Danzig und Marienburg vermittelten den Gruppen auch die notwendige Fahrt und Lagerausrüstung, die es in Polen gar nicht oder nur in schlechter Qualität gab.

Auch für die evangelischen Jugendgruppen in Polen ergab sich im Gebiet von Danzig die Möglichkeit zu Begegnungen mit der dortigen evangelischen Jugend, teilweise auch mit der aus dem Reich. Deutsche Mädchen aus Polen hospitierten und praktizierten in Danzig in Kindergärten, an Volksschulen, in der Frauenklinik, an Haushaltungs- und Kunstgewerbeschulen. Im Danziger Studentenhaus und in der Jugendherberge in der Wiebenkaserne fanden Sing und Volkstanzwochen der Finkensteiner Singgemeinde und der Danziger Singschar mit Teilnehmern aus dem Korridorgebiet statt.

In dem VDA-Heim Groß-Bölkau auf der Danziger Höhe wurde gleichfalls ein enger Kontakt zu der deutschen Jugend im Korridorgebiet gepflegt. Eine überbündische Danziger Singschar blieb auch nach der Auflösung der Bünde im Jahre 1933 noch lange bestehen und unternahm viele Fahrten in die Korridorkreise Neustadt, Karthaus und Berent. Sie traf sich mit der dortigen deutschen Jugend zu gemeinsamem Singen und Volkstanz. Noch im Sommer 1935 gingen sechs Fahrtengruppen der ehemaligen Deutschen Freischar aus Danzig zusammen mit Breslauern und Dresdenern im Gebiet von Lodz und der Weichsel auf Fahrt.

In der Diele des Danziger Rathauses stand der lateinische Spruch „Ante alias felix, quas Prussia continet urbes, Exsuperans Gedanum nobile nomen habet“, zu deutsch. „Glücklich vor allen anderen Städten Preußens ragt Danzig hervor mit vornehmen Namen.“ Die Danziger Jugendbewegung fühlte sich eng mit ihrer Heimatstadt verbunden, stets diesem stolzen Wort verpflichtet.

Quellen: Ziemer-Wolf, „Wandervogel-Bildatlas“, Voggenreiter Verlag 1963 - „Wandervogel“, Gaublatt für West- und Ostpreußen, Heft 1 und 2/1914 - „Der Stockturm“, Nachrichtenblatt der alten Danziger Jugendbewegung, herausgegeben von Karl Gall, Sutthausen, 1952-1964 - „Altpreußen“, Gaublatt der Wandervögel für Ost und Westpreußen, Heft 1-2/1919 - „Wanderführer und Jugendherbergsverzeichnis 1931“ DJH Ostpreußen, Danzig, Memelland - „Jugend im Aufbruch, zur Geschichte der Jugendbewegung in Westpreußen“, herausgegeben von Hugo Rasmus. DJO-Bundesgruppe Westpreußen, 1956 - „Deutsche Jugendbewegung und Jugendarbeit in Polen 1919-1939“ von Peter Nasarski, Holzner-Verlag, 1957 - „Deutsche Freischar“, Führer-Rundbrief, Heft 1/1930, Voggenreiter Verlag - „Die junge Stadt, zur Geschichte der Jugendbewegung und Jugendarbeit in Elbing“ von Bernhard Heister. 1961 - „Spur“, Jungenzeitschrift der Deutschen

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Die Veröffentlichung dieses Artikels erfolgte mit freundlicher Genehmigung des "Bundes der Danziger" in Lübeck.

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Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

dardol
21.12.2017, 09:51
Wolfgang hast Du Informationen zum Thema Wandervogellanheim in Gluckau bei Danzig? Dort war Danziger Burschen

ada.gleisner
22.12.2017, 02:02
Noch nach 1945 gab es im Westen Deutschlands die Gruppe "Jugend des Ostens", in der ich auch Mitglied war. Eine "Danziger Gruppe gab es in Oberhausen nicht, aber eine pommersche, in der alle Jugendlichen aus Ost-, Westpreußen, Pommern und Danzig waren. Wir haben uns besondere Kleider genäht, haben viel gesungen und sogenannte "Heimatabende veranstaltet. Einmal war ich Delegierte für ein Treffen in Hamburg. Es hat uns damals viel Halt gegeben, Wir fühlten uns alle verbunden durch unsere Herkunft.,
Auch das ist alles lange her. Heute ist diese Heimatverbundenheit, das gemeinsame Singen und Wandern eher anrüchig. Wer von Euch war damals auch in der "Jugend des Deutschen Ostens" ? Werihnachtliche Grüße von Ada