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Wolfgang
07.02.2009, 23:24
Aus „Unser Danzig“, Nr. 8, Ostern 1965, Seite 13

Die Laubenkolonien in Danzig
von Erich Freiwald

Wie überall, gab es auch in Danzig Laubenkolonien. Schon vor dem ersten Weltkriege wurden derartige Kolonien gegründet, eine der ältesten war wohl in Altschottland, unterhalb des Radaunedeiches. Als nach dem ersten Kriege die Befestigungsanlagen fielen, wurden überall in der Umgebung unserer Stadt Schrebergärten eingerichtet, die man dann in Danzig Laubenkolonien nannte. Auf dem Bischofsberg entstanden sogar kleine Häuschen, in denen die Laubenkolonisten im Winter wohnten. Als nun die Festungsgräben zugeschüttet wurden, war noch mehr Land vorhanden, und neue Kolonien schossen wie Pilze z.B. in Walddorf aus der Erde.

Es war sehr mühsam, aus dem an und für sich unfruchtbaren Schwemmsand einen Garten zu schaffen, aber der Kleingärtner scheute keine Kosten und Mühe, das Land in einen Garten zu verwandeln. Meistens waren es minderbemittelte Bürger der Stadt, die die Kosten sich direkt vom Munde absparten. Doch Arbeit und Mühe waren nicht umsonst. Wer vor dem zweiten Kriege solche Gärten sah, schüttelte wohl den Kopf, wenn er die schönen, sauberen und gut angelegten Gärten an solchen Orten erblickte, wo früher vielleicht Wassergräben waren. Es war wirklich nicht so einfach, so mancher Tropfen Schweiß rann von der Stirne herunter, bis das Ziel in jahrelanger, mühevoller Arbeit erreicht war.

Unsere Laubenkolonien hatten sich schöne Namen zugelegt, wie z.B. Sonnenglanz - Abendfrieden - Sonnenland - Erntedank usw. Es waren alles Dauergärten mit langer Pachtzeit, so dass der Pächter nicht Gefahr lief, durch Bauprojekte seinen Garten zu verlieren. Meistens waren es Menschen, die mit dem Boden verwachsen waren. Für ihre Arbeit und für ihre Mühen hatten sie nun einen Platz, an dem sie schalten und walten konnten, soviel sie wollten, und wo sie nach des Tages Last und Mühe ein Plätzchen hatten, an dem sie Erholung und Freude fanden.

Die Kolonien schlossen sich zu Gemeinschaften oder in Vereinen zusammen. Sie berieten ihre Angelegenheiten selbst, beschafften sich gemeinsam Düngemittel, Geräte, Saaten und setzten sie an ihre Mitglieder zu verbilligten Preisen ab. Es dauerte Jahre, ehe sie zu guten Erträgen kamen und der Garten zu einem Schmuckkästchen wurde. Der letzte Gulden kam immer in den Garten, dieser lieferte dann der Küche und dem Haushalt das wertvolle Gemüse, die Kartoffeln und die Früchte, die aber erst nach Jahren geerntet werden konnten. Doch die Arbeit lohnte sich und ebenso die Geduld und die Mühen. Jeder hatte seine Freude am und im Garten.

Wenn der Sommer kam und die Blumen und Bäume blühten, schlug das Herz des Laubenkolonisten höher. Dann ging's am Sonnabend gleich nach Arbeitsschluss hinaus in den Garten, wo bereits die Frau das Mittagessen zubereitet hatte. Keine lange Mittagspause! Sofort begann die Gartenarbeit: dort war etwas umzugraben, hier wieder zu jäten und sauber zu machen, zu gießen und Ranken anzubinden. Doch jeder war sein eigener Handwerker; zu werken und zu basteln, etwas selbst herzustellen, das machte mehr Freude, und der Stolz auf das gelungene Werk war groß. Pinsel und Farbe waren immer in der Hand, um den Garten zu verschönen. Wenn dann abends die Arbeit getan war, wurde das Pfeifchen oder die Zigarette oder Zigarre angezündet, und jeder nahm auf seiner selbst gezimmerten Bank Platz, während die Frau sich in dem Liegestuhl ausruhte. Hier wohnte die Familie vom Sonnabend bis zum Montag. Am Montag in der Frühe ging der Mann vom Garten aus zur Arbeit und hatte über den Sonntag Kraft und Mut geschöpft für den Werktag. Während der Arbeit gingen oft seine Gedanken zum Garten, und er überlegte, was es noch anzuschaffen und zu tun gebe, um den Garten noch schöner zu gestalten.

Neigte sich der Sommer seinem Ende zu, wurde das Erntedankfest gefeiert. Dazu wurde der Garten nochmals auf Hochglanz gebracht, die Gemeinschaft beriet und überlegte, wie man es noch besser als im vorigen Jahr begehen könnte. Endlich war der lang ersehnte Tag gekommen. Die Pforten und Gartenzäune wurden mit Fähnchen oder Girlanden geschmückt, alles strahlte in festlichem Glanz. Auf dem oft kleinen Festplatz, der sonst als Kinderspielplatz diente, war eine Tanzdiele errichtet, Tische und Bänke waren aufgeschlagen, Fahnen wehten lustig im Wind, Girlanden zwischen den Masten, alles eigene Arbeit.

Nachmittags versammelten sich alle auf dem Festplatz, die Musik voran, zog der Zug durch alle Gänge der Laubenkolonie. Auf kleinen Leiterwagen, die mit Blumen geschmückt waren, saßen festlich gekleidete Kinder; Knaben und Mädchen trugen Blumenbogen, und groß und klein marschierte unter den Klängen der Blasmusik zum Festplatz. Hier begann ein munteres, lustiges Treiben. Die Kinder machten alle mit im Sackhüpfen, Eierlaufen, Klettern, Wurstgreifen oder Wettlauf, und keiner ging ohne Preis zu den Eltern. Auf der Tanzdiele wurde getanzt, dabei blieben die Älteren den Jüngeren nichts schuldig. Gemeinsam sang man Lieder, und unter munteren Reden verging der schöne Tag. Manchmal gab es auch eine Ausstellung. Die besten und größten Früchte oder Kartoffeln wurden prämiiert, als Preis gab es ein wertvolles Buch oder ein Diplom oder eine Flasche Wein oder Schnaps. Einer war lustiger als der andere. War die Dämmerung angebrochen, so bildeten alle einen Zug, voran die Kinder, die ihre Lampions oder Fackeln angezündet hatten und diese stolz trugen. Die Musikkapelle spielte alte Märsche, und es ging noch einmal durch die ganze Kolonie. Während die Kinder schon lange schliefen, vergnügten sich die Erwachsenen noch bis in die späte Nacht hinein auf dem Festplatz, es wurde fleißig getanzt, an den Tischen wurde gesungen und geplaudert, Erfahrungen ausgetauscht, bis der Schlussmarsch kam, der „Rausschmeißer". Noch lange wirkte dieser schönste Tag im Leben eines Kleingärtners nach. Für seine fleißige Arbeit, für seine Mühen hatte er diesen Tag verdient. Daran wollen wir auch jetzt in der Ferne gern denken.

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Die Veröffentlichung dieses Artikels erfolgte mit freundlicher Genehmigung des "Bundes der Danziger" in Lübeck.

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Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

susannefreter
08.02.2009, 12:18
Danke für diesen Bericht, Wolfgang.

Der Bruder meines Opas hat in einer Laubenkolonie gewohnt- irgendetwas mit Sonnen-.

LG Susanne

grabschau, + 06.11.2012
08.02.2009, 13:05
Laubenkolonie " Sonnenland" (Groß Waldorf) vielleicht oder "Sonnental" (Bischofsberg) ???

Schönen Sonntag wünscht Sigi

daggel
08.02.2009, 17:50
Paps hatte auch von den Laubenkolonien gesprochen und ich glaube er hat die Abendfrieden oft erwähnt. Die ist mir geläufig und hat eine Verbindung zu Paps. Wo war die zu finden?

daggel

Hans-Joerg +, Ehrenmitglied
08.02.2009, 19:24
Hallo daggel
Hier Infos zu Abendfrieden

Viele Grüße
Hans-Jörg

Warnck
01.01.2011, 22:14
Hallo, Susanne!
Hat Dein Großonkel in der Laubenkolonie Sonnental auf dem Bischofsberg in Danzig gewohnt? Von dort kommt die Familie meiner Mutter. Im Danziger Adressbuch von 1942 sind alle Bewohner dieser Laubenkolonie aufgeführt, ich kann Dir bei Bedarf die Seite zuschicken. Außerdem kursieren etliche Anektoten in unserer Familie über Nachbarn im Sonnental, vielleicht bezieht sich die eine oder andere ja auch auf die Familie Deines Großonkels. Ich war übrigens 2002 und 2010 (mit meiner Mutter) dort. Von den Häusern sind nur noch die Kellerlöcher zu sehen, ansonsten ist es eine grüne Wildnis.
Herzliche Grüße
Michael

jonny810
04.01.2011, 20:02
Kann mir jemand verraten, wie die Lauben-Kolonie hieß, die man erreichte, in dem man "Schwarzes Meer" hoch ging?

Wir sagten nur immer "Lauben-Kolonie".

Danke im Voraus

susannefreter
07.01.2011, 18:15
@Michael
Der Bruder meines Opas hat im Efeuweg 46 gewohnt: Ernst Herbert Freter, geb. 1918

Knapstein
07.01.2011, 21:16
Hallo,
mein Schwiegervater wohnte auch in einer Laubenkolonie. Es wohnte in der Kolonie Ernte Dank im Dr. Schreber Weg. Der Name Schrebergärten leitet sich von diesem Dr. Schreber ab.
Ich wollte ein Bild des Häuschens alt /neu einstellen, aber leider bin ich nicht berechtigt Anhänge hochzuladen.

Knapstein
10.02.2011, 21:41
Hallo,
hier zunächst einmal das Bild des Hauses aus 2002.

Geigersohn
11.02.2011, 13:37
Liebe Freunde,
aus Berichten meiner Eltern erinnere ich, dass mein Vater in der Laubenkolonie " Ostseeperle "
ein Gartenhäuschen baute. Hier hat er mit der Familie auch im Winter gewohnt.
Es war der ständige Wohnsitz. Weiß jemand von Euch ob dies eine Ausnahme war? Oder war das mehrfach anzutreffen in der Zeit nach 1936?
Geigersohn

Uwe
13.02.2011, 19:54
Hallo Geigersohn,

ich weiß zumindest das meine Urgroßeltern auch in einer Laubenkolonie "Frühlingslust" dauerhaft gelebt habe. Scheint also kein Einzelfall gewesen zu sein.

Herzliche Grüße

Uwe