Wolfgang
28.02.2008, 14:39
Im Danziger Hauskalender 2008 (zu beziehen bei Esther Rosenberg unter der Email-Adresse rosenberg@danzig.de) hatte ich einen Artikel geschrieben, den ich nun auch hier veröffentliche:
Das Gasthaus Helgoland
Helgoland? Im Danziger Raum? Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das erste Mal von Helgoland hörte. Aber wen ich auch fragte wo denn dieses Helgoland liegen könnte, ich erhielt als Antwort stets ein fragendes Schulterzucken. Bis mir mal jemand sagte, Helgoland liege bei Fischerbabke (Rybina). Aber auch das half nicht viel weiter, denn im heutigen Fischerbabke kann sich niemand erinnern...
Was ich ebenfalls lange nicht in Erfahrung bringen konnte, war ob Helgoland nun ein Ort oder eine Gaststätte war. Eines Tages kam mir die Idee, einmal auf einem alten Vorkriegsmesstischblatt nachzuschauen. Und dort fand ich Helgoland! Bei Fischerbabke, an der Stelle wo die Königsberger Weichsel von der Elbinger Weichsel abzweigt, liegt in der Gabelung ein großes Grundstück, das amtlich mit Helgoland bezeichnet ist. Den Grund für diesen Namen habe ich bisher noch nicht in Erfahrung bringen können, aber vielleicht war es die inselförmige Lage, die diesem herrlichen Fleckchen Erde zum Namen Helgoland verhalf.
Noch im 19. Jahrhundert wurde es das "Spitz von Groschkenkampe" genannt, zu einer Zeit als auf dem Grundstück bereits seit Generationen ein kleiner vielen Überschwemmungen trotzender Hof von der Familie Goertz bewirtschaftet wurde. 1899 brannte dieses Anwesen nieder. Die Familie baute dann an der Straße zwischen den beiden Fähren, die die Elbinger und Königsberger Weichsel überquerten, ein Gasthaus. Zur Einweihung wurde es "Gasthaus Helgoland" benannt und wahrscheinlich wurde mit dieser Taufe der Name "Helgoland" offiziell. Hinter dem Gasthaus wurde ein großer Garten mit unzähligen Blumenbeeten, Sträuchern und Obstbäumen bepflanzt. Schon zu dieser Zeit wurden legendäre Sommerfeste im aufwändig beleuchteten Garten gefeiert zu denen prächtige Feuerwerke abgebrannt wurden. 1910 wurde Helgoland an die Familie Gustav und Ida Dau, geb.Goertz übergeben, die den Garten zu einem weit bekannten Treffpunkt ausbauten. Zelte, ein Kegelspiel, eine Felsengrotte sowie verschiedene Turngeräte schufen vielfältige Vergnügungsmöglichkeiten. Auch an Kinder war gedacht mit einem Spielplatz, einem hölzernen Karussel und später einer Luftschaukel.
Zu Johannis wurde zu einem traditionellen Fest eingeladen zu dem die Tiegenhöfer Brauerei Stobbe eine ganze Fuhre Bierfässer brachte. Aber auch die Vorräte an Stobbes Machandel wurden reichlich aufgestockt. Militärkapellen spielten auf und Helgoland erlebte an diesen Tagen unvergleichliche Abende.
Helgoland war ebenfalls Veranstaltungsort zahlreicher Schulfeste, an denen Heerscharen von Kindern, Eltern und Lehrern mit den Fähren übergesetzt werden mussten. Der girlandengeschmückte Garten war Austragungsort von Spielen und Wettkämpfen bei denen die Sieger begehrte Preise gewinnen konnten.
Beliebt war Helgoland auch bei Hochzeiten, die im großen Festsaal gefeiert wurden. Zu diesen Tagen war alles auf Hochglanz heraus geputzt. Bis in den frühen Morgen wurde zu festlicher Musik getanzt und jedem Teilnehmer blieben unvergessliche Erinnerungen.
Helgoland bot auch einfache Übernachtungsmöglichkeiten. Vor allem Wassersportler waren stets willkommen. Ruderer von Danzig und Elbing legten nach körperlich anstrengenden Tagen Rast ein und wurden bestens bewirtet.
Mit Beginn des I. Weltkrieges wurde der Festbetrieb unterbrochen. Für von Ostpreußen mit Schleppzügen über die Elbinger Weichsel kommende Verwundete war Helgoland Anlegestelle wo sie versorgt wurden.
Nach dem I. Weltkrieg übernahm die Familie Janzen die Gaststätte. Die Fähre über die Elbinger Weichsel wurde verpachtet bis die Hebebrücken gebaut wurden. Obwohl das noch nicht so lange zurück liegt wie die Ära Goertz/Dau, habe ich über diese Zeit bisher nur wenig erfahren können. Vieles liegt im Dunklen und es ist fraglich ob Helgolands Geschichte der Zwischenkriegszeit je einmal festgehalten werden kann.
Heute ist in Helgoland nichts mehr zu sehen, nichts mehr davon zu spüren oder auch nur zu ahnen von der einstigen Pracht. Es gibt dort zwar ebenfalls einen Gasthof mit Festsaal, ebenso einen kleinen Lebensmittelladen, aber es geht dort ruhig und beschaulich zu. Eine Landstraße führt von Tiegenort über Helgoland nach Steegen, aber wenige Besucher halten an. Das ist schade, denn die beiden Brücken sind recht interessant und nur wenige Schritte entlang der Elbinger und Königsberger Weichsel führen in schier unberührte Natur. Der Garten in dem sich vor Zeiten der Vergnügungspark befand ist frei zugängig. Heute befindet sich in Helgoland ein kleiner Schwimmanleger an dem Segler auf ihrem Weg von der Stromweichsel ins Frische Haff festmachen. Sie können sich hier mit Proviant versorgen während sie darauf warten, dass die Hebebrücke geöffnet wird und freie Durchfahrt ins Haff erlaubt. Später soll hier einmal ein Jachthafen entstehen. Direkt gegenüber Helgoland, auf der anderen Seite der Elbinger Weichsel, liegt eine alte Pumpstation, dessen Aufgabe es war und immer noch ist, über die Alte Lake einen großen Teil des Werders zu entwässern.
Wird Helgoland wieder aus seinem Dornröschenschlaf geweckt? Das ist kaum vorstellbar, denn das was hier einst war, ist vergangen, ist verloschen, ist Geschichte und kann nicht wieder entstehen. Und doch ist Helgoland ein ruhiges, ein wunderschönes Plätzchen inmitten der einzigartigen Natur des Danziger Werders geblieben. Das hoch baumbestandene Grundstück ist gepflegt und wer hier verweilen will, findet Ruhe. Erholungssuchende Wassersportler finden auf der schiffbaren Elbinger Weichsel und der noch verkrauteten Königsberger Weichsel ein Naturparadies. Unzählige Vogelarten haben hier ihren Lebensraum und ihre Brutstätten. Wer hier mit einer kleinen Jolle oder einer Yacht unterwegs ist, will nicht mehr fort und kommt immer wieder. Unsagbar schön sind die von der Helgoländer Spitze zu verfolgenden Sonnenuntergänge, wenn sich hinter der Eisenbahndrehbrücke die Sonne rotglühend am Horizont verabschiedet.
Überhaupt: Die Eisenbahndrehbrücke! Ein einzigartiges Dokument deutscher Eisenbahngeschichte, wie es sonst nirgendwo mehr erhalten blieb. Ein paar hundert Meter flussaufwärts Helgolands gelegen überquert die 1907 erbaute Brücke die Elbinger Weichsel. Auch heute verkehrt dort noch im Sommer eine Kleinbahn zwischen Tiegenhof und Steegen. Um die Elbinger Weichsel schiffbar zu halten, wird die Brücke an zugfreien Zeiten auf einen Pfeiler im Fluss in Längsrichtung gedreht. Dies geschieht durch Muskelkraft zweier Streckenwärter die mittels eines T-Schlüssels die zuvor per Handkurbel angehobene Brücke auf den Pfeiler schwenken. Im vergangenen Sommer konnte ich dieses fast unglaubliche Schauspiel mit eigenen Augen sehen und fotografisch dokumentieren. Eine rund 40 Meter ange massive Stahlbrücke bewegt sich fast wie von Zauberhand!
Das Werder, Helgoland, vergangene Zeiten, die selbst heute noch zum Träumen verleiten. Zum Träumen über ein Paradies das in den Herzen unvergänglich ist und in der Natur weitgehend erhalten blieb.
Unser Mitglied Slawek hat den Artikel ins Polnische übersetzt und in ein polnisches Forum eingestellt. Dort sind auch einige interessante Bilder dazu zu finden: http://www.forum.dawnygdansk.pl/viewtopic.php?p=94218
Das Gasthaus Helgoland
Helgoland? Im Danziger Raum? Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das erste Mal von Helgoland hörte. Aber wen ich auch fragte wo denn dieses Helgoland liegen könnte, ich erhielt als Antwort stets ein fragendes Schulterzucken. Bis mir mal jemand sagte, Helgoland liege bei Fischerbabke (Rybina). Aber auch das half nicht viel weiter, denn im heutigen Fischerbabke kann sich niemand erinnern...
Was ich ebenfalls lange nicht in Erfahrung bringen konnte, war ob Helgoland nun ein Ort oder eine Gaststätte war. Eines Tages kam mir die Idee, einmal auf einem alten Vorkriegsmesstischblatt nachzuschauen. Und dort fand ich Helgoland! Bei Fischerbabke, an der Stelle wo die Königsberger Weichsel von der Elbinger Weichsel abzweigt, liegt in der Gabelung ein großes Grundstück, das amtlich mit Helgoland bezeichnet ist. Den Grund für diesen Namen habe ich bisher noch nicht in Erfahrung bringen können, aber vielleicht war es die inselförmige Lage, die diesem herrlichen Fleckchen Erde zum Namen Helgoland verhalf.
Noch im 19. Jahrhundert wurde es das "Spitz von Groschkenkampe" genannt, zu einer Zeit als auf dem Grundstück bereits seit Generationen ein kleiner vielen Überschwemmungen trotzender Hof von der Familie Goertz bewirtschaftet wurde. 1899 brannte dieses Anwesen nieder. Die Familie baute dann an der Straße zwischen den beiden Fähren, die die Elbinger und Königsberger Weichsel überquerten, ein Gasthaus. Zur Einweihung wurde es "Gasthaus Helgoland" benannt und wahrscheinlich wurde mit dieser Taufe der Name "Helgoland" offiziell. Hinter dem Gasthaus wurde ein großer Garten mit unzähligen Blumenbeeten, Sträuchern und Obstbäumen bepflanzt. Schon zu dieser Zeit wurden legendäre Sommerfeste im aufwändig beleuchteten Garten gefeiert zu denen prächtige Feuerwerke abgebrannt wurden. 1910 wurde Helgoland an die Familie Gustav und Ida Dau, geb.Goertz übergeben, die den Garten zu einem weit bekannten Treffpunkt ausbauten. Zelte, ein Kegelspiel, eine Felsengrotte sowie verschiedene Turngeräte schufen vielfältige Vergnügungsmöglichkeiten. Auch an Kinder war gedacht mit einem Spielplatz, einem hölzernen Karussel und später einer Luftschaukel.
Zu Johannis wurde zu einem traditionellen Fest eingeladen zu dem die Tiegenhöfer Brauerei Stobbe eine ganze Fuhre Bierfässer brachte. Aber auch die Vorräte an Stobbes Machandel wurden reichlich aufgestockt. Militärkapellen spielten auf und Helgoland erlebte an diesen Tagen unvergleichliche Abende.
Helgoland war ebenfalls Veranstaltungsort zahlreicher Schulfeste, an denen Heerscharen von Kindern, Eltern und Lehrern mit den Fähren übergesetzt werden mussten. Der girlandengeschmückte Garten war Austragungsort von Spielen und Wettkämpfen bei denen die Sieger begehrte Preise gewinnen konnten.
Beliebt war Helgoland auch bei Hochzeiten, die im großen Festsaal gefeiert wurden. Zu diesen Tagen war alles auf Hochglanz heraus geputzt. Bis in den frühen Morgen wurde zu festlicher Musik getanzt und jedem Teilnehmer blieben unvergessliche Erinnerungen.
Helgoland bot auch einfache Übernachtungsmöglichkeiten. Vor allem Wassersportler waren stets willkommen. Ruderer von Danzig und Elbing legten nach körperlich anstrengenden Tagen Rast ein und wurden bestens bewirtet.
Mit Beginn des I. Weltkrieges wurde der Festbetrieb unterbrochen. Für von Ostpreußen mit Schleppzügen über die Elbinger Weichsel kommende Verwundete war Helgoland Anlegestelle wo sie versorgt wurden.
Nach dem I. Weltkrieg übernahm die Familie Janzen die Gaststätte. Die Fähre über die Elbinger Weichsel wurde verpachtet bis die Hebebrücken gebaut wurden. Obwohl das noch nicht so lange zurück liegt wie die Ära Goertz/Dau, habe ich über diese Zeit bisher nur wenig erfahren können. Vieles liegt im Dunklen und es ist fraglich ob Helgolands Geschichte der Zwischenkriegszeit je einmal festgehalten werden kann.
Heute ist in Helgoland nichts mehr zu sehen, nichts mehr davon zu spüren oder auch nur zu ahnen von der einstigen Pracht. Es gibt dort zwar ebenfalls einen Gasthof mit Festsaal, ebenso einen kleinen Lebensmittelladen, aber es geht dort ruhig und beschaulich zu. Eine Landstraße führt von Tiegenort über Helgoland nach Steegen, aber wenige Besucher halten an. Das ist schade, denn die beiden Brücken sind recht interessant und nur wenige Schritte entlang der Elbinger und Königsberger Weichsel führen in schier unberührte Natur. Der Garten in dem sich vor Zeiten der Vergnügungspark befand ist frei zugängig. Heute befindet sich in Helgoland ein kleiner Schwimmanleger an dem Segler auf ihrem Weg von der Stromweichsel ins Frische Haff festmachen. Sie können sich hier mit Proviant versorgen während sie darauf warten, dass die Hebebrücke geöffnet wird und freie Durchfahrt ins Haff erlaubt. Später soll hier einmal ein Jachthafen entstehen. Direkt gegenüber Helgoland, auf der anderen Seite der Elbinger Weichsel, liegt eine alte Pumpstation, dessen Aufgabe es war und immer noch ist, über die Alte Lake einen großen Teil des Werders zu entwässern.
Wird Helgoland wieder aus seinem Dornröschenschlaf geweckt? Das ist kaum vorstellbar, denn das was hier einst war, ist vergangen, ist verloschen, ist Geschichte und kann nicht wieder entstehen. Und doch ist Helgoland ein ruhiges, ein wunderschönes Plätzchen inmitten der einzigartigen Natur des Danziger Werders geblieben. Das hoch baumbestandene Grundstück ist gepflegt und wer hier verweilen will, findet Ruhe. Erholungssuchende Wassersportler finden auf der schiffbaren Elbinger Weichsel und der noch verkrauteten Königsberger Weichsel ein Naturparadies. Unzählige Vogelarten haben hier ihren Lebensraum und ihre Brutstätten. Wer hier mit einer kleinen Jolle oder einer Yacht unterwegs ist, will nicht mehr fort und kommt immer wieder. Unsagbar schön sind die von der Helgoländer Spitze zu verfolgenden Sonnenuntergänge, wenn sich hinter der Eisenbahndrehbrücke die Sonne rotglühend am Horizont verabschiedet.
Überhaupt: Die Eisenbahndrehbrücke! Ein einzigartiges Dokument deutscher Eisenbahngeschichte, wie es sonst nirgendwo mehr erhalten blieb. Ein paar hundert Meter flussaufwärts Helgolands gelegen überquert die 1907 erbaute Brücke die Elbinger Weichsel. Auch heute verkehrt dort noch im Sommer eine Kleinbahn zwischen Tiegenhof und Steegen. Um die Elbinger Weichsel schiffbar zu halten, wird die Brücke an zugfreien Zeiten auf einen Pfeiler im Fluss in Längsrichtung gedreht. Dies geschieht durch Muskelkraft zweier Streckenwärter die mittels eines T-Schlüssels die zuvor per Handkurbel angehobene Brücke auf den Pfeiler schwenken. Im vergangenen Sommer konnte ich dieses fast unglaubliche Schauspiel mit eigenen Augen sehen und fotografisch dokumentieren. Eine rund 40 Meter ange massive Stahlbrücke bewegt sich fast wie von Zauberhand!
Das Werder, Helgoland, vergangene Zeiten, die selbst heute noch zum Träumen verleiten. Zum Träumen über ein Paradies das in den Herzen unvergänglich ist und in der Natur weitgehend erhalten blieb.
Unser Mitglied Slawek hat den Artikel ins Polnische übersetzt und in ein polnisches Forum eingestellt. Dort sind auch einige interessante Bilder dazu zu finden: http://www.forum.dawnygdansk.pl/viewtopic.php?p=94218