PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Danziger Laubenkolonisten



Wolfgang
26.04.2009, 10:56
Aus “Unser Danzig“, 1959, Hefte Nr.15/16, vom August 1959

Danziger Laubenkolonisten
von Hugo Arendt

Ein altes Sprichwort sagt, dass Menschen, die Tiere und Pflanzen lieben, gute Menschen sind. Wenn dieses zutrifft, dann hat es in unserer schönen Heimat nur gute Menschen gegeben. Danzig war im Zentrum keine ausgesprochene Gartenstadt. Die Innenstadt war eng bebaut und ließ für gärtnerischen Fleiß wenig Raum. Anders sah es schon in den Außenbezirken aus. Im Jäschkentaler Weg sah man prachtvolle Vorgärten, die die Kunst eines sachverständigen Gärtners verrieten. In der Ringstraße, der späteren Magdeburger Straße in Langfuhr, sah man viele kleine Gärten, die immer sehr fleißig gepflegt wurden. Auch auf der Niederstadt, beispielsweise im „Grünen Weg“, sah man hübsche Vorgärten. Wo solch ein Gärtchen jedoch fehlte, verwandelte der Danziger, der immer ein Blumenfreund war, seinen Balkon in einen offenen Wintergarten.

Doch wir wollen uns nun einmal einem „Hobby“ vieler Danziger zuwenden, den Laubenkolonien. Als prachtvollste Laubenkolonie konnte man wohl den großen Garten hinter unserem Friedrich-Wilhelm-Schützenhaus auf der Promenade ansprechen. Hier sah man prächtige Wohnlauben, die mit allem Komfort eingerichtet waren. Sie gehörten den „Schützenbrüdern“, zu denen Danziger Großkaufleute und Handwerksmeister gehörten. Sonntag für Sonntag verlebten sie hier in ihren Lauben bei Kaffee, Kuchen und auch bei Machandelchen einen ausspannenden Nachmittag. Die Schützenfeste waren Höhepunkte der Danziger Feiergestaltungen. Wertvolle Preise und die Königswürde wurden ausgeschossen. Dieser Tag war ein reines Volksfest. Für die Kinder fanden am Abend im lampiongeschmückten Garten Fackelpolonaisen statt. Alle Kinder erhielten reichlich Süßigkeiten, während die Erwachsenen den flotten Weisen der unvergesslichen Stieberitz-Kapelle lauschten. Ein Feuerwerk bildete dann gewöhnlich den Schluss dieses Volks- und Gartenfestes.

Der landverbundene Danziger, der keinen Balkon und kein Vorgärtchen sein eigen nannte, mietete sich eine Laube oder baute sich eine selbst in einer der zahlreichen Laubenkolonien Danzigs. In Neuschottland, in Altschottland, in Groß-Walddorf, am Barbarafriedhof und in der Reichskolonie gab es riesige Laubenkolonien. Jeder versuchte seiner Laube einen eigenen Baustil zu geben, jeder gab seiner Laube einen besonders schönen Namen. Einfache Lauben wiesen nur einen Wohnraum auf, der gewöhnlich mit einem alten Sofa, einigen Stühlen, einer Kleiderablage und einer Kochnische eingerichtet war. Manche Laubenkolonisten bauten sich auch zwei Zimmer aus, um auch einmal eine Nacht im Schlafraum dort verbringen zu können. So wurde Diebstählen durch eine Nachtbewachung vorgebeugt.

Kam nun der Danziger von seiner täglichen Arbeit nach Hause, dann ging es nach dem Essen sofort täglich zu seiner Laube, denn solch ein Gärtchen erforderte doch allerhand fleißige, tägliche Arbeit; Dort angekommen, wurden alte Kleider angezogen, und dann konnte man den Vater stundenlang bei der Arbeit beobachten. Jeder sah seinen Ehrgeiz darin, den schönsten Garten zu haben. Am Sonntag war vom frühen Morgen bis zum späten Abend die ganze Familie draußen, um einen Tag in Gottes freier Natur zu verbringen, Vatis Fleiß zu loben und hier und da schon einmal mitzuhalten. Am Nachmittag fanden sich gewöhnlich Bekannte, Freunde, Verwandte oder Nachbarn ein, teils aus Neugierde hingetrieben. Lobten sie dann alles, so strahlte der Vater eitel Wonne, und Mutter lud die ganze „Bagage“ zum Tässchen Kaffee ein.

Im Herbst eines jeden Jahres fand das große Laubenkoloniefest statt, auf das sich besonders die Kolonistenkinder freuten. Man sah dann alle Laubenkolonisten wochenlang vorher schwitzen, denn jeder wollte doch für seinen aufgewandten Fleiß vor. der gewählten Gartenbaukommission bestehen und mit einem Preise bedacht werden. Wie das auf solch einem Festchen zuging, lieber Leser, das soll dir nachstehendes Gedichtchen schildern:

In der Laubenkolonie

Kam der Vater müd' nach Haus,
zog er sich den Scheckert aus.
Zog die alten Kleider an,
wo er auch mit graben kann.

Vater fühlte sich nur wohl
zwischen seinem Blumenkohl.
In der Laubenkolonie
schuftet er von spät bis früh.

Ja, das war sein Ausgleichssport
und er wirkte gerne dort.
Zwischen Wruken, zwischen Dung,
fühlte sich der Olle jung.

Im September jedes Jahr,
da verteilt man Preise gar.
Wer ein Sieger war geworden,
der bekam den Gartenorden.

„Angströhrmänner“ gingen rum
sahn sich in dem Garten um,
sahn sich an den Züchterfleiß
und verteilten dann die Preis'.

Ja, der alte Herr Schmiekat
hat den größten Kopfsalat,
und die Nachbarin, Frau Zopp,
hätt' den dicksten Möhrenkopp.

Dort, der olle Rechnungsrat,
stets die größten Zwiebeln hat.
Jedes „Leuchen“ wog zwei Pfund
und war wie ein Ball, so rund.

Abends dann beim Erntekranz,
da war Kolonistentanz.
Und man schwofte durch die.Nacht,
zwischen der Lampionchenpracht.

Der Herr von dem Preisgericht,
konnte keinen Walzer nicht.
Er trat immer Nachbars Lieschen
auf die Hühneraugenfüßchen.

Otto Krüger, dieser Depp,
führte vor den neusten Stepp.
Ob er Nabelsausen hätt,
fragte Lenchen sehr kokett.

Herr von Spund vom Amtsgericht,
tanzte stocksteif wie ein Licht.
Und es suchte sich der Dauß
stets die alten Omas aus.

Ich gesteh' es, manche Herrn
tanzten schick und sehr modern.
Kiek, jetzt tanzt auch der Herr Kranz,
wie 'ne wild gewordene Wanz.

Da beim Tanz der „Edard“ juckt,
wurd' auch mächtig hier geschluckt.
Wer am „dünnsten“ war geworden,
bekam den „Machandelorden“.

In der „Neusten“ stand zu lesen:
Es war wieder schön gewesen.
Jeder musst' es eingestehn,
solch ein Ringelpietz war schön.

Die Moral von der Geschicht',
die vergisst ein Danzger nicht:
Glaub mir's, die Erinnerung,
sie erhält uns immer jung.

Kommen wir dereinst nach Haus,
unser kleines Laubenhaus
nimmt uns vorerst liebend auf.
Mensch! Ich freu mich schon darauf!

-----

Die Veröffentlichung dieses Artikels erfolgte mit freundlicher Genehmigung des "Bundes der Danziger" in Lübeck.

Weitere Verwendungen / Veröffentlichungen bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung durch den Rechteinhaber:
Bund der Danziger
Fleischhauerstr. 37
23552 Lübeck

Bei vom Bund der Danziger genehmigten Veröffentlichungen ist zusätzlich ist die Angabe "Übernommen aus dem forum.danzig.de" erforderlich.

-----

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

daggel
26.04.2009, 11:22
sehr schön!!!

daggel