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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Die Deutschen nach 1945 in Danzig



wenzkauer
05.05.2009, 14:01
Ich glaube, es ist ganz sinnvoll, daß ich ein neues Thema beginne.

Ein nettes "Hallo" in die Runde und vielen Dank für die Antworten.

Besonders möchte ich den "oliv´schen Heinz" ansprechen. Du hast diese Zeit ebenso wie meine Großmutter bis 1958 miterlebt. Gibt es denn halbwegs verläßliche Zahlen über die Daheim-Gebliebenen ??? Ich habe zwar Bücher über Danzig aus polnischen Druckereien Ende der 60-er Jahre, erstaunlicherweise auf Deutsch geschrieben, die aber reine Propaganda darstellen und wenig hilfreich sind.
Konntet Ihr Deutschen Euch treffen, Kontakte halten oder war das alles verboten ???
Mein Großvater Konrad Gdanietz arbeitete als Metzger in Oliva und die Familie wohnte in der Georgstraße 13 ( liegt die in Oliva ???).

Während des Krieges fanden sie Unterschlupf in Wenzkau und noch lange nach 1945 muß er regelmäßig mit der Bahn nach Oliva zur Arbeit gefahren sein. Mit meiner Oma ( geb. Bieschke aus Zoppot) besuchte ich dann auch ab 1969 in Oliva das Schloß, den Park und die Kathedrale. Für mich - mit meinen Kinderaugen - waren das immer wunderschöne Ferien. Alle Verwandten sprachen deutsch, nur die Kaschuben in Wenzkau nicht und so einen Sandstrand wie auf Hela habe ich bis heute nirgendwo mehr gesehen.

Die Realität der Erwachsenen sah ganz anders aus - das weiß ich heute - und dies will ich erkunden.

Mir wird´s beim Schreiben auch manchmal so komisch - ich habe es wohl geerbt.
Viele Grüße von Michael

waldkind
06.05.2009, 20:53
Gibt es denn halbwegs verläßliche Zahlen über die Daheim-Gebliebenen ???
.....
Konntet Ihr Deutschen Euch treffen, Kontakte halten oder war das alles verboten ???


Irgendwie scheint es wieder nicht ganz zu klappen mit den Brücken zwischen Jung und Alt, mit dem Zuhören und Antworten auf Fragen derer, deren Leben Lücken aufweisen. Woran könnte das nur liegen?
Vielleicht wissen es die Danziger, die seit Ende des Krieges in Deutschland leben, nicht. Vielleicht gibt es im Forum keine daheim-gebliebenen deutschen Danziger, dann kann auch keiner antworten. Oder aber ihre Erinnerungen sind so unangenahm, dass sie darüber nicht sprechen können oder wollen.
Ich könnte mir vorstellen, dass die "daheim-gebliebenen" Deutschen dem Arbeitslager und der Zwangsarbeit unterworfen waren. Weißt da einer was Genaueres drüber?:confused:Miriam

waldkind
07.05.2009, 08:47
Hallo wenzkauer,
vielleicht kannst du mit diesem Link etwas anfangen.
LG Miriam
http://www.dfk-danzig.de/index.php?option=com_content&task=section&id=16&Itemid=62

JuHo54
07.05.2009, 09:16
Ich denke, es gibt sie schon und sie lesen auch diese Beiträge, aber die wenigsten können oder mögen sich zu diesem Thema, dass doch sehr nah an die Persönlichkeit geht, auch Wenzkauer wird's"manchmal so komisch", öffentlich äußern.

JuHo54

wenzkauer
07.05.2009, 09:55
Guten Morgen würde ich gerne sagen,aber "guten" bleibt mir im Hals stecken.

Die Seiten vom "dfk-danzig" kannte ich nicht, habe sie eben gelesen und mir ist bewußt geworden , warum alle während der Zoppot/ Wenzkau- Besuche soviel weinten. Ich habe keine Fragen mehr, zu diesem Thema und muß eine Pause machen.

Es grüßt Michael

Heibuder
07.05.2009, 10:18
....
Die Seiten vom "dfk-danzig" kannte ich nicht, ....Michael e.a., ich glaube Du bist nicht der einzige, der sich in dem "Beiträge-Urwald" dieses Forums nicht gut zurechtfindet;
sonst hättest Du bemerkt, das Mitglieder der DFK hier mitschreiben oder -lesen.

Das Forum ist doch ziemlich detailliert strukturiert (in Unterforen, mit vielen Links u.a.m.) und hat noch dazu eine Funktion "Suchen".
Ihre (zugegeben zeitaufwändige) Nutzung erspart manche sich wiederholende Anfragen.

Rudolf
07.05.2009, 12:41
Aus eigener Erfahrung 1945 bis zum Verlassen Danzigs - in meinem Fall Heubudes - im Januar 1946 kann ich die Beschreibung im "dfk-danzig" nur bestätigen .
Allerdings war es so , daß die Ausweisung bei uns weder in Plakaten angekündigt noch sonst den Betroffenen in irgendeiner Form mitgeteilt wurde . Auch wurden wir im kalten Winter 1945/1946 per Zug transportiert und zwar in einem durch Kriegseinwirkungen stark beschädigten Personenzug ( teilweise keine Fensterscheiben , usw. ) und das natürlich ohne Heizung . Meine Mutter und ich kamen überhaupt nicht dazu , irgendwelches Gepäck ( schon garnicht 30 kg ) mitzunehmen . Das hätte uns aber auch nichts genutzt , denn während des ungefähr eine Woche dauernden Transportes bis Scheune bei Stettin wurden mehrmals "Kontrollen" durchgeführt und so war festzustellen , daß alles - aber wirklich auch alles - halbwegs Brauchbare an Gegenständen und Kleidung "konfisziert" wurde . Es gab Fälle , daß Erwachsenen sogar die warmen Mäntel abgenommen wurden .
Den fast einwöchigen Zwischenaufenthalt im Narvik-Lager werde ich nie vergessen . Dort gab es keine Verpflegung und ich bin damals vor Hunger und Schwäche umgefallen , wenn ich nicht von anderen Lagerinsassen etwas zu essen bekommen hätte .
Im Jahre 1960 war ich im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit zum ersten mal wieder in Danzig . Gewohnt habe ich damals im Orbis-Hotel gegenüber dem Hauptbahnhof . Mir fiel damals auf , daß die aus Bruchsteinen bestehende Einfassung des Zugangs zum Hotel teilweise aus Bruchstücken aus Friedhofssteinen ( mit teilweise erkennbarer deutscher Beschriftung ) bestand . Ich hatte in dieser Zeit mehrmals Gelegenheit , mit ehemaligen Danzigern ( Deutschen und auch Kaschuben ) zu sprechen . Wenn wir alleine waren , konnten wir uns deutsch unterhalten , wenn nicht , verliefen die Gespräche immer über einen Dolmetscher . Es würde zu weit führen , alle meine Erfahrungen aus dieser Zeit zu beschreiben .
Eines möchte ich aber ausdrücklich sagen : In all den Jahren seit dieser Zeit habe ich nicht ein einziges mal erlebt , daß Polen mir gegenüber unfreundlich oder ablehnend gegenüber traten . Ganz im Gegenteil habe ich bei meinen vielen Aufenthalten in Polen eine große Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft sowie Gastfreundschaft erlebt , wie man sie nur selten findet .
Grüße an alle vom Heubuder Rudi

mottlau1
07.05.2009, 12:59
Hallo Wolfgang,

also ich war ja sehr oft beim Dt.Club in Langfuhr. Es ist richtg, dass der
DFK (Deutsche Freundes-Kreis) alle Mails bekommt.--Ausser Gerhard Olter u. den Bürokräften sonst wuesste ich jedoch niemanden der mitliest geschweige mitschreibt.
Von den Teilnehmern dort hat wohl nur Regina einen PC. Denn die meisten Rentner/innen haben viel zu kleine Renten um sich einen PC und dazu die monatlichen Kosten leisten zu können.-Aber vielleicht irre ich mich ja auch?

Lieben Gruss Jutta

waldkind
07.05.2009, 19:37
Hallo Juho54 und ihr anderen alle,
da kann es einem auch komisch werden. Ich möchte Dir, Juho54, beipflichten, es geht doch sehr nah an die Persönlichkeit. Wenn einer über eigene Erfahrungen berichten soll, brauchen wir uns nicht wundern, wenn die Seiten leer bleiben. Dir Rudolf danke ich herzlich für deinen Mut und deine Offenheit. Ich selber brauche jetzt auch mal eine Pause, wie der Michael.
Ich möchte vielleicht ergänzend zum Link erwähnen, dass die Zwangsumsiedlung der Deutschen im Osten eine Übereinkunft zwischen Stalin, Roosevelt und Churchill waren. Mit der Umsiedlung der Deutschen war ebenso eine Zwangsumsiedlung der polnischen Bevölkerung verbunden, die ihre ursprüngliche Heimat verloren. Miriam.

wenzkauer
07.05.2009, 20:17
Hallo an alle,

besonders bei Miriam und Rudi möchte ich mich mit folgenden Zeilen bedanken.

Es wird Schiffe auf dem Meer geben.
Sand in unseren Pullovern.
Es wird Wind geben, den Herbstwind.
Es wird Zeit geben, die Zeit, die schlägt.

Es wird Kinder am Strand geben.
Drückende Sonne vor dem Gewitter.
Wir werden all diese vergangene Zeit
und einen alten Hund zu streicheln haben.

Ist leider nicht von mir, paßt jedoch so schön......

Gruß Michael

Regina
08.05.2009, 23:09
Guten Abend,
ich bin im Forum die einzige nach 1945 hier gebliebene Deutsche. Meine Erlebnisse vom Januar 1945 bis zum Kriegsende das ist eine andere Geschichte, die ich auch mal erzaehlen werde. Am Kriegsende wohnten meine Mutter, Schwester und ich in der Nikolaikirche, wohimn uns die Russen hingejagt haben. Am 9. Mai konnten wir nach Hause gehen., leider stand es nicht mehr. Wir sind in eine Molkerei eingezogen und dann legten sich meine Mama und Bruder gleich hin. Sie hatten Thyfus und nirgens war
etwas zum essen. Ich bin in den Wald gelaufen, wusste dass da eine Militaerkueche war, gefunden habe ich einen Klumpen Fett.Ich habe aber auch eine Bekannte getroffen, die zeigte mir welche Blaetter ich sammlen muss umd daraus eine Suppe zu kochen. Ich war ja schon fast 12 Jahre alt. Diese Suppe mit dem gefundenen Fett hat uns das Leben gerettet. Meine Mutter und Bruder wurden gesund. Wir sind umgezogen, wohnten zusammen mit zwei alten Damen, die bald nach Deutschland gefahren sind, und die uns den Schrank voller Bettwaesche, Tischdecken und Pullovers
geschenkt haben. Das war unsere zweite Rettung, die Sachen habe ich auf dem Flohmarkt in Danzig fuer Brot getauscht. Wir brauchten nur die noetigste Kleidung, warteten nur auf unseren Papa der in Norwegen in Gefangenschaft war und dann wollten wir auch nach Deutschland fahren. Spaeter gab es Pilze und neben einer Fischraecherei, die gerade eroeffnet wurde Pomuchelkoepfe. Diese Fischsuppe hat gut geschmeckt. Aber Papa kam nicht, dafuer aber die Milizer um uns rauszuschmeisem. Bis meine Mutter die Mutter eines dieser Rausschmeisser gebeten hat uns etwas. Zeit zu geben weil wir auf unseren Papa warten. Wir wussten nicht mal ob er lebt. Mein Vater ist wirklich Anfang Dezember gekommen und das war der Moment, der ueber mein ganzes leben bestimmt hat.
Weitere schreibe ich morgen.
Herzliche Gruesse
Regina

Heinzhst
08.05.2009, 23:58
Regina, danke für deinen Bericht. So ähnlich habe auch ich die Zeit erlebt.
Ich habe dann noch bis 1958 in Oliva gewohnt
Die Pomuchelskopf-Suppe war ein Schmaus und aus Fischmehl gebratene Klopse auch. Als Dessert gab es eine Wassersuppe aus Sauerampfer, Brennessel oder Melde. Löwenzahn hat auch geschmeckt.
Zucker haben wir aus Neufahrwasser geholt, aus verbrannten Lagern, das sah aus wie brauner Zuckerkant. Speiseöl haben wie aus Erdlöchen geschöpft, dort ist das Öl aus zerstörten Tanks ausgelaufen.
Wasser haben wir aus einer Pumpe geholt die paar Sraßen weiter in einem Garten war.
Für heute reichts.
Ein schönes Wochenende wünscht der
olivsche Heinz.

waldkind
09.05.2009, 08:26
Vielen Dank Regina, vielen Dank Heinzhst,
für eure Erzählungen. Ich freue mich schon auf die nächsten.
Als ich ein kleines Mädchen war erzählte Mamachen mir von ihrem kleinen Bruder, der im Krieg an Thyphus gestorben sei. Leider verwuderten mich die Worte Krieg, Thyphus und tot nur. Ich wusste nicht wovon sie sprach. Jetzt weiß ich es. Gut, dass sie es mir noch erzählte, bevor sie starb. Mamachen hatte die Angewohnheit die Wiesen nach essbaren Kräutern und die Wälder nach Beeren abzusuchen. Noch heute gehören Brennesselspinat und Sauerampfersuppe zu meinen Leibgerichten. Jetzt aber läuft es mir kalt den Rücken herab, wenn ich eure Beiträge lese. Löwenzahn ist etwas bitter! Es reicht gerade. Ich wünsche euch einen schönen Tag. Miriam.

Helga +, Ehrenmitglied
09.05.2009, 08:38
Mein Vater ist wirklich Anfang Dezember gekommen und das war der Moment, der ueber mein ganzes leben bestimmt hat.
Weitere schreibe ich morgen.

Hallo Regina, hallo Heinz,

vielen vielen Dank für Eure Berichte, die mich sehr angerührt haben. Ich würde gerne noch viel mehr über die Zeit hören und warte schon jetzt auf deinen nächsten Bericht Regina. Vielleicht auf auf deinen Heinz?

Helga Zeidler
09.05.2009, 10:38
Auch mich haben die Berichte sehr angerührt, zumal Regina uns kürzlich in Danzig schon etwas davon erzählt hat. Auch ich hoffe, dass Beide noch weiter berichten.

ingrid.beckert
09.05.2009, 11:25
Auch ich bin von den Berichten sehr gerührt und danke
Regina und Heinz dafür .
Selbst in unsere Familie sind nicht alle nach Deutschland gegangen.
Eine Cousine von meiner Mutter ist nach 1945
in Polen/Bromberg geblieben .
Es war für sie und ihre Familie nicht immer leicht .

viele Grüsse
Ingrid

radewe
09.05.2009, 23:46
Auch ich habe die Berichte mit großem Interesse gelesen, meine Hochachtung allen Leidtragenden.
Ich hoffe, dass die Nachkriegsgeborenen diese bitteren Erfahrungen beim nächsten Meinungsaustausch berücksichtigen.

Grüße von Hans-Werner aus Hamburg

waldkind
10.05.2009, 10:56
Hallo Hans-Werner,
diese Hoffnung beruht auf Gegenseitigkeit. Auch Nachkriegsgeborene haben bittere Erfahrungen gemacht. Unter anderem deswegen fragte ich nach, um diese Erfahrungen einordnen zu können. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass es allen, die nach 1946 geboren wurden, gut erging. Es gibt so etwas wie eine zweite Schuld in unserem Land. Ich bin dankbar für jeden, der bereit ist eine Brücke zu bauen zwischen Jung und Alt, damit wir verstehen, verarbeiten und loslassen können. Das ist auf beiden Seiten nicht immer leicht.

Daher danke ich Rudolf, Regina und Heinz herzlich dafür, dass ihr dieses Wagnis eingegangen seid. Niemals habe ich eine so tiefe Dankbarkeit empfunden wie jetzt. Danke, Miriam.

jonny810
10.05.2009, 11:28
Hallo Miriam, ich lese deine sachlichen Beiträge recht gerne.

Du schreibst von Brücke bauen, zwischen jungen und älteren Menschen.

Ich habe die schlimmen Kriegsjahre mit erlebt und würde gerne, jüngeren Menschen aus dieser Zeit berichten. Es müßte nur ein erkennbares Interesse der Jüngeren an die ältere Generation heran getragen werden.
Das meine ich!

Ich bin Jahrgang 1937 und habe ein sehr intaktes Lasngzeit Gedächnis.

Zwei Beiträge, welche diese Erlebnisse widerspiegeln habe ich schon vor

längerer Zeit eingestellt.

Es sind so enssenzielle Eindrücke, die vergißt man sein Leben lang nicht.

Sollen die Jüngeren sich melden und Fragen stellen. Ich bin gerne bereit, diese mit zu beantworten.

Noch einen schönen Sonntag. Erhart

ingrid.beckert
10.05.2009, 11:54
Ich kann Miriam nur beipflichten.

Für uns Nachkrigsgeborene und noch Kinder von Vertriebenen zu sein,
war nicht immer einfach ,für die damalige Zeit.
ICh bin immer interessiert auf die Berichte unseren älteren Forumsmitglieder, nur so kann man doch verstehen und verarbeiten.


Viele Grüße
Ingrid

Helga +, Ehrenmitglied
10.05.2009, 12:32
[FONT=Comic Sans MS]Auch ich habe die Berichte mit großem Interesse gelesen,]

Persönliche Berichte finden wir immer wieder mal an verschiedenen Stellen im Forum, z. B. hier:

http://forum.danzig.de/forumdisplay.php?f=44

waldkind
10.05.2009, 13:19
Es sind so enssenzielle Eindrücke, die vergißt man sein Leben lang nicht.
Sollen die Jüngeren sich melden und Fragen stellen. Ich bin gerne bereit, diese mit zu beantworten.


Danke Erhart,
für dein Entgegenkommen. Ich glaube, manchmal ist es schwer die richtigen Fragen zu stellen, genauso wie es schwer sein kann zu antworten. Manchmal fehlen einem die Worte. Brücken kann man von zwei Seiten aus begehen. Es kommt nicht darauf an wie schnell man darauf vorwärts kommt, sondern dass man Schritte tut, wie auch immer man in der Lage ist, sie zu tun. Ich habe meine heutigen Gefühle in ein Gedicht gepackt und schenke es euch. Es ist ja Muttertag. Miriam


An einem Grab
aus Erinnerungen
suche ich meine Worte
und finde sie nicht.

Würde dich küssen,
könnte ich deinen Kopf
in meinem Schoß
halten.

Die Trauer
meiner Knochen
in den Wind
schlagen.

Tränen weinen,
die nicht mehr
nur im heißen Sand
vergehen.

Dein Ave Maria
zum ersten mal
lieben lernen.

Und nie wieder -
nie wieder
vierblättrige Kleeblätter
suchen,

um zu überleben.

mkleiss
10.05.2009, 13:31
... würde gerne, jüngeren Menschen aus dieser Zeit berichten. Es müßte nur ein erkennbares Interesse der Jüngeren an die ältere Generation heran getragen werden.......Sollen die Jüngeren sich melden und Fragen stellen...

Hallo,

dann versuche ich es an dieser Stelle zum x-ten Male, obwohl mein Beitrag wahrscheinlich wieder "überlesen" wird....:

Was für Kinderspiele machte man, was tat man im "Urlaub" (gab es den überhaupt?), welche Feste feierte man, wie war das Familienleben, die Schule, womit beschäftigte man sich und, und und...

Für mich sind Schilderungen über das Leben, so wie Ihr es erlebt habt unendlich wertvoll und helfen mir persönlich, viele Dinge abseits der großen Politik zu verstehen. Und manchmal weiß ich gar nicht, welche Fragen ich stellen soll, wenn mir bestimmte Dinge gar nicht bekannt sind.

Ich freue mich über JEDEN Erlebnisbericht! :):)

Gruß

Michael

jonny810
10.05.2009, 13:36
Hallo Miriam,

so etwas können nur Menschen mit Emotionen schreiben. So glaube ich.

Wäre meine Mutter noch am Leben, hätte sie im Jahr bestimmt mehrere Muttertage.

Man sollte viel häufiger an unsere Vorgänger-Generation denken und berücksichtigen, was die als junge Menschen für eine Jugendzeit hatten, im Vergleich, zu heute.

Wollen wir dankbar sein, für die vielen , guten Jahre die wir bis jetzt erleben durften. Erhart:D

jonny810
10.05.2009, 14:10
Frage doch einfach drauf los. Wieviel Kinder Wie groß die Wohnung. Was hat der Vater beruflich gemacht, wart ihr abends satt u.v.m. :D es gibt so viele Ansatzpunkte, Frage doch, ob die Eltern einen Telefon-Anschluß hatten. Seit ihr mit dem Geld ausgekommen was der Vater verdient hatte. Frage über Fragen. Fange mal an, der Rest geht dann wie geschmiert. Erhart

Helga +, Ehrenmitglied
10.05.2009, 15:25
was tat man im "Urlaub" (gab es den überhaupt?), welche Feste feierte man, wie
Für mich sind Schilderungen über das Leben, so wie Ihr es erlebt habt unendlich wertvoll und helfen mir persönlich, viele Dinge abseits der großen Politik zu verstehen.l

Hallo Michael,

bei meinem Vater war es in jedem Sommer so, daß mein Großvater mit den 4 Kindern auf den Hof seiner Schwester nach Ostpreussen fuhr. Ich sehe sie vor mir, wie sie von der Häkergasse aus, beladen mit etliche Koffern sich auf den Weg zum Bahnhof machte, damals lief man ja noch.....Er fuhr dann nach ein paar Tagen zurück nach Danzig, aber die Kinder und reichlich Vettern und Basen verbrachten die ganzen Sommerferien dort und hatten viel Spaß, bis sie dann von den Eltern wieder abgeholt wurden.

Das Familienleben war zu einem großen Teil durch die Bäckerei meines Opas mitbestimmt. Die Jungens mußten schon vor der Schule so einiges an Brötchen austragen, dann Frühstück und ab in die Schule. Nach der Schule dann essen, Schularbeiten (die an einem großen Tisch neben der Bachstube gemacht wurden, damit die Eltern immer mal einen Blick drauf haben konnten) und für jeden seine Pflichten in Haus oder Backstube. Mein Vater war der Kleinste und mußte am wenigsten mithelfen. Eben jeder nach seinen Kräften.

Daneben war immer noch genügend Zeit um mit dem Rad nach Heubude zum Strand zu fahren, viel später gar mit einem Moped, zum Kanu fahren und Freunde treffen. Bei meinem Vater weniger beliebt aber Pflicht war der monatliche Theaterbesuch. Sehr geliebt hingegen die ebenfalls regelmäßigen Kinobesuche.

An den Sonntagen mußten alle sehr früh aufstehen und dann fuhr Opa mit den Kindern auf Fahrrädern raus in die Natur, während Großmutter lieber daheim blieb und dafür sorgte, daß irgendwann die Bäckerei geöffnet wurde. (auch am Sonntag, wenn ich das richtig verstanden habe). An schönen Sommernachmittagen fuhr man dann gerne mit dem Schiff nach Zoppot oder besuchte die Verwandtschaft oder bewirtete eben diese Verwandtschaft zuhause.

Das alles sind zwar zwar nicht meine Erinnerungen, aber die meines Vaters, meiner Tanten und meines Opas, die ich oft gehört habe.

Helga +, Ehrenmitglied
10.05.2009, 15:44
UPPPS, ich merke grad, das Thema heißt ja eigentlich "nach 1945".

Sorry und Asche auf Haupt..... Soll ich es löschen?

mkleiss
10.05.2009, 19:48
.... Soll ich es löschen?..

Hallo Helga,

denke, das muss nicht sein. Egal wo es steht, sind Erinnerungen auch aus 2.Hand immer gerne gelesen. Man muss ja nicht in Schubladen (bzw. Überschriften denken.

Ansonsten: Quod errat demonstrandum (Was zu beweisen war)

. .obwohl mein Beitrag wahrscheinlich wieder "überlesen" wird...

Bedauerlich, wenn manche nicht realisieren, dass Freunde des Einen im Umkehrschluss nicht automatisch Feinde des Anderen sind. Ich wünschte mir hier etwas mehr Souveränität und Professionalität...

Michael

Helga +, Ehrenmitglied
10.05.2009, 22:40
Bedauerlich, wenn manche nicht realisieren, dass Freunde des Einen im Umkehrschluss nicht automatisch Feinde des Anderen sind.

Hallo Michael,

wie meinst du das?

Regina
11.05.2009, 00:06
Guten Abend.
Mein Vater wurde 1940 eingezogen. Nun war er wieder zu Hause, nach fast 6 Jahren. Meine Mutti sagte voller Freude; morgen fangen wir an zu packen und dann geht es nach Deutschland. Aber mein vater wollte nicht . Er sagte er ist in Danzig geboren und will hier auch sterben., ausserdem gibt es in Deutschland , wegen den vielen Fluechtlingen eine grosse Arbeitslosigkeit und er hat hier schon eine Arbeit. In seiner Kompanie in Norwegen war ein Kaschube der in Neufahrwasser eine Schiffabfertigungsfirma hatte und da brauchte er meinen Vater der ausser deutsch, englisch auch nowegisch sprach.
Was dann bei uns zu Hause vorgegangen ist kann man kaum beschreiben. Meine Mutter und ich haben geweint, meinen juengeren Geschwistern war es egal, Hauptsache es gibt etwas zum Essen. Mein Vater liess sich polonisieren, wir mussten in die polnische Schule gehen. Das erste polnische was ich gelernt habe waren Weihnachtslieder. Nach zwei Monaten sagte meine Mutter zu mir; ich bin hier geboren, werde hier auch sterben. Sie hat niemals polnisch gelernt. Nach kurzer Zeit ist der Cheff der Firma ploetzlich verstorben, die Firma wurde von der staatlichen Direktion des Hafens uebernommen, zusammen mit meinem Vater. meine Mutter ist dann oft nach Danzig gefahren und hat auf dem Flohmarkt deutsche Buecher gekauft, hunderte. Jetzt weiss ich es dass sie die Buecher retten wollte, jahrelang hatte sie noch die stille Hoffnung, dass die Deutschen zureuck kommen.Nach Beendigung der Mittelschule wollte ich Medizin studieren, bekam aber kennen Studienplatz. Dann habe ich im Buero der Stadtverwaltung gearbeitet. Deutsch wurde in der Stadt nicht gesprochen, ich habe aber nicht gehoert dass es verboten war. Zu Hause sprachen wir nur deutsch. Manchmal musste ich die Sekretaerin des Chefes vertreten und er sagte mir, dass heute der neue Konsul des DDR
Konsutates kommt. Wie er mit seiner Dolmetscherin ins Vorzimmer reingekommen ist dachte ich endlich ein Deutscher und hatte vergessen, dass man nicht deutsch spricht. Ich sagte zu ihm - guten Morgen Herr Konsul, hier koennen sie ihren Mantel ablegen, was kann ich ihnen anbieten
Kaffee oder Tee.Er guckte mich sehr erstaunt an und sagte Herr Praesident ihre Sekretaerin spricht ja deutsch, mein Chef hat sich auch gewundert, er wusste es ja nicht.Mein naechsten Tag wurde ich nicht entlassen, sondern auf meinem Schreibtisch lag deutsche Post. Viele Briefe
mit verschieden Angelegenheiten , meistens Urkunden, Fragen ob das Haus steht, nach Vermissten. Ab diesem Tag hatte ich einen neuen Beruf und den Anfang eines neuen Lebens.
Bald mehr. Viele Gruesse
Regina

mottlau1
11.05.2009, 14:21
Hallo ins Forum,

auch ich habe bis 1950 in Langfuhr mit meiner Mutter u. meinem Opa gelebt. Ein Kind das zu deutscher Zeit im Oktober 1944 geboren wurde.
Meine Mutter hat sich bis nach Dirschau zu Familie durchgeschlagen.
An viele Hauswände in Danzig wurden Nachrichten geschrieben damit Familienmitglieder sich finden konnten.- Mein Opa wurde am Ende des Krieges aus dem KZ Buchenwald von den Amerikanern befreit. Er ein sehr kranker Mann nur noch 45kg schwer schlug sich durch nach Danzig in der Hoffnung Familie zu finden. Meine Oma war einen Monat vor meiner Geburt gestorben mit nur 51 J. Von den Aufregungen der Verhaftung hat sie sechs Schlaganfälle erlitten. -Mein Opa hat als Dolmetscher u. Zollbeamter zum Glück auch polnisch gesprochen. Meine Mutter hatte polnisch statt Französisch in der Schule gelernt. Das war sehr hilfreich als nun die Polen in Danzig Einzug hielten. Und mich lehrte die Mutter nicht die deutsche Sprache aus Angst vor Represalien der Polen. Hätte mich ja als Kleinkind verplappern können was zu Unannehmlichkeiten geführt hätte. Es gab solche Fälle wo selbst die Kinder von Polen verhauen wurden wenn sie deutsch sprachen. Zwei meiner Onkel konnten kein polnisch und kamen jeden Tag zerschlagen nach Hause u. weinten bitterlich zu Hause. Statt wieder in ihrem Beruf als Schiffsmakler zu arbeiten schleppten sie nun Kohlensäck im Danziger Hafen. So erging es den meisten in Danzig verbliebenen Deutschen.
Endlich kam eine Nachricht über das Rote Kreuz, dass mein Vater nach vielen Jahren der Gefangenschaft in Sibirien nach Westdeutschland gelangt war. -Nach vielen Bemühungen gelang es meiner Mutter eine Ausreise dorthin zu bekommen. Wir nahmen Abschied von meinem Großvater den wir nie mehr wiedersahen. Er starb dann 1954.- Mit dem Zug durch die ehem.DDR gelangten wir nach einer Woche Fahrt dann in Friedland . Jetzt waren wir endlich im Westen. Dann kamen wir in die Nähe von Frankfurt/Main. Dort erwartete uns Armut . Wir wohnten in einer Mansarde im dritten Stock die eigentlich für solche Mädchen die mit Amerikanern gingen vorgesehen war. Der Bürgermeister des Ortes wollte uns den Zuzug zum Vater verwehren obwohl er in St.Petersburg geboren war. Seine Worte waren: soll ihre Frau doch hingehen wo sie herkommt. Die Toilette war über die Straße in einer Ruine. Mein Vater kämpfte auch um seine Wiedereinstellung zur Polizei. Vorher arbeitete er als Tellerwäscher bei den Amerikanern. Dort traf er im Büro zum Glück auf einen Schulkameraden aus Danzig der ihm diese Stelle besorgte. Hier hast Du Essen für Dich u. Deine Familie waren seine Worte. Endlich dann im Jahr 1952 bekam der Vater die Einstellung als Polizeibeamter. Unser Glück nun endlich zusammen zu sein dauerte nur sechs Jahre weil mein Vater mit nur 39Jahren im Jahr 1958 an Darmkrebs verstarb. Die vielen Jahre der Gefangenschaft hatten wohl dazu beigetragen.

Jutta

waldkind
11.05.2009, 18:11
Hallo Jutta,
vielen Dank für deine Geschichte. Das war ein schweres Schicksal für alle Familienmitglieder. Fragen, die mir dazu einfallen, wage ich aber nicht zu stellen.
Vermutlich war es Glück, dass deine Mutter polnisch sprach. In Deutschland musstest du dann ganz von vorne anfangen. Ich meine, du konntest doch kein deutsch. Das stelle ich mir schwer vor. Als dein Vater starb, warst du erst 14 Jahre alt oder 13 Jahre und wahrscheinlich zu jung, um ihn zu fragen und sein Schicksal zu verstehen. Erst recht, was deinen Opa betraf.
Es war also nicht so, dass man als Deutsche einfach ausreisen konnte, sondern dafür eine Genehmigung brauchte.
Liebe Grüße von Miriam

mottlau1
11.05.2009, 20:31
Hallo Jutta,
vielen Dank für deine Geschichte. Das war ein schweres Schicksal für alle Familienmitglieder. Fragen, die mir dazu einfallen, wage ich aber nicht zu stellen.
Vermutlich war es Glück, dass deine Mutter polnisch sprach. In Deutschland musstest du dann ganz von vorne anfangen. Ich meine, du konntest doch kein deutsch. Das stelle ich mir schwer vor. Als dein Vater starb, warst du erst 14 Jahre alt oder 13 Jahre und wahrscheinlich zu jung, um ihn zu fragen und sein Schicksal zu verstehen. Erst recht, was deinen Opa betraf.
Es war also nicht so, dass man als Deutsche einfach ausreisen konnte, sondern dafür eine Genehmigung brauchte.
Liebe Grüße von Miriam


Hallo Miriam,

ja als ich mit fünf ein halb Jahren ankam konnte sich mein Vater nicht mit mir verständigen. Ich kam noch sechs Monate in den Kindergarten und dann in die Schule. Habe sehr schnell deutsch gelernt.- Bis zu seinem Tod vom Erkennen der Krankheit bis zum Tod waren es nur ca sechs Wochen. Ab diesem Zeitpunkt war ich erwachsen. Habe vor Schock nicht eine Träne am Grab weinen können.
Ja meine Mutter fuhr im Jahr 1950 extra nach Warschau um das zu ermöglichen. Hätte das nicht geklappt-denn es war der letzte Transport nach Deutschland- dann hätten wir wohl Jahre warten müssen und vielleicht hätte ich dann meinen Vater nicht mehr kennengelernt.- Ich habe von meiner Mutter viel über die Gefangenschaft meines Vaters erzählt bekommen. Dort traf er auch einen Leidensgefährten namens Erich Ramson der aus Neustadt/Wejherowo stammte. Der besuchte uns nachdem er auch aus der Gefangenschaft kam. Seine Enkelin hat später über das Forum Danzig-L mit mir Kontakt aufgenommen.
-Noch dies: ich habe das Grab meines Opas auf dem Friedhof Silberhammer schon zwei Mal wieder gekauft. Es wird bis 2014 existieren. Das ist für mich der Anlaufpunkt seit ich ab 1978 das erste Mal nach Danzig fuhr um zu erfahren wo meine Wurzeln sind. Ich habe dort viele Verwandte mütterlicherseits wieder gefunden.
Seit dieser Zeit war ich jedes Jahr in Danzig und das mehrmals.
Falls Du Fragen hast beantworte ich Dir diese gerne-nur bitte eine pers. Mail an mich senden.

Dir Miriam und allen einen netten Gruß
Jutta

mkleiss
11.05.2009, 20:48
...wie meinst du das?

Hallo Helga,

derjenige, den ich meine, hat´s mit Sicherheit verstanden...;)

Michael

waldkind
11.05.2009, 21:28
...Ich bin Jahrgang 1937 und habe ein sehr intaktes Langzeit Gedächnis.
...
Sollen die Jüngeren sich melden und Fragen stellen. Ich bin gerne bereit, diese mit zu beantworten. ...
Erhart

Hallo Erhart,
da du von Langzeitgedächtnis sprichst, ist mir eines bewusst geworden: Ich war noch ein kleines Mädchen, nicht mal in der Schule, als mir die Mutter Fragmente aus ihrer Kindheit erzählte. Sie redete von Thyphus, von toten Angehörigen, von Konzentrationslager, Kommandanten, von Russen, ihrer Zwillingsschwester (die nach dem Krieg starb). Sie zeigte mir eine Karte von Danzig ohne das ich begriff, was Danzig ist, und das Foto ihres Bruders, den sie in den Tod begleitete. Alles Geschichten, die ein kleines Mädchen nicht versteht. Sie fügen sich jetzt, nach langer Zeit, wie ein Puzzel zusammen. Hätte ich nicht gewusst, dass sie in Danzig geboren ist, hätte ich sie niemals verstehen gelernt. Ich weiß nicht einmal wann und wie sie Danzig verließ.

Dabei stelle ich mir durchaus die Frage,wie ging es in der Stadt weiter. Unmittelbar zu Kriegende war sie zerstört. Wieviele intakte Häuser gab es noch, wo Menschen leben konnten? Wurden die aus ihrer Heimat vertriebenen Polen gleich nach Danzig umgesiedelt, während die Deutschen nach Westen zogen? Das stelle ich mir sehr schwierig vor. Es muss eine Zeit der Orientierungslosigkeit gewesen sein. Und wie ging es in den Schulen? Wurden dann polnische Lehrer eingestellt? Und was machten denn die Kinder, die nur deutsch sprachen? Wie kamen sie in der Schule zurecht? Ich kann mir auch nicht recht vorstellen wie der Wiederaufbau stattfand. Die Deutschen wurden weggeschickt. Mussten denn nun die polnischen Neuankömmlinge die Stadt aufbauen? Das wäre auch ein hartes Los für diese gewesen. Oder hat man Deutsche zur Zwangsarbeit zurückgehalten.
Das waren heute so meine wichtigsten Fragen, natürlich an alle Leser gerichtet.
LG Miriam

grabschau, + 06.11.2012
12.05.2009, 15:21
"nobody is perfeCt" Ohrscher, aber wie oft musst Du noch diese Wörter nach 64 J. benutzen-- ??

******
2. Die wenige Monate nach Kriegsende zugezogene Polen uebernahmen sofort die Wohnungen, aus denen die Deutschen gewaltsam vertrieben worden waren.

******

die zugezogenen Polen hatten wohl auch keine andere Wahl u. wären lieber in ihrer vertrauten Heimat geblieben ( Warschau z.B.)

Mich ärgert einfach Deine Polenantipatie (auch versteckt bemerkt man sie !!! ) ----- super Deine Gedächtnishilfe für den 8. Mai :D

LG Sigi- Paris

Helga +, Ehrenmitglied
12.05.2009, 16:54
"nobody is perfeCt" Ohrscher, aber wie oft musst Du noch diese Wörter nach 64 J. benutzen-- ??

Aber hallo, nun sei mal nicht so pingelig Sigi, ein winziger falscher Buchstabe wird hier sicher niemanden stören.


"Mich ärgert einfach Deine Polenantipatie (auch versteckt bemerkt man sie !!! )

Ich glaube nicht, daß man gleich eine Polenantipathie vermuten muß, wenn jemand sagt wie es war. Ich meine, wie immer du es formulieren willst, die Tatsache bleibt dennoch bestehen.
Solche Unterstellungen sind einfach ungut.

Ich hoffe, es geht schon wieder ein kleines Stück besser.

waldkind
12.05.2009, 22:58
Hallo Siegfried,
erst mal danke für deine ausführlichen Antworten. Die Zeit zwischen 1945 und 1949 konnte ich mir nicht so recht zusammenreimen. Ich denke, dass ich jetzt ein Bild gewonnen habe aufgrund der Beiträge hier.



Mir wird´s beim Schreiben auch manchmal so komisch - ich habe es wohl geerbt.

Da ist mir ein Gedicht eingefallen, dass ich im Jahre 2003 schrieb. Ja ich denke wir erben einiges, wissen manchmal nicht wo es her kommt. Zumindest bei diesem Gedicht glaube ich jetzt zu wissen, wo es her kam.

Grasnacht

Durch schwarze Nacht
gleitend
Eiskristalle
die blanke Haut ritzend

Mit bloßen Händen
weißfrostigen Schnee
aufkratzend
das letzte Gras
zu erheischen

Im Hintergrunde fallen
Schüsse
Das Knirschen der Zähne
verstummt
Der Schmerz des Hungers
ertaubt

Und ich glaube, wir tragen das Erbe in uns bis wir es verstehen. Mit herzlichen Grüßen an alle. Miriam

Rudolf
13.05.2009, 15:07
Der "Ohrsche Siegried" hat nach meiner Meinung mit seinem Beitrag 36 die Fragen Miriams wahrheitsgemäß beantwortet . So war es nun einmal zu dieser Zeit und ich denke , man sollte nicht jemandem , der diese Zeit erlebt hat , gleich eine "Polenantipathie" unterstellen .
Wenn ich ( Jahrgang 1933 ) meine damaligen Erlebnisse in allen Einzelheiten schildern würde - vom ständigen Hunger bis hin zu persönlichen Mißhandlungen , die mich nach der Zwangsausweisung letztendlich nach meiner Ankunft in Berlin im Januar 1946 mehrwöchig in ein Krankenhaus brachten - würde mich Sigi-Paris sicher auch einer "Polenantipathie" bezichtigen .
Ich kann versichern , daß dies bei mir absolut nicht der Fall ist , ganz im Gegenteil . Aber ich , wie auch alle Betroffenen aus der "Erlebnisgeneration" , sollten das Recht haben , sich zu dieser Zeit und ihren persönlichen Erlebnissen zu äußern .
Über meine durch Krieg und Nachkrieg geprägte Jugend habe ich vor einiger Zeit meine Erinnerungen zu Papier gebracht , allerdings werde ich damit nicht in der ganzen Breite an die Öffentlichkeit gehen , diese Aufzeichnungen sind in ihrer Gesamtheit nur für die Familie bestimmt . Aus diesen Aufzeichnungen geht aber auch hervor , daß diese Zeit mich zu einem Menschen gemacht hat , der Krieg und Gewalt verabscheut .
Viele Grüße - Rudi

Helga +, Ehrenmitglied
13.05.2009, 16:45
Aber ich , wie auch alle Betroffenen aus der "Erlebnisgeneration" , sollten das Recht haben , sich zu dieser Zeit und ihren persönlichen Erlebnissen zu äußern .

Hallo Rudi,

so ist es. Es gibt etliche Teilnehmer die wie ich, der Nachkriegsgeneration angehören, und die Berichte aus dieser für uns so fernen Zeit mit Interesse und gerne lesen. Und das Zeitzeugen Interesse daran haben, davon gehe ich sowieso aus.

waldkind
13.05.2009, 17:06
Naja Helga,
eigentlich ist ja diese Zeit für uns Nachkriegsgeneration gar nicht so fern. Zwischen den hier geschilderten Erlebnissen (1945-1950) in Danzig und meiner Geburt im Rheinland liegen gerade mal 10-15 Jahre.

Jeder, der diese Zeit miterlebt hat, hat das Recht seine Erlebnisse auszudrücken nicht nur, weil wir "Jüngeren" daran ein Interesse haben, sondern weil es sowieso das Recht jedes Menschen ist zu sich selber zu stehen und sich auszudrücken. Man muss ja nicht immer alles bewerten und gleich in Schubladen packen. LG Miriam


Hallo Rudi,

so ist es. Es gibt etliche Teilnehmer die wie ich, der Nachkriegsgeneration angehören, und die Berichte aus dieser für uns so fernen Zeit mit Interesse und gerne lesen. Und das Zeitzeugen Interesse daran haben, davon gehe ich sowieso aus.

Helga +, Ehrenmitglied
13.05.2009, 17:16
Naja Helga,
eigentlich ist ja diese Zeit für uns Nachkriegsgeneration gar nicht so fern.


Stimmt, du hast recht. Ich meinte mit fern auch weniger weit weg als eher eine von uns nicht erlebte, nicht gelebte Zeit. Eine Zeit, die wir nur vom Hörensagen kennen und die uns trotzdem mit ihren Ortsnamen, mit der Art sich auszudrücken und sich zu geben irgendwie doch vertraut ist.

jonny810
13.05.2009, 21:40
Liebe Miriam, lieber Michael und Interessierte.

ich habe es zugesagt und werde nun versuchen, meine Kindheit, ab ca. dem 5.-8. Lebensjahr aufzuzeigen. Ich werde mir große Mühe geben, dass die Fantasie nicht Oberhand gewinnt.
Ich war der 3. von vier Brüdern im Hause Joniszus.
Durch eine schwere Erkrankung meiner Mutter nach meiner Geburt, wurde ich von meinem Omchen, sowie von 2 Tanten, die noch ledig waren und bei ihrer Mutter lebten, großgezogen. Es war eine herrliche Zeit. Erchen, wie man mich liebevoll nannte, war der "Prinz." Was möchtest du trinken, Milch oder Kakao? ist das auch nicht zu heiß? komm, lass Omchen mal Pusten, wenn man einmal Weh' hatte.
Dann starb Omchen und ich kam zur eigentlichen Familie zurück. Das war der Schüsseldamm 25.
Hier war ich einer von Vieren. Denn in meiner Abwesenheit, hatte sich mein jüngerer Bruder Hartmut, dazu gesellt. Das bekam man auch gleich nach der ersten Euphorie des Wiedersehens zu Spüren. Nur das, was die Großen damals mit mir machten, bekam der Jüngste von mir umgehend zurück.
Aus diesem und anderen Gründen, war meine Anwesenheit nicht gerade das, was man als Erwünschenswert ansah. Dieses Gefühl wurde ich auch mein Leben lang nicht mehr los.
So weit die Overtüre.
Die Wohnung bestand aus 2 1/2 Zimmern, für nunmehr 6 Personen.
Toilette eine halbe Etage tiefer. Ich erinnere mich noch immer an das zurecht geschnittene Zeitungs-Papier, welches hier genutzt wurde, und seine letzte Ruhe fand. Geschlafen wurde zu Zweit in einem Bett. Selbst da herrschte nicht einmal Ruhe. Es wurde weter gekäbbelt. Das war für mich alles neu und belastend.
Sonntagmorgens durften wir dann zum Papa ins Bett. Der rauchte sein Pfeifchen und erzählte uns die tollsten Räuber-Pistolen. Also, eines stand fest, unser Papa muß ein Held sein.Was der alles überlebt hat!
Nun kam auch für meinen Vater dieser komische Brief. Mama weinte, konnte es aber nicht verhindern, dass Papa dahin mußte, wo noch viel mehr Helden waren.
Wir verabschiedeten ihn und gingen bedrückt nach Hause. Lange noch haben die Erwachsenen mit den Taschentüchern gewunken.
Zu Ostern 1944 wurde ich Eingeschult. Meine Schule lag an der Radaune, nach -"Pferdetränke"- wie die Strasse hieß. Ab ging es mit Tafel und Griffelkasten. Stolz kam man nach Hause. Man gehörte ja nicht mehr zu den Kleinen.
Dieses Vergnügen hatte ein jähes Ende. Kurz darauf wurden wir Evakuiert.
So lernten wir Neuteich kennen. Mit all' seinem "Für und Wider." Der Bauer, bei welchem wir Quatier fanden, hieß Bergmann. Der Orts-Teil Neuteich-Abbau. Das war für Stadtkinder natürlich ein großes Erlebnis. Pferde, Kühe, Schweine und Geflügel, alles hautnahe erleben. Na wenn das nichts ist. Außerdem, konnte man gelegentlich auch mal mit einem Pferdewagen mitfahren. Bloß, weder die Kutscher, noch die Melker so wie das weibliche Personal verstand von uns niemand. Es waren ausnahmslos "Kriegsgefangene" bzw. Internierte. Halina allerdings, die aus der Küche, ließ uns Kindern immer einmal etwas zu kommen, wenn niemand in der Nähe war. Die Herrschaften wurden nur mit "gnäddigge Frau bzw. gnäddigger Cherr angesprochen.
Darauf legte man schon einen gesteigerten Wert. Wo käme man sonst hin?
jetzt begann eine schwierige Zeit für uns Jungens. Morgens hin, - mittags zurück der Weg zur Schule.(Man hatte mich im Forum einmal korrigiert als ich von 5 Km einfachem Weg sprach.) Ich bin danach wieder einmal dort gewesen und bin zu der Feststellung gekommen, dass es nicht viel weniger war, von dort wo wir hausten.)
Es gab keine befestigten Wege wie heute. Alles entweder nasser, schmieriger Boden, oder im Sommer heiß und trocken.
Es war für einen Erstklässler sicherlich kein Spaziergang.
Das ging so bis zum Herbst 1944. Dann hieß es, hier wird es bald gefährlich, wir müssen zurück nach Danzig.
Also Klamotten packen und zurück. Da blieben allerdings auch wiederum Schulfreunde, Nachbars-Kinder Tiere und der schöne Stroh-Staken, von welchem wir unseren Mut beweisen konnten. "Wer ist feige"? hieß die Parole,- und dann sprang man runter.
Ich kann mir heute vorstellen, dass Mama nicht gerade glücklich war, wenn sie unsere Kleidung sah.
Nun waren wir wieder in Danzig.
Die Frage eines jungen Mitgliedes war, "was hat man gespielt"?
Da gab es eine ganze Menge. Aus Wäsche-Klammern und einer Mause-Falle z. B. wurde eine Festung gebaut. Die Mause-Falle war gespannt, die Festung darüber gebaut. Wollte jetzt jemand fremdes die Burg besetzen, konnte man sie vorher schön in die Luft jagen, wie es in unserem Jargon hieß.
Ein anderes Spiel. Überall gab es zwischenzeitlich zestörte Fensterscheiben. Dann wurden kleine bunte Scherben gesucht, und man versuchte ein schönes Mosaik herzustellen. Einen tollen Erfolg konnte man auch erleben, wenn man dem Anderen den Granatsplitter ablungern konnte, der einem selber gefiel. Man musste nur lange genug sagen, dass der überhaupt nicht schön aussieht. Deckel von der Zigarrenkiste hoch, Splitter rein und man konnte wieder weiter tauschen.
Der Schulunterricht viel dann bald ganz ins Wasser. Entweder es wurde tatsächlich zu gefählich durch die Angriffe, oder einige "Genossen" ahnten was bald auf sie zu kommt und machten sich aus dem Staub. Es wird wohl von Beidem etwas stimmen.
Der Bunker wurde für uns zu einem festen Wohnsitz. Zwar sehr wenig Platz, aber relativ sicher. Zum Spielen auf die Strasse kamen wir zwar auch noch, aber Mama war es dabei sicherlich auch nicht wohl. Beim ersten Sirenen Geheul, waren wir dann wieder unten.
Eine erfolgreiche Beschäftigung bestand auch darin, den anderen Bruder zu Entlausen. Wäsche-Wechsel, oder- ab in die Badewanne - gab es schon längst nicht mehr.
Unser Bunker erhielt einige Volltreffer und immer wieder saß man da und hielt die Hand des Anderen. Es nahm zwar nicht die Anspannung von einem, aber man spürte den Bruder, oder die Mutter.
Irgend wann viel dann der Strom ganz aus und es mußte mit Handpumpen Frischluft in den Bunker gepumpt werden. Das kann man sich so vorstellen. 4 Personen, je Seite 2, pumpen so, wie man es von der Land-Feuerwehr kannte. Nun besuchten uns unsere Befreier. Eine Truppe von Mongolen, denen auch nicht gerade der Mut aus den Augen leuchtete. Die machten aber auch den Eindruck, als hätten sie Alkohol im Blut. Vielleicht ein Mutmacher.Sie hatten Maschin-Gewehre dabei und zählten die Patronen. Uns wurde bange. Vielleicht sahen diese für uns so fremde Menschen darin ihren Sinn erfüllt. Sie Verließen den Bunker wie sie gekommen sind. Hinterließen aber eine große Menge Toter. Ich habe mir von Erwin Völz sagen lassen, dass wir zusammen diejenigen waren, die diese Situation überlebt haben. Etwa 75 von mehreren Hundert Menschen.
Die Luftschächte, von denen ich schon gesprochen habe, waren für uns Lebens-Retter. Durch diese Schächte, in denen es eingelassene Sprossen gab, verließen wir dieses Chaos. Oben angekommen waren Lotzen nötig, um den Weg aus diesen Trümmern zu finden. Strassen oder Häuser zur Orientierung gab es nicht mehr. Wir landeten auf dem Bischofsberg und haben erst einmal flach da gelegen und waren froh, es bis hier geschafft zu haben. - Fortsetzung folgt -

Beate
13.05.2009, 23:39
Danke schön allen für eure Schilderungen. Gegensätzliche Gefühle entstehen bei mir beim Lesen: ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit, dass ich das nicht erlebt habe und hoffentlich auch nie erleben werde, eine unheimliche innere Wut auf alle Verursacher von Kriegen und Hilflosigkeit, weil augenscheinlich kaum einer daraus lernen will...wie sonst könnte es heute noch Kriege geben...
Liebe Grüße Beate

jonny810
14.05.2009, 09:17
Liebe Beate,

nicht nur dir. Wohl auch denen, die dieses grausame Abenteuer überlebt haben.
Nur mit teilweise anderen Vorzeichen.
Wir aus der Erlebnis-Generation sind froh, es geschafft zu haben, zu überleben. Ich bin traurig und verärgert darüber, dass Deutschland der Drittgrößte Waffen- und Kriegsmittel Exporteur ist.
Der große Gewinn geht wieder nur in die Taschen Derer, die schon einmal
Waffen produziert und exporttiert haben, mit denen wir dann Schlußendlich
auch noch auf die Kappe bekamen.

Das Kapital regiert die Welt und wir sind braves, billiges Werkzeug und werden noch zur Wahl gebeten.

Das ist meine Meinung. Erhart








Danke schön allen für eure Schilderungen. Gegensätzliche Gefühle entstehen bei mir beim Lesen: ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit, dass ich das nicht erlebt habe und hoffentlich auch nie erleben werde, eine unheimliche innere Wut auf alle Verursacher von Kriegen und Hilflosigkeit, weil augenscheinlich kaum einer daraus lernen will...wie sonst könnte es heute noch Kriege geben...
Liebe Grüße Beate

Rudolf
14.05.2009, 11:54
Lieber Erhart ,
Deinen Bericht und auch Deine Auffassung zu allem , was mit Krieg und Waffen zu tun hat , habe ich mit großem Interesse gelesen .
So ähnlich war es auch bei uns zu Hause , neben den Eltern wohnten noch wir 3 Geschwister in einer 2-Zimmer-Wohnung . Meine Eltern hatten Mühe , uns alle zu ernähren und groß zu ziehen , was ihnen auch unter Zurückstellung eigener Bedürfnisse gelang . Mein Vater war in der Freistaatzeit mehrmals arbeitslos und so hatte meine Mutter die ganze Last häufig alleine zu tragen , was letztendlich zu Lasten ihrer Gesundheit ging . Zum Glück hatten wir in Heubude noch unsere Oma Hulda Buddatsch , die uns Kindern in schlechten Zeiten immer etwas zusteckte .
Das alles habe ich in meinen Aufzeichnungen detailliert beschrieben , soweit ich mich daran erinnern konnte .
In meinen Erinnerungen habe ich aber auch zu den Zeiten während des Krieges und der Kampfhandlungen die mir unvergeßlichen Eindrücke aufgeführt .
Ein besonderes Ereignis möchte ich daraus zitieren :
"Eines Tages (Anmerkung - es war zwischen dem großen Bombenangriff auf Heubude am 27./28.03. und dem Erscheinen der Russen am 01.04.1945 , wir befanden uns im Keller des heute noch existierenden Hauses Dampfbootstraße 3 ) brachten 2 Soldaten einen verwundeten Jungen von vielleicht 14 oder 15 Jahren in den Keller , er hatte die Uniform eines Flakhelfers an .Ich beobachtete ihn neugierig , denn ich konnte äußerlich keine Verwundung erkennen . Einer der Soldaten holte aus einer Wohnung einen Lehnstuhl , man setzte ihn hinauf und sie sagten ihm , daß schnellstens ein Sanitäter kommen wird , der sich um ihn kümmern wird .
Der Sanitäter kam jedoch so bald nicht und so trösteten ihn die Anwesenden und versuchten , ihn abzulenken . An der Reaktion des Jungen konnte man sehen , daß ihm das Antworten Schwierigkeiten bereitete und ihm beim Sprechen etwas Blut aus dem Mund lief . Das Atmen fiel ihm immer schwerer und es war zu sehen , daß das Bluten zunahm . Vermutlich aus Angst rief er um Hilfe und dabei hörte allmählich der Blutfluß auf , es bildete sich vor seinem Mund und auf der Uniformjacke ein rosafarbener Blutschaum , der im Laufe der Zeit immer stärker wurde . Ich erinnere mich genau , daß er irgendwann nach seiner Mutter rief . Mein Vater hatte von der Pumpe im Garten frisches Wasser geholt und ihm wurde der Schaum aus dem Gesicht und auch der Schweiß , der ihm von der Stirn lief , abgewischt . Nach einer Weile verstummte er . Kurz danach kamen 2 Sanitäter , um ihn zu holen , sie stellten nur fest , daß es zu spät war . Als mein Vater ihnen vorwarf , daß sie früher hätten kommen müssen , meinten sie daß er keine Ahnung hätte , was draußen vor sich ging ."
Viele Jahre bzw. Jahrzehnte habe ich über all diese Erlebnisse nie gesprochen . Allerdings muß ich gestehen , daß ich mitunter regelrechte Albträume hatte und auch jetzt noch habe . Dieser von Deutschland ausgelöste Krieg mit 50 Millionen Toten und verwüsteten Ländern hat mich dazu gebracht , alles zu hassen , was mit Krieg und Gewalt zu tun hat .
Trotz dieser oben geschilderten Begebenheit wünsche ich allen Forumteilnehmern einen schönen Tag - der Heubuder Rudi

ingrid.beckert
14.05.2009, 18:13
Ich sage Danke für eure Erlebnis-Schilderungen

Wie Beate schon schrieb,

ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit, dass man den Krieg
nicht erlebt hat und hoffendlich nie erleben werden.


Viele Grüsse
Ingrid

mkleiss
14.05.2009, 19:34
...Dieser von Deutschland ausgelöste Krieg mit 50 Millionen Toten und verwüsteten Ländern hat mich dazu gebracht , alles zu hassen , was mit Krieg und Gewalt zu tun hat ...

Hallo Rudi,

Deine Schilderung hat mich sehr berührt...

Als ich Kind war, es war die Zeit des Vietnamkrieges, sah ich meine Oma oft vollkommen fassungslos die Nachrichten schauen. Mit Tränen in den Augen, ein Taschentuch in der Hand hörte ich sie dann "oh nein, oh nein...!" stammeln. Damals verstand ich es nicht. Es war im Fernsehen, passierte irgendwo und das Wort "Krieg" sagte mir nichts. Heute kann ich sie verstehen und ihre Reaktion auch genau einordnen. Um so mehr vor dem Hintergrund dass heute schon wieder Deutsche Soldaten sterben...

Ich danke allen, die die eigene schwere Zeit hier schildern und uns "Nachgeborenen" weitergeben. Ihr habt meinen Respekt!

Lieben Gruß

Michael

Martschinke
15.05.2009, 16:58
Irgendwie scheint es wieder nicht ganz zu klappen mit den Brücken zwischen Jung und Alt, mit dem Zuhören und Antworten auf Fragen derer, deren Leben Lücken aufweisen. Woran könnte das nur liegen?
Vielleicht wissen es die Danziger, die seit Ende des Krieges in Deutschland leben, nicht. Vielleicht gibt es im Forum keine daheim-gebliebenen deutschen Danziger, dann kann auch keiner antworten. Oder aber ihre Erinnerungen sind so unangenahm, dass sie darüber nicht sprechen können oder wollen.
Ich könnte mir vorstellen, dass die "daheim-gebliebenen" Deutschen dem Arbeitslager und der Zwangsarbeit unterworfen waren. Weißt da einer was Genaueres drüber?:confused:Miriam

Liebe Mirian,
die Russen haben nach der Eroberung von Danzig und Umgebung alle Männer zwischen
16 + 60 Jahre aus ihren Häusern geholt und in Sammel-Lager gebracht. Danach wurden
sie sortiert. Einige überlebten das Lagerleben unter freien Himmel. Sie kamen danach
nicht frei, sondern in Tranzporte nach Rußland zur Zwangsarbeit. Andere wurden
durch Todesmärsche oder Zwangsarbeit getötet. Nur wenige Männer überlebten.
Ich selbst habe es erlebt, wie Deutsche auch ältere Personen getötet wurden. Die
Russen waren nicht alle gleich, sie warnten die Deutschen vor der Hinrichtung und
sprachen sie an, sie mögen sich verstecken um nicht von ihren Kameraden getötet
zu werden.
Ich habe es selbst erlebt, ein russischer Offizier kam zu mir ins Haus und ging mit mir
zu den Nachbarn, er bat mich darum die Eheleute zu verstecken, leider folgten sie mir
nicht in ein Versteck und waren schon am nächsten Morgen getötet worden.
Es kamen sehr viele Menschen zu Tode. Danzig mit der Umgebung war ein Totenland.
Einige Überlebende und noch gesunde Arbeitskräfte wurden nach ihrer Vertreibung
im Winter 1946 bei ihrer Flucht aus den Viehwaggons geholt und durften nicht nach
Deutschland einreisen. Das Leben nach 1945 war für die Deutschen so grausam wie
es kaum in Büchern beschrieben worden ist.

jonny810
15.05.2009, 20:07
Nun werde ich einmal versuchen, wieder das Fahrwasser zu finden und die angefangene Geschichte zu Ende zu bringen.
Das wir Zuflucht auf dem Bischhofsberg fanden, war mehr da durch bedingt, dass alle dort hin strömten.Weniger ein geplantes Ziel. Man war ja nur ein Teil der Menge, die sich dort hin begab. Der Mensch ist wohl doch ein Herden-Tier. Speziell, in einer Panik-Stimmung. Das ist mir erst später bewußt geworden.Der Bischhofsberg war die ersten Tage und Nächte unser Asyl, wenn man so will. Ein Asyl, ohne Rechte.
Was sich dort in den ersten drei Nächten abspielte, kann man sich gar nicht vorstellen. In betrunkenem Zustand fielen Russen über die Frauen her. Egal, ob sie schrien, ob Kinder dabei waren oder nicht, die ersten drei Tage, bzw. Nächte, hatten sie Narren-Freiheit. Das wurde von den meist jungen Soldaten auch reiflich genutzt.
Meine drei Brüder und ich, wir deckten unsere Mutter mit unseren Körpern zu, so lange die Gefahr bestand. Sie ist auch diesbezüglich verschont geblieben.
Dann wurde ein Dach über den Kopf gesucht. Ich weiß nicht mehr, wo wir überall landeten. Schließlich fanden wir eine Bleibe in der Steuben -Strasse 10. Für mich war diese Gegend unheimlich, da auf der anderen Seite ein Friedhof war. So etwas flößte mir immer Unbehagen, um nicht zu sagen, Angst und Ehrfurcht ein.
Aber auch dort blieben die Frauen nicht ganz verschont. Nur man wußte zwischenzeitlich, dass wenn man Kommissar rief, dampften die Vergewaltiger meistens ab. Da hätten sie wohl Schwierigkeiten zu erwarten, wenn man sie verhaftet hätte.
Irgend wann trieb meine Mutter eine Wohnung auf dem Heinrich Scholtz Weg auf. Dort konnten wir ziemlich ungestört leben. Wir hatten polnische Nachbarn und wurden in Ruhe gelassen. Das die deutsche Bevölkerung generell von den Polen aus den vorhandenen Wohnungen herausgeworfen wurden, kann ich nicht bestätigen. Mag auch so etwas gegeben haben. Man hörte ja vieles. Auch pfantasievolle Geschichten. Nicht alles entsprach der Wahrheit. Ist wohl menschlich.
Wir Jungens durften des polnischen Nachbarn,deutsche Kuh hüten. Meine Mutter bekam dafür abends 1 Liter Milch. Mich trieb der Hunger in die Stadt und so ließ ich Kuh eine Kuh sein, und weg war ich. Ich war Schnurren und abends wenigstens nicht so hungrig wie die Anderen Familien-Mitglieder. Nur gab es ein Problem, das war die deutsche Kuh des Polen. So sind die Neubesitzer, meine Mutter und 2 Brüder auf die Suche gegangen, bis sie die Kuh fanden. Die hatte wiederkäuend im Gras gelegen und sich durch so einen Typischen Rülpser verraten. Ende gut,-alles gut.
Ich durfte die Kuh nicht mehr hüten, nur noch die älteren Brüder. Dafür hatte ich aber etwas mehr im Magen als die. Aus einer Konserven-Dose hatte ich mir ein kleines Eimerchen mit Henkel gemacht. Damit stand ich bei den Russen und ergatterte, mal Kascha, mal etwas Suppe. Heute würde ich sagen, das war auch mehr als primitiv, was der einfache Soldat da geboten bekam. Kascha war so etwas wie dick gekochte Graupen. Darüber gab es einen schuß Raps-Öl. Dieses war meistens "ranzig". Also eine Zumutung aber das hat unsere Dankbarkeit den Russen gegenüber nicht geschmälert. Manches mal gab es dann noch ein Stückchen Komis-Brot dazu. Das war ganz dunkel und schmeckte wie gebackener Sauerteig.
Aber was zählte das? wieder einen Tag überstanden. u. s. w.

Ende September sind wir dann per polnischem "Rotes Kreuz" in den Westen gekommen und fanden bei Mutters Schwester in Braunschweig Unterschlupf. Der Abtransport war, wie hier schon mehrfach geschildert. In Fieh -Waggons, später dann auf solchen flachen -Stück-Gut Waggons-und so begann der 2 wöchige Weg in eine ungewisse, aber unterm Strich wohl bessere Zukunft. Einen schönen Abend, Erhart vom Schüsseldamm

waldkind
16.05.2009, 20:54
die Russen haben nach der Eroberung von Danzig und Umgebung alle Männer zwischen 16 + 60 Jahre aus ihren Häusern geholt und in Sammel-Lager gebracht. Danach wurden sie sortiert. Einige überlebten das Lagerleben unter freien Himmel. Sie kamen danach nicht frei, sondern in Tranzporte nach Rußland zur Zwangsarbeit. Andere wurden durch Todesmärsche oder Zwangsarbeit getötet. Nur wenige Männer überlebten.
....Das Leben nach 1945 war für die Deutschen so grausam wie
es kaum in Büchern beschrieben worden ist.

Lieber Martschinke,
du hast mir hier eine Frage beantwortet, die ich nicht laut gestellt hatte. Ich fragte mich, es wird immer von den Kindern und den Frauen gesprochen, nicht aber von den Männern. Was war mit den Männern? Anstatt diese Frage laut zu stellen, hatte ich mir eine Antwort selber zusammen gereimt im Stillen.

Als ich ein kleines Mädchen war - ihr wisst ja kleine Mädchen stellen gerne Fragen - schrie mich ein Mann an "Vergasen sollte man euch alle". Obwohl ich seine Worte nicht verstand, wusste ich instinktiv, dass ich ihm außer Reichweite gelangen musste, damit er nicht auf mich einschlagen konnte. Wieder stellte ich dumme Fragen. Ich fragte meinen Bruder, was "Vergasen" bedeutet. Nachdem ich es begriff, geschah dreierlei. Erstens wurde mir klar, dass ich keine Fragen stellen durfte, zweitens hatte ich seit diesem Tag Atembeschwerden. Drittens ich verlor mein Vertrauen in die Welt der Erwachsenen. (Ich bin Jahrgang 1960).
Wie gut, dass es heute Menschen gibt, die Fragen beantworten, obwohl ich sie nicht laut gestellt habe. Nur so kann ich lernen die Fragen, die ich hatte, doch noch zu stellen ohne dass sie mir den Atem nehmen.

Vor einigen Wochen hatte ich ein Gespräch mit einem Leiter einer russlanddeutschen Gemeinde. Er sagte, die Russen, die zu ihm kommen, sind alles Kinder und Enkel von Deutschen, die nach dem Krieg Zwangsarbeit leisten mussten. In Russland waren es nur Deutsche, sagte er, in Deutschland sind es nur Russen. Und so haben sie gar keine Heimat. Mir kam dieses Gefühl irgendwie bekannt vor. Eigentlich waren mir diese Zusammenhänge über dem Kopf klar. Nach diesen Beiträgen hier im Forum merke ich, dass zwischen Kopf und Herz doch noch ein großer Unterschied ist. Mit dem Kopf kann man vieles sich erklären. Doch nur im Herzen entsteht Mitgefühl und Liebe.

Ich danke dir Martschinke für deinen Beitrag. Miriam

wenzkauer
17.05.2009, 12:32
Hallo Jutta, Regina, Heinz, Erhart, Martschinke und Rudi !!
Ich hatte für eine Woche keinen Zugriff auf´s Internet, und möchte mich gerade bei Euch mit großem Respekt für Eure Beiträge bedanken. Viele meiner Anverwandten, die bestimmt ähnliches erlebt haben, hatten sich niemals mit mir darüber unterhalten. Ich kann es nun gut verstehen- man wollte mich als Kind damit nicht belasten und das blieb dann wohl so bis heute.........
Viele Begebenheiten innerhalb unserer Familie kann ich durch Eure Beiträge nun besser verstehen und wenn ich noch Fragen habe, werde ich mir diese sehr gut überlegen.

Wir sprechen hier oft vom "Vererben" - ich meine damit nicht materielles - und so schmerzhaft vieles in zu diesem Thema hier im Forum auch ist, aber schon meine Kinder stellen Fragen an mich, wie z.B. "wieso bist Du, Papa, zur Hälfte Kaschube ??? " und genau dort beginnt es, die Kinder dafür zu interessieren und die richtigen Antworten zu geben, um dann eben alles Geschehene nicht vergessen werden zu lassen.

Einen schönen Sonntag wünscht Michael

Beate
17.05.2009, 13:40
Ihr Lieben, danke Euch allen für Eure Schilderungen. Dass Ihr Euch dazu überwunden habt. Wenn ich sehe, welch unglaublichen seelischen Ballast Eure Generation in sich trägt, womöglich nie darüber spricht, erschüttert mich das. Ich hoffe, Ihr könnt vielleicht zu Hause oder mit Freunden darüber reden oder es aufschreiben, es muss doch verarbeitet werden. Es kann leider nichts ungeschehen gemacht werden, aber vielleicht kann man es erleichtern, ein wenig verarbeiten. Ich wünsche es von Herzen.

Liebe Grüße Beate:heart:

Rudolf
17.05.2009, 16:37
Auch wenn es nichts mit Danzig zu tun hat , möchte ich noch etwas zu Miriams Beitrag sagen . Die Vorfahren der Rußlanddeutschen wurden einst vom Zaren Peter dem Großen und dann besonders von der Zarin Katharina der Großen in das damalige Russische Reich geholt . Sie hatten es im Laufe der Zeit meist zu Reichtum und Wohlstand gebracht , zumal ihnen auch große Vergünstigungen gewährt wurden .
Mit der Revolution nach dem I. Weltkrieg änderte sich die Situation grundlegend für sie . Es kam zu den üblichen Enteignungen und der Zwangskollektivierung und dann - in der Phase der politischen Verfolgungen Ende der 30-iger Jahre - zu Massenhinrichtungen aller politisch unliebsamen "bürgerlichen und reaktionären Elemente" , wobei auch die dort lebenden Deutschen in großem Umfang betroffen waren . Mit dem Kriegsbeginn ( 1941 ) wurden alle Deutschen auf Stalins Befehl aus ihren Siedlungsgebieten deportiert ( zumeist nach Sibirien und in die asiatischen Sowjetrepubliken ) , wobei die Familien auseinandergerissen wurden . Es wurde zum Zwecke einer großangelegten Zwangsarbeit eigens eine sogenannte "Armija Trud" ( Arbeitsarmee ) gebildet , in der die dort unter äußerst harten Bedingungen arbeitenden Menschen bis zur physischen Vernichtung Zwangsarbeit leisten mußten . Auch noch viele Jahre nach dem Krieg gab es immer noch diese Arbeitsarmee bis zu Stalins Tod . Das System ließ es einfach nicht zu , diese Arbeitssklaven in ein halbwegs normales Leben zu entlassen . Das Benutzen der deutschen Sprache war den Deutschen in der Sowjetunion streng untersagt . Das erklärt auch , daß viele der jetzt in Deutschland lebenden Rußlanddeutschen Probleme mit der deutschen Sprache haben .
Soviel nur als Hinweis zu dieser Sache .
Viele Grüße Rudi

J.Langfuhr
17.05.2009, 18:11
Wir sprechen hier oft vom "Vererben" - ich meine damit nicht materielles - und so schmerzhaft vieles in zu diesem Thema hier im Forum auch ist, aber schon meine Kinder stellen Fragen an mich, wie z.B. "wieso bist Du, Papa, zur Hälfte Kaschube ??? " und genau dort beginnt es, die Kinder dafür zu interessieren und die richtigen Antworten zu geben, um dann eben alles Geschehene nicht vergessen werden zu lassen.

J.Langfuhr
17.05.2009, 18:44
Wir sprechen hier oft vom "Vererben" - ich meine damit nicht materielles - und so schmerzhaft vieles in zu diesem Thema hier im Forum auch ist, aber schon meine Kinder stellen Fragen an mich, wie z.B. "wieso bist Du, Papa, zur Hälfte Kaschube ??? " und genau dort beginnt es, die Kinder dafür zu interessieren und die richtigen Antworten zu geben, um dann eben alles Geschehene nicht vergessen werden zu lassen.
Irgendwie komme ich mit der Zitiertechnik noch nicht zurecht, denn dieser Text ist natürlich von Wenzkauer. Ich möchte daran anschließen und vorsichtig fragen: wie haben die Familien mit kaschubischen Wurzeln die Zeit nach 45 erlebt und offensichtlich überlebt. Bei meinen späteren Besuchen nach unserer Flucht 1945 war ich über die relativ große Zahl von Familien gleichen Namens im Telefonbuch von Danzig, Oliwa, Gdynia und Groß Katz erstaunt. Meine 1958 ausgesiedelten Großeltern haben die Gräuel der ersten Tage und Monate nach Einmarsch der Sowjetarmee 45 erlebt und auch davon berichtet. Danach muss sich die Lage für sie gebessert haben, sodass sie am Ende ihres Lebens eher bedauerten, nach Westdeutschland gegangen zu sein.

J. Langfuhr

wenzkauer
17.05.2009, 20:24
Hallo J. Langfuhr , hallo in die Runde

Vielleicht kann jemand das folgende bestätigen oder auch sehr gerne richtigstellen. Ich habe es so aus meiner Kindheit verstanden:
Katholische Kaschuben sollen mehr den Polen zugewandt gewesen sein,
evangelische mehr den Deutschen, das würde in meiner katholischen Familie auch erklären, weswegen soviele ihre Höfe nach 1945 behalten durften und nicht vertrieben wurden. Diese Bauernhöfe wurden dann später sogar an die Kinder vererbt. Ich habe in Wenzkau viele Verwandte, die fast kein deutsch konnten.
Ich würde mich sehr freuen, wenn jemand hier im Forum dazu mehr weiß.

Grüße Michael

Heibuder
18.05.2009, 07:56
Irgendwie komme ich mit der Zitiertechnik noch nicht zurecht, denn dieser Text ist natürlich von Wenzkauer. ... Hallo, J. Langfuhr, schau noch mal hier nach:
http://forum.danzig.de/showpost.php?p=9211&postcount=1

waldkind
18.05.2009, 08:56
Hallo Rudi, liebe Forumsmitglieder,
danke für den geschichtlichen Hintergrund. Ich selber ließ ihn wegen "Thema verfehlt" weg. Aber Hintergrundinformationen sind durchaus wichtig.
Für mich hat die Geschichte der Deutschlandrussen sehr wohl etwas mit Danzig zu tun. Zarin Katharina II. war Tochter eines preußischen Gouverneurs, sie holte insbesondere Deutsche, vor allem Lutheraner aus Westpreußen und Danziger nach Russland. Diese "Ausländerpolitik" wurde von den Zaren Paul I. und Alexander I. weitergeführt. Auch in der Zeit von Enteignungen, Deportationen und Vertreibungen mussten deutschstämmige Wehrpflichtige in der russischen Armee kämpfen. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurden die Deutschen auf Liquidierungslisten erfasst und in Arbeitslager nach Sibirien und Kasachstan verschleppt. Natürlich kam es dadurch zur Flucht von Russlanddeutschen ins Deutsche Reich. Die am Ende des II.Weltkrieges von den Russen gefangen genommenen Deutschen, die vor dem Krieg in Russland lebten, in der Armee dienten und ins Deutsche Reich geflohen waren, wurden als Deserteure nach dem Militärgesetz bestraft. Darunter befanden sich ja sicher auch Danziger.

Zu den Russlanddeutschen zähle ich auch diejenigen Deutschen, die Ende des Krieges gefangen genommen und nach Russland deportiert wurden, die keine russische Vorgeschichte hatten, fünfzig Jahre in Russland lebten und nun nach Deutschland einwanderten. Diese Entwicklung sehe ich für ursprünglich Danziger Deutsche als schwierig an,
weil sie, wenn sie in Deutschland sind noch lange nicht in einer "ursprünglichen Heimat" angekommen sind. Wie die Stadt Danzig selber mit dieser Frage umgeht weiß ich nicht, ob sie Lösungen oder Überlegungen dafür hat. Vielleicht kennt sich jemand hier im Forum mit dieser Frage aus?
Liebe Grüße, Miriam.

Heibuder
18.05.2009, 10:32
...in einem Beitrag zwischen mehreren Zitaten etwas antworten...Öffne mit <zitieren> das Gesamtzitat:
[ quote=Name;7024].....Beitragstext.......[ /quote]

Kopiere in diesem Gesamttext an den Anfang und das Ende eines Satzes oder Absatzes,
den Du kommentieren willst, wieder diese eckigen Klammern und
bilde so Teilzitate nach folgendem Muster:

[ quote=Name;7024].....Beitragstextteil 1......[ /quote]

Schreibe hier Kommentar zu Beitragstextteil 1

[ quote=Name;7024].....Beitragstextteil 2.......[ /quote]

Schreibe hier Komentar zu Beitragstextteil 2

[ quote=Name;7024].....Beitragstextteil 3.......[ /quote]

Schreibe hier Kommentar zu Beitragstextteil 3

usw. usw.

Wichtig! Allen überflüssigen Text vor und hinter den quote-Klammern der Teilzitate löschen,
einschließlich der Anfangs- und End-Quoteklammern des Gesamtzitats!
Vor dem Abschicken mit <Antworten> noch einmal alles mit <Vorschau> überprüfen!

Regina
18.05.2009, 17:39
Hallo Michael,
Danziger und Kaschuben ist etwas ganz anderes.Ich glaube nicht, dass vor dem Krieg in Danzig viele Kaschuben wohnten, auch jetzt nicht.
Das die evangelischen Kaschuben nach Deutschland durften und die katholischen hier bleiben konnten stimmt nach meiner Meinung nicht. In meiner Familie gibt es keine Kaschuben und wir sind evangelisch und trotzdem sind wir leider hier geblieben. Die Kaschuben wurden nicht rausgeschmissen weil die polnisch sprachen. Sie wohnen in ihrer schoenen Kaschubei, haben ausser der polnischen Sprache noch ihre kaschubische
Sprache, kaszubischen Schulen, Traditionen, eigenen Ehrgeiz und bald werden sie auch ein eigenes Fernsehen haben.
Waehrend des Krieges sind viele Kaschuben eingezogen worden und nach dem Krieg, wenn es jemanden hier nicht mehr gefallen hat konnte er sich um eine Einwanderung nach Deutschland bemuehen und dann sind sie mit ganzen Familien dahin gefahren. Aber das war nur eine Zeit lang. Spaeter
reichte es nicht nur bei der Wehrmacht gewesen zu sein, man musste noch beweisen, dass man eine deutsche Abstammung hat. Ich habe eine
Bekannte Kaschubin. Ihre Familie hatte vor dem Krieg eine Gaensezucht in der Naehe von Karthaus. Sie sagte, dass sie vor dem Krieg Polen waren, ab dem Krieg Deutsche, nach dem Krieg wieder Polen. Die ganze Zeit lang hatten sie die Gaense und es ist ihnen immer gut gegangen. Nur wie die Russen reinkamen haben sie alles aufgegessen (ich wollte hier ein anders Wort schreiben) aber die sind bald Richung Westen weitergegangen.
Herzliche Gruesse
Regina

Peter von Groddeck
18.05.2009, 21:29
Zarin Katharina II. war Tochter eines preußischen Gouverneurs, Hallo Miriam,
Zarin Katharina II war geb. Prinzessin Spohie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst. Das Herzogtum Anhalt gehörte nicht zu Preußen.
Gruß Peter

Peter von Groddeck
18.05.2009, 21:30
Nun hat das mit dem Zitieren wieder nicht geklappt

wenzkauer
18.05.2009, 22:16
Hallo Regina,

Danke für Deine Antwort. Bei meinen Besuchen als Kind in den 60-er und 70-er Jahren in Zoppot ( Bieschkes) blieb sehr vieles in meinem Gedächtnis, weil sie alle deutsch sprachen. Die andere Seite der Familie - die Kaschuben in Wenzkau (Gdanietz) - sprachen nur polnisch und das verstand ich nicht. Somit fehlt mir heute vieles, um es in den Zusammenhang zu bringen. Mit den noch lebenden Anverwandten in Wenzkau kann ich mich leider nicht verständigen, aber mit den in Zoppot Lebenden habe ich regelmäßigen Kontakt.
Es ist ziemlich problematisch, in diesen gemischten Familien die Geschichte einigermaßen zu verstehen.

Liebe Grüße an die andere Seite der Ostsee,
Michael

waldkind
18.05.2009, 22:39
Hallo Miriam,
Zarin Katharina II war geb. Prinzessin Spohie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst. Das Herzogtum Anhalt gehörte nicht zu Preußen.
Gruß Peter

Hallo Peter,
ich sagte ja nicht Sophie Auguste Friederike sei preußische Prinzessin gewesen, sondern "Zarin Katharina II. war Tochter eines preußischen Gouverneurs", hätte gerne geschrieben: Tochter des Fürsten Christian August von Anhalt-Zerbst. Führt nur bissl weit weg vom Thema, dachte ich. Der Fürst war königlich-preußischer Generalfeldmarschall unter Friedrich II., vorher preußischer Gouverneur von Stettin. In Stettin muss dann wohl ein königlich-preußisches Regiment gestanden haben. Bin aber keine Militärfachfrau. :p:)Miriam

Peter von Groddeck
19.05.2009, 10:11
Hallo Miriam,
danke für diese Informationen.
Gruß Peter

Heinzhst
19.05.2009, 23:21
Konntet Ihr Deutschen Euch treffen, Kontakte halten oder war das alles verboten ???Die Familie wohnte in der Georgstraße 13 ( liegt die in Oliva ???).

Viele Grüße von Michael

Hallo Michael, die Georgstraße ist in Oliva.

Ein öffenliches deutsches Leben gab es nach der Besetzung nicht.
Also keine deutsche Schulen, Presse, kulturelle Veranstaltungen oder deutsche Andachten in der Kirche.

Privat haben wir untereinander Kontakt gehalten. Wir haben uns gegenseitig besucht, plachandert und deutsche Bücher ausgetauscht.

Anfang der 50-ziger Jahre gab es auch wieder deutsche Fime in den Kinos.
Zu erst DDR-Filme und später aus Österreich und der BRD. Die Filme waren im Originalton mit polnischen Untertiteln, die haben wir dann fleißig besucht.

Viele Grüße, Heinz

Heinzhst
20.05.2009, 00:03
Hallo Miriam, du bekamst ja schon einige Antworten auf deine Fragen.

Ich möchte hier noch zum Thema Schule antworten.
Wir deutsche Kinder wurden sprichwörtlich ins"kalte Wasser" geworfen.
Wir waren dann ca. vier bis sechs deutsche kinder unter dreißig oder vierzig
polnische in der Klasse. Die Lehrer waren Polen und unterrichteten in polnischer Sprache.
Wir saßen einfach da und haben auf die Pause oder das Unterrichtsende gewartet.
Langsam lernte man dann die Sprache und konnte am Unterricht teilnehmen.
Die Lehrer verhielten sich unterschiedlich uns gegenüber. Die meisten neutral, einige feindlich und andere waren uns behilflich.

Für meinen ersten polnisch gesprochenen Satz bekam ich ein kräftige Ohrfeige- es war die erste und einzigste in meinem Leben.
Der Lehrer fragte mich etwas und weil ich ihn nicht verstand sagte ich: "Nie rozumie po Polsku." Das heißt:"Ich verstehe nicht polnisch."

Ab 1947 hatte ich keine Sprachprobleme mehr. Ich habe Hauptschule, Mittelschule und Berufsschule locker bewältigt.

Nun wünsche ich eine gute Nacht
Heinz

wenzkauer
20.05.2009, 18:54
Danke Heinz und Hallo ins Forum,
ich möchte einige Schlüsselerlebnisse erzählen, die mich als Kind während den Reisen nach Danzig sehr beeindruckt haben. Meine Oma nahm mich das erste mal 1969 auf die Reise in die Heimat mit. Wir fuhren mit der Bahn von Mainz nach Sopot und waren 27 Stunden ( ja, 27 ) unterwegs. In Sopot angekommen, bezogen wir direkt am Bahnhof ein Zimmer bei Tante Minna, sie muß wohl eine Verwandte gewesen sein. Nun besuchten wir täglich Deutsche bzw. Polen und spätestens dann merkte ich, es sind doch recht viele. Wir fuhren nach Neustadt mit der Bahn, nach Schöneck mit dem Bus, zusammen mit Hühnern, Hasen und Ferkeln. Das Paket für Onkel Joseph in Wenzkau kam zum Glück vorher an und wir hatten deutschen Kaffee und Schokolade. Er bedankte sich natürlich, meinte aber das Zeug in der Plastiktüte hätte komisch geschmeckt. Chio Chips zum knabbern kannte er nicht und kippte sie ins kochende Wasser.
Während einer späteren Reise mit dem Auto, wurde uns dieser Kombi von Joseph vollgeladen mit selbstgemachter Wurst, Käse, ganze Schinken und Eier. Ein polnischer Zöllner an der Grenze bei Stettin sagte dazu; wir haben den Krieg gewonnen und ihr schleppt das, was ich mir nicht leisten kann auch noch nach Deutschland. Mein Vater sagte noch, er könne sich gerne etwas nehmen, aber da waren zuviele Augen.
Sollten wir uns nun gerade nach der Geschichte von 1945 dafür schämen?
Viele Grüße Michael

waldkind
21.05.2009, 10:54
Hallo Heinz,
so ähnlich hatte ich mir die Situation auch vorstellen können. Danke für deine Schilderung. Da hast du erstaunlich schnell Polnisch gelernt. Ob ein Überlebensmechanismus einen dazu befähigt so schnell zu lernen? Ich war in meiner Jugend eine Weile in Frankreich, sprach aber kein Französisch. Da war mein erster Satz "Je ne parle pas Francais". Ich bekam keine Ohrfeige und spreche immer noch nicht französisch.
Bei dieser Gelegenheit habe ich noch einmal gesehen wie viele Fragen ich anfangs hatte. Inzwischen habe ich sehr viel dazu gelernt. Ich habe mir auch ein Buch gekauft, in dem Betroffene ihre Erlebnisse aus jener Zeit schildern. Davon kann ich immer nur ein oder zwei Berichte lesen, dann bin ich erst mal erledigt.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal meine Dankbarkeit ausdrücken an alle, die sich hier an diese Gespräche beteiligen, an die Älteren für die Berichte, an die Jüngeren, die ihr Interesse bekundet haben. Damit ist für mich ein bisher unerklärbares Gefühl von Schrecken und Grauen in mir, ausgelöst durch das Jahrzehnte andauernde Schweigen in unserer Gesellschaft und einer eigenen Sprachlosigkeit, die ich mir bisher nicht erklären konnte, greifbar und verstehbar. Ich kann mit dem Thema einfacher umgehen, ältere Menschen auch in meinem Umfeld daraufhin ansprechen. Ich stelle fest, sie alle erzählen bereitwillig und offen darüber. Das ist für mich eine neue und begrüßenswerte Situation. LG Miriam

Wolfgang
24.05.2009, 19:46
Nun werde ich einmal versuchen, wieder das Fahrwasser zu finden und die angefangene Geschichte zu Ende zu bringen.
Hallo Erhart,

zuallererst: Ein ganz, ganz großes Dankeschön für Deinen Bericht!!!

Wir haben in unserem Forum einige veröffentlichte Erlebnisberichte, aber ich kann mich an keine erinnern, in denen so berichtet wurde wie Du es getan hast.

Sachlich, kurz, bündig, zutiefst persönlich, berührend, nicht wertend. Wie schwer mag es sein, über all das so zu schreiben?!

Das Leben aus Kindessicht wird deutlich, der Überlebenskampf, ohne ausschmückende Worte. So hast Du es erlebt, so war es, so brutal. Diese Kindheitserlebnisse prägen ein Menschenleben.

Nochmals: DANKESCHÖN! Wenn Berichte helfen, die Vergangenheit und seine Folgerungen zu verstehen, dann sind es Erlebnisberichte wie von Dir.

jonny810
24.05.2009, 20:40
Hallo Wolfgang,

ich möchte mich für die Bewertung meines Erlebnis-Berichtes ganz

herzlich bedanken.

Sie ist wohltuend, und sicherlich schwergewichtig für mich.

Dann, wenn sie von jemandem kommt, der sich im Schreiben auskennt.

Ich wünsche deiner Frau und dir noch einen schönen Tages-Ausklang.

Erhart

Wolfgang
24.05.2009, 21:00
Dann, wenn sie von jemandem kommt, der sich im Schreiben auskennt.
Ich wünsche deiner Frau und dir noch einen schönen Tages-Ausklang.
Schönen guten Abend,
hallo Erhart,

ich kann lesen. Und ich kann versuchen zu verstehen. DU hast es verstanden zu schreiben, DU hast fertig gebracht, Kindheitserlebnisse und -eindrücke ungefiltert und in klaren Worten "zu Papier" zu bringen. Abhängig von Schreibweise und Stil wirken Erlebnisberichte mehr oder weniger intensiv, manchmal beklemmend.

Aus Deinem Bericht war Distanz zu spüren. Eine Distanz die Dich -so empfand ich es zumindest- nicht verleitete, emotional wertend zu schreiben. Nach meiner Meinung entfalten solche Schilderungen die größte Wirkung: So war es, Fakt, Punkt!

Und, was dem Hinterfragenden, dem Nachgeborenen, dem Wissbegierigen wichtig ist: Dein Bericht -bei all Deinem persönlichen Empfinden, Deinen persönlichen Eindrücken- steht da wie in Stein gemeißelt. Er ist so hinzunehmen wie er ist, es gibt kein Bezweifeln.

Ich kann versuchen nachzuempfinden, wie schwierig es ist, über all das zu schreiben, worüber man eigentlich Stillschweigen bewahren möchte. Meine Bitte (an Dich und andere Ältere) ist trotzdem über den eigenen Schatten zu springen und (mehr) zu berichten.

Übrigens, gerade sprach ich mit meiner Frau. Sie flog heute Nachmittag von München aus nach Danzig. Am Freitag werden wir wieder (in Danzig) zusammen sein.