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Wolfgang
10.05.2009, 22:53
Aus „Unser Danzig“, Heft Nr. 07 vom Juli 1950

Unsere Danziger Feuerwehr
von Walter Schinkel

Wenn wir in unserem lieben Danzig von der Reitbahn kommend in die Hundegasse einbogen, erblickten wir dort die Gebäude, in denen die Danziger Berufsfeuerwehr untergebracht war. Wohl jeder Danziger hat vor diesen Gebäuden längere oder kürzere Zeit verweilt und mit Interesse den Männern zugeschaut, die an ihren schmucken Fahrzeugen übten und Tag und Nacht bereit waren, bei Notständen wie Brandgefahr, Wassernot oder sonstigen Vorkommnissen, die Gut und Blut der Danziger Bürger bedrohten, helfend einzugreifen. Unsere Berufsfeuerwehr, die am 1. Juli 1858 gegründet wurde, war mit Spezialfahrzeugen und Geräten ausgerüstet, die dem neuesten Stande der Technik entsprachen. Auch der Ausbildungsstand des Personals war vorbildlich. Durch den Krieg wurden die an die Feuerwehr gestellten Anforderungen nicht nur verdoppelt, sondern verzehnfacht, Während in Friedenszeiten einem 24stündigen Wachdienst eine 24stündige Freizeit folgte, musste während des Krieges der Feuerwehrmann ununterbrochen auf der Feuerwache und stets einsatzbereit sein. Als die Gefahr der Luftangriffe auf Danzig wuchs, war es ohne Zweifel, dass bei der durch die geschlossene Bauweise Danzigs bedingten Gefahr von Flächenbränden die Löschkräfte der Danziger Berufsfeuerwehr bei weitem nicht ausreichen würden, um die Stadt gegen solche Feuer zu schützen. Der Mannschaftsbestand wurde daher durch den Sicherheits- und Hilfsdienst auf rund 450 Mann erhöht. Auch der vorhandene Bestand an Löschfahrzeugen wurde durch reichseigene Kraftfahrspritzen und Sonderfahrzeuge verstärkt. Die ersten durch Luftangriffe verursachten Brände konnten auch in kürzester Zeit ohne Schwierigkeiten gelöscht werden.

Nachdem Anfang des Jahres 1945 den Russen der Durchbruch in der Tucheler Heide gelungen war, wurde die Gefahr für die Stadt Danzig immer größer, zumal die Stoßrichtung der Sowjets nach dem Raum Zoppot geführt wurde. Am 9. März 1945 wurde die Stadt Danzig von russischen Flugzeugen angegriffen. Durch diesen Angriff wurden mehrere Brände verursacht. Es brannte der Saalbau des Schützenhauses, der voll mit ostpreußischen Flüchtlingen belegt und von Spreng- und Brandbomben getroffen war. Ferner brannte das Kriegsgefangenenlager Bischofsberg, eine Baracke des Stadtkrankenhauses, ein Kohlenlager Am Rähm sowie ein Gebäude in der Dellbrückallee. An dieser Schadenstelle wurden 2 Angehörige der Feuerwehr bei den Rettungsarbeiten verschüttet, von denen der eine nach 2 Tagen, der zweite einige Tage später verstarb. Drei Sprengbomben fielen auf den Hof der Hauptfeuerwache Hundegasse, die erheblichen Schaden verursachten. Die Fahrzeughalle wurde beträchtlich zerstört, 2 Löschfahrzeuge wurden durch Bombensplitter so stark beschädigt, dass sie nicht mehr einsatzfähig waren. Gleichzeitig wurden 5 Angehörige der Berufsfeuerwehr zum Teil schwer verwundet. Am 16. März 1945 erfolgte ein weiterer schwerer Angriff, durch den eine Reihe von Großbränden entstand. Es entstand ein Blockbrand, der durch die Hundegasse, Vorstädtischer Graben, Melzergasse und Ketterhagergasse begrenzt wurde. Dieser Häuserblock wurde vollkommen zerstört. Ein weiterer Blockbrand entstand auf der Speicherinsel, wobei eine Reihe von Speichern mit wertvollem Lagergut vernichtet wurden. Außerdem entstanden Brände auf Mattenbuden, Langgarten, Breitgasse, Wallgasse und Heilig-Geist-Gasse. Am 18. März 1945, bei einem weiteren Angriff, erlitten das Stadtmuseum, die Stadtsparkasse, das Rathaus, das Telegraphenbauamt und der Güterbahnhof Leegetor schwere Beschädigungen. Außerdem brannte ein weiterer Häuserblock auf der Speicherinsel nieder. Am 23. März 1945 wurden bei einem Luftangriff in den Vormittagsstunden der Flughafen Langfuhr, das Stadtkrankenhaus und das Marinekohlenlager Neufahrwasser erheblich getroffen, wobei im Marinekohlenlager 2 Mineraltanks vom Feuer erfasst wurden. In der Wollwebergasse wurde durch den Brand der Handwerkskammer das Zeughaus stark gefährdet. Auch das Tobiashospital und die Lackfabrik Daol Oliva wurden ein Raub der Flammen. Durch Artillerietreffer wurde an diesem Tage der alte Turm der Hauptfeuerwache beschädigt. Durch Angriffe aus der Luft und durch Artilleriebeschuss gerieten die Innenstadt und Teile von Langfuhr am 24. und 25. März 1945 in Brand. An diesem Tage wurde die Lage der Berufsfeuerwehr, die Tag und Nacht im Einsatz stand, katastrophal. Durch Artilleriebeschuss stürzten die Fassaden der so malerischen Giebelhäuser in die engen Gassen und versperrten die Durchfahrt ganzer Straßenzüge. Dadurch wurde den Löschkräften die Möglichkeit des Eingreifens genommen. Durch Tiefflieger und Artilleriebeschuss wurden erhebliche Teile der im Einsatz befindlichen Löschfahrzeuge so stark beschädigt, dass sie für einen weiteren Einsatz ausfielen. Besonders in der Breitgasse, in der Nähe des Krantors, waren die Verluste an Mannschaften und Fahrzeugen ganz erheblich. Durch die Verschüttung der Straßen war es nicht mehr möglich, die Verwundeten der Feuerwehr zu bergen.

Trotz aller Anstrengungen der Löschmannschaften, die bis zur Erschöpfung arbeiteten, war zuletzt kein Erfolg mehr zu verzeichnen, zumal am Nachmittag des 25. März die Wasserversorgung ausgefallen war. Nun konnten die Brände ungehindert ihr zerstörendes Werk vollenden. Zu diesem Zeitpunkt griff das Feuer auch auf die bis dahin verschont gebliebene Pfarrkirche St. Marien über. Ein ungeheures Feuermeer wogte über der Stadt. Langgasse, Hundegasse, der Lange Markt waren durch eingestürzte Gebäudeteile unpassierbar geworden. Der Weg zur Niederstadt und zum Werdertor war nur noch über den Thornschen Weg, die Aschbrücke und Weidengasse frei. Am Abend des 25. März 1945 erhielt die Berufsfeuerwehr Danzig den Befehl, die Stadt mit den noch einsatzfähigen Fahrzeugen zu verlassen, da ein weiteres Verbleiben durch den Ausfall der Wasserleitung zwecklos geworden war. Gegen 22.00 Uhr verließ nun die Feuerwehr die dem Untergang geweihte Stadt und erreichte nach mühevoller Fahrt Heubude, wo an der Straßenkreuzung Heidseestraße - Eulenbruch die durch Tiefflieger in Brand geschossenen Fahrzeuge einer Munitionskolonne in die Luft flogen, wobei die dort stehenden Häuser dem Erdboden gleichgemacht wurden. Auf dem Platz vor der Strandhalle, der in den Sommermonaten die Erholungsuchenden durch seine Blumenpracht erfreut hatte, wurden die noch fahrfertigen Fahrzeuge der Feuerwehr abgestellt. Die durch die Einsätze der letzten Tage todmüden und durchnässten Männer der Feuerwehr legten sich unter und in den Fahrzeugen zum Schlaf nieder, der bei Anbruch des Tages durch einsetzende Tieffliegerangriffe unterbrochen wurde. Rollende Angriffe russischer Flugzeuge auf das mit Flüchtlingen und Soldaten dicht belegte Heubuder Waldgebiet forderten ungeheure Opfer an Menschenleben und es boten sich Bilder des Grauens.

Am 29. März 1945 drang der Russe, der die Weichsel bei Weichselmünde überschritten hatte, auf dem Waldwege nach Heubude vor. In den Mittagsstunden des folgenden Tages lag der Platz vor der Heubuder Strandhalle unter dem Feuer russischer Granatwerfer. Unter Zurücklassung sämtlicher Fahrzeuge musste das Waldgebiet westlich der Strandhalle und der Platz vor der Strandhalle geräumt werden. Nur mit den wenigen noch vorhandenen Habseligkeiten erreichten die Männer der Feuerwehr den Quellberg bei Neufähr. Um den notwendigen Schutz vor den Fliegerangriffen zu haben, mussten Erdlöcher gegraben werden. Durch die fortgesetzten Angriffe waren auch eine größere Anzahl Pferde umgekommen, deren Kadaver bei der relativ warmen Witterung schnell in Verwesung übergingen. Um den Ausbruch von Epidemien zu verhindern, war die Beseitigung dieser Gefahrenquellen unbedingt erforderlich. Durch die Feuerwehrmänner waren in kurzer Zeit die Pferdekadaver vergraben.

Da die Räumung des Gebietes bis zum Weichseldurchbruch geplant war, wurde die Danziger Feuerwehr nach Wordel zurückgezogen, wo sie das Osterfest bei strömendem Regen in Erdhöhlen verbrachte. Nach Ostern war nun die Räumung des Gebietes bis Schiewenhorst geplant. Nach vielem Hin und Her erfolgte nun, da die Feuerwehr keine Aufgaben mehr zu erfüllen hatte, der Abtransport in das noch unbesetzte Reichsgebiet. Nach abenteuerlicher Fahrt über See landeten die letzten Männer der Danziger Feuerwehr in Lübeck. Sie wurden von dort der Stadt Kiel, die besonders stark unter den Luftangriffen zu leiden hatte, zur Dienstleistung zugewiesen. Auch hier erfüllten die Danziger Berufsfeuerwehrmänner ihre Pflicht bis zum bitteren Ende des Krieges. Nach der Kapitulation erfolgte, da die Stadt Kiel ja ihre eigene Berufsfeuerwehr hat und somit keine Verwendungsmöglichkeit für die Danziger Feuerwehr vorhanden war, nach 89jährigem Bestehen die Auflösung der Danziger Berufsfeuerwehr. Nun standen die noch übrig gebliebenen Danziger Feuerwehrmänner ohne Heimat, ohne Mittel und Besitz, ohne Existenz und ohne Nachricht von ihren Angehörigen vor einer völlig ungewissen Zukunft, da ein Unterkommen im Feuerwehrberuf völlig aussichtslos war. Eine in Not und Gefahr erprobte Kameradschaft fand damit ein trauriges Ende.

Über alle Zonen verstreut leben heute die letzten Angehörigen der Danziger Berufsfeuerwehr. Mit Sehnsucht im Herzen denken sie an die schöne alte Hansestadt Danzig, in deren Diensten sie gestanden haben. In ihrem Gedächtnis leben die Kameraden, die in treuer Pflichterfüllung ihr Leben für ihre Heimatstadt hingegeben haben. Alle aber hoffen mit heißem Herzen auf eine Wiederkehr in die verlorene Heimat, denn:

„War der Weg auch noch so weit,
ich will ihn gerne gehen,
war er noch so still und steil,
ich will ihn gern bestehen,
denn ich mag nicht, mag nicht
länger in der Fremde weilen,
ich bin krank im Herzen,
nur die Heimat kann mich heilen.“
(Ricarda Huch)
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Die Veröffentlichung dieses Artikels erfolgte mit freundlicher Genehmigung des "Bundes der Danziger" in Lübeck.

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Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang