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Wolfgang
21.06.2009, 17:14
Aus Unser Danzig, 1970, Hefte Nr. 12, vom 20. Juni 1970

Was geschah im Tresor der Stadtsparkasse zu Danzig?
Ein Tatsachenbericht von Erich Scholtis

Eine der ersten Bomben die im Stadtzentrum von Danzig niedergingen, traf unser herrliches Rathaus. Ich sehe noch heute, wie die roten Flammen den stolzen, schlanken Rathausturm umzüngelten und hell gegen den nächtlichen Himmel loderten. Damals konnte der Brand noch von der Feuerwehr gelöscht werden, und der Turm blieb erhalten.

Aber etwas anderes geschah, was großes Entsetzen verursachte. Der Eingang zum Tresor unter der Stadtsparkasse in der Jopengasse wurde verschüttet! Viele Danziger Bürger hatten hier ihre Wertsachen, Familienpapiere usw. in Schließfächern und Koffern zur Aufbewahrung gegeben. Große materielle und ideelle nicht zu nennende Werte müssen es gewesen sein. Man glaubte mit Recht, dass in dem bombensicheren Gewölbe diese Sachen vor einer Zerstörung durch Feuer am besten gesichert wären. Auch ich hatte ein Tresorfach gemietet und dort meine Wertsachen, Urkunden usw. eingelagert. Im letzten Kriegsjahr wohnte ich im Danziger Werder und konnte von dort aus blutenden Herzens den Untergang Danzigs erleben und beobachten.

Als nach der Kapitulation im Mai 1945 der Kriegszustand beendet war und für die zurückgebliebenen Danziger die schwerste Zeit begann, unternahm ich von Prinzlaff im Danziger Werder aus den gefährlichen Versuch, zu Fuß nach Danzig zu wandern.

Mit Worten ist es kaum zu schildern, was mein Herz bewegte, als ich zum ersten Male in die zerstörte Stadt kam. Tief erschüttert war ich über die Verwüstung und den Untergang von soviel Schönheit. Die Stadt war wie ausgestorben. Nur polnischen und russischen Soldaten, vereinzelt auch polnischer Zivilbevölkerung, begegnete ich in den mit Trümmern bedeckten Straßen. Es war jedoch ratsam, ihnen aus dem Wege zu gehen.

Als ich zur Jopengasse kam und am zerstörten Eingang der Stadtsparkasse stand, überkam mich der Gedanke, doch zu versuchen, noch einiges von meinen eingelagerten Wertsachen bzw. Urkunden zu retten. Vorsichtig stieg ich über die Trümmer und war bald an der Treppe, die zum Tresor führte. Aber es waren keine Stufen mehr vorhanden. Nur ein fürchterlicher Abgrund gähnte mir entgegen, angefüllt mit Schutt und Steinen. Langsam und vorsichtig ließ ich mich hinab und tastete mich im Dunkeln weiter, zu der mir bekannten eisernen Tür, die zum Tresor führen musste.

Ich entzündete eine Kerze, die man ja damals immer bei sich führte, und konnte mich nun besser orientieren. Bis zu den Knien in zerknülltem Papier und Aktenbündeln stehend, sah ich, dass die schwere eiserne Tür, die zum Tresor führte, unberührt und fest verschlossen war; aber neben der Tür in der Wand starrte mir ein schwarzes, kreisrundes Loch entgegen, gerade so groß, dass ein Mensch sich hindurch zwängen konnte. Ich erfasste sogleich die Situation. Die feste Tür versperrte jedem Unberufenen den Weg zum Tresor; sie ohne Schlüssel zu öffnen, war unmöglich. Es war jedoch Spezialisten gelungen, in die dicke Betonwand eine Öffnung zu schlagen. Ich hielt die Kerze in die finstere Öffnung und steckte meinen Kopf hinein. Der mir von meinen öfteren Besuchen gut bekannte Raum war nicht wiederzuerkennen. Fast meterhoch lagen in wirrem Durcheinander Blechkästen, zerschlagene Koffer und zwischendurch Papiere, Aktenbündel und rote Sparkassenbücher. Mit Entsetzen nahm ich wahr, dass sämtliche eisernen Schließfächer an den Wänden geöffnet und leer waren. Die schweren stählernen Verschlüsse waren herausgerissen oder hingen verbogen in den Angeln.

Sicherlich hat man hier mit Sauerstoffgebläsen gearbeitet. Die Kerze vorerst löschend - denn es bestand Feuersgefahr -, zwängte ich mich durch die Öffnung, entzündete sie wieder und stand schaudernd vor einem Werk der Zerstörung und Verwüstung. Mit blauem Sammet ausgeschlagene Koffer, deren Firmenbezeichnung "Stumpf u. Sohn" den einst wertvollen Inhalt erraten ließ, lagen gewaltsam geöffnet und zum Teil zertrümmert übereinander, ebenso geöffnete und leere Reisekoffer, die manch ein sorgsamer Vater mit wertvollem Familiengut zur Aufbewahrung übergeben hatte. Kniehoch lagen überall verstreut Akten, Urkunden, Kartons und die bekannten Blechkästen. Aber alle leer!

Unheimlich war mir zumute. Trümmer oben in der Stadt und Trümmer unter der Stadt! Mit großer Mühe gelangte ich zu meinem leeren Tresorfach, wo auch ich im Vertrauen auf Sitte und Menschenrecht mein wertvollstes Gut, besonders ideeller Art, eingelagert hatte. Den Schlüssel, den ich in der Tasche hatte, brauchte ich nun nicht mehr. Ich konnte ihn ruhig zu den Trümmern werfen. Aber suchen, suchen wollte ich noch unter den am Boden liegenden Papierbündeln nach wertvollen Dokumenten, die mein Eigentum und mir lieb und teuer waren. Ich fand auch als erstes einen Umschlag mit meiner Anschrift.

Nachdem ich meterhoch fremde Wertpapiere, Urkunden, Briefsachen, usw. weggeräumt hatte, fand ich endlich ein Aktenstück aus meinem Tresorfach, welches mir besonders wert war. Zu guter Letzt fiel mir noch ein Blatt meiner wertvollen Briefmarkensammlung in die Hände, aber nur dieses eine Blatt.

Was für ideelle Schätze, die man seit Generationen ehrfurchtsvoll aufbewahrte, mir hierbei durch die Hände glitten - ich konnte es nur ahnen. Wie gern hätte ich manch wertvolle Familienurkunde retten und dem Inhaber zustellen mögen. Aber das war ja nicht auszuführen.

Glücklich war ich über das Wenige, das ich von mir fand, steckte es in meinen Rucksack und machte mich wieder auf den Rückweg. Mit Schaudern sah ich noch einmal zurück auf die Stätte der Verwüstung, wo neben dem materiellen Gut auch so viele ideelle Werte zugrunde gingen. Durch das enge Mauerloch musste ich wieder hindurch kriechen. Vom Licht des Tages ganz geblendet, ging ich mit trüben Gedanken durch die zerstörte Stadt.

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Die Veröffentlichung dieses Artikels erfolgte mit freundlicher Genehmigung des "Bundes der Danziger" in Lübeck.

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Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

Hans-Joerg +, Ehrenmitglied
21.06.2009, 17:41
Hallo Wolfgang
Ein sehr interessanter Bericht. Nicht nur in der Stadtsparkasse sondern auch in anderen Geldinstituten werden in den Tresoren / Schließfächern viele wertvolle Dinge gelagert worden sein……..Wo sind sie geblieben???? Da konnte wohl mach “einer” einen Schatz heben !!!
Viele Grüße
Hans-Jörg

Vielleicht kann sogar jemand von uns berichten welcher "Familienschmuck usw" dort nichtwiederholbar zurückgeblieben ist ?!

Viele Grüße
Hans-Jörg