Wolfgang
22.08.2009, 17:03
In wenigen Wochen jährt sich zum 80. Mal die "Schnellbahn"-Eröffnung von Danzig nach Neufahrwasser. Vor 50 Jahren erschien aus diesem Anlass in "Unser Danzig" der nachfolgende Artikel:
Aus „Unser Danzig“, 20.09.1959, Nr.18, Seite 11
30 Jahre Schnellbahn nach Neufahrwasser
von Horst Strehlke
Am 26. September 1929 wurde die neue Straßenbahnlinie nach Neufahrwasser über den Paul-Beneke-Weg eröffnet. Durch den geraden Verlauf auf dem Paul-Beneke-Weg trat eine Verkürzung der bisherigen Fahrzeit um 20 Minuten ein. Die alte Linie 8 hatte eine Fahrzeit vom Krantor nach Neufahrwasser „theoretisch" von 40 Minuten gebraucht. Tatsächlich war die Fahrtdauer aber viel länger, da die Straßenbahn die vielen Gleisanlagen am Hafen kreuzen und sehr oft vor den Schranken warten musste.
Wer sich noch der alten Neufahrwasser-Linie entsinnen kann, wird wissen, welche Strapaze die Fahrt zum Hafen war: Auf alten Wagen musste man sich fast eine Stunde lang durchschaukeln lassen. Aus einem Loch ging's raus, ins andere rein, hin und her, rauf und runter, dazu das viele Warten. Jedenfalls war die Bahn nach Neufahrwasser nur noch für „seefeste“ Leute befahrbar und auch für solche, die viel Zeit hatten.
Der Straßenbahnverkehr nach Neufahrwasser wickelte sich ab 26. September 1929 folgendermaßen ab: Vom Krantor bis Hansaplatz auf der alten Strecke, dann musste man, solange die Neulegung in der Schichaugasse noch nicht fertig war, umsteigen bis zur Schichauwerft, anschließend auf die neue Strecke über den Paul-Beneke-Weg nach Neufahrwasser.
Der Bürgersteig in der Schichaugasse wurde ein beträchtliches Stück schmaler, um Platz für die Verbreiterung des Fahrdammes zu erhalten. Denn die Straßenbahngleise kamen in die Mitte der Straße zu liegen. Wie das für eine Schnellbahn selbstverständlich ist, wurde der Betrieb zweigleisig durchgeführt. Da nun jedoch in der Schichaugasse noch das Eisenbahngleis für die Industriebahn lag, half man sich dadurch, dass das eine Gleis gleichzeitig für die Eisenbahn ausgebaut wurde.
Bis zum Ende der Schichaugasse wich auch die neue Linie 8 nicht von der alten Linienführung ab. Erst an der Eisenbahnüberführung nach der alten Schichaukolonie hin ging die neue Straßenbahnlinie eigene und auch bessere Wege. Der Eisenbahnübergang machte viel Arbeit. Die Mulde vor der alten Kolonie wurde ausgefüllt. Hier waren Aufhöhungen bis zu zwei Meter notwendig. Die Aufhöhung reichte bis hinter die alte Schichaukolonie, die durch die neue Straße ein ganz anderes Gesicht erhielt.
Der Paul-Beneke-Weg beginnt am Schellmühler Weg, der schon vor Eröffnung der Straßenbahn den Broschkischen Weg entlastete. In schnurgerader Linie, breit und einladend, geht der Paul-Beneke-Weg nach Neufahrwasser, wie man sich selbst heute eine moderne Straße nicht besser denken kann. Dort, wo ehemals Wiesen und Felder waren, fuhr jetzt die Straßenbahn entlang, quer durch das Gut Schellmühl.
In Neufahrwasser wurden die Gleisanlagen der Straßenbahn grundlegend verändert. Die Bahn von Danzig fuhr nicht mehr, wie seither, bis nach Brösen durch, sondern fand in Neufahrwasser ihr Ende. Sie ging in einer Schleife vom Paul-Beneke-Weg nach rechts in die Wilhelmstraße, zweigte dann nach der Albrechtstraße ab und verlief schließlich durch die Kirchenstraße wieder in den Paul-Beneke-Weg.
Den Anschluss nach Brösen erhielt man jetzt durch die Linie von Langfuhr nach Brösen, die bis Neufahrwasser durchgeführt wurde. Diese Linie (Nr. 9) befuhr Neufahrwasser, von Brösen kommend, in einer großen Gleisschleife durch die Fischerstraße, Wilhelmstraße, Bergstraße und weiter auf den alten Gleisen durch den Markt zu der Olivaer Straße zurück bis zur Ecke Fischerstraße. An der Ecke Paul-Beneke-Weg/Wilhelmstraße befand sich die Umsteige-Haltestelle für die beiden Linien.
Mit Inbetriebnahme der neuen Neufahrwasser-Linie wurden zehn neue komfortable Motorwagen (Mitteleinstiegwagen) in Dienst gestellt. Wagen-Nr. 280—289. Die dem Publikum zunächst ins Auge fallende Neuerung war, dass der Wagenführer nicht mehr wie früher von den Fahrgästen durch eine besondere Wand getrennt.stand. Der Führerstand war bei diesem Typ mit in das Wageninnere hineingezogen worden; lediglich durch eine Kette von den Fahrgästen getrennt. Am Abend wurde zwischen dem Fahrgastraum und dem Führerstand ein Vorhang gezogen, damit das Licht aus dem Wagen nicht blendete.
Am 23. Oktober 1929 wurde die Gesamtstrecke Krantor - Neufahrwasser für den Verkehr freigegeben. Einen Tag vorher, am 22. Oktober, fuhren drei geschmückte Motorwagen des neuen Typs mit geladenen Gästen zur Einweihung der neuen Linie nach Neufahrwasser. Somit hatte auch der Hafenvorort seine ihm zukommende schnelle und bequeme Verbindung mit Danzig bekommen.
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Die Veröffentlichung dieses Artikels erfolgte mit freundlicher Genehmigung des "Bundes der Danziger" in Lübeck.
Weitere Verwendungen / Veröffentlichungen bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung durch den Rechteinhaber:
Bund der Danziger
Fleischhauerstr. 37
23552 Lübeck
Bei vom Bund der Danziger genehmigten Veröffentlichungen ist zusätzlich ist die Angabe "Übernommen aus dem forum.danzig.de" erforderlich.
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Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang
Aus „Unser Danzig“, 20.09.1959, Nr.18, Seite 11
30 Jahre Schnellbahn nach Neufahrwasser
von Horst Strehlke
Am 26. September 1929 wurde die neue Straßenbahnlinie nach Neufahrwasser über den Paul-Beneke-Weg eröffnet. Durch den geraden Verlauf auf dem Paul-Beneke-Weg trat eine Verkürzung der bisherigen Fahrzeit um 20 Minuten ein. Die alte Linie 8 hatte eine Fahrzeit vom Krantor nach Neufahrwasser „theoretisch" von 40 Minuten gebraucht. Tatsächlich war die Fahrtdauer aber viel länger, da die Straßenbahn die vielen Gleisanlagen am Hafen kreuzen und sehr oft vor den Schranken warten musste.
Wer sich noch der alten Neufahrwasser-Linie entsinnen kann, wird wissen, welche Strapaze die Fahrt zum Hafen war: Auf alten Wagen musste man sich fast eine Stunde lang durchschaukeln lassen. Aus einem Loch ging's raus, ins andere rein, hin und her, rauf und runter, dazu das viele Warten. Jedenfalls war die Bahn nach Neufahrwasser nur noch für „seefeste“ Leute befahrbar und auch für solche, die viel Zeit hatten.
Der Straßenbahnverkehr nach Neufahrwasser wickelte sich ab 26. September 1929 folgendermaßen ab: Vom Krantor bis Hansaplatz auf der alten Strecke, dann musste man, solange die Neulegung in der Schichaugasse noch nicht fertig war, umsteigen bis zur Schichauwerft, anschließend auf die neue Strecke über den Paul-Beneke-Weg nach Neufahrwasser.
Der Bürgersteig in der Schichaugasse wurde ein beträchtliches Stück schmaler, um Platz für die Verbreiterung des Fahrdammes zu erhalten. Denn die Straßenbahngleise kamen in die Mitte der Straße zu liegen. Wie das für eine Schnellbahn selbstverständlich ist, wurde der Betrieb zweigleisig durchgeführt. Da nun jedoch in der Schichaugasse noch das Eisenbahngleis für die Industriebahn lag, half man sich dadurch, dass das eine Gleis gleichzeitig für die Eisenbahn ausgebaut wurde.
Bis zum Ende der Schichaugasse wich auch die neue Linie 8 nicht von der alten Linienführung ab. Erst an der Eisenbahnüberführung nach der alten Schichaukolonie hin ging die neue Straßenbahnlinie eigene und auch bessere Wege. Der Eisenbahnübergang machte viel Arbeit. Die Mulde vor der alten Kolonie wurde ausgefüllt. Hier waren Aufhöhungen bis zu zwei Meter notwendig. Die Aufhöhung reichte bis hinter die alte Schichaukolonie, die durch die neue Straße ein ganz anderes Gesicht erhielt.
Der Paul-Beneke-Weg beginnt am Schellmühler Weg, der schon vor Eröffnung der Straßenbahn den Broschkischen Weg entlastete. In schnurgerader Linie, breit und einladend, geht der Paul-Beneke-Weg nach Neufahrwasser, wie man sich selbst heute eine moderne Straße nicht besser denken kann. Dort, wo ehemals Wiesen und Felder waren, fuhr jetzt die Straßenbahn entlang, quer durch das Gut Schellmühl.
In Neufahrwasser wurden die Gleisanlagen der Straßenbahn grundlegend verändert. Die Bahn von Danzig fuhr nicht mehr, wie seither, bis nach Brösen durch, sondern fand in Neufahrwasser ihr Ende. Sie ging in einer Schleife vom Paul-Beneke-Weg nach rechts in die Wilhelmstraße, zweigte dann nach der Albrechtstraße ab und verlief schließlich durch die Kirchenstraße wieder in den Paul-Beneke-Weg.
Den Anschluss nach Brösen erhielt man jetzt durch die Linie von Langfuhr nach Brösen, die bis Neufahrwasser durchgeführt wurde. Diese Linie (Nr. 9) befuhr Neufahrwasser, von Brösen kommend, in einer großen Gleisschleife durch die Fischerstraße, Wilhelmstraße, Bergstraße und weiter auf den alten Gleisen durch den Markt zu der Olivaer Straße zurück bis zur Ecke Fischerstraße. An der Ecke Paul-Beneke-Weg/Wilhelmstraße befand sich die Umsteige-Haltestelle für die beiden Linien.
Mit Inbetriebnahme der neuen Neufahrwasser-Linie wurden zehn neue komfortable Motorwagen (Mitteleinstiegwagen) in Dienst gestellt. Wagen-Nr. 280—289. Die dem Publikum zunächst ins Auge fallende Neuerung war, dass der Wagenführer nicht mehr wie früher von den Fahrgästen durch eine besondere Wand getrennt.stand. Der Führerstand war bei diesem Typ mit in das Wageninnere hineingezogen worden; lediglich durch eine Kette von den Fahrgästen getrennt. Am Abend wurde zwischen dem Fahrgastraum und dem Führerstand ein Vorhang gezogen, damit das Licht aus dem Wagen nicht blendete.
Am 23. Oktober 1929 wurde die Gesamtstrecke Krantor - Neufahrwasser für den Verkehr freigegeben. Einen Tag vorher, am 22. Oktober, fuhren drei geschmückte Motorwagen des neuen Typs mit geladenen Gästen zur Einweihung der neuen Linie nach Neufahrwasser. Somit hatte auch der Hafenvorort seine ihm zukommende schnelle und bequeme Verbindung mit Danzig bekommen.
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Die Veröffentlichung dieses Artikels erfolgte mit freundlicher Genehmigung des "Bundes der Danziger" in Lübeck.
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Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang