Wolfgang
10.10.2009, 13:09
Brösen
Das Antlitz Brösens und seiner Nachbarsiedlungen Saspe und Lauental
von Otto Müller
Die viel gepriesene Schönheit der Danziger Bucht ist besonders dort wirkungsvoll und eigenartig, wo sich die drei Siedlungen Brösen, Glettkau und Zoppot mit dem bewaldeten Zickzack des baltischen Landrückens und der blauen Meeresflut zu einem Gesamtgebilde vermählen. Denn was wären diese drei Siedlungen ohne die breit flutende Ostsee, und umgekehrt, was wäre die Danziger Bucht ohne den Saum, in den die fleißige Menschenhand ein buntfarbig schmuckes Muster hinein gewebt hat! Da lugen aus dem viel abgestuften Grün der Gärten, Parks und Wälder die roten Dächer und weißen Häuser und Häusermassen, schlanke Kirchtürme, gesegnete Ackerbreiten und saftige Wiesen. Und all das findet seinen malerischen Abschluss durch den bewaldeten baltischen Landrücken. Abends aber werden tausend Lichter an der dunklen Bucht wach und begeben sich zur Ruh: Die vielen Hafen-, Blink- und Leuchtfeuer wachen und warnen bis ums Morgenrot.
Das etwa wäre das Antlitz jener Siedlung, von der in diesem Büchlein die Rede sein soll: das Antlitz Brösens und seiner Nachbarsiedlungen Saspe und Lauental.
1. Neuland an der alten Weichselmündung
Wir wandern von Langfuhr auf der Brösener Chaussee der Danziger Bucht entgegen. Sobald wir die letzten Häuser Langfuhrs im Rücken haben, breitet sich vor uns eine gut übersehbare Talsandfläche aus, welche eiszeitlichen Ursprungs ist. Die Findlinge dieser Sandfläche sind vortreffliche Wegweiser in jene ferne Zeit. Auf dieser geräumigen Talfläche hat der neuzeitlich ausgerüstete Langfuhrer Flugplatz seine Stätte erhalten. Er ist ein Teil des ehemaligen „Großen Exerzierplatzes“, der einst das Übungs- und Manövergelände unserer Danziger Regimenter war. Daran schließen sich die Wälle der Sasper Schießstände, von denen wir am Lazarett-Kirchhof vorbei wieder zur Brösener Chaussee gelangen. Am Nordrande der eiszeitlichen Ablagerung liegt an dem Chausseeknie bei Eckhof das Sasper Wasserwerk, das heute bereits ein Drittel der gesamten benötigten Wassermenge Danzigs hergibt, rund 8 000 cbm. Es wurde 1916 erbaut und 1920 in Betrieb genommen und soll nach völligem Ausbau 1 000 Sekunden-Liter Leistungsfähigkeit besitzen. Bisher hat die Anlage zehn Brunnen, die 100 Sekunden-Liter schaffen. Sie entnehmen ihre Wassermengen der hier etwa 40 m tiefen eiszeitlichen Kiesschicht.
Auf dem Nordrande der Talsandfläche führt eine Trift zu den fünf Sasper Höfen: Eckhof, Königshof, Weißhof, Schwarzhof und Rothof. Vor dem Gut Weißhof überquert die Trift die Talfurche der Redefka, die über die Sasper Pipe hinweg Anschluss an die Olivaer Waldtäler hat. Hinter Eckhof breitet sich links und rechts der Chaussee eine Mulde aus, deren Uferränder einst die Wellen des Danziger Haffs bespült haben, das bis zur Rothofer Düne gereicht hat. Die Torfschichten, die sich in dieser Haffmulde im Laufe der Jahrhunderte gebildet haben, sind stellenweise so mächtig, dass man bei Lauental und Weißhof zur Torfgewinnung geschritten ist. Unliebsam machen sich die Torflager bemerkbar, wenn dort Bauten aufgeführt werden; ob Straßen (Ostseestraße) durch das Gelände geführt, ob hier Industriestätten (Sasper Kläranlage, Sasper Rangierbahnhof 1913/14) errichtet oder Schrebergärten (Siedlung „Erntedank“, „Frühlingsluft“, „Meeresstern“) angelegt werden: Immer wieder will erst der unzuverlässige Torfgrund überwunden sein.
Die Sasper Kläranlage, die wie eine Burg aus der Haffmulde emporsteigt, wurde 1930 in Betrieb genommen. Es werden hier die Abwässer der westlich von Danzig liegenden Vororte und der Stadt Zoppot nach einem neuzeitlichen Verfahren, der Bakterieneinwirkung, geruchlos gereinigt und beseitigt. Die zurückbleibenden hochwertigen Düngerreste sind in der Land- und Gartenwirtschaft der Umgegend recht begehrt.
Die Haffmulde ist bald durchwandert. Schon überquert unsere Chaussee die kleine Redefka, die längs des Haffuferwalles zum Sasper See fließt. Auf dem Haffwall steht hart an der Chaussee die Sasper Schule, die seit 1921 Schule für Kinder mit polnischer Muttersprache ist. Rechter Hand liegt das Wittsche Bauerngut, das seit einem Jahrzehnt Städtisches Pachtgut ist.
An der Schule beginnt die sogenannte Vordüne, die im Nordwesten bis Rothof und im Südwesten bis zum Sasper See reicht. Diesem Dünenzug verdankt das ganze sich anschließende Gelände den Namen Saspe. Dieses Wort ist slawischen Ursprungs und bedeutet Sandanwehung und Düne. Noch heute sagen die Leute „wie wohne opp Sasp“. Der gleiche Name ging auch auf den erwähnten See über, der schon in den ältesten Urkunden als Zaspa, Saspa und Schaspa auftaucht. Von Rothof nimmt die Vordüne als niedrige Landstufe - es ist eine sogenannte Kliffküste - ihren weiteren Verlauf über Konradshammer bis Zoppot. Dem Dünenzug und der Kliffküste ist eine Mulde vorgelagert, die vom Meere durch die sogenannte Neudüne getrennt ist. Während das Alter der Vordüne weit in die Frühgeschichte zurückreicht, ist eine zusammenhängende Dünenkette erst vor 600-700 Jahren entstanden. Auf dem Kamm dieser Neudüne verläuft jetzt der feste Strandweg von Brösen nach Zoppot; auf ihr haben weiter Alt-Brösen, das Brösener Wäldchen und Neufahrwasser festen Fuß gefasst. Die erwähnte Mulde zwischen der Vordüne und der Neudüne wird als Außendelta bezeichnet. Die Verlandung dieses Deltas ist heute noch nicht beendet; es ist vielfach Öd- und Sumpfland. Im Jahre 1935 wurde die Redefka zwecks Entwässerung des Außendeltas und der westlichen Haffmulde abgegabelt. Sie fließt nunmehr in einem stattlichen Bett, das von vier festen Brücken überspannt wird, in nordöstlicher Richtung unmittelbar zum Meer. Dieses neue Bild der Brösener Landschaft wird erst dann seine vollen Reize entfalten, wenn das 40 Hektar umfassende Ödland zwischen Brösen und Glettkau, das mit rund 100 000 Erlen, Birken und Kiefern 1935 aufgeforstet worden ist, mit der bereits bestehenden 20 Hektar großen Dünenschonung einen einheitlichen Wald bilden wird.
2. Die Klosterfischer
In einem großen Teil der Sasper Lande bestand schon in frühgeschichtlicher Zeit eine Siedlungsmöglichkeit. Wie weit die Pommeranen und die Preußen und weiter zurück die Germanen hiervon Gebrauch gemacht haben, lässt sich heute nicht mehr überblicken, zumal für dieses Gebiet bisher nur nichtssagende Funde gehoben werden konnten.
Zur Zeit der pommerellischen Herzöge haben Weichsel und Ostsee das Außendelta schon soweit verlandet, dass der Sasper See - ehemals doch Weichselmündungsgebiet - als solcher bereits vorhanden ist. Er und seine Mündung treten verhältnismäßig früh in das Blickfeld der Überlieferung. 1238 verlieh Herzog Swantopolk von Pommerellen den Sasper See dem Kloster Oliva mit dem Recht, hier den Fischfang auszuüben. Sieben Jahre später wurde dem Kloster noch gestattet, an der Mündung des Sasper Sees eine Heringsfangstation anzulegen und Fischereizölle zu erheben. Die Zufuhrstraße zu diesem Sasper-See-Hafen war wahrscheinlich der damals noch vorhandene nördliche Mündungsarm des Sasper Sees. Noch heute kann man die Mulde dieses alten Mündungsarmes recht deutlich erkennen, wenngleich das Gelände hier und da - wie das Brösener Sumpf-Erlenwäldchen in der Nachkriegszeit - aufgeschüttet worden ist. Auch hat die Weichsel diesen Mündungsarm gelegentlich wieder mitbenutzt, so in den Jahren 1698, 1829 und 1840. Wahrscheinlich hat eine Station auf der westlichen Seite des Mündungsarmes gelegen, und zwar im Gelände der heutigen Marienhütte und Marienkate in der Nähe des Brösener Bahnhofs. Vielleicht hat als Zufuhrstraße zu dieser Station auch die Sasper Kehle gedient, die urkundlich 1337 als Mündung des Sasper Sees auftaucht. Soviel steht fest, dass 1238, als der Sasper See dem Kloster Oliva verliehen wurde, die Stromwasser der Weichsel ihren Weg bereits an dem heutigen Weichselmünde vorbei nahmen. Andernfalls wäre die Verleihung des Sasper Sees an das Kloster gleichbedeutend mit der Verleihung der Strommündungsfischerei gewesen; diese hat aber das Kloster nie besessen; sie hat zusammen mit der Stromfischerei der unteren Weichsel seit den ältesten Zeiten zum Fischereirecht der Danziger Fischer gehört.
Grenzstreitigkeiten zwischen den Danziger und den klösterlichen Fischern mögen die Hochmeister Dietrich von Altenburg und Ludolf König veranlasst haben, die Fischereigrenzen 1337 und 1342 genau festzulegen: „Auch sollen die Fischer, die zum Kloster gehören, auf dem Meere frei fischen können; von der Weichselmündung jedoch haben sie sich 20 Seile (rund 900 m) fern zu halten.“ Auch von der Sasper Kehle aus durfte keine umfangreiche Weichselfischerei betrieben werden. Hier auf der linken Weichselstromhälfte durften die Klosterfischer Grundreiser (Reusen) und Säcke aussetzen und zum linken Ufer hin auch mit der Wade (kleines Zugnetz) ziehen. Bis weit in das 19. Jahrhundert hinein lassen sich die nimmer ruhenden Streitigkeiten um das Fischereirecht zwischen den Klosterfischern von Brösen, Glettkau und Zoppot und den Fischern des Danziger Hoheitsgebietes verfolgen.
Die Mönche übten an der Ostseeküste von Glettkau bis zur nördlichen Mündung des Sasper Sees auch die Seefischerei aus, um der Klosterküche den geschätzten Lachs, Stör und Hering zu sichern. Es steht deshalb wohl fest, dass unter den sieben Dörfern, die 1178 dem Kloster geschenkt wurden, auch Fischersiedlungen gewesen sein müssen, und zwar scheint das damals genannte Stanowe auf eine Strandsiedlung hinzuweisen; steckt doch in diesem Dorfnamen das slawische Wort für Hafen und Reede.
Wie lange die Heringsstation von 1245 bestanden hat, ist nicht zu ermitteln; jedenfalls hat sie sich zu keinem größeren Unternehmen empor schwingen können und ist eingegangen, als der Meeresstrand mit seiner Neudüne den Sasper See endgültig abgeriegelt hatte; auch wissen wir, dass die Heringszüge in jenem Jahrhundert von der pommerschen Küste abwanderten. Jahrhunderte später lag dort eine bescheidene einhufige Erbpachtsiedlung, auf der 1696 Peter Becker als Erbpächter des Klosters saß. Einige Jahrzehnte später wird daselbst Iserhardt als Untersasse bezeichnet. Um 1800 besitzt die Familie Graff (Grawe, Grabe) den Hof, der gelegentlich auch Grabenhof genannt wird und von 1813 ab Martin Witt gehört.
Wenige Jahrzehnte nach Errichtung der Heringsfangstation, im Jahre 1279, taucht in einer pommerellischen Urkunde die Fischerstation Prussencino auf. Da das 1235 erwähnte Golustoho Glettkau sein soll und der Klosterbesitz an der Küste nordwestlich über Glettkau hinaus erst 1283 eine Erweiterung erfährt, so kann in diesem Prussencino nur das spätere Brösen gesucht werden. Es lässt sich dieser Siedlungsname ebenso ungezwungen wie für jene Zeit verständlich mit Preußensitz übersetzen; denn gerade in und um Danzig war die slawische Bevölkerung zur Zeit der pommerellischen Herzöge mit Preußen durchsetzt. Preußische Fischer waren es also, die sich auf der Neudüne „im Schatten eines Gehölzes“ schon vor 1279 niederließen. Erst 200 Jahre später taucht diese Siedlung wieder in einer Urkunde auf, nun aber unter dem Namen Bresin. 1480 nämlich überträgt der Abt Nicolaus das Schulzenamt und den Krug von Glottkow (Glettkau) dem Nikolaus Dzobeczko, der den Krug von seinen Vorfahren ererbt hatte. In dieser Schenkungsurkunde wird das in der Nähe liegende Fischerdorf Bresin erwähnt, das urkundlich später noch in folgenden Formen auftritt: Bresen, Briesen, Brzezno, Brziesno und Brösen. All diese Formen dürften wohl dem slawischen Wort für Birkenwäldchen (brzezina) entstammen.
Die Fischer, die sich in Brösen „zeither“ niederließen, waren gleichzeitig Häusler, wie sie in den Urkunden genannt werden, die eine ganz bescheidene Bauernwirtschaft, gewöhnlich zwei Pferde und eine Kuh, innehatten. War anfangs in weitem Umfange alles Land „Hütung“, „gemeine Weide“, also Allemende, Gemeinschaftsland, so wurde nach und nach, so wie die Zuzügler kamen, immer mehr Land unter den Pflug genommen und rückte damit zur Feldmark (Ackerland) auf. 1771 zählte Brösen 14 Liegenschaften, die in locker geschlossener Reihensiedlung auf der Neudüne lagen. Zum kleinsten Besitz gehörten fünf und zum größten Besitz 20 kulmische Morgen Ackerland. Neben der aufgeteilten vier Huben großen Feldmark gehörten zu den 14 Grundstücken noch 8 Huben „gemeine Weide“. Nirgends ist für die Brösener Häusler ein vom Kloster verliehenes Erbpachtrecht oder der Weiterverkauf eines solchen beurkundet. Trotzdem wirkten sich die Eigentumsverhältnisse zur besiedelten Scholle im großen und ganzen erbpachtrechtlich („emphiteutisch“) aus.
Nur einmal meldet die Chronik eine Art Besitzverleihung. „Michael Bialki in Brossen ist gesonnen, einen Krug zu errichten.“ In der klösterlichen Urkunde darüber heißt es bezeichnenderweise: „Da dies unserm Brauhaus erträglich ist, wollen wir selber Bitte Raum geben.“ Michael Bialki erhält zum Bau seines Kruges aus dem Olivaer Forst „16 Stück Holz“, hat einen jährlichen Zins von 16 Gulden zu entrichten, darf nur Klosterbier „verschenken“ und ist für sich und „seine Erben von allem Scharwerk befreit“. Im Frühjahr 1668 baut er seinen Krug auf. Die verhältnismäßig späte Krugniederlassung lässt Rückschlüsse auf die Armut der Brösener Bevölkerung tun. Denn Brösen war schon vor 1600 eine der größten Siedlungen zwischen der Weichsel und dem Grenzfließ. Es hatte 1771 194 Einwohner, war damals aber immer noch arm. „Dies Dorf ist bloß ein Fischerdorf und liegt am Strande; es gehört zur Abtei, und weil diese Leute arm sind und weiter nichts haben als ein Gärtchen bei ihren Häusern, so der Herrschaft gehören, so hat nichts weiter als die Personenzahl aufnotiert werden können. Die 14 Häuslinger als Fischer mit etwas Gartenland zahlen je einen Taler Schutzgeld, zusammen 14 Taler, und die 13 Mietsleute je 30 Groschen, zusammen 4 Taler 30 Groschen.“
Über weitere Lasten und über Kulturzustände Brösens kündet eine Bittschrift, welche die Fischer des Dorfes der Königin Luise überreichten, als diese 1798 in Oliva weilte. Die Fischer hatten vor 1772 „an das Kloster zu scharwerken“. Dazu hielten sie eine Magd, für welche sie sieben Taler Jahreslohn und sieben Sechser Kostgeld wöchentlich zahlen mussten. Vom Lachsfang war der Dezem, also der zehnte Teil, und vom Störfang die ganze Beute abzuliefern. Die Häuser, die dem Kloster gehörten, hielt dasselbe auch in baulichem Zustand. Zaunstrauch und Brennholz empfingen sie gegen einen Zins von neun Gulden jährlich aus dem Olivaer Forst. „Der Fang reichte oft nur zur Sättigung der Familie; bei gutem Fang wurden die Fische zum Verkauf in Küpen ausgetragen und ausgehökert. Als Fischerknechte stellten sie gelegentlich die Einlieger in Dienst.“ Wie das Kloster die Häuser in baulichem Zustand hielt, erhellt ein Bericht des Landesbaumeisters Müller vom Jahre 1782. Damals hatte Brösen zwölf Katen, und hinter jeder Kate steht in dem Bericht der Vermerk: „In geklebtem Fachwerk mit Strohdach, total baufällig.“ Mit 5 Talern 70 Silbergroschen wird die „fürnehmste“ und mit 2 Talern 18 Silbergroschen die geringste unter ihnen bewertet.
Die Katenleute (Einlieger, Mietsleute) saßen schon in frühesten Zeiten als Arbeiter in Brösen. Es bestand für sie eine Reihe verschiedenster Arbeitsmöglichkeiten, von denen zwei besonders erwähnenswert sind. Die nahe Weichselmündung erforderte als Tor zum Danziger Hafen seit jeher einen umfangreichen Kaper-, Treck- und Lotsendienst, dazu Bagger-, Schleusen- und Ballastarbeiten, wobei auch Brösener tätig waren. Manch einer der Arbeiter fand seine Beschäftigung wohl auch in den Hammerwerken und Mühlen am Strieß- und Glettkaufließ; worüber Theodor Hirsch schreibt: „Die Zahl und Mannigfaltigkeit der auf so kleinem Raum im 16. Jahrhundert hier angelegten Fabriken, der Eisen- und Stahlhämmer, der Aschbuden, der Korn-, Säge- und Ölmühlen war ebenso groß wie der zu ihrer Betreibung aus der Fremde herbeigezogenen Arbeiter.“
Ein Fabrikunternehmen wagte sich auch an Brösen heran. Franz Karl Deißel erhielt vom Kloster Oliva am 23. Juni 1769 zwischen Brösen und Glettkau ein Stück Sandland von 35 Morgen zur Anlage einer Salpeterfabrik zu emphiteutischem Recht verliehen. In der Zeit der künstlichen Abschnürung Danzigs (1772-1793) ist dies Unternehmen eingegangen. Die Ödländer dieser Liegenschaft wurden später von dem Gut Neuschottland mitbenutzt, dessen Rossweiden westlich davon lagen. Durch einen Übersetzungsfehler der lateinisch abgefassten Verleihungsurkunde wurde aus Salpeter St. Peter. Noch heute weiß man um die „Solpeterkot“, die bis zum Anfang des Weltkrieges dort gestanden hat, wenngleich eine Ideenverbindung mit der ehemaligen Fabrikanlage nicht mehr besteht. So wohnte von jeher neben der Fischerschaft eine Arbeiterbevölkerung, die sogar 1771 mit 118 Personen jene mit 78 Personen überwog. In jüngeren Jahren fuhren Arbeiter und Fischer aus aller Herren Länder Schiffe zur See, taten gelegentlich auch Kriegsdienst und ließen, zurückgekehrt, sich wieder auf ihrer Scholle nieder.
Die Belange der Fischer vertrat neben dem Schulzen der Fischerälteste; er sah vor allem darauf, dass die „Züge im Dorf blieben“. Der Strand war nämlich in Züge (plattdeutsch Tochs) eingeteilt. Zu jedem Fischereigrundstück gehörte ein Zug. In einem Rechtsstreit der Brösener Fischer heißt es 1834: „In dem Strandbezirk von Brösen sind jetzt nur noch 5 Züge vorhanden, weil der übrige Strand durch Verunglückung von Schiffen und Galeeren zur Fischerei unbrauchbar geworden ist. Wir haben nichts dagegen, wenn der neue Käthner von St. Peter die Fischerei in der See selbst treiben will, namentlich den Flunderfang, den Pomuchelfang mit Angeln oder auch den Heringsfang mit Manzen. Nur gegen die Anmaßung eines besonderen Zuges mit großen Netzen (Strandgarn) müssen wir protestieren.“ Die Züge haben heute keine fischwirtschaftliche Bedeutung mehr, wovon sich jeder, der solch einem Fischzug einmal beiwohnt, überzeugen kann. Die Züge leben im Volksmund noch als Flurnamen weiter: Steenertoch, Talgtoch, Roloffsche Toch. Die Strandzugfischerei brachte vor allem den Lachs und den Stör und Perpel ein. Ihr untergeordnet war die Zeisenfischerei (Zäs) mit den „Zäsekohns“. (Zeisenkähne; in Bodenwinkel kennt man heute noch Zeisenlommen.) Die Zeise ist ein Zugnetz zum Fischen in der offenen See. Erst an letzter Stelle stand das Fischen mit den Grundstellnetzen und Angeln, das der erwähnte Rechtstreitbrief streift.
3. Die Bauernhöfe der Sasper Heide und der Burau
In dem Sasper Gebiet, wozu die Vordüne, die Haffmulde und ein etwa 1 ½ km breiter Streifen der Talsandfläche gehören, erfolgte eine planmäßige Besiedlung verhältnismäßig spät. Das Kloster war Jahrhunderte hindurch unmittelbarer Nutznießer der Wiesen, Wälder und Rohrbestände, der Entenjagd und des Entengeleges. Die wenigen Kleinbauern, die in der Nähe des Sasper Sees saßen, hatten das Land als Zeitpächter oder gar Vorwerker inne, worüber keine Besitzrechtsurkunden ausgestellt wurden. Der erste sichtbare Wegweiser in jene Zeit ist eine Karte von Walter Clemens aus dem Jahre 1589. Ein etwa 600 ha großer Wald erstreckte sich damals von Zoppot bis zum heutigen Lazarettkirchhof. Drei mit Erlengestrüpp bewachsene Bruchstreifen zeigt die Karte zwischen dem Sasper See und der Weichsel. Besiedelt ist nur die Haffmulde mit vier Höfen, die verstreut in unmittelbarer Nähe des Sasper Sees liegen; auf der Neudüne zeigt sich, verhältnismäßig auffallend gezeichnet, das geschlossene Dorf Brösen.
Über die Besiedelung von Saspe unterrichtet eine Urkunde vom Jahre 1781. Am 4. April des genannten Jahres erscheinen sämtliche Erbsassen des Dorfes Saspe auf dem Amt zu Oliva zur Auseinandersetzung zwecks Erbpachtverschreibung. Nach der damals verfassten Urkunde „besaßen die 10 Bauern von Saspe 1 Hube ehemaliges Baggerland, 1 Hube 19 Morgen (Schulzenhube) erblich nach dem Privilegium vom 16. Februar 1632, 18 Huben 19 Morgen nach dem 30jährigen emphiteutischen Kontrakt vom 3. März 1711, 13 Huben 9 Morgen nach einem bereits 30-jährigen emphiteutischen Kontrakt vom 28. September 1747 und 9 Morgen ohne Kontrakt, zusammen 35 Huben und 6 Morgen“. Also erst 1632 wurden für die Sasper Bauern die ersten Grundbesitzverhältnisse geschaffen: Die Schulzenhube wird ausgegeben, und zwar an einen gewissen Papengut. Die Heide und die Haselau waren der an Oliva und Glettkau grenzende westliche Teil Saspes, der im Laufe des 17. Jahrhunderts gerodet und in Acker- und in Wiesenland verwandelt wurde. Während man die „Sasper Heide“ noch kennt, ist der Flurname Haselau im Volksbewusstsein nicht mehr vorhanden.
Weit früher als Heide und Haselau war der östliche Teil Saspes besiedelt, der mit der Bagger- und Schulzenhube 21 Huben und 13 Morgen umfasste. Diese 21 Huben gehörten zur Burau (Burausches, Burauerland). Der Name ist recht treffend: Eine Aue ist ein sumpfiges, wasserreiches Land, und die verlandete Haffmulde - das ist die Burau - könnte noch heute so mit Recht heißen, während die erste Silbe auf das niederdeutsche Wort Bur (Bauer) hinweist. Einst ist dies Burau also Dorfbezeichnung gewesen und taucht als solche 1604 zum ersten Male auf. Die Olivaer Annalen berichten von der 1604 erfolgten Einsegnung der Olivaer Jakobskirche und erwähnen in diesem Zusammenhange die Ortschaften, die damals zur Pfarrei von St. Jakobus gehörten: Strieß, Barnowitsch, Witstock, Zoppot, Glettkau, Saspe, Burau und Schmierau. In Burau lag auch die 1632 ausgegebene Schulzenhufe.
Lauental taucht 1728 als selbständiger Hof in Burau auf. Auf diesem Hofe ruhte das Recht, für Hausgenossen und zum „Haustrinken“ Bier zu kochen und Branntwein zu brennen; beide Getränke durften aber nicht auf klösterlichem Grund und Boden verkauft werden; denn das Kloster war selber Brauer und Brenner für sich und seine „geliebten Untersassen“. In der Goldbeckschen Topographie des Königreichs Preußen vom Jahre 1789 wird Lauental als königliche Pustkowie mit zwei Feuerstellen abgetan. Die schon erwähnte Chapellasche Karte hat für Lauental „Lewen Thal Hoff und Acker“ eingesetzt, und auch andere Pläne bringen diese Bezeichnung (Löwenthal, Lowenthal). Der Name ist Wegweiser in das niederdeutsche Sprachgebiet. In „lauen“ (lowen) steckt das altniederdeutsche Wort „low“, das soviel wie niedrig, seicht, auch kleiner Hügel bedeutet hat. So aufgefasst heißt Lauental seichtes Tal.
Neben Lauental gehörte noch die Baggerhube (auch Bacherhube) zur Burau, die auch der Vergessenheit anheim gefallen ist. Sie lag nördlich vom Roten Meer etwa 2.000 Schritte von der West- oder Baggerfahrt entfernt, deren Ausbaggerung von 1673 ab nachweisbar ist. Die Dünen- und Sumpf gebiete in der Nähe der Westfahrt, des Neuen Fahrwassers also, wurden mit den ausgebaggerten Schlicken und Sanden dieser neuen Weichselrinne eingeebnet und aufgeschüttet. So wurden auch 1769/70 die etwa 20 ha umfassenden „Sandberge“ zwischen der heutigen Fischerstraße und dem Brösener Bahnhof „planiert und mit Baggererde bedeckt“, wie eine Seetiefkarte berichtet. Bald darauf entstand auch die Baggerhube.
Im Gegensatz zu Brösen war Saspe mit seinen 20 Bauernhöfen, zu denen am Ende dieses Zeitabschnittes (1772) 118 Personen gehörten, ein reines Bauerndorf; auch die vier Einlieger waren im Besitz eines Pferdegespannes und trieben Landwirtschaft, waren gelegentlich wohl auch Fuhrhalter. Die 20 Bauern und ihre vier Mietsleute hatten nicht weniger hart ums Dasein zu kämpfen als ihre Brösener Nachbarn.
4. Kulturelle Zustände in den drei Klosterdörfern
Wie die nationale Schichtung der Bevölkerung beider Dörfer in den ersten drei Jahrhunderten der Klosterschaft ausgesehen hat, lässt sich nur durch Rückschlüsse feststellen. Zunächst war das Kloster Oliva 30 Jahre lang unter den pommerellischen Fürsten und Herzögen Pflegstätte deutscher Kultur. Die wenigen Slawen und Preußen, die hier saßen, vernahmen die christliche Lehre aus dem Munde deutscher Mönche, und von denselben Mönchen und den deutschen Ansiedlern, die in 130 Jahren - wenn auch nur vereinzelt - zuzogen, lernten sie eine bessere Feldbestellung und manch neues Acker-, Haus- und Fischereigerät kennen. Die deutsche Kultur erfuhr nun noch eine starke Steigerung, als 1308 der deutsche Ritterorden die Landesherrschaft auf das Danziger Gebiet ausdehnte. Es ist anzunehmen, dass am Ende der rund 150 Jahre dauernden Ordensherrschaft beide Dörfer in Sitte, Sprache und Brauch ein rein deutsches Gepräge aufwiesen; dies um so mehr, als gerade die Ordenszeit eine Zeit des Friedens, der Ordnung, der Ruhe und Sicherheit waren.
Schon sehr bald nach dem Thorner Frieden (1466) hatten die Polen versucht, das Kloster Oliva unter ihren Einfluss zu zwingen; aber Oliva wusste sich tapfer dagegen zu wehren, und so blieb es mit seinen Dörfern deutsch bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. Damals setzte infolge eines unsinnigen Abtstreites die Polonisierung des Klosters ein. Dieses wirkte sich aber wenig in jenen klösterlichen Dörfern aus, die durch ihre Nähe unter dem Einfluss des deutschen Danzig standen. Auch hatte das Kloster mit der Tüchtigkeit und Fähigkeit der deutschen Ansiedler die besten Erfahrungen gemacht. So blieben die Dörfer und auch Brösen deutsch.
In Saspe behauptete sich sogar der Protestantismus in Mehrheit, während er in Brösen gar nicht oder nur vorübergehend Fuß fasste. Auch das ist im Rahmen der großen Geschehnisse verständlich. Die Geschichte weiß nämlich von einem strengen Kirchenregiment, das 1593 mit dem Prior Philipp Adler einsetzte, zu berichten. So gründlich widmete er sich der Pflege des katholischen Kirchendienstes, dass auch die ketzerischen Untertanen des Klosters, nachdem sie schon 1593 bei allen großen Prozessionen sich hatten stellen müssen, seit 1606 durch die Androhung der Einziehung ihrer Güter mit wenigen Ausnahmen zum Übertritt bewogen wurden. So erklärt es sich, dass am Schluss dieses Zeitabschnittes (1772) nach einer Zählung durch den Delegierten des Bischofs von Woclawek im Jahre 1781 in Brösen 127 Katholiken und keine Protestanten vorhanden waren. Anders lagen die Verhältnisse in Saspe. Um 1600 nämlich setzte in Pommerellen wieder eine Gründungszeit deutscher Dörfer ein, und der darauf folgende Kolonistenstrom hat auch in Saspe seinen bescheidenen Niederschlag gehabt. Die neu angesiedelten Kolonisten, ob sie nun von Starosten oder Klöstern oder Großgrundbesitzern ins Land gerufen worden waren, erfreuten sich allenthalben einer gewissen Religions- und Sprachenfreiheit. So erklärt es sich, dass bei der oben erwähnten Zählung in Saspe 38 Katholiken und 54 (60 %) Protestanten festgestellt wurden.
Mit dem Lesen, Schreiben und Rechnen der Sasper Bauern und der Brösener Fischer und Einlieger war es bis um 1800 herum nicht weit her. Zwar wird in Oliva schon 1592 ein Ludimagister (Organist und Lehrer) erwähnt, auch wird in Glettkau bereits 1760 die erste Schule errichtet; wie wenig aber die Brösener und Sasper diese Schule behelligten, bezeugen immer wieder auftauchende Urkunden. So ist die ganze Erbpachtverschreibung der Brösener (1784) nur mit Kreuzzeichen versehen. Erst nach den Befreiungskriegen tauchen hier und da in den Urkunden die ersten namentlichen Unterschriften auf. Etwas günstiger liegen die Verhältnisse in Saspe. Dort weist die Erbpachtverschreibung eine Reihe von namentlichen Unterschriften (40 %) auf. Die Sasper scheinen einen gemeinsamen Hauslehrer gehabt zu haben; jedenfalls wird dort 1777 ein Lehrer Finkel erwähnt; aber ein Schulhaus ist nicht vorhanden. Obwohl die Gemeinden Brösen, Saspe und Lauental zum Bau und zur Unterhaltung der 1785 gegründeten Gnadenschule in Neufahrwasser beitragen müssen, heißt es 1788: „Aus Saspe, Brösen und Lauental geht kein Kind zur Schule.“ Das erste Schulgebäude für diese drei Gemeinden wird erst 1884 in Saspe erbaut; 1891 erhält Brösen und 1906 Lauental einen eigenen, zunächst gemieteten Schulraum.
5. Die Erbpachtverschreibung in den ehemaligen Klosterdörfen
Die erste Teilung Polens, die Westpreußen 1772 unter Friedrichs des Großen Zepter brachte, schuf auch für Brösen und Saspe neue kulturelle, wirtschaftliche und politische Verhältnisse. Am 1. November 1772 wurde die Aufhebung des Olivaer Klosterbesitzes ausgesprochen. Friedrich II. ordnete an, die geistlichen Güter Olivas der Staatlichen Domänenkammer zu unterstellen. Die Einnahmen derselben sollten nach Abzug der Unkosten je zur Hälfte zwischen Staat und Kloster geteilt werden. Mit dem 1. November 1772 schieden also auch Saspe und Brösen aus dem Klosterverband aus, dem sie rund 600 Jahre angehört hatten. Zunächst ging die Einwohnerzahl in Brösen um 35 Prozent und in Saspe um 28 Prozent zurück; es hängt dies einmal mit der wirtschaftlichen Abschnürung Danzigs und zum anderen - namentlich für Brösen - mit der neuen durch Friedrich den Großen ins Leben gerufenen Siedlung Neufahrwasser zusammen, die einige Arbeiterfamilien Brösens aufnahm.
Weit einschneidender als diese vorübergehende Abwanderung war für beide Dörfer die Erbpacht-Verschreibung, die nach vielen Verhandlungen 1784 ausgesprochen wurde. Die Zeitpächter in Brösen und die emphiteutischen Erbpächter Saspes wurden nunmehr freie Bauern und konnten auf ihren Grundstücken „schalten und waltern und sie auch veräußern wie sie wollten“. Auch der letzte „Scharwerks- und Burgdienst“ hörte auf. So schuf Friedrich der Große in Saspe und Brösen, was ihm Zeit seiner Regierung für seine ganzen Lande so sehr am Herzen gelegen hatte, einen freien Bauern- und Fischerstand. Und doch setzte in der Folgezeit in beiden Dörfern die Bodenspekulation ein, das Zusammenkaufen von Siedlungsstellen und Bauerngrundstücken, wodurch „auf der einen Seite Großgrundbesitz und auf der anderen Seite landlose Mietlinge und Instleute geschaffen wurden“. Zunächst schienen den Brösener und Sasper Bauern in der Folgezeit die Lasten zu hoch, wie Bittschriften und Klagen immer wieder zeigen. Wohl hatte Brösen nach 1784 einen Erbkanon (Erbzins) von 166 Talern jährlich aufzubringen; aber dafür war den Fischern ein freies Besitztum geworden; das Holz zur ersten Instandsetzung ihrer Wohnstätten wurde ihnen aus dem nahen Forst bewilligt. Wurden doch damals in Brösen die ersten Schurzbohlenhäuser erbaut! Noch günstiger - an den Abgaben vor 1772 gemessen - waren die Steuerlasten für Saspe. Dort hatten die 20 Bauern einen Domänenzins von 355 Talern und eine Kontribution von 138 Talern jährlich aufzubringen.
Durch diese Steuerunzufriedenheit und eine einsetzende Gewinnsucht wurden Haus und Hof, Grund und Boden nunmehr zum Gegenstand tüchtiger Geschäftemacher. Noch war die Erbpachtverschreibung nicht unter Dach und Fach, als sich in Brösen bereits die ersten Ansätze dafür zeigten. Der Accisenkontrolleur Gottfried Erdmann Geppelt erwarb 1781 die sogenannten drei herrschaftlichen Fischerkaten, zu denen 23 Morgen Land gehörten, worauf die Kruggerechtigkeit haftete. In den nächsten Jahren kaufte er noch weitere vier Fischergrundstücke auf, so dass er 1797 ein Anwesen von 61 Morgen Land, wozu noch ein Teil der gemeinen Weide von 134 Morgen gehörte, an Johann Martin Ulwich gewinnbringend weiter verkaufen konnte. So wurde Friedrichs des Großen soziales Wollen von einem seiner Beamten ins Gegenteil gewandelt. Aus sieben freien Besitzungen wurden sieben Mietlingsstellen, und mit welchem Fortschritt, das mag der Accisenkontrolleur selber sagen: Dagegen aber können selbige Katen mehrere Einwohner als vormals aufnehmen; wohnten anfänglich nur 8 Familien in 4 Katen, so ihrer jetzt 16!“ - Die zusammengekauften 195 Morgen des Geppelt sind im großen und ganzen das Mutterland des späteren Kurgrundstückes und des Brösener Wäldchens. Ulwich hatte den Besitz in der Voraussetzung erworben, dass die Separation (Aufteilung) der „Gemeinheitsweide“ bald erfolgen werde. Die Brösener Fischer aber, durch Geppelts Geschäftstüchtigkeit misstrauisch geworden, lehnten dieselbe ab. Inzwischen geriet Ulwich in Zahlungsschwierigkeiten; sein Grundstück kam unter den Hammer, und der Besitzer Neuschottlands, Amtmann Gotthilf Friedrich Dallmer, kaufte es für 3.000 Taler (12.000 Gulden). Auch seine Separationsverhandlungen scheiterten; 1804 tauschte er sein Gut (Neuschottland, Brösen und St. Peter) mit einem angenommenen Wert von 60.000 Talern gegen das Rittergut Melschitz im Kreise Lauenburg ein, das sich im Besitz des preußischen Majors Ernst Karl von Zieten befand. Zietens Separations- und Verkaufsverhandlungen - er hat seine Danziger Güter wohl nie gesehen - wurden durch den unglücklichen Krieg in den Hintergrund gedrängt.
Den übrigen sieben Brösener Grundstücken verblieb bis auf zweien noch Jahrzehnte hindurch der alteingesessene Fischerstamm, aber auch hier zeigte sich etwas Neuartiges: Der Brösener Häusler und Fischer gibt seinen Fischereiberuf auf und wird Kleinbauer und Fuhrhalter, während die ehemaligen Mietsleute Fischer werden. Brösen hat heute fünf Kleinbauern mit 56 Milchkühen.
Anders in Saspe. Hier wurde der bodenständige Bauer fast restlos verdrängt. So kaufte Hofrat Hellwig 1781 den Roten Hof, damals noch ein zweihufiges Grundstück im Heidschen, das unter diesem Namen bereits 1765 auftritt; Anna Regina Deysingen erwarb ihn damals, die „neumodschen“ Dachpfannen auf dem Wohnhaus trugen ihm den Namen ein. Hellwig verkaufte den Roten Hof bereits 1782 weiter an Philippine Zollkerksönß; diese veräußerte ihn wenige Jahre später an den Kaufmann Schöler; und so geht's in bunter Reihe weiter; aber nicht nur der Rote Hof, sondern auch alle anderen Höfe wechseln, manchmal in schnellem Aufeinander, ihre Besitzer.
Nach 1814 begann ein langsames Aufbauen dessen, was Napoleons Größenwahn zerstört hatte, begann aber auch wieder der gewinnheischende Grundstückshandel. So setzte Hans Ernst Karl von Zieten, Generalmajor und Befehlshaber der Besatzungsarmee in Frankreich (Sedan) und seit 1817 Generalfeldmarschall, Himmel und Hölle in Bewegung, um Neuschottland und die „Sandwüsteneien Brösen und St. Peter“ loszuwerden. 1818 endlich schlug er seinen Besitz an den preußischen Proviantinspektor Kriegsrat Johann David Jung (Jungstraße in Brösen) los, der 1820 „die Gemeinheitsauseinandersetzung“ (Separation) der zu seinen 61 Morgen gehörigen Hütung mit den Brösener Bauern durchsetzte, so dass sein Brösener Besitz nunmehr 195 Morgen groß und „gemeinschaftsfrei“ war. An die Aufteilung des übrigen Weidelandes sind die Bauern alsdann 1848 und an die des Dorfangers 1875 geschritten.
Wenige Jahre nach den Befreiungskriegen gingen auch die Bauern der Burau daran, „ihre zerstreut liegenden Ländereien aus dem Gemenge für jeden Hof zusammenlegen zu lassen, um ihr Land in wirtschaftlicher Hinsicht besser benutzen zu können, auch haben mehrere Besitzer (also nicht alle) im letzten Krieg ihre Gebäude verloren und wollten für dieselben eine schickliche Hof stelle aussuchen“. Die Separation erfolgte im September 1821. Wie die Brösener Chronik, so weiß auch die Burauer von einem, wenn auch bescheidenen Zusammenkaufen von Grundstücken zu berichten.
Weit mehr Bauerngehöfte verschlangen die entstehenden Güter Rot- und Weißhof.
Der Anfang des Gutes Rothof liegt in Glettkau. Hier kaufte der Kommerzienrat Friedrich Wilhelm von Ankum auch vor und nach der Erbpachtverschreibung verschiedene Bauern- und Fischeranwesen auf, die mit Frischwasser zusammen 20 Hufen 24 Morgen magdeburgisch umfassten. Auch hier waren aus sechs Grundbesitzern sechs Mietlinge geworden. Dies Ankumsche Anwesen und der Rothof in Saspe mit seinen vier Hufen neun Morgen gingen 1834 in den Besitz des Regierungsbaukondukteurs Adolf Ludwig Anders über. Der nunmehrige Gutsbesitzer Anders verkaufte es 1838 weiter, und die Gutsbesitzer Rothofs wechselten jetzt in rascher Folge: Jungfer, Warschau, Kaumann, Krüger, Thümmel! Im Jahre 1850 kommt Thümmels Besitz zur Zwangsversteigerung. Rothof wird von den Glettkauer Liegenschaften getrennt und taucht fortan wieder als selbständiger Hof auf. In den 40er Jahren sind östlich von Rothof fünf Bauerngrundstücke zusammengekauft worden. Dieser Besitz führte sehr bald den Namen „Gut Weißhof', das von 1846 bis 1855 nicht weniger als siebenmal seinen Herrn gewechselt hat: Der letzte Besitzer des Gutes Weißhof war Braunschwieg; er hatte die ganzen Sasper Ländereien zwischen Glettkau und der Brösener Chaussee an sich gebracht und sein Gut 1910 für 1.247.000 Mark an die Stadt Danzig verkauft. Weißhof ist jetzt ein städtisches Pachtgut von rund 2.000 Morgen Land.
6. Brösen - das älteste Seebad der Danziger Küste
Die Anfänge des Brösener Badelebens fallen in eine Zeit schwerer politischer und wirtschaftlicher Sorgen unseres Heimat- und Vaterlandes. Nach der Übergabe der Festung Danzig an die Franzosen im Jahre 1807 wurde General Rapp der ungekrönte König Danzigs. Auf den Dünen der Zietenschen Ländereien, dort, wo heute die Strandhalle steht, musste Danzig ihm und seiner Geliebten und seinem Gefolge 1808 ein Badehaus errichten, das 1810 prunkvoll erweitert wurde. Sein ärztlicher Ratgeber und Freund Dr. Haffner, der mit ihm von Kolmar im Elsass nach Danzig gekommen war, leitete damals das Badeleben der Fremdlinge. Über dies erste Bade- und Strandhaus hier an unserer heimischen Küste berichtet das Zoppoter Badeblatt von 1843 folgendes: „General Rapp ließ bei Brösen ein sehr schönes festes Gebäude dicht an der See aufführen; dasselbe wurde spurlos von einem Seesturm weggerissen.“ Da das ganze Dorf Brösen im März 1813 ein Raub der Flammen wurde, muss das Rappsche Haus bereits vor 1813 von der Sturmflut vernichtet worden sein.
Nach Abzug der Franzosen wurde hier von einigen wenigen Danziger Bürgern „tollkühn“ weiter gebadet. Der geschäftstüchtige Maurermeister Friedrich Bladau aus Neufahrwasser erwarb 1820 eine acht Morgen große Dünenparzelle aus dem Jungschen (vormals Zietenschen) Gelände, um hier noch in demselben Jahre ein Badehaus und eine „Gastlage“ zu errichten. Im ersten Winter des Jahres 1830 brannte diese Gastlage nieder.
Mittlerweile griff wiederum ein weltgeschichtliches Ereignis hier neugestaltend ein, nämlich die polnische Revolution von 1830/31, die sich gegen Russland richtete. Zur Sicherstellung der Heereslieferungen ließ der russische Staat allenthalben Verpflegungsmagazine errichten, solch eine Niederlage kam auch nach Brösen, wozu Bladaus Grundstück erworben wurde. Diese Niederlage erfuhr sehr bald eine Erweiterung durch eine Quarantäne, deren Errichtung zur Bekämpfung der Cholera nötig war. Die Kontumazanstalt, wie dies Unternehmen genannt wird, erforderte eine gute Verbindung mit dem nahen Hafen Neufahrwasser, und so ließ die preußische Regierung 1831 die feste Pflasterstraße, deren Bau 8.000 Taler kostete, zwischen Brösen und Neufahrwasser herstellen. Als Revolution und Cholera ausgetobt hatten, ging die Kontumazanstalt ein.
Um die neue Pflasterstraße vor dem Versanden zu schützen, ging man daran, das gesamte Dünengelände zwischen Neufahrwasser und Brösen aufzuforsten. Schon 1829 hatte die preußische Regierung das Aufforsten dieses Geländes in die Wege geleitet, um eine Molenversandung und einen neuen Weichseldurchbruch zu verhüten. Zu diesem Zweck waren 68 Morgen aus dem Jungschen, nunmehr staatlichen Gelände, abgetrennt worden. Somit ist das Brösener Wäldchen in der Zeit von 1829-1831 angelegt worden.
Die Gebäude und die acht Morgen Land der Kontumazanstalt gingen 1832 in den Besitz des Gastwirtes Wilhelm Pistorius aus Legan über. (Pistoriusstraße in Brösen.) Die Gebäude bildeten den Grundstock zu dem neuen Badeunternehmen des Pistorius. Über die Eröffnung berichtet eine Anzeige des „Danziger Dampfboots“ vom 29. Mai 1833: „Von einem großen Theile des Publikums lebhaft dazu ermuntert, entschloss ich mich zum Ankauf und zur Instandsetzung des vorteilhaft bekannten Badeortes Brösen. Weder Kosten noch Mühe scheuend, ist mein Unternehmen jetzt so weit gediehen, dass ich bereits künftigen Sonnabend, den 1. Juni, die warmen Bäder eröffnen werde. Bequemlichkeit und Eleganz bei Anlegung der Bäder, unter welchen sich auch von ovaler Fasson eine zinnerne, höchst zierlich gearbeitete Badewanne befindet, war mein Hauptaugenmerk, und lässt mich hoffen, mir den Beifall der verehrten Badegäste zu erwerben.
Der Weg nach Brösen war bisher von beschwerlicher Art. Jetzt aber führt von Fahrwasser (Neufahrwasser) aus, links der Kirchhöfe vorbei, und gerade an der Stelle, wo die Schuitenböte beim Übersetzen anlegen, eine freundliche Chaussee bis nach Brösen hin. Der Weg beträgt nur eine kleine Viertelmeile. Der Fuhrmann Herr Kupfer am Vorstädtischen Graben hat sich bereit erklärt, bei erfolgender Teilnahme des Publikums eine moderne Journaliere von Danzig nach Brösen und von dort zurück zu beschaffen. Die erste Journaliere dieser Art wird künftigen Montag, den 3. Juni, nachmittags 3 Uhr, von Herrn Kupfer, wo die Billets zur Mitfahrt à 7 Silbergroschen zu haben sind, abgehen. Späterhin werden bei zahlreicher Teilnahme des Publikums wie bei der Fahrt nach Zoppot ein Abonnement mit billigeren Bedingungen bei dieser Journaliere stattfinden. - Die Badepreise sind folgende: Für ein warmes Bad 10 Silbergroschen. 1 Dutzend Billets 3 Reichsthaler. Für ein Budenbad am Strande 2 ½ Sgr. 1 Dutzend Billets 24 Sgr. Der Seestrand der Badeplätze ist sorgfältig untersucht worden und jetzt als vorzugsweise zu empfehlen. Die Badebuden sind mit allen erforderlichen Bequemlichkeiten versehen. Das Gasthaus im Badeort ist von mir zur Aufnahme der einkehrenden als auch logierenden Gäste den Zeitanforderungen und feineren Bedürfnissen genügend eingerichtet worden. Ebenfalls ist für gute billige Speisen und Getränke gesorgt. Der große Garten ist mit neuen Anlagen, schönen Balustraden etc. geschmückt.“ . . .
Die Verkehrsverbindung von Danzig nach Brösen war damals durchaus zeitgemäß. Von den Journalieren (Vorläuferin der Kremser) und Treckschuiten hörten wir bereits. Seit 1841 gab es daneben schon eine bescheidene Dampferverbindung für den Personenverkehr von Danzig nach Neufahrwasser, wenn von dem ersten Versuch einer Zoppotfahrt im Jahre 1827 abgesehen wird. Zwei baumlose ungepflegte Landstraßen liefen vor jenen 100 Jahren durch und nach Brösen: die eine von Danzig über Legan, Lauental nach Brösen und die andere von Neufahrwasser über Brösen, Eckhof, Rothof nach Oliva. 1833 wurden auf Betreiben des rührigen Pistorius diese Straßen durch Kiesschüttungen und Ballasterde befestigt. 1839 schuf Danzig eine unmittelbare Verbindung nach Brösen durch eine neue Landstraße, die von der Großen Allee abzweigte und über Neuschottland und Eckhof verlief. In den 40er Jahren „geriet diese in einen Zustand, dass sie nicht befahren werden konnte“, und erst im „Hungerjahre 1848“ führte die Stadt Danzig, um der arbeitslosen Bevölkerung Gelegenheit zum Verdienst zu geben, diese Landstraße mit Hilfe des von der Regierung überwiesenen Drittels der Mahlsteuer zu Ende. Sie wurde noch viele Jahrzehnte hindurch im Volksmunde „Hungerchaussee“ genannt. Erst 1874 erhielt sie „die fast überall fehlenden Bäume“. Von großer Bedeutung für die Entwicklung des Badeortes Brösen war die Eröffnung der Eisenbahnlinie Danzig - Neufahrwasser im Jahre 1867. Von nun ab „reichte an schönen Sommertagen der Bahnsteig auf dem alten Bahnhof vor dem Hohen Tor kaum aus, um die endlosen Züge aufzunehmen, welche zur Beförderung der Menschenmassen nach Brösen erforderlich waren“.
Der immer rührige Gastwirt Pistorius hat alles getan, um sein Badeetablissement, wie es damals hieß, zum angenehmen Aufenthaltsort zu machen. 1838 ließ er eine sogenannte Belvedere errichten. 1840/42 entstand ein Logierhaus mit 40 Zimmern, einem Saal und einem Warmbad, ebenso wurde ein gutgepflegter Kur- und Gesellschaftsgarten angelegt. „Entzückende Badefeste wurden in den 40er, 50er und 60er Jahren am Strande abgehalten.“ Brösen war damals das Bad der vornehmen Welt Danzigs. So wurden die großen Pferderennen, die damals auf dem heutigen Flugplatz stattfanden, gewöhnlich mit einem Gemeinschaftsessen im Brösener Kurhaus beendet.
Die Erben des Pistorius (der Schwiegersohn Legat und zwei Töchter) verkauften das Badeetablissement mit seinen 36 ha Land für 129 000 Mark an Kulling. (Kullingstraße in Brösen.) Wie Pistorius, so war auch Kullings Sorgenkind die alleweil hinkende Verkehrsanbindung nach Brösen. Auf eigene Kosten errichtete Kulling 1889 eine Pferdebahn von Brösen zum Brösener Bahnhof, die aber bereits nach zwei Jahren dem alten Kremserbetrieb wieder Platz machte. 1892 - in diesem Jahre wurden in Brösen 39.000 Bäder genommen - brannte das alte Kurhaus nieder; ein neues entstand, das mit seinen, Sonne und Licht erstickenden Verandengängen die heutige Zeit nicht mehr zu begreifen vermag. Der Anbau des Kurhauses ist einige Jahre älter und rückt von dem dörflichen Fachwerkstil ein erhebliches Stück ab. Nach neunjährigem Besitz veräußerte Kulling sein Badeetablissement an Höcherl, den Besitzer der Kulmer Höcherlbrauerei, behielt aber den Landbesitz. 1900 entstand der damals 100 m (jetzt 200 m) lange Seesteg und die Strandhalle auf der Düne vor dem Kurhause. Im August 1900 wurde auch die Straßenbahn von Danzig über Neufahrwasser nach Brösen in dem Teil Brösen - Neufahrwasser eröffnet und mit dem Bau der Straßenbahnlinie Brösen - Langfuhr begonnen. So kann man heute mit der Straßen- und Eisenbahn und in den Sommermonaten auch mit dem Dampfer, der am Seesteg und seit 1935 auch an der Westmole anlegt, Brösen erreichen. In diesem Zusammenhang sei auch die 1934 neu erbaute Kaipromenade erwähnt, die vom Brösener Wäldchen bis zur Westmole führt und durch deren Anlage es jetzt möglich ist, die Strandpromenade von der Landesgrenze in Zoppot bis Heubude in ihrer Gesamtlänge von 18 km in frischer Wanderung zu durchmessen.
Am Ende des 19. Jahrhunderts zog die Fischersiedlung Brösen ihr schlichtes Dorfkleid aus; die letzten Strohdächer fielen, die ersten Villen wurden erbaut, und Kaufleute, Beamte, Angestellte und Leute freier Berufe schlugen in Brösen ihren Wohnsitz auf.
1905 ging Höcherls Besitz an Grabow über, der es 1910 für 500.000 Mark an die Gemeinde Brösen verkaufte.
Ein neuer Abschnitt in der Entwicklung des Brösener Badelebens begann 1914 nach der Eingemeindung Brösens. Eine Badeanstalt mit einladenden Gasträumen wurde erbaut, und die gärtnerischen Anlagen westlich der Strandhalle entstanden. Die neue Badeanstalt musste bereits im Sommer 1914 auf Befehl der Kommandantur wieder abgebrochen werden: Der Große Krieg griff auch hier gebietend ein. Erst 1919 wurde die jetzige Badeanstalt erbaut; sie besitzt die moderne Dreiteilung: Herren-, Damen- und Familienbad und hat 328 Zellen, die aber an schönen Sommertagen kaum ausreichen, um all die vielen Badelustigen aufzunehmen; bereits 1926 wird die Badeziffer 100.000 überschritten.
7. Das Großgewerbe erobert die ehemaligen Klosterdörfer
Weit mehr als der anwachsende Badebetrieb griff das Großgewerbe, das um 1870 seinen Einzug in den unteren Weichselabschnitt hielt, in die Siedlungsgeschichte Brösens und Lauentals ein. Zwar haben die Fabrikanlagen, die sich in das östliche Randgebiet wagten, daselbst nie festen Fuß zu fassen vermocht. Schon des Müllers Mollin Wind- und Grützmühle, die derselbe 1788 auf dem Brösener Freiland an der Weichseldurchbruchstelle erbaut und bald an den Mühlenmeister Peter Boschke aus Chapielken für 3.000 Gulden verkauft hatte, brannte 1807 nieder, ohne wieder neu zu entstehen. 1836 beabsichtigte der Stadt-Chirurgus Wirtschaft im Brösener Freiland einen Kalkbrennofen zu errichten, wozu ihm nach einem zehn Jahre dicken Aktenberg die Erlaubnis erteilt wurde. Ein halbes Jahrhundert hindurch hat der Ofen die graugelben Massen des Ätzkalkes hergegeben. Ende der 70er Jahre errichteten Wirtschaft und Barg die ersten Petroleumschuppen, die 1935 abgebrochen worden sind. Zu den gewerblichen Großbetrieben, die in den Jahren der sogenannten Hochkonjunktur (1869-1873) in und um Danzig errichtet wurden, gehörte auch das Eisenwalzwerk „Marienhütte“, das 1872 auf Wirtschaftschem Gelände nach dem Vorbild des Elbinger Walzwerkes erbaut wurde, nach vier Jahren aber bereits seinen Betrieb als nicht einträglich einstellen musste. Eine Stärkefabrik hat's dort noch um 1900 zwei, drei Jahre lang versucht und bald in der Nachkriegszeit eine vorbildlich eingerichtete Sägemühle, deren schrilles Gatterlied aber schon nach einem Jahr zu Ende war. Jetzt wird die Straße auf der Südseite durch eine Reihe zusammenhängender unfreundlicher Speicher und auf der Nordseite durch das hohe Eisengitter des Freihafens eingesäumt. Das 700 m lange Hafenbecken dahinter, das 1871 bis 1879 angelegt und 1899 zum Freihafen erklärt wurde, ist Anlegeplatz für aller Herren Länder Schiffe. In jener Zeit wurde Danzig führend auch im Zuckerhandel; von den beiden Zuckerraffinerien, die diesem neuen Handelszweig gerecht wurden, kam die größere 1891 nach Neufahrwasser. Oft genug beschäftigte sie 2.000-3.000 Arbeiter. Seit 1890 hämmert auch die Schichauwerft den flotten Trommelmarsch der Arbeit. Aus der Waggonfabrik, die 1898 erbaut worden ist, kommen jährlich 800 blitzblanke Wagen für die Eisen- und Straßenbahn, und seit 1901 lärmt auch unermüdlich die Schrauben- und Nietenfabrik. All diese neuen Arbeitsstellen geben einem stattlichen Heer von Arbeitern ihr tägliches Brot. Die neuen Arbeitermassen ziehen in die Vororte Danzigs. Immer wieder erhalten Brösen und Lauental in jenen Jahrzehnten Zuzug, vornehmlich aus den Kreisen Danziger Höhe, Karthaus und Neustadt. Folgende wenige Zahlen mögen für sich sprechen:
Einwohner im Jahre 1871 1910 1934
Brösen............. 249 2500 3400
Lauental und Saspe. 383 3150 3140
Hierbei sei noch bemerkt, dass nur der östliche Teil von Saspe, also Lauental, zur Arbeitersiedlung geworden ist.
Durch das Versailler Diktat sind all die genannten Unternehmen eingegangen oder doch erheblich verkleinert, sodass die Großgewerbsarbeiter und Stauer von einst anderswo ihr Brot verdienen müssen.
8. Eine Strandwanderung durch Brösen
Wir kommen mit einem Dampfer der „Hafenrundfahrt“ von Danzig her und steigen an der Westmole aus, um von dort aus Brösen zu Fuß zu erreichen. Jenseits der Weichsel, die hier im unteren Teil die Bezeichnung Hafenkanal führt, grüßt die nunmehr seit Jahren vereinsamte Westerplatte, die 1925 polnischer Munitionshafen wurde. Der stille Strand daselbst ist jetzt Sammelplatz für ungezählte Scharen von Möwen. Ein wenig verdeckt wird der Strand von der 830 m langen eis- und brandungsfesten, in dieser Stärke und Länge 1824-1844 erbauten Ostmole, die den trutzigen Leuchtturm trägt und darüber hinaus nach Norden zu auf die acht Einfahrtstonnen zum Hafen weist.
Wir schlagen nunmehr den festen Strandweg nach Brösen ein; er besteht seit 1935; links gibt uns ein riesiger Eisenzaun, rechts eine Steinböschung eine Weile das Geleit. Die vielen tausend Granitfelsen dieser Strandbefestigung sind ebenso wie die Steine der Westmole (1837) und die der Ostmole in langjähriger Taucherarbeit aus den Tiefen vor der Adlershorster Steilküste geholt. Der eiserne Zaun umschließt das Gebiet des Freihafens.
Sehr bald nimmt uns das Brösener Wäldchen auf, das dem Vogel- und Pflanzenkundigen allerlei zu bieten vermag, das auch genug der schönen Plätze und der gepflegten Wege aufweist. Allenthalben sehen wir die Trümmer der 1919 gesprengten Befestigungswerke, die aber durch Bäume und Sträucher, durch Tief- und Hochwege geschickt verdeckt sind und dadurch gerade dem Wäldchen ein eigenartiges Gepräge geben. Auf der kleinen Hochebene der Strandbatterie steht das Ehrenmal für die 822 Gefallenen des Fußartillerie-Regiments Nr. 17. Auf historischer Stätte ist des Ehrenmals 15 m hohe schlanke Säule, die als Sinnbild eine vergoldete Kugel trägt, errichtet worden. Seine Einweihung fand durch den letzten Friedenskommandeur des 17. F.-A.-R., General Gravenstein, am 3. September 1925 statt.
Unser Weg führt uns jetzt an der Badeanstalt vorbei; linker Hand staunen wir zu der 20 m hohen Leuchtbake empor, deren Blinkfeuer sich mit dem Feuer der 300 m südlich stehenden 40 m hohen Bake decken muss, wenn die Schiffe die Einfahrt zum Danziger Hafen richtig angepeilt haben.
An der Strandhalle vorbei kommen wir ins eigentliche Fischerdorf. Die vielen Steeken und Stangen mit den Manzen und Garnen, den Zeisen und Hamen, die stattliche Reihe der kleinen und großen Kähne, die Koppersteine und Ballastsäcke, die Anker und Dragger, die Bojen und Baken, die Sicken und Drehböcke: All das deutet genugsam die Fischersiedlung an. Und wer hinlauscht, wenn unsere Fischer sich in ihrem prachtvollen Plattdeutsch vom Kohstorm on Kurische Wind, vom „Heiige Borm oppem Plinzeborg“ (einer der vielen Richtungspunkte beim Fischen), vom Schnorrmächel on Seedievel (Fische), vom Dworschleeper on Reppschnieder (Strandkrebs und baltische Klappenassel) erzählen, und wer sie beim Beeten (Netzknüpfen) und ihrer Reeperbahn beobachtet, und wer da sieht, wie sie noch nach den alten Längenmaßen Leeper, Fodem on Rood messen: der muss wohl zugestehen, dass uns hier ein uralter deutscher Wortschatz, eine uralte Handhabe des Fischerhandwerks in Liebe und Treue, in Blut und Bodengebundenheit über viele Jahrhunderte hinweg bewahrt worden ist.
Und nun zum Dorf hinaus und auf dem Strandweg nach Glettkau zu; aber mit Weile geeilt! Denn Brösen hat eine Reihe guter Gaststätten, in denen Leib und Seele mit Speis und Trank, mit Freundlichkeit und Unterhaltung aufs allerbeste bewirtet werden.
Auf der Strandpromenade schauen wir noch einmal zurück. Brösen hat hier nach Westen zu ein recht freundlich-dörfliches Aussehen. Bäume, Sträucher und Hecken umgeben und überschatten die Häuser, Katen und Ställe, und alles überragt die schmucke St.-Antonius-Kirche, die nach den Bauplänen des Professors Dr. Fischer 1922 erbaut worden ist. Die Steine zum Kirchbau gaben die geschleifte Dorf- und Strandbatterie her; die altersehrwürdigen Altäre kamen aus der Josephskirche zu Danzig; die Kirchglocken waren zu Schiffsglocken bestimmt, worauf die große Glocke mit ihrer stolzen Inschrift „S.M.S. Graf Spee“ hinweist; die Orgel hat einst im Langfuhrer Lehrerseminar gestanden; und die Arbeiter und Fischer der Gemeinde bauten ihr Gotteshaus in ihrer arbeitsfreien Zeit auf: So hat die junge Kirche jetzt schon ihre anziehende Geschichte.
An der Strandpromenade von Brösen nach Glettkau ist ein Volksbad entstanden. Die städtische Kur- und Seebäder-Verwaltung ist unentwegt bemüht, hier dem Volke eine Stätte der Erholung, der Gesundung und der Freude zu erschließen. Im Frühjahr 1935 wurde die Ostseestraße zu einem festen, bequemen Fußgänger- und Radfahrweg ausgebaut, der im Sommer täglich von Tausenden und aber Tausenden benutzt wird, und im Jahr 1936 ist man bereits wieder zu einer weiteren umfangreichen Aufforstung geschritten: Der alte Wald des 16. Jahrhunderts wird in Jahr und Tag wieder wie einst von Zoppot über Glettkau nach Brösen erstehen.
Das Antlitz Brösens und seiner Nachbarsiedlungen Saspe und Lauental
von Otto Müller
Die viel gepriesene Schönheit der Danziger Bucht ist besonders dort wirkungsvoll und eigenartig, wo sich die drei Siedlungen Brösen, Glettkau und Zoppot mit dem bewaldeten Zickzack des baltischen Landrückens und der blauen Meeresflut zu einem Gesamtgebilde vermählen. Denn was wären diese drei Siedlungen ohne die breit flutende Ostsee, und umgekehrt, was wäre die Danziger Bucht ohne den Saum, in den die fleißige Menschenhand ein buntfarbig schmuckes Muster hinein gewebt hat! Da lugen aus dem viel abgestuften Grün der Gärten, Parks und Wälder die roten Dächer und weißen Häuser und Häusermassen, schlanke Kirchtürme, gesegnete Ackerbreiten und saftige Wiesen. Und all das findet seinen malerischen Abschluss durch den bewaldeten baltischen Landrücken. Abends aber werden tausend Lichter an der dunklen Bucht wach und begeben sich zur Ruh: Die vielen Hafen-, Blink- und Leuchtfeuer wachen und warnen bis ums Morgenrot.
Das etwa wäre das Antlitz jener Siedlung, von der in diesem Büchlein die Rede sein soll: das Antlitz Brösens und seiner Nachbarsiedlungen Saspe und Lauental.
1. Neuland an der alten Weichselmündung
Wir wandern von Langfuhr auf der Brösener Chaussee der Danziger Bucht entgegen. Sobald wir die letzten Häuser Langfuhrs im Rücken haben, breitet sich vor uns eine gut übersehbare Talsandfläche aus, welche eiszeitlichen Ursprungs ist. Die Findlinge dieser Sandfläche sind vortreffliche Wegweiser in jene ferne Zeit. Auf dieser geräumigen Talfläche hat der neuzeitlich ausgerüstete Langfuhrer Flugplatz seine Stätte erhalten. Er ist ein Teil des ehemaligen „Großen Exerzierplatzes“, der einst das Übungs- und Manövergelände unserer Danziger Regimenter war. Daran schließen sich die Wälle der Sasper Schießstände, von denen wir am Lazarett-Kirchhof vorbei wieder zur Brösener Chaussee gelangen. Am Nordrande der eiszeitlichen Ablagerung liegt an dem Chausseeknie bei Eckhof das Sasper Wasserwerk, das heute bereits ein Drittel der gesamten benötigten Wassermenge Danzigs hergibt, rund 8 000 cbm. Es wurde 1916 erbaut und 1920 in Betrieb genommen und soll nach völligem Ausbau 1 000 Sekunden-Liter Leistungsfähigkeit besitzen. Bisher hat die Anlage zehn Brunnen, die 100 Sekunden-Liter schaffen. Sie entnehmen ihre Wassermengen der hier etwa 40 m tiefen eiszeitlichen Kiesschicht.
Auf dem Nordrande der Talsandfläche führt eine Trift zu den fünf Sasper Höfen: Eckhof, Königshof, Weißhof, Schwarzhof und Rothof. Vor dem Gut Weißhof überquert die Trift die Talfurche der Redefka, die über die Sasper Pipe hinweg Anschluss an die Olivaer Waldtäler hat. Hinter Eckhof breitet sich links und rechts der Chaussee eine Mulde aus, deren Uferränder einst die Wellen des Danziger Haffs bespült haben, das bis zur Rothofer Düne gereicht hat. Die Torfschichten, die sich in dieser Haffmulde im Laufe der Jahrhunderte gebildet haben, sind stellenweise so mächtig, dass man bei Lauental und Weißhof zur Torfgewinnung geschritten ist. Unliebsam machen sich die Torflager bemerkbar, wenn dort Bauten aufgeführt werden; ob Straßen (Ostseestraße) durch das Gelände geführt, ob hier Industriestätten (Sasper Kläranlage, Sasper Rangierbahnhof 1913/14) errichtet oder Schrebergärten (Siedlung „Erntedank“, „Frühlingsluft“, „Meeresstern“) angelegt werden: Immer wieder will erst der unzuverlässige Torfgrund überwunden sein.
Die Sasper Kläranlage, die wie eine Burg aus der Haffmulde emporsteigt, wurde 1930 in Betrieb genommen. Es werden hier die Abwässer der westlich von Danzig liegenden Vororte und der Stadt Zoppot nach einem neuzeitlichen Verfahren, der Bakterieneinwirkung, geruchlos gereinigt und beseitigt. Die zurückbleibenden hochwertigen Düngerreste sind in der Land- und Gartenwirtschaft der Umgegend recht begehrt.
Die Haffmulde ist bald durchwandert. Schon überquert unsere Chaussee die kleine Redefka, die längs des Haffuferwalles zum Sasper See fließt. Auf dem Haffwall steht hart an der Chaussee die Sasper Schule, die seit 1921 Schule für Kinder mit polnischer Muttersprache ist. Rechter Hand liegt das Wittsche Bauerngut, das seit einem Jahrzehnt Städtisches Pachtgut ist.
An der Schule beginnt die sogenannte Vordüne, die im Nordwesten bis Rothof und im Südwesten bis zum Sasper See reicht. Diesem Dünenzug verdankt das ganze sich anschließende Gelände den Namen Saspe. Dieses Wort ist slawischen Ursprungs und bedeutet Sandanwehung und Düne. Noch heute sagen die Leute „wie wohne opp Sasp“. Der gleiche Name ging auch auf den erwähnten See über, der schon in den ältesten Urkunden als Zaspa, Saspa und Schaspa auftaucht. Von Rothof nimmt die Vordüne als niedrige Landstufe - es ist eine sogenannte Kliffküste - ihren weiteren Verlauf über Konradshammer bis Zoppot. Dem Dünenzug und der Kliffküste ist eine Mulde vorgelagert, die vom Meere durch die sogenannte Neudüne getrennt ist. Während das Alter der Vordüne weit in die Frühgeschichte zurückreicht, ist eine zusammenhängende Dünenkette erst vor 600-700 Jahren entstanden. Auf dem Kamm dieser Neudüne verläuft jetzt der feste Strandweg von Brösen nach Zoppot; auf ihr haben weiter Alt-Brösen, das Brösener Wäldchen und Neufahrwasser festen Fuß gefasst. Die erwähnte Mulde zwischen der Vordüne und der Neudüne wird als Außendelta bezeichnet. Die Verlandung dieses Deltas ist heute noch nicht beendet; es ist vielfach Öd- und Sumpfland. Im Jahre 1935 wurde die Redefka zwecks Entwässerung des Außendeltas und der westlichen Haffmulde abgegabelt. Sie fließt nunmehr in einem stattlichen Bett, das von vier festen Brücken überspannt wird, in nordöstlicher Richtung unmittelbar zum Meer. Dieses neue Bild der Brösener Landschaft wird erst dann seine vollen Reize entfalten, wenn das 40 Hektar umfassende Ödland zwischen Brösen und Glettkau, das mit rund 100 000 Erlen, Birken und Kiefern 1935 aufgeforstet worden ist, mit der bereits bestehenden 20 Hektar großen Dünenschonung einen einheitlichen Wald bilden wird.
2. Die Klosterfischer
In einem großen Teil der Sasper Lande bestand schon in frühgeschichtlicher Zeit eine Siedlungsmöglichkeit. Wie weit die Pommeranen und die Preußen und weiter zurück die Germanen hiervon Gebrauch gemacht haben, lässt sich heute nicht mehr überblicken, zumal für dieses Gebiet bisher nur nichtssagende Funde gehoben werden konnten.
Zur Zeit der pommerellischen Herzöge haben Weichsel und Ostsee das Außendelta schon soweit verlandet, dass der Sasper See - ehemals doch Weichselmündungsgebiet - als solcher bereits vorhanden ist. Er und seine Mündung treten verhältnismäßig früh in das Blickfeld der Überlieferung. 1238 verlieh Herzog Swantopolk von Pommerellen den Sasper See dem Kloster Oliva mit dem Recht, hier den Fischfang auszuüben. Sieben Jahre später wurde dem Kloster noch gestattet, an der Mündung des Sasper Sees eine Heringsfangstation anzulegen und Fischereizölle zu erheben. Die Zufuhrstraße zu diesem Sasper-See-Hafen war wahrscheinlich der damals noch vorhandene nördliche Mündungsarm des Sasper Sees. Noch heute kann man die Mulde dieses alten Mündungsarmes recht deutlich erkennen, wenngleich das Gelände hier und da - wie das Brösener Sumpf-Erlenwäldchen in der Nachkriegszeit - aufgeschüttet worden ist. Auch hat die Weichsel diesen Mündungsarm gelegentlich wieder mitbenutzt, so in den Jahren 1698, 1829 und 1840. Wahrscheinlich hat eine Station auf der westlichen Seite des Mündungsarmes gelegen, und zwar im Gelände der heutigen Marienhütte und Marienkate in der Nähe des Brösener Bahnhofs. Vielleicht hat als Zufuhrstraße zu dieser Station auch die Sasper Kehle gedient, die urkundlich 1337 als Mündung des Sasper Sees auftaucht. Soviel steht fest, dass 1238, als der Sasper See dem Kloster Oliva verliehen wurde, die Stromwasser der Weichsel ihren Weg bereits an dem heutigen Weichselmünde vorbei nahmen. Andernfalls wäre die Verleihung des Sasper Sees an das Kloster gleichbedeutend mit der Verleihung der Strommündungsfischerei gewesen; diese hat aber das Kloster nie besessen; sie hat zusammen mit der Stromfischerei der unteren Weichsel seit den ältesten Zeiten zum Fischereirecht der Danziger Fischer gehört.
Grenzstreitigkeiten zwischen den Danziger und den klösterlichen Fischern mögen die Hochmeister Dietrich von Altenburg und Ludolf König veranlasst haben, die Fischereigrenzen 1337 und 1342 genau festzulegen: „Auch sollen die Fischer, die zum Kloster gehören, auf dem Meere frei fischen können; von der Weichselmündung jedoch haben sie sich 20 Seile (rund 900 m) fern zu halten.“ Auch von der Sasper Kehle aus durfte keine umfangreiche Weichselfischerei betrieben werden. Hier auf der linken Weichselstromhälfte durften die Klosterfischer Grundreiser (Reusen) und Säcke aussetzen und zum linken Ufer hin auch mit der Wade (kleines Zugnetz) ziehen. Bis weit in das 19. Jahrhundert hinein lassen sich die nimmer ruhenden Streitigkeiten um das Fischereirecht zwischen den Klosterfischern von Brösen, Glettkau und Zoppot und den Fischern des Danziger Hoheitsgebietes verfolgen.
Die Mönche übten an der Ostseeküste von Glettkau bis zur nördlichen Mündung des Sasper Sees auch die Seefischerei aus, um der Klosterküche den geschätzten Lachs, Stör und Hering zu sichern. Es steht deshalb wohl fest, dass unter den sieben Dörfern, die 1178 dem Kloster geschenkt wurden, auch Fischersiedlungen gewesen sein müssen, und zwar scheint das damals genannte Stanowe auf eine Strandsiedlung hinzuweisen; steckt doch in diesem Dorfnamen das slawische Wort für Hafen und Reede.
Wie lange die Heringsstation von 1245 bestanden hat, ist nicht zu ermitteln; jedenfalls hat sie sich zu keinem größeren Unternehmen empor schwingen können und ist eingegangen, als der Meeresstrand mit seiner Neudüne den Sasper See endgültig abgeriegelt hatte; auch wissen wir, dass die Heringszüge in jenem Jahrhundert von der pommerschen Küste abwanderten. Jahrhunderte später lag dort eine bescheidene einhufige Erbpachtsiedlung, auf der 1696 Peter Becker als Erbpächter des Klosters saß. Einige Jahrzehnte später wird daselbst Iserhardt als Untersasse bezeichnet. Um 1800 besitzt die Familie Graff (Grawe, Grabe) den Hof, der gelegentlich auch Grabenhof genannt wird und von 1813 ab Martin Witt gehört.
Wenige Jahrzehnte nach Errichtung der Heringsfangstation, im Jahre 1279, taucht in einer pommerellischen Urkunde die Fischerstation Prussencino auf. Da das 1235 erwähnte Golustoho Glettkau sein soll und der Klosterbesitz an der Küste nordwestlich über Glettkau hinaus erst 1283 eine Erweiterung erfährt, so kann in diesem Prussencino nur das spätere Brösen gesucht werden. Es lässt sich dieser Siedlungsname ebenso ungezwungen wie für jene Zeit verständlich mit Preußensitz übersetzen; denn gerade in und um Danzig war die slawische Bevölkerung zur Zeit der pommerellischen Herzöge mit Preußen durchsetzt. Preußische Fischer waren es also, die sich auf der Neudüne „im Schatten eines Gehölzes“ schon vor 1279 niederließen. Erst 200 Jahre später taucht diese Siedlung wieder in einer Urkunde auf, nun aber unter dem Namen Bresin. 1480 nämlich überträgt der Abt Nicolaus das Schulzenamt und den Krug von Glottkow (Glettkau) dem Nikolaus Dzobeczko, der den Krug von seinen Vorfahren ererbt hatte. In dieser Schenkungsurkunde wird das in der Nähe liegende Fischerdorf Bresin erwähnt, das urkundlich später noch in folgenden Formen auftritt: Bresen, Briesen, Brzezno, Brziesno und Brösen. All diese Formen dürften wohl dem slawischen Wort für Birkenwäldchen (brzezina) entstammen.
Die Fischer, die sich in Brösen „zeither“ niederließen, waren gleichzeitig Häusler, wie sie in den Urkunden genannt werden, die eine ganz bescheidene Bauernwirtschaft, gewöhnlich zwei Pferde und eine Kuh, innehatten. War anfangs in weitem Umfange alles Land „Hütung“, „gemeine Weide“, also Allemende, Gemeinschaftsland, so wurde nach und nach, so wie die Zuzügler kamen, immer mehr Land unter den Pflug genommen und rückte damit zur Feldmark (Ackerland) auf. 1771 zählte Brösen 14 Liegenschaften, die in locker geschlossener Reihensiedlung auf der Neudüne lagen. Zum kleinsten Besitz gehörten fünf und zum größten Besitz 20 kulmische Morgen Ackerland. Neben der aufgeteilten vier Huben großen Feldmark gehörten zu den 14 Grundstücken noch 8 Huben „gemeine Weide“. Nirgends ist für die Brösener Häusler ein vom Kloster verliehenes Erbpachtrecht oder der Weiterverkauf eines solchen beurkundet. Trotzdem wirkten sich die Eigentumsverhältnisse zur besiedelten Scholle im großen und ganzen erbpachtrechtlich („emphiteutisch“) aus.
Nur einmal meldet die Chronik eine Art Besitzverleihung. „Michael Bialki in Brossen ist gesonnen, einen Krug zu errichten.“ In der klösterlichen Urkunde darüber heißt es bezeichnenderweise: „Da dies unserm Brauhaus erträglich ist, wollen wir selber Bitte Raum geben.“ Michael Bialki erhält zum Bau seines Kruges aus dem Olivaer Forst „16 Stück Holz“, hat einen jährlichen Zins von 16 Gulden zu entrichten, darf nur Klosterbier „verschenken“ und ist für sich und „seine Erben von allem Scharwerk befreit“. Im Frühjahr 1668 baut er seinen Krug auf. Die verhältnismäßig späte Krugniederlassung lässt Rückschlüsse auf die Armut der Brösener Bevölkerung tun. Denn Brösen war schon vor 1600 eine der größten Siedlungen zwischen der Weichsel und dem Grenzfließ. Es hatte 1771 194 Einwohner, war damals aber immer noch arm. „Dies Dorf ist bloß ein Fischerdorf und liegt am Strande; es gehört zur Abtei, und weil diese Leute arm sind und weiter nichts haben als ein Gärtchen bei ihren Häusern, so der Herrschaft gehören, so hat nichts weiter als die Personenzahl aufnotiert werden können. Die 14 Häuslinger als Fischer mit etwas Gartenland zahlen je einen Taler Schutzgeld, zusammen 14 Taler, und die 13 Mietsleute je 30 Groschen, zusammen 4 Taler 30 Groschen.“
Über weitere Lasten und über Kulturzustände Brösens kündet eine Bittschrift, welche die Fischer des Dorfes der Königin Luise überreichten, als diese 1798 in Oliva weilte. Die Fischer hatten vor 1772 „an das Kloster zu scharwerken“. Dazu hielten sie eine Magd, für welche sie sieben Taler Jahreslohn und sieben Sechser Kostgeld wöchentlich zahlen mussten. Vom Lachsfang war der Dezem, also der zehnte Teil, und vom Störfang die ganze Beute abzuliefern. Die Häuser, die dem Kloster gehörten, hielt dasselbe auch in baulichem Zustand. Zaunstrauch und Brennholz empfingen sie gegen einen Zins von neun Gulden jährlich aus dem Olivaer Forst. „Der Fang reichte oft nur zur Sättigung der Familie; bei gutem Fang wurden die Fische zum Verkauf in Küpen ausgetragen und ausgehökert. Als Fischerknechte stellten sie gelegentlich die Einlieger in Dienst.“ Wie das Kloster die Häuser in baulichem Zustand hielt, erhellt ein Bericht des Landesbaumeisters Müller vom Jahre 1782. Damals hatte Brösen zwölf Katen, und hinter jeder Kate steht in dem Bericht der Vermerk: „In geklebtem Fachwerk mit Strohdach, total baufällig.“ Mit 5 Talern 70 Silbergroschen wird die „fürnehmste“ und mit 2 Talern 18 Silbergroschen die geringste unter ihnen bewertet.
Die Katenleute (Einlieger, Mietsleute) saßen schon in frühesten Zeiten als Arbeiter in Brösen. Es bestand für sie eine Reihe verschiedenster Arbeitsmöglichkeiten, von denen zwei besonders erwähnenswert sind. Die nahe Weichselmündung erforderte als Tor zum Danziger Hafen seit jeher einen umfangreichen Kaper-, Treck- und Lotsendienst, dazu Bagger-, Schleusen- und Ballastarbeiten, wobei auch Brösener tätig waren. Manch einer der Arbeiter fand seine Beschäftigung wohl auch in den Hammerwerken und Mühlen am Strieß- und Glettkaufließ; worüber Theodor Hirsch schreibt: „Die Zahl und Mannigfaltigkeit der auf so kleinem Raum im 16. Jahrhundert hier angelegten Fabriken, der Eisen- und Stahlhämmer, der Aschbuden, der Korn-, Säge- und Ölmühlen war ebenso groß wie der zu ihrer Betreibung aus der Fremde herbeigezogenen Arbeiter.“
Ein Fabrikunternehmen wagte sich auch an Brösen heran. Franz Karl Deißel erhielt vom Kloster Oliva am 23. Juni 1769 zwischen Brösen und Glettkau ein Stück Sandland von 35 Morgen zur Anlage einer Salpeterfabrik zu emphiteutischem Recht verliehen. In der Zeit der künstlichen Abschnürung Danzigs (1772-1793) ist dies Unternehmen eingegangen. Die Ödländer dieser Liegenschaft wurden später von dem Gut Neuschottland mitbenutzt, dessen Rossweiden westlich davon lagen. Durch einen Übersetzungsfehler der lateinisch abgefassten Verleihungsurkunde wurde aus Salpeter St. Peter. Noch heute weiß man um die „Solpeterkot“, die bis zum Anfang des Weltkrieges dort gestanden hat, wenngleich eine Ideenverbindung mit der ehemaligen Fabrikanlage nicht mehr besteht. So wohnte von jeher neben der Fischerschaft eine Arbeiterbevölkerung, die sogar 1771 mit 118 Personen jene mit 78 Personen überwog. In jüngeren Jahren fuhren Arbeiter und Fischer aus aller Herren Länder Schiffe zur See, taten gelegentlich auch Kriegsdienst und ließen, zurückgekehrt, sich wieder auf ihrer Scholle nieder.
Die Belange der Fischer vertrat neben dem Schulzen der Fischerälteste; er sah vor allem darauf, dass die „Züge im Dorf blieben“. Der Strand war nämlich in Züge (plattdeutsch Tochs) eingeteilt. Zu jedem Fischereigrundstück gehörte ein Zug. In einem Rechtsstreit der Brösener Fischer heißt es 1834: „In dem Strandbezirk von Brösen sind jetzt nur noch 5 Züge vorhanden, weil der übrige Strand durch Verunglückung von Schiffen und Galeeren zur Fischerei unbrauchbar geworden ist. Wir haben nichts dagegen, wenn der neue Käthner von St. Peter die Fischerei in der See selbst treiben will, namentlich den Flunderfang, den Pomuchelfang mit Angeln oder auch den Heringsfang mit Manzen. Nur gegen die Anmaßung eines besonderen Zuges mit großen Netzen (Strandgarn) müssen wir protestieren.“ Die Züge haben heute keine fischwirtschaftliche Bedeutung mehr, wovon sich jeder, der solch einem Fischzug einmal beiwohnt, überzeugen kann. Die Züge leben im Volksmund noch als Flurnamen weiter: Steenertoch, Talgtoch, Roloffsche Toch. Die Strandzugfischerei brachte vor allem den Lachs und den Stör und Perpel ein. Ihr untergeordnet war die Zeisenfischerei (Zäs) mit den „Zäsekohns“. (Zeisenkähne; in Bodenwinkel kennt man heute noch Zeisenlommen.) Die Zeise ist ein Zugnetz zum Fischen in der offenen See. Erst an letzter Stelle stand das Fischen mit den Grundstellnetzen und Angeln, das der erwähnte Rechtstreitbrief streift.
3. Die Bauernhöfe der Sasper Heide und der Burau
In dem Sasper Gebiet, wozu die Vordüne, die Haffmulde und ein etwa 1 ½ km breiter Streifen der Talsandfläche gehören, erfolgte eine planmäßige Besiedlung verhältnismäßig spät. Das Kloster war Jahrhunderte hindurch unmittelbarer Nutznießer der Wiesen, Wälder und Rohrbestände, der Entenjagd und des Entengeleges. Die wenigen Kleinbauern, die in der Nähe des Sasper Sees saßen, hatten das Land als Zeitpächter oder gar Vorwerker inne, worüber keine Besitzrechtsurkunden ausgestellt wurden. Der erste sichtbare Wegweiser in jene Zeit ist eine Karte von Walter Clemens aus dem Jahre 1589. Ein etwa 600 ha großer Wald erstreckte sich damals von Zoppot bis zum heutigen Lazarettkirchhof. Drei mit Erlengestrüpp bewachsene Bruchstreifen zeigt die Karte zwischen dem Sasper See und der Weichsel. Besiedelt ist nur die Haffmulde mit vier Höfen, die verstreut in unmittelbarer Nähe des Sasper Sees liegen; auf der Neudüne zeigt sich, verhältnismäßig auffallend gezeichnet, das geschlossene Dorf Brösen.
Über die Besiedelung von Saspe unterrichtet eine Urkunde vom Jahre 1781. Am 4. April des genannten Jahres erscheinen sämtliche Erbsassen des Dorfes Saspe auf dem Amt zu Oliva zur Auseinandersetzung zwecks Erbpachtverschreibung. Nach der damals verfassten Urkunde „besaßen die 10 Bauern von Saspe 1 Hube ehemaliges Baggerland, 1 Hube 19 Morgen (Schulzenhube) erblich nach dem Privilegium vom 16. Februar 1632, 18 Huben 19 Morgen nach dem 30jährigen emphiteutischen Kontrakt vom 3. März 1711, 13 Huben 9 Morgen nach einem bereits 30-jährigen emphiteutischen Kontrakt vom 28. September 1747 und 9 Morgen ohne Kontrakt, zusammen 35 Huben und 6 Morgen“. Also erst 1632 wurden für die Sasper Bauern die ersten Grundbesitzverhältnisse geschaffen: Die Schulzenhube wird ausgegeben, und zwar an einen gewissen Papengut. Die Heide und die Haselau waren der an Oliva und Glettkau grenzende westliche Teil Saspes, der im Laufe des 17. Jahrhunderts gerodet und in Acker- und in Wiesenland verwandelt wurde. Während man die „Sasper Heide“ noch kennt, ist der Flurname Haselau im Volksbewusstsein nicht mehr vorhanden.
Weit früher als Heide und Haselau war der östliche Teil Saspes besiedelt, der mit der Bagger- und Schulzenhube 21 Huben und 13 Morgen umfasste. Diese 21 Huben gehörten zur Burau (Burausches, Burauerland). Der Name ist recht treffend: Eine Aue ist ein sumpfiges, wasserreiches Land, und die verlandete Haffmulde - das ist die Burau - könnte noch heute so mit Recht heißen, während die erste Silbe auf das niederdeutsche Wort Bur (Bauer) hinweist. Einst ist dies Burau also Dorfbezeichnung gewesen und taucht als solche 1604 zum ersten Male auf. Die Olivaer Annalen berichten von der 1604 erfolgten Einsegnung der Olivaer Jakobskirche und erwähnen in diesem Zusammenhange die Ortschaften, die damals zur Pfarrei von St. Jakobus gehörten: Strieß, Barnowitsch, Witstock, Zoppot, Glettkau, Saspe, Burau und Schmierau. In Burau lag auch die 1632 ausgegebene Schulzenhufe.
Lauental taucht 1728 als selbständiger Hof in Burau auf. Auf diesem Hofe ruhte das Recht, für Hausgenossen und zum „Haustrinken“ Bier zu kochen und Branntwein zu brennen; beide Getränke durften aber nicht auf klösterlichem Grund und Boden verkauft werden; denn das Kloster war selber Brauer und Brenner für sich und seine „geliebten Untersassen“. In der Goldbeckschen Topographie des Königreichs Preußen vom Jahre 1789 wird Lauental als königliche Pustkowie mit zwei Feuerstellen abgetan. Die schon erwähnte Chapellasche Karte hat für Lauental „Lewen Thal Hoff und Acker“ eingesetzt, und auch andere Pläne bringen diese Bezeichnung (Löwenthal, Lowenthal). Der Name ist Wegweiser in das niederdeutsche Sprachgebiet. In „lauen“ (lowen) steckt das altniederdeutsche Wort „low“, das soviel wie niedrig, seicht, auch kleiner Hügel bedeutet hat. So aufgefasst heißt Lauental seichtes Tal.
Neben Lauental gehörte noch die Baggerhube (auch Bacherhube) zur Burau, die auch der Vergessenheit anheim gefallen ist. Sie lag nördlich vom Roten Meer etwa 2.000 Schritte von der West- oder Baggerfahrt entfernt, deren Ausbaggerung von 1673 ab nachweisbar ist. Die Dünen- und Sumpf gebiete in der Nähe der Westfahrt, des Neuen Fahrwassers also, wurden mit den ausgebaggerten Schlicken und Sanden dieser neuen Weichselrinne eingeebnet und aufgeschüttet. So wurden auch 1769/70 die etwa 20 ha umfassenden „Sandberge“ zwischen der heutigen Fischerstraße und dem Brösener Bahnhof „planiert und mit Baggererde bedeckt“, wie eine Seetiefkarte berichtet. Bald darauf entstand auch die Baggerhube.
Im Gegensatz zu Brösen war Saspe mit seinen 20 Bauernhöfen, zu denen am Ende dieses Zeitabschnittes (1772) 118 Personen gehörten, ein reines Bauerndorf; auch die vier Einlieger waren im Besitz eines Pferdegespannes und trieben Landwirtschaft, waren gelegentlich wohl auch Fuhrhalter. Die 20 Bauern und ihre vier Mietsleute hatten nicht weniger hart ums Dasein zu kämpfen als ihre Brösener Nachbarn.
4. Kulturelle Zustände in den drei Klosterdörfern
Wie die nationale Schichtung der Bevölkerung beider Dörfer in den ersten drei Jahrhunderten der Klosterschaft ausgesehen hat, lässt sich nur durch Rückschlüsse feststellen. Zunächst war das Kloster Oliva 30 Jahre lang unter den pommerellischen Fürsten und Herzögen Pflegstätte deutscher Kultur. Die wenigen Slawen und Preußen, die hier saßen, vernahmen die christliche Lehre aus dem Munde deutscher Mönche, und von denselben Mönchen und den deutschen Ansiedlern, die in 130 Jahren - wenn auch nur vereinzelt - zuzogen, lernten sie eine bessere Feldbestellung und manch neues Acker-, Haus- und Fischereigerät kennen. Die deutsche Kultur erfuhr nun noch eine starke Steigerung, als 1308 der deutsche Ritterorden die Landesherrschaft auf das Danziger Gebiet ausdehnte. Es ist anzunehmen, dass am Ende der rund 150 Jahre dauernden Ordensherrschaft beide Dörfer in Sitte, Sprache und Brauch ein rein deutsches Gepräge aufwiesen; dies um so mehr, als gerade die Ordenszeit eine Zeit des Friedens, der Ordnung, der Ruhe und Sicherheit waren.
Schon sehr bald nach dem Thorner Frieden (1466) hatten die Polen versucht, das Kloster Oliva unter ihren Einfluss zu zwingen; aber Oliva wusste sich tapfer dagegen zu wehren, und so blieb es mit seinen Dörfern deutsch bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. Damals setzte infolge eines unsinnigen Abtstreites die Polonisierung des Klosters ein. Dieses wirkte sich aber wenig in jenen klösterlichen Dörfern aus, die durch ihre Nähe unter dem Einfluss des deutschen Danzig standen. Auch hatte das Kloster mit der Tüchtigkeit und Fähigkeit der deutschen Ansiedler die besten Erfahrungen gemacht. So blieben die Dörfer und auch Brösen deutsch.
In Saspe behauptete sich sogar der Protestantismus in Mehrheit, während er in Brösen gar nicht oder nur vorübergehend Fuß fasste. Auch das ist im Rahmen der großen Geschehnisse verständlich. Die Geschichte weiß nämlich von einem strengen Kirchenregiment, das 1593 mit dem Prior Philipp Adler einsetzte, zu berichten. So gründlich widmete er sich der Pflege des katholischen Kirchendienstes, dass auch die ketzerischen Untertanen des Klosters, nachdem sie schon 1593 bei allen großen Prozessionen sich hatten stellen müssen, seit 1606 durch die Androhung der Einziehung ihrer Güter mit wenigen Ausnahmen zum Übertritt bewogen wurden. So erklärt es sich, dass am Schluss dieses Zeitabschnittes (1772) nach einer Zählung durch den Delegierten des Bischofs von Woclawek im Jahre 1781 in Brösen 127 Katholiken und keine Protestanten vorhanden waren. Anders lagen die Verhältnisse in Saspe. Um 1600 nämlich setzte in Pommerellen wieder eine Gründungszeit deutscher Dörfer ein, und der darauf folgende Kolonistenstrom hat auch in Saspe seinen bescheidenen Niederschlag gehabt. Die neu angesiedelten Kolonisten, ob sie nun von Starosten oder Klöstern oder Großgrundbesitzern ins Land gerufen worden waren, erfreuten sich allenthalben einer gewissen Religions- und Sprachenfreiheit. So erklärt es sich, dass bei der oben erwähnten Zählung in Saspe 38 Katholiken und 54 (60 %) Protestanten festgestellt wurden.
Mit dem Lesen, Schreiben und Rechnen der Sasper Bauern und der Brösener Fischer und Einlieger war es bis um 1800 herum nicht weit her. Zwar wird in Oliva schon 1592 ein Ludimagister (Organist und Lehrer) erwähnt, auch wird in Glettkau bereits 1760 die erste Schule errichtet; wie wenig aber die Brösener und Sasper diese Schule behelligten, bezeugen immer wieder auftauchende Urkunden. So ist die ganze Erbpachtverschreibung der Brösener (1784) nur mit Kreuzzeichen versehen. Erst nach den Befreiungskriegen tauchen hier und da in den Urkunden die ersten namentlichen Unterschriften auf. Etwas günstiger liegen die Verhältnisse in Saspe. Dort weist die Erbpachtverschreibung eine Reihe von namentlichen Unterschriften (40 %) auf. Die Sasper scheinen einen gemeinsamen Hauslehrer gehabt zu haben; jedenfalls wird dort 1777 ein Lehrer Finkel erwähnt; aber ein Schulhaus ist nicht vorhanden. Obwohl die Gemeinden Brösen, Saspe und Lauental zum Bau und zur Unterhaltung der 1785 gegründeten Gnadenschule in Neufahrwasser beitragen müssen, heißt es 1788: „Aus Saspe, Brösen und Lauental geht kein Kind zur Schule.“ Das erste Schulgebäude für diese drei Gemeinden wird erst 1884 in Saspe erbaut; 1891 erhält Brösen und 1906 Lauental einen eigenen, zunächst gemieteten Schulraum.
5. Die Erbpachtverschreibung in den ehemaligen Klosterdörfen
Die erste Teilung Polens, die Westpreußen 1772 unter Friedrichs des Großen Zepter brachte, schuf auch für Brösen und Saspe neue kulturelle, wirtschaftliche und politische Verhältnisse. Am 1. November 1772 wurde die Aufhebung des Olivaer Klosterbesitzes ausgesprochen. Friedrich II. ordnete an, die geistlichen Güter Olivas der Staatlichen Domänenkammer zu unterstellen. Die Einnahmen derselben sollten nach Abzug der Unkosten je zur Hälfte zwischen Staat und Kloster geteilt werden. Mit dem 1. November 1772 schieden also auch Saspe und Brösen aus dem Klosterverband aus, dem sie rund 600 Jahre angehört hatten. Zunächst ging die Einwohnerzahl in Brösen um 35 Prozent und in Saspe um 28 Prozent zurück; es hängt dies einmal mit der wirtschaftlichen Abschnürung Danzigs und zum anderen - namentlich für Brösen - mit der neuen durch Friedrich den Großen ins Leben gerufenen Siedlung Neufahrwasser zusammen, die einige Arbeiterfamilien Brösens aufnahm.
Weit einschneidender als diese vorübergehende Abwanderung war für beide Dörfer die Erbpacht-Verschreibung, die nach vielen Verhandlungen 1784 ausgesprochen wurde. Die Zeitpächter in Brösen und die emphiteutischen Erbpächter Saspes wurden nunmehr freie Bauern und konnten auf ihren Grundstücken „schalten und waltern und sie auch veräußern wie sie wollten“. Auch der letzte „Scharwerks- und Burgdienst“ hörte auf. So schuf Friedrich der Große in Saspe und Brösen, was ihm Zeit seiner Regierung für seine ganzen Lande so sehr am Herzen gelegen hatte, einen freien Bauern- und Fischerstand. Und doch setzte in der Folgezeit in beiden Dörfern die Bodenspekulation ein, das Zusammenkaufen von Siedlungsstellen und Bauerngrundstücken, wodurch „auf der einen Seite Großgrundbesitz und auf der anderen Seite landlose Mietlinge und Instleute geschaffen wurden“. Zunächst schienen den Brösener und Sasper Bauern in der Folgezeit die Lasten zu hoch, wie Bittschriften und Klagen immer wieder zeigen. Wohl hatte Brösen nach 1784 einen Erbkanon (Erbzins) von 166 Talern jährlich aufzubringen; aber dafür war den Fischern ein freies Besitztum geworden; das Holz zur ersten Instandsetzung ihrer Wohnstätten wurde ihnen aus dem nahen Forst bewilligt. Wurden doch damals in Brösen die ersten Schurzbohlenhäuser erbaut! Noch günstiger - an den Abgaben vor 1772 gemessen - waren die Steuerlasten für Saspe. Dort hatten die 20 Bauern einen Domänenzins von 355 Talern und eine Kontribution von 138 Talern jährlich aufzubringen.
Durch diese Steuerunzufriedenheit und eine einsetzende Gewinnsucht wurden Haus und Hof, Grund und Boden nunmehr zum Gegenstand tüchtiger Geschäftemacher. Noch war die Erbpachtverschreibung nicht unter Dach und Fach, als sich in Brösen bereits die ersten Ansätze dafür zeigten. Der Accisenkontrolleur Gottfried Erdmann Geppelt erwarb 1781 die sogenannten drei herrschaftlichen Fischerkaten, zu denen 23 Morgen Land gehörten, worauf die Kruggerechtigkeit haftete. In den nächsten Jahren kaufte er noch weitere vier Fischergrundstücke auf, so dass er 1797 ein Anwesen von 61 Morgen Land, wozu noch ein Teil der gemeinen Weide von 134 Morgen gehörte, an Johann Martin Ulwich gewinnbringend weiter verkaufen konnte. So wurde Friedrichs des Großen soziales Wollen von einem seiner Beamten ins Gegenteil gewandelt. Aus sieben freien Besitzungen wurden sieben Mietlingsstellen, und mit welchem Fortschritt, das mag der Accisenkontrolleur selber sagen: Dagegen aber können selbige Katen mehrere Einwohner als vormals aufnehmen; wohnten anfänglich nur 8 Familien in 4 Katen, so ihrer jetzt 16!“ - Die zusammengekauften 195 Morgen des Geppelt sind im großen und ganzen das Mutterland des späteren Kurgrundstückes und des Brösener Wäldchens. Ulwich hatte den Besitz in der Voraussetzung erworben, dass die Separation (Aufteilung) der „Gemeinheitsweide“ bald erfolgen werde. Die Brösener Fischer aber, durch Geppelts Geschäftstüchtigkeit misstrauisch geworden, lehnten dieselbe ab. Inzwischen geriet Ulwich in Zahlungsschwierigkeiten; sein Grundstück kam unter den Hammer, und der Besitzer Neuschottlands, Amtmann Gotthilf Friedrich Dallmer, kaufte es für 3.000 Taler (12.000 Gulden). Auch seine Separationsverhandlungen scheiterten; 1804 tauschte er sein Gut (Neuschottland, Brösen und St. Peter) mit einem angenommenen Wert von 60.000 Talern gegen das Rittergut Melschitz im Kreise Lauenburg ein, das sich im Besitz des preußischen Majors Ernst Karl von Zieten befand. Zietens Separations- und Verkaufsverhandlungen - er hat seine Danziger Güter wohl nie gesehen - wurden durch den unglücklichen Krieg in den Hintergrund gedrängt.
Den übrigen sieben Brösener Grundstücken verblieb bis auf zweien noch Jahrzehnte hindurch der alteingesessene Fischerstamm, aber auch hier zeigte sich etwas Neuartiges: Der Brösener Häusler und Fischer gibt seinen Fischereiberuf auf und wird Kleinbauer und Fuhrhalter, während die ehemaligen Mietsleute Fischer werden. Brösen hat heute fünf Kleinbauern mit 56 Milchkühen.
Anders in Saspe. Hier wurde der bodenständige Bauer fast restlos verdrängt. So kaufte Hofrat Hellwig 1781 den Roten Hof, damals noch ein zweihufiges Grundstück im Heidschen, das unter diesem Namen bereits 1765 auftritt; Anna Regina Deysingen erwarb ihn damals, die „neumodschen“ Dachpfannen auf dem Wohnhaus trugen ihm den Namen ein. Hellwig verkaufte den Roten Hof bereits 1782 weiter an Philippine Zollkerksönß; diese veräußerte ihn wenige Jahre später an den Kaufmann Schöler; und so geht's in bunter Reihe weiter; aber nicht nur der Rote Hof, sondern auch alle anderen Höfe wechseln, manchmal in schnellem Aufeinander, ihre Besitzer.
Nach 1814 begann ein langsames Aufbauen dessen, was Napoleons Größenwahn zerstört hatte, begann aber auch wieder der gewinnheischende Grundstückshandel. So setzte Hans Ernst Karl von Zieten, Generalmajor und Befehlshaber der Besatzungsarmee in Frankreich (Sedan) und seit 1817 Generalfeldmarschall, Himmel und Hölle in Bewegung, um Neuschottland und die „Sandwüsteneien Brösen und St. Peter“ loszuwerden. 1818 endlich schlug er seinen Besitz an den preußischen Proviantinspektor Kriegsrat Johann David Jung (Jungstraße in Brösen) los, der 1820 „die Gemeinheitsauseinandersetzung“ (Separation) der zu seinen 61 Morgen gehörigen Hütung mit den Brösener Bauern durchsetzte, so dass sein Brösener Besitz nunmehr 195 Morgen groß und „gemeinschaftsfrei“ war. An die Aufteilung des übrigen Weidelandes sind die Bauern alsdann 1848 und an die des Dorfangers 1875 geschritten.
Wenige Jahre nach den Befreiungskriegen gingen auch die Bauern der Burau daran, „ihre zerstreut liegenden Ländereien aus dem Gemenge für jeden Hof zusammenlegen zu lassen, um ihr Land in wirtschaftlicher Hinsicht besser benutzen zu können, auch haben mehrere Besitzer (also nicht alle) im letzten Krieg ihre Gebäude verloren und wollten für dieselben eine schickliche Hof stelle aussuchen“. Die Separation erfolgte im September 1821. Wie die Brösener Chronik, so weiß auch die Burauer von einem, wenn auch bescheidenen Zusammenkaufen von Grundstücken zu berichten.
Weit mehr Bauerngehöfte verschlangen die entstehenden Güter Rot- und Weißhof.
Der Anfang des Gutes Rothof liegt in Glettkau. Hier kaufte der Kommerzienrat Friedrich Wilhelm von Ankum auch vor und nach der Erbpachtverschreibung verschiedene Bauern- und Fischeranwesen auf, die mit Frischwasser zusammen 20 Hufen 24 Morgen magdeburgisch umfassten. Auch hier waren aus sechs Grundbesitzern sechs Mietlinge geworden. Dies Ankumsche Anwesen und der Rothof in Saspe mit seinen vier Hufen neun Morgen gingen 1834 in den Besitz des Regierungsbaukondukteurs Adolf Ludwig Anders über. Der nunmehrige Gutsbesitzer Anders verkaufte es 1838 weiter, und die Gutsbesitzer Rothofs wechselten jetzt in rascher Folge: Jungfer, Warschau, Kaumann, Krüger, Thümmel! Im Jahre 1850 kommt Thümmels Besitz zur Zwangsversteigerung. Rothof wird von den Glettkauer Liegenschaften getrennt und taucht fortan wieder als selbständiger Hof auf. In den 40er Jahren sind östlich von Rothof fünf Bauerngrundstücke zusammengekauft worden. Dieser Besitz führte sehr bald den Namen „Gut Weißhof', das von 1846 bis 1855 nicht weniger als siebenmal seinen Herrn gewechselt hat: Der letzte Besitzer des Gutes Weißhof war Braunschwieg; er hatte die ganzen Sasper Ländereien zwischen Glettkau und der Brösener Chaussee an sich gebracht und sein Gut 1910 für 1.247.000 Mark an die Stadt Danzig verkauft. Weißhof ist jetzt ein städtisches Pachtgut von rund 2.000 Morgen Land.
6. Brösen - das älteste Seebad der Danziger Küste
Die Anfänge des Brösener Badelebens fallen in eine Zeit schwerer politischer und wirtschaftlicher Sorgen unseres Heimat- und Vaterlandes. Nach der Übergabe der Festung Danzig an die Franzosen im Jahre 1807 wurde General Rapp der ungekrönte König Danzigs. Auf den Dünen der Zietenschen Ländereien, dort, wo heute die Strandhalle steht, musste Danzig ihm und seiner Geliebten und seinem Gefolge 1808 ein Badehaus errichten, das 1810 prunkvoll erweitert wurde. Sein ärztlicher Ratgeber und Freund Dr. Haffner, der mit ihm von Kolmar im Elsass nach Danzig gekommen war, leitete damals das Badeleben der Fremdlinge. Über dies erste Bade- und Strandhaus hier an unserer heimischen Küste berichtet das Zoppoter Badeblatt von 1843 folgendes: „General Rapp ließ bei Brösen ein sehr schönes festes Gebäude dicht an der See aufführen; dasselbe wurde spurlos von einem Seesturm weggerissen.“ Da das ganze Dorf Brösen im März 1813 ein Raub der Flammen wurde, muss das Rappsche Haus bereits vor 1813 von der Sturmflut vernichtet worden sein.
Nach Abzug der Franzosen wurde hier von einigen wenigen Danziger Bürgern „tollkühn“ weiter gebadet. Der geschäftstüchtige Maurermeister Friedrich Bladau aus Neufahrwasser erwarb 1820 eine acht Morgen große Dünenparzelle aus dem Jungschen (vormals Zietenschen) Gelände, um hier noch in demselben Jahre ein Badehaus und eine „Gastlage“ zu errichten. Im ersten Winter des Jahres 1830 brannte diese Gastlage nieder.
Mittlerweile griff wiederum ein weltgeschichtliches Ereignis hier neugestaltend ein, nämlich die polnische Revolution von 1830/31, die sich gegen Russland richtete. Zur Sicherstellung der Heereslieferungen ließ der russische Staat allenthalben Verpflegungsmagazine errichten, solch eine Niederlage kam auch nach Brösen, wozu Bladaus Grundstück erworben wurde. Diese Niederlage erfuhr sehr bald eine Erweiterung durch eine Quarantäne, deren Errichtung zur Bekämpfung der Cholera nötig war. Die Kontumazanstalt, wie dies Unternehmen genannt wird, erforderte eine gute Verbindung mit dem nahen Hafen Neufahrwasser, und so ließ die preußische Regierung 1831 die feste Pflasterstraße, deren Bau 8.000 Taler kostete, zwischen Brösen und Neufahrwasser herstellen. Als Revolution und Cholera ausgetobt hatten, ging die Kontumazanstalt ein.
Um die neue Pflasterstraße vor dem Versanden zu schützen, ging man daran, das gesamte Dünengelände zwischen Neufahrwasser und Brösen aufzuforsten. Schon 1829 hatte die preußische Regierung das Aufforsten dieses Geländes in die Wege geleitet, um eine Molenversandung und einen neuen Weichseldurchbruch zu verhüten. Zu diesem Zweck waren 68 Morgen aus dem Jungschen, nunmehr staatlichen Gelände, abgetrennt worden. Somit ist das Brösener Wäldchen in der Zeit von 1829-1831 angelegt worden.
Die Gebäude und die acht Morgen Land der Kontumazanstalt gingen 1832 in den Besitz des Gastwirtes Wilhelm Pistorius aus Legan über. (Pistoriusstraße in Brösen.) Die Gebäude bildeten den Grundstock zu dem neuen Badeunternehmen des Pistorius. Über die Eröffnung berichtet eine Anzeige des „Danziger Dampfboots“ vom 29. Mai 1833: „Von einem großen Theile des Publikums lebhaft dazu ermuntert, entschloss ich mich zum Ankauf und zur Instandsetzung des vorteilhaft bekannten Badeortes Brösen. Weder Kosten noch Mühe scheuend, ist mein Unternehmen jetzt so weit gediehen, dass ich bereits künftigen Sonnabend, den 1. Juni, die warmen Bäder eröffnen werde. Bequemlichkeit und Eleganz bei Anlegung der Bäder, unter welchen sich auch von ovaler Fasson eine zinnerne, höchst zierlich gearbeitete Badewanne befindet, war mein Hauptaugenmerk, und lässt mich hoffen, mir den Beifall der verehrten Badegäste zu erwerben.
Der Weg nach Brösen war bisher von beschwerlicher Art. Jetzt aber führt von Fahrwasser (Neufahrwasser) aus, links der Kirchhöfe vorbei, und gerade an der Stelle, wo die Schuitenböte beim Übersetzen anlegen, eine freundliche Chaussee bis nach Brösen hin. Der Weg beträgt nur eine kleine Viertelmeile. Der Fuhrmann Herr Kupfer am Vorstädtischen Graben hat sich bereit erklärt, bei erfolgender Teilnahme des Publikums eine moderne Journaliere von Danzig nach Brösen und von dort zurück zu beschaffen. Die erste Journaliere dieser Art wird künftigen Montag, den 3. Juni, nachmittags 3 Uhr, von Herrn Kupfer, wo die Billets zur Mitfahrt à 7 Silbergroschen zu haben sind, abgehen. Späterhin werden bei zahlreicher Teilnahme des Publikums wie bei der Fahrt nach Zoppot ein Abonnement mit billigeren Bedingungen bei dieser Journaliere stattfinden. - Die Badepreise sind folgende: Für ein warmes Bad 10 Silbergroschen. 1 Dutzend Billets 3 Reichsthaler. Für ein Budenbad am Strande 2 ½ Sgr. 1 Dutzend Billets 24 Sgr. Der Seestrand der Badeplätze ist sorgfältig untersucht worden und jetzt als vorzugsweise zu empfehlen. Die Badebuden sind mit allen erforderlichen Bequemlichkeiten versehen. Das Gasthaus im Badeort ist von mir zur Aufnahme der einkehrenden als auch logierenden Gäste den Zeitanforderungen und feineren Bedürfnissen genügend eingerichtet worden. Ebenfalls ist für gute billige Speisen und Getränke gesorgt. Der große Garten ist mit neuen Anlagen, schönen Balustraden etc. geschmückt.“ . . .
Die Verkehrsverbindung von Danzig nach Brösen war damals durchaus zeitgemäß. Von den Journalieren (Vorläuferin der Kremser) und Treckschuiten hörten wir bereits. Seit 1841 gab es daneben schon eine bescheidene Dampferverbindung für den Personenverkehr von Danzig nach Neufahrwasser, wenn von dem ersten Versuch einer Zoppotfahrt im Jahre 1827 abgesehen wird. Zwei baumlose ungepflegte Landstraßen liefen vor jenen 100 Jahren durch und nach Brösen: die eine von Danzig über Legan, Lauental nach Brösen und die andere von Neufahrwasser über Brösen, Eckhof, Rothof nach Oliva. 1833 wurden auf Betreiben des rührigen Pistorius diese Straßen durch Kiesschüttungen und Ballasterde befestigt. 1839 schuf Danzig eine unmittelbare Verbindung nach Brösen durch eine neue Landstraße, die von der Großen Allee abzweigte und über Neuschottland und Eckhof verlief. In den 40er Jahren „geriet diese in einen Zustand, dass sie nicht befahren werden konnte“, und erst im „Hungerjahre 1848“ führte die Stadt Danzig, um der arbeitslosen Bevölkerung Gelegenheit zum Verdienst zu geben, diese Landstraße mit Hilfe des von der Regierung überwiesenen Drittels der Mahlsteuer zu Ende. Sie wurde noch viele Jahrzehnte hindurch im Volksmunde „Hungerchaussee“ genannt. Erst 1874 erhielt sie „die fast überall fehlenden Bäume“. Von großer Bedeutung für die Entwicklung des Badeortes Brösen war die Eröffnung der Eisenbahnlinie Danzig - Neufahrwasser im Jahre 1867. Von nun ab „reichte an schönen Sommertagen der Bahnsteig auf dem alten Bahnhof vor dem Hohen Tor kaum aus, um die endlosen Züge aufzunehmen, welche zur Beförderung der Menschenmassen nach Brösen erforderlich waren“.
Der immer rührige Gastwirt Pistorius hat alles getan, um sein Badeetablissement, wie es damals hieß, zum angenehmen Aufenthaltsort zu machen. 1838 ließ er eine sogenannte Belvedere errichten. 1840/42 entstand ein Logierhaus mit 40 Zimmern, einem Saal und einem Warmbad, ebenso wurde ein gutgepflegter Kur- und Gesellschaftsgarten angelegt. „Entzückende Badefeste wurden in den 40er, 50er und 60er Jahren am Strande abgehalten.“ Brösen war damals das Bad der vornehmen Welt Danzigs. So wurden die großen Pferderennen, die damals auf dem heutigen Flugplatz stattfanden, gewöhnlich mit einem Gemeinschaftsessen im Brösener Kurhaus beendet.
Die Erben des Pistorius (der Schwiegersohn Legat und zwei Töchter) verkauften das Badeetablissement mit seinen 36 ha Land für 129 000 Mark an Kulling. (Kullingstraße in Brösen.) Wie Pistorius, so war auch Kullings Sorgenkind die alleweil hinkende Verkehrsanbindung nach Brösen. Auf eigene Kosten errichtete Kulling 1889 eine Pferdebahn von Brösen zum Brösener Bahnhof, die aber bereits nach zwei Jahren dem alten Kremserbetrieb wieder Platz machte. 1892 - in diesem Jahre wurden in Brösen 39.000 Bäder genommen - brannte das alte Kurhaus nieder; ein neues entstand, das mit seinen, Sonne und Licht erstickenden Verandengängen die heutige Zeit nicht mehr zu begreifen vermag. Der Anbau des Kurhauses ist einige Jahre älter und rückt von dem dörflichen Fachwerkstil ein erhebliches Stück ab. Nach neunjährigem Besitz veräußerte Kulling sein Badeetablissement an Höcherl, den Besitzer der Kulmer Höcherlbrauerei, behielt aber den Landbesitz. 1900 entstand der damals 100 m (jetzt 200 m) lange Seesteg und die Strandhalle auf der Düne vor dem Kurhause. Im August 1900 wurde auch die Straßenbahn von Danzig über Neufahrwasser nach Brösen in dem Teil Brösen - Neufahrwasser eröffnet und mit dem Bau der Straßenbahnlinie Brösen - Langfuhr begonnen. So kann man heute mit der Straßen- und Eisenbahn und in den Sommermonaten auch mit dem Dampfer, der am Seesteg und seit 1935 auch an der Westmole anlegt, Brösen erreichen. In diesem Zusammenhang sei auch die 1934 neu erbaute Kaipromenade erwähnt, die vom Brösener Wäldchen bis zur Westmole führt und durch deren Anlage es jetzt möglich ist, die Strandpromenade von der Landesgrenze in Zoppot bis Heubude in ihrer Gesamtlänge von 18 km in frischer Wanderung zu durchmessen.
Am Ende des 19. Jahrhunderts zog die Fischersiedlung Brösen ihr schlichtes Dorfkleid aus; die letzten Strohdächer fielen, die ersten Villen wurden erbaut, und Kaufleute, Beamte, Angestellte und Leute freier Berufe schlugen in Brösen ihren Wohnsitz auf.
1905 ging Höcherls Besitz an Grabow über, der es 1910 für 500.000 Mark an die Gemeinde Brösen verkaufte.
Ein neuer Abschnitt in der Entwicklung des Brösener Badelebens begann 1914 nach der Eingemeindung Brösens. Eine Badeanstalt mit einladenden Gasträumen wurde erbaut, und die gärtnerischen Anlagen westlich der Strandhalle entstanden. Die neue Badeanstalt musste bereits im Sommer 1914 auf Befehl der Kommandantur wieder abgebrochen werden: Der Große Krieg griff auch hier gebietend ein. Erst 1919 wurde die jetzige Badeanstalt erbaut; sie besitzt die moderne Dreiteilung: Herren-, Damen- und Familienbad und hat 328 Zellen, die aber an schönen Sommertagen kaum ausreichen, um all die vielen Badelustigen aufzunehmen; bereits 1926 wird die Badeziffer 100.000 überschritten.
7. Das Großgewerbe erobert die ehemaligen Klosterdörfer
Weit mehr als der anwachsende Badebetrieb griff das Großgewerbe, das um 1870 seinen Einzug in den unteren Weichselabschnitt hielt, in die Siedlungsgeschichte Brösens und Lauentals ein. Zwar haben die Fabrikanlagen, die sich in das östliche Randgebiet wagten, daselbst nie festen Fuß zu fassen vermocht. Schon des Müllers Mollin Wind- und Grützmühle, die derselbe 1788 auf dem Brösener Freiland an der Weichseldurchbruchstelle erbaut und bald an den Mühlenmeister Peter Boschke aus Chapielken für 3.000 Gulden verkauft hatte, brannte 1807 nieder, ohne wieder neu zu entstehen. 1836 beabsichtigte der Stadt-Chirurgus Wirtschaft im Brösener Freiland einen Kalkbrennofen zu errichten, wozu ihm nach einem zehn Jahre dicken Aktenberg die Erlaubnis erteilt wurde. Ein halbes Jahrhundert hindurch hat der Ofen die graugelben Massen des Ätzkalkes hergegeben. Ende der 70er Jahre errichteten Wirtschaft und Barg die ersten Petroleumschuppen, die 1935 abgebrochen worden sind. Zu den gewerblichen Großbetrieben, die in den Jahren der sogenannten Hochkonjunktur (1869-1873) in und um Danzig errichtet wurden, gehörte auch das Eisenwalzwerk „Marienhütte“, das 1872 auf Wirtschaftschem Gelände nach dem Vorbild des Elbinger Walzwerkes erbaut wurde, nach vier Jahren aber bereits seinen Betrieb als nicht einträglich einstellen musste. Eine Stärkefabrik hat's dort noch um 1900 zwei, drei Jahre lang versucht und bald in der Nachkriegszeit eine vorbildlich eingerichtete Sägemühle, deren schrilles Gatterlied aber schon nach einem Jahr zu Ende war. Jetzt wird die Straße auf der Südseite durch eine Reihe zusammenhängender unfreundlicher Speicher und auf der Nordseite durch das hohe Eisengitter des Freihafens eingesäumt. Das 700 m lange Hafenbecken dahinter, das 1871 bis 1879 angelegt und 1899 zum Freihafen erklärt wurde, ist Anlegeplatz für aller Herren Länder Schiffe. In jener Zeit wurde Danzig führend auch im Zuckerhandel; von den beiden Zuckerraffinerien, die diesem neuen Handelszweig gerecht wurden, kam die größere 1891 nach Neufahrwasser. Oft genug beschäftigte sie 2.000-3.000 Arbeiter. Seit 1890 hämmert auch die Schichauwerft den flotten Trommelmarsch der Arbeit. Aus der Waggonfabrik, die 1898 erbaut worden ist, kommen jährlich 800 blitzblanke Wagen für die Eisen- und Straßenbahn, und seit 1901 lärmt auch unermüdlich die Schrauben- und Nietenfabrik. All diese neuen Arbeitsstellen geben einem stattlichen Heer von Arbeitern ihr tägliches Brot. Die neuen Arbeitermassen ziehen in die Vororte Danzigs. Immer wieder erhalten Brösen und Lauental in jenen Jahrzehnten Zuzug, vornehmlich aus den Kreisen Danziger Höhe, Karthaus und Neustadt. Folgende wenige Zahlen mögen für sich sprechen:
Einwohner im Jahre 1871 1910 1934
Brösen............. 249 2500 3400
Lauental und Saspe. 383 3150 3140
Hierbei sei noch bemerkt, dass nur der östliche Teil von Saspe, also Lauental, zur Arbeitersiedlung geworden ist.
Durch das Versailler Diktat sind all die genannten Unternehmen eingegangen oder doch erheblich verkleinert, sodass die Großgewerbsarbeiter und Stauer von einst anderswo ihr Brot verdienen müssen.
8. Eine Strandwanderung durch Brösen
Wir kommen mit einem Dampfer der „Hafenrundfahrt“ von Danzig her und steigen an der Westmole aus, um von dort aus Brösen zu Fuß zu erreichen. Jenseits der Weichsel, die hier im unteren Teil die Bezeichnung Hafenkanal führt, grüßt die nunmehr seit Jahren vereinsamte Westerplatte, die 1925 polnischer Munitionshafen wurde. Der stille Strand daselbst ist jetzt Sammelplatz für ungezählte Scharen von Möwen. Ein wenig verdeckt wird der Strand von der 830 m langen eis- und brandungsfesten, in dieser Stärke und Länge 1824-1844 erbauten Ostmole, die den trutzigen Leuchtturm trägt und darüber hinaus nach Norden zu auf die acht Einfahrtstonnen zum Hafen weist.
Wir schlagen nunmehr den festen Strandweg nach Brösen ein; er besteht seit 1935; links gibt uns ein riesiger Eisenzaun, rechts eine Steinböschung eine Weile das Geleit. Die vielen tausend Granitfelsen dieser Strandbefestigung sind ebenso wie die Steine der Westmole (1837) und die der Ostmole in langjähriger Taucherarbeit aus den Tiefen vor der Adlershorster Steilküste geholt. Der eiserne Zaun umschließt das Gebiet des Freihafens.
Sehr bald nimmt uns das Brösener Wäldchen auf, das dem Vogel- und Pflanzenkundigen allerlei zu bieten vermag, das auch genug der schönen Plätze und der gepflegten Wege aufweist. Allenthalben sehen wir die Trümmer der 1919 gesprengten Befestigungswerke, die aber durch Bäume und Sträucher, durch Tief- und Hochwege geschickt verdeckt sind und dadurch gerade dem Wäldchen ein eigenartiges Gepräge geben. Auf der kleinen Hochebene der Strandbatterie steht das Ehrenmal für die 822 Gefallenen des Fußartillerie-Regiments Nr. 17. Auf historischer Stätte ist des Ehrenmals 15 m hohe schlanke Säule, die als Sinnbild eine vergoldete Kugel trägt, errichtet worden. Seine Einweihung fand durch den letzten Friedenskommandeur des 17. F.-A.-R., General Gravenstein, am 3. September 1925 statt.
Unser Weg führt uns jetzt an der Badeanstalt vorbei; linker Hand staunen wir zu der 20 m hohen Leuchtbake empor, deren Blinkfeuer sich mit dem Feuer der 300 m südlich stehenden 40 m hohen Bake decken muss, wenn die Schiffe die Einfahrt zum Danziger Hafen richtig angepeilt haben.
An der Strandhalle vorbei kommen wir ins eigentliche Fischerdorf. Die vielen Steeken und Stangen mit den Manzen und Garnen, den Zeisen und Hamen, die stattliche Reihe der kleinen und großen Kähne, die Koppersteine und Ballastsäcke, die Anker und Dragger, die Bojen und Baken, die Sicken und Drehböcke: All das deutet genugsam die Fischersiedlung an. Und wer hinlauscht, wenn unsere Fischer sich in ihrem prachtvollen Plattdeutsch vom Kohstorm on Kurische Wind, vom „Heiige Borm oppem Plinzeborg“ (einer der vielen Richtungspunkte beim Fischen), vom Schnorrmächel on Seedievel (Fische), vom Dworschleeper on Reppschnieder (Strandkrebs und baltische Klappenassel) erzählen, und wer sie beim Beeten (Netzknüpfen) und ihrer Reeperbahn beobachtet, und wer da sieht, wie sie noch nach den alten Längenmaßen Leeper, Fodem on Rood messen: der muss wohl zugestehen, dass uns hier ein uralter deutscher Wortschatz, eine uralte Handhabe des Fischerhandwerks in Liebe und Treue, in Blut und Bodengebundenheit über viele Jahrhunderte hinweg bewahrt worden ist.
Und nun zum Dorf hinaus und auf dem Strandweg nach Glettkau zu; aber mit Weile geeilt! Denn Brösen hat eine Reihe guter Gaststätten, in denen Leib und Seele mit Speis und Trank, mit Freundlichkeit und Unterhaltung aufs allerbeste bewirtet werden.
Auf der Strandpromenade schauen wir noch einmal zurück. Brösen hat hier nach Westen zu ein recht freundlich-dörfliches Aussehen. Bäume, Sträucher und Hecken umgeben und überschatten die Häuser, Katen und Ställe, und alles überragt die schmucke St.-Antonius-Kirche, die nach den Bauplänen des Professors Dr. Fischer 1922 erbaut worden ist. Die Steine zum Kirchbau gaben die geschleifte Dorf- und Strandbatterie her; die altersehrwürdigen Altäre kamen aus der Josephskirche zu Danzig; die Kirchglocken waren zu Schiffsglocken bestimmt, worauf die große Glocke mit ihrer stolzen Inschrift „S.M.S. Graf Spee“ hinweist; die Orgel hat einst im Langfuhrer Lehrerseminar gestanden; und die Arbeiter und Fischer der Gemeinde bauten ihr Gotteshaus in ihrer arbeitsfreien Zeit auf: So hat die junge Kirche jetzt schon ihre anziehende Geschichte.
An der Strandpromenade von Brösen nach Glettkau ist ein Volksbad entstanden. Die städtische Kur- und Seebäder-Verwaltung ist unentwegt bemüht, hier dem Volke eine Stätte der Erholung, der Gesundung und der Freude zu erschließen. Im Frühjahr 1935 wurde die Ostseestraße zu einem festen, bequemen Fußgänger- und Radfahrweg ausgebaut, der im Sommer täglich von Tausenden und aber Tausenden benutzt wird, und im Jahr 1936 ist man bereits wieder zu einer weiteren umfangreichen Aufforstung geschritten: Der alte Wald des 16. Jahrhunderts wird in Jahr und Tag wieder wie einst von Zoppot über Glettkau nach Brösen erstehen.