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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wo waren die Zentren der jüdischen Einwohner von Danzig???



Familie Lowitsch
13.10.2009, 13:31
Wo waren die Zentren der jüdischen Einwohner/Kultur von Danzig und was ist davon übrig?
Insbesondere interessiere ich mich für Bildungseinrichtungen wie Schulen und Bibliotheken.
Wie war die jüdische Gemeinde angesehen? War sie Bestandteil der Danziger Kultur oder doch eher gelitten?
Suche dringend Hinweise auf Qellen zu diesen Themen!

schlafengehen70
13.10.2009, 16:44
Liebes Kücken.

Von 1936 bis 1939 war mein bester Klassenkamerad in der Schlageterschule in Langfuhr sicher ein Jude. Aber das merkten wir erst als er uns schnell verlassen mußte. Er bracht sein Spielzeug noch zu uns nach hause. Er war der Kleinste in der Klasse und ich saß neben ihm auf der Schulbank. Mehr kann ich nicht auf Deine Frage beantworten.
Viele Grüße von Klaus aus Belgien.

Familie Lowitsch
13.10.2009, 17:03
Dankeschön:)

Marc Malbork
13.10.2009, 17:25
Zitat:
Suche dringend Hinweise auf Qellen zu diesen Themen!

Einfachheitshalber über ZVAB:

http://www.zvab.com/advancedSearch.do?title=Bericht+an+meine+Familie&author=Lichtenstein

http://www.zvab.com/refineQuickSearch.do?anyWords=Ausstellung+kult*+da nzig+j%FCdische+&lastXDays=-1

ada.gleisner
13.10.2009, 19:29
Liebe Familie Lowitsch,
aus dem Buch "Danzig 1939 - Schätze eine zerstörten Gemeinde" entnehme ich unter dem Abschnitt "Die Danziger Judenschaft: ein historischer Überblick", daß es bis zum letzten Drittel des 18. Jahrh. in Danzig selbst keine jüdische Gemeinde gab. Der Rat der Stadt hat es nicht gestattet. Nur zu Markttagen konnten jüdische Händler eine Aufenthaltserlaubnis zum Betreten der Stadt bekommen. Es gab aber schon länger jüd. Gemeinden in Altschottland und Hoppenbruch, beide Orte gehörten wohl nicht zum Stadtbezirk. Auch die Intervention der polnischen Könige konnte den Rat der Stadt nicht überzeugen. Erst nachdem Danzig dem Königreich Preußen zugeschlagen wurde, konnten sich jüdische Gemeinden in der alten Hansestadt etablieren. Es gab 5 jüdische Gemeinden ca. ab Mitte des 19. Jahrh. : Altschottland, Weinberg, Langfuhr, Danzig-Breitgasse und Danzig-Mattenbuden. Ich empfehle bei Interesse sehr, sich das o.g. Buch evtl. über den Antiquitätenhandel zu besorgen, da es viele interessante Aufsätze und Details über die Danziger Juden enthält. Mit lieben Grüßen von Ada

Familie Lowitsch
13.10.2009, 20:32
Dank dir Renate!

Ich empfehle bei Interesse sehr, sich das o.g. Buch evtl. über den Antiquitätenhandel zu besorgendas wird schwierig, hier im Wald, aber nichts ist unmöglich!!!;)

danli, + 23.01.2015
13.10.2009, 21:33
auch in Zoppot gabes eine juedische Gemeinde wenn ich richtig unterrichtet bin.Auf dem juedischen Friedhof in Zoppot sind meine Grosseltern begraben.Grossvater war Mitglied im Stadtrat von Zoppot.
ich schlage auch vor , dass Ihr den Pomuchel fragt. Vielleicht kann er Euch mit weiteren Auskuenften helfen.
Danli

badenia
13.10.2009, 21:54
Hallo
Ich habe ein Buch vor mir, leider in Polnisch: Żydzi znad Gdańskiej Zatoki von Hanna Domańska und Leon Lifsches. Eine sehr interessante Lektüre. Hier werden mehrere Geschichten von bedeutenden jüdischen Familien aus der Dreistadt dargestellt. Hinzu kommen noch Fotos von einigen jüdischen Einrichtungen in Langfuhr, Danzig, Zoppot und Gdingen. Auch wenn man der Sprache nicht mächtig ist lohnt es sich dieses Buch zu erwerben. Namenverzeichnis gibt es übrigens auch.
Wenn ich mehr Zeit habe kann ich die für Euch interessanten Infos vielleicht auch hier finden.
Grüße
Marek

Wolfgang
13.10.2009, 22:26
Schönen guten Abend,

es gab eine seit langen Zeiten in Danzig und seinen Vororten/Stadtteilen lebende deutsch-jüdische Bevölkerung, die voll integriert war. Es waren Deutsche jüdischen Glaubens. Verstärkt nach dem I.Weltkrieg und seinen Pogromen im Osten kam es zu einer Massenflucht von Juden Richtung Westen, Richtung Amerika, die teils über Danzig erfolgte. Insgesamt sind über den Danziger Hafen mehr als 60.000 Juden ausgewandert. Manche dieser aus dem Osten kommenden Juden blieben in Danzig ohne dort Fuß fassen zu können und ohne dort integriert zu werden. Das alte Danziger Judentum war gutbürgerlich, häufig auch sehr wohlhabend. Die Neuankömmlinge wurden von den alteingesessenen Danziger Juden unterstützt.

Es gab keine jüdischen Stadtviertel, keine jüdischen Ghettos. Die Danziger Mitbürger jüdischen Glaubens lebten überall, in der Stadt, in Langfuhr, in Zoppot.

Die einzige "Konzentration" Danziger Juden fand 1939 kurz vor Kriegsausbruch in der Milchkannengasse 25/26 statt, wo zwangsweise ein Altersheim eingerichtet wurde.

Wolfgang
14.10.2009, 00:03
Noch ein kleiner Hinweis:

Unter http://forum.danzig.de/showthread.php?t=3828 sind Infos zu Dokumentationen über Danziger Juden zu finden.

Ganz besonders möchte ich aber auch empfehlen das Buch des früheren Danziger Lehrers Samuel Echt: "Die Geschichte der Juden in Danzig", das umfassende und sehr detaillierte Informationen über die Danziger Juden aufzeigt. Leider ist auch dieses Buch nur mehr antiquarisch zu erhalten.

Dietrich
14.10.2009, 09:14
Guten Morgen Wolfgang,

dieser Hinweis auf die Milchkannengasse 25/26 weckt mein Interesse, da meine Großeltern im Haus Nr. 25 gelebt haben sollen. Wo kann ich mehr über das jüdische Altersheim erfahren? in dem genannten Buch v. Samuel Echt oder gibt es noch andere Quellen?

Schönen Gruß

Dietrich

Wolfgang
14.10.2009, 22:27
Schönen guten Abend,
hallo Dietrich,

beim Altersheim handelt es sich um das sogenannte "Aschenheim-Stift". Auf Seite 228 des Buches "Die Geschichte der Juden in Danzig" heißt es u.a.:
======
... und es gelang ihm, mit der entgegenkommenden Hilfe des Vertreters des Judenhkommissars, Dir[ektor] Bittner, innerhalb der gewährten Frist ein stattliches Heim in der Milchkannengasse 25-26 zu schaffen. Bittner beschlagnahmte das einer Frau Luchsenberg in Warschau gehörende Grundstück [Milchkannengasse 26] und kündigte den Einwohnern (Juden wie Nichtjuden) mit sofortiger Wirkung. Dieses Mal konnte der Judenkommissar der Gemeinde auch großzügige Hilfe - auf Kosten der Juden - leisten [...]; er bewilligte aus beschlagnahmtem jüdischen Vermögen großzügig die Kosten des Um- und Ausbaus. Mit einem Aufwand von 96.000 Gulden wurde das zum Teil völlig verwahrloste Grundstück instandgesetzt; 70 Räume wurden ausgebaut und zum größten Teil möbliert, sechs Badezimmer eingerichtet, ein würdiger Betsaal sowie ein rund 100 Personen fassender Speisesaal erstellt. Hier fanden 124 Menschen ein Heim, das unter den obwaltenden Umständen alle Erwartungen übertraf.

Am 26. August [1939] fand mit 42 Insassen der Umzug des Altersheimes vom Heumarkt nach der Milchkannengasse statt, und schon am 1. September war das neue Heim mit 150 Personen voll besetzt [...]
=====

Das alles hört sich sehr nüchtern an, aber die Begleitumstände waren tief erschütternd. Den über 65 Jahre alten Danziger Juden war die Möglichkeit verwehrt auszuwandern, und so wurden sie in diese beiden Gebäude gepfercht. Wer die alten Einwohnerbücher anschaut, weiß dass dort zuvor (und auch danach) viele Mietparteien lebten, aber 150 Menschen war schon sehr sehr hohe Zahl.

Milchkannengasse 25 scheint aber nur teilweise als Altersheim verwendet worden sein, denn das Einwohnerbuch 37/38 weist etliche Mieter auf die auch im 42er-Buch stehen (wobei jüdische Namen "verschwunden" sind). Haus Nr. 26 war 1942 offensichtlich fast leer - als "Bewohner" wird jedoch noch die "Aschenheim'sche Stiftung "Altersheim"" genannt.

Und doch gab es Danziger Amtsträger die im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles taten, um ihren jüdischen Mitbürgern zu helfen (so z.B. der bereits erwähnte Direktor Bittner, aber auch der nachfolgend genannte Robert Sander, der in seiner Funktion als Sachbearbeiter im "Ausschuss zur Förderung der jüdischen Auswanderung" viel Gutes unternahm.

Sander berichtet in dem Buch (auf Seite 241/242):
=====
"Uns wurde (1940?) mitgeteilt, dass das soeben mit vielen Kosten erweiterte Aschenheimstift in der Milchkannengasse für Privatwohnungen gebraucht wird... Nun war guter Rat teuer. Der Bau einer Barackensiedlung hätte zu lange gedauert; so entschied man sich für einen großen Speicher auf der Speicherinsel am unteren Ende der Mausegasse. Es war ein mächtiger alter Bau mit meterdicken Wänden, mit fünf Geschossen, für die Ewigkeit gebaut; mit dicken, noch mit der Axt behauenen Eichenbalken, mit vielen kleinen Fenstern - mehr Luken - nach allen Seiten. Wenn man hinausschauen wollte, musste man mit dem halben Oberkörper in die Luke kriechen. Der Speicher, der Wasserleitung, Kanalisation, Gas - und elektrischen Anschluss besaß, wurde mit ziemlichem Kostenaufwand, ich glaube 30.000-50.000 Gulden, zum Ghetto hergerichtet. Zwei Eingänge führten auf lange, dunkle und niedrige Korridore, an denen auf beiden Seiten die Zimmer lagen. [...] das Haus blieb kalt und düster. Man sah später die Einwohner nur in Mänteln... Das war das letzte Aschenheim-Stift; es lag still für sich. In die enge Mausegasse kam so leicht kein Danziger...
Am 1. März 1941 wurden 395 Juden aus Danzig nach Warschau deportiert, sodass in Danzig nur noch knapp 200 Juden verblieben. Auch dieser kümmerliche Rest der einst stolzen Gemeinde ist deportiert worden, größtenteils nach Theresienstadt.
=====

Als ich nun in dem Buch recherchierte überkamen mich Beklemmungen und Trauer. Es werden hier Fakten aufgezeigt, es wird über Menschen berichtet, deren Tod von Deutschen systematisch geplant und durchgeführt wurde. Es waren Danziger Mitbürger von denen Viele ein gewaltsames und tödliches Schicksal erlitten.

Dietrich
15.10.2009, 14:53
Hallo Wolfgang,

zunächst einmal vielen Dank für die detaillierten Zitate aus dem Buch v. Samuel Echt und die damit verbundene Mühe beim Recherchieren.

Die Schilderungen stimme in der Tat sehr traurig und die damaligen Vorgänge sind aus heutiger Sicht und mit zunehmendem zeitlichen Abstand immer schwerer zu verstehen. Dennoch gehören sie zu unserer Geschichte und sollten nicht in Vergessenheit geraten. Ich werd mal in Antiquariaten nach dem Buch stöbern.

Eine 'Entdeckung' konnte ich dabei schon machen: Mein Großvater, Otto Soder, ist offenbar irgendwann zwischen 1938 und 1942 von der Brotbänkengasse Nr. 4 in die Milchkannengasse Nr. 25 gezogen, da der Name in beiden Einwohnerbüchern unter diesen Adressen erscheint.. was ihn zu dem Umzug bewogen hat, bleibt allerdings (noch) im 'Verborgenen'..

Nochmals besten Dank und schöne Grüße
Dietrich

Familie Lowitsch
15.10.2009, 16:30
Auch von meiner Seite herzlichen Dank für die vielen Hinweise, habe ich doch das Thema nicht ohne Grund begonnen.
Noch immer hänge ich nämlich bei meiner Fam.Forschung fest und der Knoten läßt sich nicht wirklich lösen:(
Mein Großvater,der in Danzig aufwuchs,ist in Rössel geboren. Mein Urgroßvater, spätestens seit 1901 Danziger ist auch in Ostpreußen geboren. Beim Opa weiß ich laut Heiratsschein das er katholisch war und mein Urgroßvater soll sogar (bis zu seinem Tod 1943) im Kirchenvorstand von St.Hedwig gewesen sein.
Bei allen Versuchen Anknüpfungen nach Ostpreußen zu finden :confused::confused::confused:
Wo ist der Bezug zum Thema? In meiner Datensammlung taucht um 17hundert-trallala der erste (?) Lowicz mit dem Vermerk "aus einem anderen Herzogtum" und ohne Hinweis auf eine Konfession, in Ostpreußen auf. Der Name ändert sich im laufe der Zeit (dies haben ja schon viele Fam.forscher festgestellt) aber die Träger konzentrieren sich in Ostpreußen (Allenstein,Elbing...) ab 1896/97 Dann ein Namensträger in Berlin, welcher aus Breslau stammt und jüdischen Glaubens war:confused:
Auch in der Familie ist in den letzten Jahren die Vermutung geäußert worden "...da war mal einer..."- das läßt mich nicht los...

Erwin-Danzig, + 17.06.2017
16.10.2009, 03:55
Hallo in die Runde,
schon sehr früh, als ich 1962 von Duisburg nach Aachen zog,
gekam ich damals Kontakt zu einer jüdischen Familie Hirsch.
Es handelte sich um eine Wittwe, die katholisch geheiratet hatte
und duch ihren Mann geschützt war. Sie hat eine lange Zeit im 2. Weltkrieg
in einer Brotfabrik, dort in einem stillgelegten alten Industrieofen Fahndungen der Nazis überlebt. Eine ihrer Schwestern, die es in nach KZ-Haft am Kriegsende in die UdSSR verschlagen hatte, war ebenfalls anwesend. In unseren Gesprächen kam zu Tage, daß sie im Danziger Raum im KZ war und in einem Aussenlager gearbeitet hat. So habe ich ihr meine Geschichte erzählt, die ich im Winter 1943/44 am Prauster Flugplatz hatte.
Das war auch der Anstoß meine Erinnerungen zu diesem Thema schon verhältnismäßig früh nieder zu schreiben.
Noch bevor es eine Danzig-Liste im Internet gab, habe ich diese Niederschrift an den Zentralrat der Juden in Deutschland geschickt.
Von dort bekam ich ein Anerkennungsschreiben zu meinen Ausführungen.
So blieb mein Interesse zu diesem Thema beständig vorhanden.
Das Buch zur Ausstellung in Hannover, mit dem Titel "Danzig 1939"
habe ich seit jener Zeit. So war ich damals erstaunt über die Möglichkeit,
daß die Kulturgüter der Jüdischen Gemeinde Danzig, noch im Frühjahr 1939
mit Unterschrift des Danziger Polizeipräsidenten, nach New York USA
verschifft werden konnten.
Zu den hier in den voran gegangenen Beiträgeb habe ich noch einen Buchtitel zu empfehlen: "Erwin Lichtenstein, Bericht an meine Familie, Ein Leben zwischen Danzig und Israel" Erschienen1986 bei
Hermann Luchterhand Verlag Darmstadt. 242 Seiten, ISBN 3-472-86594-6
Im Anhang befinden sich Namenverzeichnis und Kurzbiographien

Es grüßt Euch Erwin Völz

Helga Zeidler
16.10.2009, 11:31
Dieses Buch von Erwin Lichtenstein (Ein Leben zwischen Danzig und Israel) habe ich auch und würde es auch an sehr Interessierte ausleihen.

Wolfgang
16.10.2009, 11:43
Schönen guten Vormittag,

über dieses sehr gute Buch wurde hier bereits schon mehrfach gesprochen und auch ich wiederhole die Empfehlung es zu lesen.

Eine Alternative zum Ausleihen böte sich evtl. darin, es zu kaufen. Bei Amazon.de wird es schon ab 1,69 € (plus Porto) angeboten: http://forum.danzig.de/showthread.php?t=4478

Erwin-Danzig, + 17.06.2017
25.11.2009, 22:08
An Alle,

hier ein Literaturhinweis:

Autor Erwin Lichtenstein

Bericht an meine Familie

Ein Leben zwischen Danzig und Israel

ISBN 3-472-86594-6

Gruß v. Erwin Völz