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Wolfgang
17.10.2009, 18:27
Aus „Unser Danzig“, 20.02.1963, Nr.4, Seiten 2-3

Seltsame Danziger Ortsnamen
von Wolfgang Federau

Da nicht nur die Menschen, sondern auch die Orte, in denen sie sich in kleineren oder größeren Gruppen sesshaft gemacht haben, seit uralten Zeiten Namen zu tragen pflegen, wen kann es da in Erstaunen setzen, dass auch das Gebiet der Freien Stadt Danzig „wimmelt“ von kuriosen und alles andere als alltäglichen Ortsbezeichnungen. Wo die Hauptstadt, wo Danzig protzen darf mit lustigen Straßennamen und mit Speichern, die Namen tragen und sich nicht mit einer nüchternen Servisnummer begnügen, da dürfen die umliegenden Dörfer und Flecken nicht leer ausgehen.

Alle diese Ortsnamen haben natürlich ihre Geschichte, und der Wissenschaftler, der sich mit solchen Dingen beschäftigt, wird gewiss mühelos in der Lage sein, in zahlreichen Fällen die historische Entstehung solcher Ortsnamen nachzuweisen. Aber wir sind ja keine Wissenschaftler, wir sind keine Historiker und wenig bewandert im Studium alter Pergamente und schweinslederner Chroniken, die im Archiv aufbewahrt werden. Gewiss, in einzelnen Fällen tauchen auch dem Laien geschichtliche Erinnerungen und Weisheiten auf, und wenn er den Namen Dreischweinsköpfe hört, dann entsinnt er sich des verdienten Patriziergeschlechts der Ferber und der drei Eberköpfe, die sie in ihrem Wappen führen. Und wenn er mit der Straßenbahn an Friedensschluss vorbei nach Oliva fährt, dann ergibt sich eine Begriffsverbindung zwischen diesem Ort und dem berühmten Frieden von Oliva ohne weiteres und ganz von selbst.

Im allgemeinen sind wir jedoch, ob wir auch mit Liebe an unserer Stadt, an unserem Lande hängen, mit geschichtlichem Wissen nicht übermäßig belastet. Ein um so weiteres Feld hat die Phantasie, und sie lässt uns zunächst einmal vermuten, dass wir Danziger mit besonderem - und berechtigtem - Stolz an unsere Heimat denken und ihre Vorzüge wohl zu würdigen wissen. Wäre es anders, so würde man in diesem räumlich so eng umgrenzten Stadtgebiet nicht so viele Orte finden, die ihre Reize schon in ihrem Namen sichtbar zur Schau tragen. Da gibt es zwei Orte Schönau (Danziger Niederung und Großes Werder), deren Bewohner wir uns nicht anders als heiteren Gemüts und sonnigen Charakters vorstellen können, es gibt ein Schöneberg, das nicht bei Berlin liegt, sondern an der Weichsel, ein Schönfeld und ein Schönbeck (beide Danziger Höhe), ein Schönrohr (in der wasserreichen Niederung natürlich, denn nur wo Wasser ist, kann Rohr wachsen) und ein Schönholz (Danziger Höhe) und dass ein Schönsee (Großes Werder) nicht fehlt, ist ja wohl selbstverständlich in einem Land, das so reich ist an kristallenen und spiegelnden Seeflächen.

Freilich, wo viel Licht ist, ist gemeinhin auch viel Schatten. Er verkörpert sich in anderen Ortsbezeichnungen, an denen besonders die Niederung reich zu sein scheint. Wo es eben neben allem „Schönen" auch einen Ort gibt, der Schweinekampe heißt, dann aber auch einen, der Wanzenkampe heißt. Wer möchte wohl dort geboren sein? Wenn jemandem das Missgeschick zugestoßen ist, in einem solchen Ort erstmalig das Licht dieser etwas fragwürdigen Welt erblickt zu haben, so lebt er gewiss ständig in der Versuchung, seine Geburtsurkunde zu fälschen. Denn: nomen est omen, und es ist sicherlich nicht angenehm, zeitlebens dem Verdacht ausgesetzt zu sein, man entstamme einem Ort, in dem sich alle Wanzen der Welt ein Stelldichein geben. Nein, wirklich, da sind die Bewohner von Hölle (bei Schidlitz) schon besser daran. Denn die Hölle ist längst nicht so anrüchig, als die Wanzen es sind, und wer in Hölle geboren wurde und wer da lebt, dem blüht wenigstens der Trost, dass ganz in seiner Nähe Wonneberg liegt, und dass er aus Hölle nach Wonneberg zur Kirche gehen kann. Ja sogar der Bürger aus Pechlappen im Großen Werder braucht sich nicht besonders zu grämen, denn Pech kann schließlich jeder haben, und sollte der Name dieses Ortes etwa gar mit Hans Sachs' edlem Handwerk in irgendeinem dunklen Zusammenhange stehen, so befinden sich die Söhne und Töchter Pechlappens mit den Einwohnern von Schusterkrug in der Niederung in denkbar bester Gesellschaft.

Viel größer aber - und wen freut das nicht? - als die Zahl der anrüchigen Namen ist der anderer Ortsbezeichnungen, die freundliche Vorstellungen in uns wachrufen. Die an Blumen erinnern wie Rosenberg (Danziger Höhe) und Rosenort (Großes Werder), an reiche Ernte des Kleinbauern und Gemüsegärtners wie Gurken (Großes Werder), an Märchen und Sagen wie Rotstrümpfchen, ganz in der Nähe des herrlichen Stangenwalder Forstes und des lieblichen Recknitztales.

Schließlich verweisen vielleicht einzelne Ortsnamen sogar auf die besondere wirtschaftliche Lage der jeweiligen Bewohner. Man möchte es meinen, wenn man erwägt, dass Borgfeld ausgerechnet auf der mageren und mit Niederschlägen und Wasser nicht übermäßig gesegneten Höhe liegt, während die ungleich fruchtbareren Kreise Niederung und Großes Werder mit Namen protzen dürfen wie Brodsack, Junkeracker und Käsemark, und - noch nachdrücklicher an Reichtum und Wohlstand erinnernd - Reichenberg und Hundertmark und Zehnhufen.

Damit jedoch die Ausnahme nicht fehle, ohne die es keine Regel gibt: Gute Herberge liegt auf der Höhe, und Nobel liegt ebenfalls dort, also ganz so schlimm scheint es auch im Höhenkreise nicht zu sein. Hinwiederum muss man zur Hochzeit nach der Niederung fahren, und die dazugehörige Jungfer ist auch keine richtige Jungfer, sondern ein Ort, der so heißt - und sie muss man sich aus dem Großen Werder holen. Denn dort liegt der Ort. Wo sich, leider, auch der Galgenberg befindet. Aber von ihm redet man besser nicht.

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Die Veröffentlichung dieses Artikels erfolgte mit freundlicher Genehmigung des "Bundes der Danziger" in Lübeck.

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Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

Gisela Schwetje
17.10.2009, 19:11
Hallo Wolfgang, witzig zu lesen.
Danke
Gisela:D

Wolfgang
17.10.2009, 19:18
Schönen guten Abend,
hallo Gisela,

es fehlt in der Auflistung ein weiterer Ort, und zwar Schnakenburg, wo meine Tante geboren wurde. Meine Mutter sagt immer, ihre Schwester habe sich furchtbar geärgert in diesem "Schnakennest" geboren worden zu sein.

sinus
17.10.2009, 19:32
Hallo,

auch Hochzeit ist es Wert, in dieser Kategorie erwähnt zu werden.

Gruß
sinus

daggel
18.10.2009, 12:26
Ich kenne all diese Orte zwar nicht, aber irgendwie kommen sie mir Vertraut vor. Paps hatte diesen oder jenen mal erwähnt, aber fragt mich nicht in welchen Zusammenhang. Ich war ja noch klein.

daggel

Schönrohr
16.12.2013, 15:06
Ich kenne Schönrohr! Da bin ich gebohren. Ist wirklich so. Rohr gibt es da so viel, dass es dieses Örtchen überwuchen würde, wenn es nicht die Deich- und Grabenpflege gegeben hätte. Direkt im Ort beim Heringskrug ist ein kleiner Teich, der in den 50 Jahren, in den ich ihn kenne, zu Hälfte zugewachsen ist. Schade. Da hat in den 60ger Jahren die ganze Horde der Dorf-Kinder vom Deich zum Teich Wettschlittern betrieben. Es war das pure Leben. Bis in die Nacht Kindergelächter. Bis dann beim einsetzen der Dunkelheit mit nur einem Pfiff unsere 7 Ableger zum Abendbrot gerufen hat. Die Heimat ist uns so lieb, weil wir die schönen Kinderjahre verbracht haben. Als Kind vergisst mann schnell die Sorgen, die die Eltern hatten und glaubt nach Jahren, dass es der schönster Ort auf Erden war. Ich habe heute noch Sehnsucht nach Schönrohr und bin glücklich, dass ich 1Mal im Jahr dort hin fahren kann und all die Wege ablaufen kann, die ich als Kind gegangen war. Die Luft atmen, die doch so voller Düfte ist. die sofort Liebe Erinnerungen wecken.
Ich bin neu in diesem Forum und bin froh so viele Infos zu meiner alten Heimat zu finden.
Danke Allen, die Ihre Zeit opfern und uns diese Infos zu kommen lasse.
Allen eine schöne Vorweihnachtszeit
Renata

Langfuhr43
05.07.2014, 21:25
Durch intensive Familiengespräche mit meiner Danziger Tante bin ich auf "Helgoland" gestossen.
Die große Frage ist nun: war mein Urgroßvater Matheus Friedrich geb. in Neustadt/Westpreussen um 1900 rum tatsächlich für einige Zeit auf Helgoland oder war er im Danziger Helgoland und hat dort gearbeitet.???:confused:
Wie ist er von Neustadt nach Helgoland gekommen? Gab es schon eine Eisenbahn oder ist er mit einem Fuhrwerk dort hin gekommen??. Wer kann mir dazu etwas sagen ?? Viele Grüße Gisela