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Wolfgang
17.10.2009, 19:55
Aus „Unser Danzig“, 05.09.1963, Nr.17, Seite 16

Die Neugarten-Apotheke in Danzig
von Hans Stäglich

Der Urgroßvater mütterlicherseits des Philosophen Schopenhauer war der Apotheker auf Danzig-Neugarten, Georg Lehmann. Er erwarb am 13. Juli 1735 das Bürgerrecht Danzigs und war bis 1743 Inhaber der alten Neugarten-Apotheke. Seine Ehefrau, Susanne Konkordia Neumann, war gebürtige Danzigerin (Danzig-Stadtgrund), getauft (Heiliger Leichnam) am 20. 3. 1718, gestorben nach dem 17.07.1766. Die Ehe wurde am 18.02.1740 in Danzig (St. Marien) geschlossen.

Die Beerdigung des Apothekers Lehmann fand am 21.05.1762 auf dem alten St.-Katharinen-Friedhof (Nordpromenade) statt. Eine Abbildung der Apotheke des Urgroßvaters Schopenhauers gibt es leider nicht. Die Apotheke befand sich, wie mühsame Nachforschungen ergeben haben, Danzig-Neugarten, Hausnummer 506, auf dem ersten Neugarten vor dem hohen Tore. Sie stand genau am Ort des späteren Senatsgebäudes.

Die Tochter des Apothekers Lehmann, Elisabeth (geb. 02.07.1745 — St. Katharinen), heiratete nach dem Tode ihres Vaters den Senator Heinrich Trosiener (St. Marien 06.09.1763), ältester Quartiermeister im Fischerquartier und Vorsteher der Johanniskirche.

Aus dieser Ehe stammt Johanna Schopenhauer (1766-1838), die Mutter des Philosophen Schopenhauer. Die Enkelin des Apothekers Lehmann war eine Frau von Welt. So hat sie z. B. die Position der Lebensgefährtin Goethes, Christiane Vulpius, in Weimar gesellschaftlich legitimiert. Den ehemaligen Pharmazeuten, Künstler und späteren Professor für Kunstgeschichte an der Universität Jena, Carl Ludwig Fernow, würdigte sie durch eine Biographie. Otto Zekert hat die Lebensbeschreibung Fernows aus der Feder der Enkelin des Apothekers Georg Lehmann der Öffentlichkeit in jüngster Zeit (im Auszug) erneut zugänglich gemacht.

Zur Geschichte der Apotheke auf dem ersten Neugarten in Danzig wurden bisher nachstehende Angaben ermittelt: Bis zum Jahre 1743 war Georg Lehmann Inhaber, 1772 Christian Grass. 1778 ist die Apotheke von dem letzten polnischen König Stanislaus August Poniatowski privilegiert worden. 1798 gehörte die Neugarten-Apotheke der Witwe von Christian Grass. Es waren dort tätig Ernst Friedrich Neumann, gebürtig 1774 in Alt-Domerow, und Gotthold Teuber, gebürtig 1761 in Danzig. Anfang des 19. Jahrhunderts ist Besitzer Apotheker und Botaniker Johann Gottfried Weiss, seit 1821 Mitglied der „Naturforschenden Gesellschaft" in Danzig (gest. Danzig 1832 bei einem chemischen Versuch, der zu einer schweren Explosion führte). Es folgen die Apotheker Thiele, Kleinfeld, Lange (1843), Kraatz (1847) und Funk (1849). Adolph Funk (* Danzig 1865) war Arzt und später Direktor einer orthopädischen Heilanstalt, Mitglied der „Naturforschenden Gesellschaft“.

1865 kaufte die Apotheke Kämmer (in der Subhastation für 48 000 Mark). Nachfolger sind Eilerholz (1861), Schocher (1863), Schleusener (1866), Michelsen (1874). Michelsen erwarb Apotheke und dazugehörendes Land um 85.500 Mark und verkaufte den gesamten Besitz - Neugarten Hausnr. 506 - an die Stadt Danzig. Der erwähnte Apotheker Kleinfeld hatte zu Beginn des 19. Jahrhunderts nur 33.000 Mark für den Erwerb ausgegeben. Auf dem Grundstück Neugarten Hausnr. 506 errichtete dann die Stadt Danzig ihr Senatsgebäude. Michelsen verlegte 1874 die Neugarten-Apotheke nach Krebsmarkt 6. Bereits 1876 veräußerte er die Apotheke an den Arzt Dr. med. Theodor Cohn, Mitglied der „Naturforschenden Gesellschaft" i. J. 1844, für 63.000 Mark. Im Jahre 1879 ist Rössig Inhaber, 1883 Carl Hildebrand, noch vor 1900 erwirbt sie Apotheker Lasarstein. Im Jahre 1901 erwirbt Apotheker Alexander Gordon zum Preis von 498.000 Mark Apotheke und Privilegium.

Der Besitz der Neugarten-Apotheke wird erstmals zur Tradition einer Familie, der Gordons. Die in kurzen Zeitabständen vorgenommenen Aufkäufe und Veräußerungen finden ihren Abschluss. Es gibt keine dauernd wechselnden Inhaber mehr. Bis zum tragischen Ende dieser Apotheke bleibt sie in vier Jahrzehnten im Besitz Alexander Gordons. Sein Sohn, Apotheker Dr. Heinz Gordon, verwaltete sie seit etwa 1933/34 bis 1939.

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Die Veröffentlichung dieses Artikels erfolgte mit freundlicher Genehmigung des "Bundes der Danziger" in Lübeck.

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Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

Ulrich 31
29.08.2023, 12:02
Hallo zusammen,

zu diesem Bericht von Wolfgang vom 17.10.2009 über die Danziger Neugarten-Apotheke (auch er erhielt bis heute zwar über 3000 Hits, aber nicht eine Antwort), in der ich in meinen ersten Schuljahren gelegentlich in wohlriechender Warteatmosphäre meinen ebenso gut riechenden und schmeckenen Hustensaft abholte, habe ich bei meiner gestrigen Wanderung durch die Google-Gefilde zwei Ergänzungen gefunden, die hier vielleicht interessieren.

1. Zur dortigen Angabe (Zitat) "Anfang des 19. Jahrhunderts ist Besitzer Apotheker und Botaniker Johann Gottfried Weiss, seit 1821 Mitglied der „Naturforschenden Gesellschaft" in Danzig (gest. Danzig 1832 bei einem chemischen Versuch, der zu einer schweren Explosion führte)." dies:
> Artikel "Die Explosion in der Apotheke" vom 08.04.2018 mit näheren Angaben dazu: ► https://www.barbarusbooks.de/2018/04/08/die-explosion-in-der-apotheke/ (Die Abbildung dort zeigt nicht jene Danziger Apotheke, sondern eine englische.).

2. Zur dortigen Angabe (Zitat) "Nachfolger sind . . ., Michelsen (1874). Michelsen erwarb Apotheke und dazugehörendes Land um 85.500 Mark und verkaufte den gesamten Besitz - Neugarten Hausnr. 506 - an die Stadt Danzig. . . . Auf dem Grundstück Neugarten Hausnr. 506 errichtete dann die Stadt Danzig ihr Senatsgebäude. Michelsen verlegte 1874 die Neugarten-Apotheke nach Krebsmarkt 6. Bereits 1876 veräußerte er die Apotheke an den Arzt Dr. med. Theodor Cohn, . . . ." dies:
> Dieser Apotheker, Oskar Michelsen, ist der Vater von Erich Michelsen (1879-1948), einer Danziger besonderen Persönlichkeit, zu dem ich später im Unterforum "Persönlichkeiten" berichten werde.

Viele Grüße
Ulrich

Ulrich 31
29.08.2023, 14:55
PS zu #2:

Ich muss mich korrigieren (schiebt es bitte auf mein Alter), bevor es ein anderer tut:

Wie aus dem Bericht von Wolfgang (#1) am Ende hervorgeht, gab es diese Apotheke nur bis 1939. Es kann also durchaus sein, dass ich tatsächlich bis zu meinem 9. Lebensjahr meinen wohlschmeckenden Hustensaft dort holte. Danach musste es eine andere Apotheke sein, die für mich gut erreichbar war. Dazu kam dann nur eine der beiden Apotheken am Holzmarkt in Frage, also entweder die Apotheke zur Altstadt, Holzmarkt 1, oder die Sonnen-Apotheke, Holzmarkt 15 (siehe dazu DEB 1942). Leider streikt hier mein Gedächtnis. Ich weiß also nicht mehr genau, wo ich meinen Hustensaft nach 1939 holte.

Dies soll nun jetzt endgültig das Ende meines Tuns im Forum sein.

Macht's gut. Ich sage Adieu.
Ulrich

- - - Aktualisiert - - -

Noch ein kleiner Nachschub zu meiner Gedächtnishilfe:

In dem von mir vor einem guten Jahr gestarteten Thema "Der Holzmarkt (Targ Drzewny) in Danzig" (> http://forum.danzig.de/showthread.php?21818-Der-Holzmarkt-(Targ-Drzewny)-in-Danzig&p=157704&viewfull=1#post157704 ) schrieb ich:
"Ich kann mich noch gut an meine gelegentlichen Besuche einer der beiden Apotheken am Holzmarkt erinnern, wo es damals in der holzvertäfelten Einrichtung mit bequemer Sitzbank so gut nach dem bekannten Hustensaft roch. Es war vermutlich eher die Sonnen-Apotheke, Holzmarkt 15, als die Apotheke zur Altstadt, Holzmarkt 1." - Es ist wirklich Zeit zum Aufhören.