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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Streit um Beutekunst aus Danzig?



Dietrich
23.10.2009, 11:37
Polen fordert Beutekunst von Russland zurück...

http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/art1117,2930317

Wer ist nun wohl der rechtmäßige Eigentümer dieser Schätze ?

Gruß

Dietrich

ada.gleisner
08.11.2009, 18:59
Eine interessante Frage, lieber Dietrich, ich bin nicht informiert, ob Polen irgendetwas an vorgefundener Kunst in den ehemaligen deutschen Ostgebieten an Deutschland zurückgegeben hat. Wenn ja, könnte man zumindest darüber streiten, wohin die Danziger Kunstschätze zurückgegeben werden sollen. Wer weiß denn da etwas über bisherige Rückgaben. Würde mich sehr interessieen, Gruß von Ada

Marc Malbork
08.11.2009, 23:28
Hallo Ada,
Polen hat (verständlicherweise) im Grundsatz nichts aus altem deutschen Kunstbesitz an die Bundesrepublik oder die DDR gegeben, was jenseits von Oder und Neisse 1945ff. vorgefunden wurde weil es da schon immer war. Eine Ausnahme war eine Schenkung von über 100 Gemälden an die damals völlig ausgeplünderte Nationalgalerie hier in Berlin in den fünfziger Jahren. Dabei handelte es sich z. B. um deutsche Gemälde des 19. Jh., an denen man damals in Polen kein Interesse hatte. Ich glaube es sind dann in den sechziger/siebziger Jahren noch kleinere Sachen nach Ostberlin gegangen, aber da müsste ich nachgucken.

Polen hat ferner im Grundsatz mit wenigen Ausnahmen kein evakuiertes Verlagerungsgut aus Berlin und anderen Orten zurückgegeben, dass sich 1945 in den übernommenen Gebieten befand. Wir hatten hier irgendwo im Forum schon mal eine Diskussion über die sog. Berlinka der Staatsbibliothek, die in diesen Kontext gehören.

Auf rechtliche Diskussionen würde ich mich da übrigens nicht einlassen. Polen hat im Frühjahr 1945 Enteigungsgesetze zunächst gerade über alles deutsche öffentliche Eigentum erlassen, so dass die Kunstschätze in Danzigs Museen halt Polen gehören. Vermutlich haben die Russen also 1945 schon polnisches Eigentum geklaut. Unübersichtlich wird es ebenso, wenn man weiß, dass aus unerfindlichen Gründen in der Berliner Nationalgalerie auch einige Gemälde aus dem alten Museum im Danziger Franziskanerkloster aufbewahrt werden, die allerdings nun nicht der Stadt Danzig gehörten, sondern dem 1945 natürlich untergegangenen privaten Kunstverein. Die Sachen werden da korrekt als "Fremdbesitz" bezeichnet - nur wer ist der Fremde ?

Für Kunstfreunde scheinen mir diese Diskussionen, wem was wo gehört und wo es hingehört, ziemlich überflüssig. Hauptsache, die Kunstwerke und Bücher sind für alle zugänglich, insbesondere der wissenschaftlichen Forschung. Soweit man liest, haben da allerdings die Russen noch erheblichen, nunja, sagen wir Optimierungsbedarf.

Dietrich
09.11.2009, 11:23
Hallo Ada und Rüdiger,

danke für Eure Antworten auf die Frage nach dem rechtmäßigen Eigentümer Danziger Beutekunst. Ja, das Wort "unübersichtlich" scheint die Situation am besten zu treffen, denn in den Wirren unmittelbar nach einem Krieg finden offenbar trotz neuer Gesetzgebung immer noch die "Gesetze des Krieges" zumindest teilweise ihre Anwendung.. ich denke, es ist jedoch interessant, wie solche Fragen 65 Jahre nach Kriegsende öffentlich diskutiert werden und bleibt spannend wohin diese Diskussionen führen !

Gruß
Dietrich

Familie Lowitsch
09.11.2009, 11:24
Hallo Rüdiger, ich teile deine Ansicht,

Für Kunstfreunde scheinen mir diese Diskussionen, wem was wo gehört und wo es hingehört, ziemlich überflüssig. Hauptsache, die Kunstwerke und Bücher sind für alle zugänglich, insbesondere der wissenschaftlichen Forschung. Soweit man liest, haben da allerdings die Russen noch erheblichen, nunja, sagen wir Optimierungsbedarf.
möchte aber hinzufügen, daß dies´auch andere Nationen (USA,Italien...)betrifft!

Marc Malbork
10.11.2009, 02:03
Kleine Korrektur meines Beitrages wegen des Verlagerungsgutes. Habe nachgesehen. Also 1965 hat Polen immerhin 127.000 Bücher an die DDR zurückgegeben. Es handelte sich wohl überwiegend um dort nicht gefragte deutsche Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts. Die wertvolleren Handschriften und alten Bücher blieben in Polen, insgesamt über 200.000 Bücher. Die DDR bekam dann noch mal 1977 eine Handvoll Handschriften von Mozart und Beethoven. 2001 gab es ebenfalls als Staatsgeschenk eine Lutherbibel zurück (warum wohl Luther ?).

Aber wie gesagt, egal, Hauptsache ist doch dass hier oder eben in Polen und überall auf der Welt die schönen und belehrenden Sachen weitestgehend für alle zugänglich sind.

Wolfgang
10.11.2009, 02:41
Schönen guten Morgen,

geraubte Kulturgüter und Beutekunst gehören zu den letzten "Geiseln" des Krieges. Auch wenn es einfach scheint, den Status quo als nicht veränderbar hinzunehmen, halte ich dieses Vorgehen für falsch. Es mag möglich sein, offene Fragen und Probleme auszusitzen, jedoch dürfen wir uns nicht wundern wenn uns diese eines Tages auf die Füße fallen. Noch schlimmer: Es werden Präzedenzfälle geschaffen, auf die sich künftige Raubritter berufen können.

Geraubte Kulturgüter und Beutekunst gibt es nicht nur in Polen, Russland, USA, Italien sondern auch in DEUTSCHLAND! Die größten und systematischsten Raubzüge wurden von den Nazis unternommen. Nicht nur in den eroberten Territorien sondern auch in Deutschland selber, wo vor allem Juden entschädigungslos enteignet wurden. Wieviele Museen verstecken auch heute noch Kunstwerke unbekannter (und auch bekannter!) Herkunft in ihren Giftkammern um sie bloß nicht herausrücken zu müssen wenn sich der Eigentümer bzw. dessen Erben melden?

Zwischen Staaten ist eine diplomatische Politik der leisen Töne angesagt. Wir mögen eines Tages ein einig Europa sein, aber trotzdem werden von Land zu Land international geltende Gesetze und Regelungen unterschiedlich ausgelegt. Trotzdem darf das nicht dazu führen, dass ein Verlust von Beutekunst einfach so akzeptiert wird.

ada.gleisner
10.11.2009, 14:33
Vielen Dank Wolfgang und Rüdiger, für Eure Meinungen zu dem Thema Beutekunst. Bis zum Beginn es 20. Jahrh. war es meiner nach doch meistens so, daß ein Land überfallen wurde, alles gerafft wurde, was wertvoll aussah und dann veschwand man wieder damit hinter die eigenen Grenzen. Mit Polen ist es doch etwas anders. Das östliche Deutschland wurde den Polen von den Alliierten zugesprochen, sie haben es im eigentlichen Sinne nicht erobert.
Rechtlich kann ich natürlich dazu gar nichts sagen. Ich glaube, es gibt da auch kein internationales Recht. Oder doch? In diesem Falle der polnischen Inbesitznahme von Kunst stelle ich mich auf die Seite derer, die froh sind, wenn man sich wenigstens alles ansehen kann, was verloren ging. Fahren wir also so oft wie möglich hin in das Land zwischen Oder, Weichsel und den masurischen Seen, um das aufzuspüren, was nicht nach dem Krieg zerstört wurde, nur weil es deutsch war. Das ist jetzt ein bißchen polemisch, aber meine Güte, das muß auch mal sein. Grüße von Ada

Marc Malbork
11.11.2009, 00:32
Zitat ada gleisner:
...Fahren wir also so oft wie möglich hin in das Land zwischen Oder, Weichsel und den masurischen Seen, um das aufzuspüren, was nicht nach dem Krieg zerstört wurde, nur weil es deutsch war. Das ist jetzt ein bißchen polemisch, ...
Ach nein, ada, das ist nicht polemisch sondern schlicht richtig. In der Nachkriegszeit hatten es neben Schlössern und Gutshäusern z. B. evangelische Kirchen schwer, wenn ausreichend katholische in der Nähe waren. Wobei es, wie man fairerweise sagen muss, in der Regel jeweils eher um ein Verfallenlassen aus Desinteresse (früher) und Geldmangel (heute) geht. Und das Gute zum Schluss - hoffentlich immer häufiger - wird heute auch versucht wiederaufzubauen.

Gnojewo/Gnojau, Kr. Großes Werder, ehem. ev. Kirche:

http://video.google.pl/videoplay?docid=8075664516465555128#

http://www.marienburg.pl/viewtopic.php?t=24&postdays=0&postorder=asc&start=0

Wolfgang
07.03.2011, 14:38
Schönen guten Nachmittag,

in der "WELT online" vom 05.03.2010 ist ein interessanter Artikel zu in Polen verloren gegangenen Kunstwerken zu lesen: Zweiter Weltkrieg: Polen zeigt seine Kunst, die es im Krieg verlor (http://www.welt.de/kultur/history/article12507924/Polen-zeigt-seine-Kunst-die-es-im-Krieg-verlor.html)