Wolfgang
07.11.2009, 10:41
Aus „Unser Danzig“, 05.10.1964, Nr.19, Seite 9
Brösen – wo liegt das?
Von Gerhard Bialke
Wieder einmal schritt ich durch die Stadt, die jetzt schon mehrere Jahre meine neue Heimstatt ist. Wegen einer Lastenausgleichssache musste ich zum Amt.
Der Beamte fragt nach meinen Personalien: Wo geboren? — In Brösen! Der Beamte hebt den Kopf, sieht mich fragend an: Brösen, wo liegt das? — Ja, Brösen, ein Seebad in Danzigs Seebadkette, mein Jugendparadies.
Wisst ihr's noch, ihr Gespielen meiner Jugend und alle, die Brösen liebten? Kommt, wir fahren mal in die Vergangenheit!
Kamt ihr mit der Straßenbahn von Langfuhr oder Neufahrwasser, empfing euch eine satte grüne Rasenfläche, und eine breite Promenade führte zum Strand, vorbei am Kurhaus zum Seesteg. Wie oft haben wir hier als Jungen, unten auf dem Laufsteg, nach „Aalchen“ geangelt. Und vorne am Anlegesteg legten die schmucken Dampfer der Weichsel A.G. an: „Paul Beneke“, „Schwan“, „Greif“ und wie sie alle hießen, die von Danzig kamen und über Glettkau nach Zoppot fuhren. Jedesmal war das Anlegemanöver ein Erlebnis für uns. Vor dem Seesteg lag majestätisch unser schönes Kurhaus mit der Terrasse und dem Musikpavillon, in dem Musikdirektor Ernst Stieberitz mit der Kapelle der Schutzpolizei seine Märsche und andere Musikstücke spielte. Abends war dann oft Feuerwerk. Wir saßen auf den Bänken an der Promenade und bestaunten das glitzernde Schauspiel.
Die Klänge der Kapelle und das Krachen des Feuerwerks, — das ist schon lange verklungen, wie alles, was einst unser war!
Weiter gehen meine Gedanken die Strandpromenade entlang zum eleganten „Cafe Seestern". Die Tanzkapelle spielt gerade: „Da kommt die Lu lila!" Oder schauen wir zu den Fischern, die mit ihren Booten vom Fang heimkommen. Die Preuß', die Krefts, die Gronaus, der May und der Mosa mit seinem Motorkutter. War es nicht ein anheimelndes Gefühl, wenn wir mit ihnen durch den knirschenden Sand stapften zwischen Netzen und Booten, den Teergeruch in der Nase?
Und die ihr meine Schulkameraden wart, hatten wir nicht eine schöne Schule, mit weitem Blick bis zum Karlsberg, hinweg über grüne Wiesen und Äcker? Dann die große, geräumige Turnhalle, um die uns noch heute manche Stadt im Westen beneiden würde. Kennt ihr noch unsere Lehrer: Rektor Milinski, Müllerchen, Schulz, Harthun (unser Grauchen), Lewandowski genannt, Pündelchen, Silberbach und Turnlehrer Weinberg. Wo mögen sie heute sein?
Ach ja, den Sport, den darf ich nicht vergessen. Wir hatten es den „Grün-Weißen“ vom Tennisklub so gut abgesehen, dass wir Tennis fast in Vollendung spielten. Es waren freie, herrliche Zeiten, die Jahre um 1930. Eine Fußballmannschaft hatte die DJK, die Ligareife besaß. Auch hier einige Namen zur Erinnerung: Schreiber, Fabian, Göhra, Ziemann, „Pinner“ Hasselberg usw.
Das ist nun alles Vergangenheit, aber wer kann das je vergessen, unser Seebad Brösen mit herrlichem weißem Badestrand. Das saubere, ruhespendende Wäldchen, voller Kiefern, Tannen und Mischwald, mit den schönen Wegen, bis hinauf zur Westermole, vorbei an geheimnisvollen, mit Grün überwucherten Kasematten. Das Singen der Vögel in den Bäumen und das Schreien der Möwen im Wind. Das alles übertönt vom ewig rauschenden Meer!
Ich weiß, meine Freunde, euch geht es gut, ihr denkt nicht mehr viel an Brösen, es liegt so fern, für uns weiter als der Mond. Doch für mich ist es noch heute mein Jugendparadies.
Ich schäme mich der Tränen nicht, die mir die Erinnerung in die Augen treibt. Ich rufe euch, die ihr in alle Winde zerstreut seid, im Brösener Platt zu: „Blievt gesund un denkt enmol, wie scheen et freher war!“
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Die Veröffentlichung dieses Artikels erfolgte mit freundlicher Genehmigung des "Bundes der Danziger" in Lübeck.
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Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang
Brösen – wo liegt das?
Von Gerhard Bialke
Wieder einmal schritt ich durch die Stadt, die jetzt schon mehrere Jahre meine neue Heimstatt ist. Wegen einer Lastenausgleichssache musste ich zum Amt.
Der Beamte fragt nach meinen Personalien: Wo geboren? — In Brösen! Der Beamte hebt den Kopf, sieht mich fragend an: Brösen, wo liegt das? — Ja, Brösen, ein Seebad in Danzigs Seebadkette, mein Jugendparadies.
Wisst ihr's noch, ihr Gespielen meiner Jugend und alle, die Brösen liebten? Kommt, wir fahren mal in die Vergangenheit!
Kamt ihr mit der Straßenbahn von Langfuhr oder Neufahrwasser, empfing euch eine satte grüne Rasenfläche, und eine breite Promenade führte zum Strand, vorbei am Kurhaus zum Seesteg. Wie oft haben wir hier als Jungen, unten auf dem Laufsteg, nach „Aalchen“ geangelt. Und vorne am Anlegesteg legten die schmucken Dampfer der Weichsel A.G. an: „Paul Beneke“, „Schwan“, „Greif“ und wie sie alle hießen, die von Danzig kamen und über Glettkau nach Zoppot fuhren. Jedesmal war das Anlegemanöver ein Erlebnis für uns. Vor dem Seesteg lag majestätisch unser schönes Kurhaus mit der Terrasse und dem Musikpavillon, in dem Musikdirektor Ernst Stieberitz mit der Kapelle der Schutzpolizei seine Märsche und andere Musikstücke spielte. Abends war dann oft Feuerwerk. Wir saßen auf den Bänken an der Promenade und bestaunten das glitzernde Schauspiel.
Die Klänge der Kapelle und das Krachen des Feuerwerks, — das ist schon lange verklungen, wie alles, was einst unser war!
Weiter gehen meine Gedanken die Strandpromenade entlang zum eleganten „Cafe Seestern". Die Tanzkapelle spielt gerade: „Da kommt die Lu lila!" Oder schauen wir zu den Fischern, die mit ihren Booten vom Fang heimkommen. Die Preuß', die Krefts, die Gronaus, der May und der Mosa mit seinem Motorkutter. War es nicht ein anheimelndes Gefühl, wenn wir mit ihnen durch den knirschenden Sand stapften zwischen Netzen und Booten, den Teergeruch in der Nase?
Und die ihr meine Schulkameraden wart, hatten wir nicht eine schöne Schule, mit weitem Blick bis zum Karlsberg, hinweg über grüne Wiesen und Äcker? Dann die große, geräumige Turnhalle, um die uns noch heute manche Stadt im Westen beneiden würde. Kennt ihr noch unsere Lehrer: Rektor Milinski, Müllerchen, Schulz, Harthun (unser Grauchen), Lewandowski genannt, Pündelchen, Silberbach und Turnlehrer Weinberg. Wo mögen sie heute sein?
Ach ja, den Sport, den darf ich nicht vergessen. Wir hatten es den „Grün-Weißen“ vom Tennisklub so gut abgesehen, dass wir Tennis fast in Vollendung spielten. Es waren freie, herrliche Zeiten, die Jahre um 1930. Eine Fußballmannschaft hatte die DJK, die Ligareife besaß. Auch hier einige Namen zur Erinnerung: Schreiber, Fabian, Göhra, Ziemann, „Pinner“ Hasselberg usw.
Das ist nun alles Vergangenheit, aber wer kann das je vergessen, unser Seebad Brösen mit herrlichem weißem Badestrand. Das saubere, ruhespendende Wäldchen, voller Kiefern, Tannen und Mischwald, mit den schönen Wegen, bis hinauf zur Westermole, vorbei an geheimnisvollen, mit Grün überwucherten Kasematten. Das Singen der Vögel in den Bäumen und das Schreien der Möwen im Wind. Das alles übertönt vom ewig rauschenden Meer!
Ich weiß, meine Freunde, euch geht es gut, ihr denkt nicht mehr viel an Brösen, es liegt so fern, für uns weiter als der Mond. Doch für mich ist es noch heute mein Jugendparadies.
Ich schäme mich der Tränen nicht, die mir die Erinnerung in die Augen treibt. Ich rufe euch, die ihr in alle Winde zerstreut seid, im Brösener Platt zu: „Blievt gesund un denkt enmol, wie scheen et freher war!“
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Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang