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Wolfgang
21.11.2009, 01:33
Aus „Unser Danzig“ Nr. 04 vom 20.02.1971, Seite 11

Hochwasseralarm für Danzig
Als einst das Weichselhochwasser kam (1855 und 1886)
Von Hans Feuersänger

Staunend lasen wir einst als Kinder und Jugendliche die Wasserstandsmarkierungen, die wir am Leegen Tor und an der Kalkortbrücke in Danzig eingemeißelt fanden. Ein bis anderthalb Meter über den Straßenhöhen hatten danach die Wasserstände der Mottlau und der Weichsel zu Zeiten der höchsten Frühjahrshochwässer und Überschwemmungen des Weichselmündungsgebietes, z. B. in den Jahren 1840, 1855, 1886 und 1888, betragen, als der Weichselstrom noch nicht durch den preußischen Staat fertig ausgebaut und reguliert worden war. Seit dem Jahre 1888 dagegen, nachdem die Weichselregulierungsarbeiten abgeschlossen waren, und besonders seit am 31. März 1895 die neue Weichselmündung bei Schiewenhorst mit einem Durchstich des Dünengürtels in Betrieb genommen worden war, waren das Land und die Menschen des Weichseldeltas gegen solche Naturgewalten im wesentlichen geschützt.

1855: Von den ungeheuren Schäden, die das Frühjahrshochwasser der Weichsel im Jahre 1855 zwischen der preußischen Landesgrenze bei Thorn und der Montauer Spitze (dem Marienburger Werder) verursacht hatte, seien hier nur die Deichbrüche bei Montau und bei Klossowo erwähnt. Die Hochwassermassen gingen damals durch die Marienburger Niederung in das Frische Haff und waren so stark, dass sie den Haffausgang bei Pillau um 2Va Meter vertieften! 2400 ha Land waren durch die mitgeführten Schwemmstoffe vollkommen versandet und verwüstet, die Schiffbarkeit der Nogat, des östlichen Mündungsarmes der Weichsel, war weiter erheblich verschlechtert worden. Elbing, Marienburg und die Landkreise verlangten mit Erfolg eine Regulierung und einen Ausbau der Nogat, der in den folgenden Jahrzehnten durchgeführt wurde, zumal das Jahr 1888 nochmals einen Nogat-Deichbruch bei Jonasdorf brachte, der für 30 Millionen Mark Schäden verursachte.
über die weiteren Überschwemmungsschäden des Jahres 1855 schrieben s. Z. die Amtsblätter der früheren Provinz Westpreußen: „Aufruf! Ein Unglück, wie es bisher nicht erhört war, hat die Weichselniederungen im Regierungsbezirk Marienwerder betroffen. In der Nacht vom 26. zum 27. und vom 27. zum 28. März 1855 sind sämtliche Weichseldeiche bei einem Wasserstande, der den höchsten bisher bekannten um 7 Fuß überstieg, an mehr als 30 Stellen gebrochen und die Niederungen überflutet. Von Thorn bis zur Montauer Spitze herrscht seitdem der entfesselte Strom mit zerstörender Gewalt. Szenen des herzzerreißenden Jammers haben sich zugetragen. Wohlhabende Ortschaften sind teilweise oder gar ganz vernichtet; viele Bewohner derselben sind in den Fluten umgekommen, andere haben nur das nackte Leben gerettet. Die Zahl der Opfer an Menschenleben ist noch nicht zu übersehen. Die Schätzung von mehr als 100 Toten erscheint nach den bisher vorliegenden Berichten als eine zu mäßige. Wir fürchten, sie wird überstiegen werden. In der Thorner Niederung ist die Hälfte aller Gebäude zerstört, die Hälfte allen Viehs umgekommen. In der Schwetz-Neuenburger Niederung ist die Ortschaft Rachaushof mit allem, was darinnen war, fortgerissen worden; und nur drei bis vier aus den Fluten hervorragende Dächer zeigen den Ort an, wo bisher das Dorf Treul mit 60 Wohnhäusern stand. Tausende von Menschen sind unter Lebensgefahr von den Dächern und Böden, von schwimmenden Holzhäusern und Eisschollen heruntergeholt und auf die Höhen in Sicherheit gebracht worden. In der Stadt Graudenz sind 800, in der Festung Courbiere 200 und in Marienwerder 500 Menschen aufgenommen. Viele davon haben sich selbst auf benachbarte Berge und auf die stehen gebliebenen Weichseldammstrecken gerettet, wo sie bis jetzt ohne Unterkunft sind!

Diese unglücklichen Flüchtlinge sind - mit wenigen Ausnahmen - nicht etwa solche, die früher wohlhabend waren, sondern es sind „Kätner“ und „Einwohner“, deren Wohnungen vernichtet sind, und die mit dem, was sie einbüßten, ihr Alles verloren haben. Die Menschenpflicht ruft uns, diese Unglücklichen vor dem Hunger zu schützen, für die Kranken unter ihnen zu sorgen, und Anstalt zu treffen, dass die Dürftigen weiterhin fortbestehen können. Von diesem Zwecke beseelt, sind die Unterzeichneten zusammengetreten, um in Verbindung mit den lokalen Unterstützungsvereinen, die in den Weichselstädten schon gebildet worden sind und noch gebildet werden sollen, unter Gottes allmächtigem Schutz zu schaffen, was in ihren Kräften steht. Wir rufen dazu alle auf, denen ein fühlend Herz in der Brust schlägt. Helft uns an unserm Werke! Für das, was wir und unsere nächsten (örtlichen) Nachbarn leisten können, ist diese Aufgabe viel zu groß. Unser Gewissen haftet dafür, dass Eure Gaben gut verwendet werden sollen. - Einsendungen werden vorläufig unter der Adresse der Regierungshauptkasse Marienwerder erbeten. Marienwerder, den 31. März 1855.“

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Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang