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Wolfgang
21.11.2009, 23:29
Aus „Unser Danzig“ Nr. 16 vom 20.08.1961, Seite 18

Der Fischerstand im Danziger Land

Es ist im allgemeinen bekannt, dass es der Kaufmannsstand war, der, getragen von hanseatischem Geist, unserer Vaterstadt Danzig zu Ruhm und Ansehen in der Welt verhalf. Man vergisst hierbei zu bedenken, dass auch andere Berufsstände auf ihre jeweils eigene Art mit zu dieser genialen Leistung beigetragen haben. Es ist in erster Linie der Handwerkerstand. Seine Zünfte und Gilden sind uns noch in guter Erinnerung. Zwei Berufsstände, nämlich die der Bauern und Fischer, arbeiteten in aller Bescheidenheit, aber mit nicht geringerem Fleiß als die Kaufleute und Handwerker.

Die Bauern haben durch ihre Schaffenskraft das sumpfige moorige Land in der Niederung, sowie den sandigen Boden auf der Höhe in fruchtbares Ackerland verwandelt. Das war eine große Leistung, jedoch nahm kaum jemand davon
Notiz.

Ebenso wie die Bauern wirkte der Fischerstand in aller Bescheidenheit. An der langen zum Danziger Land gehörenden Ostseeküste, an den Fluss- und Binnenseeufern waren die Fischer beheimatet. Karg war ihr Brot, das sie sich in harter, ja gefährlicher Arbeit verdienten. Sie waren ein besonderer Menschenschlag, der von der Arbeit und dem Wetter gezeichnet war. Die Fischer machten nicht viele Worte, aber sie hatten ein gütiges, hilfsbereites Wesen. War jemand auf See in Gefahr, so fragten sie nicht lange nach dem „wer“ und „wo“, unter Einsatz ihres Lebens leisteten sie Hilfe.

Im Sommer waren immer viele Kurgäste in unseren Städten und Orten am Strand. Wie wir als Kinder, so haben sich auch Kurgäste in der Frühe an jenem Teil des Strandes eingefunden, wo die Fischer zu Hause waren. Oft waren wir schon gegen 6 Uhr an den Winden, mit denen die Boote an Land gehievt wurden. Wir schauten gebannt auf die See, dort hoben sich die Boote wirklich wie Nussschalen vom Meere ab. Sie wurden größer und größer. Mit Segel und oft noch mit der Arme Kraft bewegten sich die Boote vorwärts; später kamen auch Motorkutter hinzu. Dann waren sie an Land. In ihren Booten lag der Vitaminreichtum des Meeres, die ganze Familie half beim Sortieren der Fische aus den Netzen. Ein vertrauter Geruch zog in unsere Nase, ein Gemisch von Karboleum und frischem Fisch.

Während die Fischerfrauen die schweren Kiepen auf die Schultern schnallten und landeinwärts zu den Marktflecken fuhren, um den Fang in Geld umzusetzen, wurden schon die Netze gereinigt und zum Trocknen gehängt. Die „Alten" besorgten das Reparieren der kaputten Netze.

Ja, es war schon ein schwerer Beruf, dieser Fischerstand. Allen Wetterunbillen zum Trotz mussten sie für ihren Lebensunterhalt sorgen. Ein altes Volkslied spricht so recht von der Schwere dieses Berufes. Es heißt da in einer Strophe:

Der Fischerstand, das ahnt ihr nicht,
der hat sein Müh und Plag.
Aufs Meer geht's schon beim Mondenlicht,
sie schuften noch bei Tag.

Wenn hier von den Danziger Fischern gesprochen wird, so darf man nicht den „eigenen Zweig“ der Danziger Fischfrauen vergessen. Sie machten von sich reden. Wer erinnert sich nicht des Fischmarktes an der Mottlau? Hier standen sie, die uns allen vertrauten Fischfrauen. Der Volksmund sagt ihnen nach, dass sie über ein besonders reichhaltiges Repertoire an Danziger Schimpfwörtern verfügten. Von diesen Fischfrauen, mit einer rauhen Herzlichkeit begütert, ging ein besonderes Fluidum aus, welches alle fremden Besucher der Stadt anzog.

Wie für Kiel die „Kieler Sprotten“, so wurden die „Heubuder Räucherflundern“ zu einem über die Grenzen Danzigs hinausgehenden Begriff.

Noch eins verdient hier festgehalten zu werden. Der Fischerberuf war bei uns ererbt. Generationen hindurch hielten die Familien diesem Beruf in Ehren die Treue. Wenn hier die Namen Kanefke, Behnke, Freund und Krefft genannt werden, so mögen sie für all die anderen stehen, die durch ihren Beruf dazu beigetragen haben, dass die Danziger Speisekarte abwechselnd und vitaminreich war.

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Die Veröffentlichung dieses Artikels erfolgte mit freundlicher Genehmigung des "Bundes der Danziger" in Lübeck.

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23552 Lübeck

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Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

Carsten
22.11.2009, 13:23
Danke, Wolfgang, für diesen Beitrag über die Danziger Fischer. Meine Mutter ist eine geborene Kreft. Ihr Opa war der letzte seiner Familie, der in der langen Generationenreihe den Beruf des Fischers ausgeübt hat.

Er soll ertrunken sein ...

Gruß
Carsten

Wolfgang
22.11.2009, 13:33
Schönen guten Nachmiottag,

der Name "Kreft" kommt auch bei den Zoppoter Fischern vor. Hier ein Beitrag zu den Zoppotern: http://forum.danzig.de/showthread.php?p=12775