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gerhard Jeske
14.12.2009, 20:22
Max Danziger wurde Mitbegründer des Motorrad Klubs in Israel
Vor 1939 durfte Max Danziger in der Freien Stadt Danzig als jüdischer Bürger nicht die Oberschule besuchen. In einer Autosattlerei fand er eine Lehrstelle. 1938 gelang es ihm und seine Mutter mit einem Transport aus Danzig abzufahren. in einer lebensgefährlichen Seereise, die mehrere Monate auf einem alten Seelenverkäufer stattfand, konnten sie, nach dem Schiffsbruch des alten Dampfers, als Schiffsbrüchige in Palästina an Land kommen. In Tel Aviv schuf sich Max Danziger eine neue Existenz, indem eine Autosattlerei gründete und seine Familie dazu. Hier ist ein Bericht von den Anfängen des Israelischen Motorrad - Klubs.
Zu erwähnen ist noch, dass Max Danziger Vorsitzender - Der Landsmannschaften Danzig, West und Ostpreußen in Israel ist.
eingereicht durch Gerhard Jeske Hamburg

MAX DANZIGER 18.5.2009 Israel Tel Aviv
Das Lagerfeuer am Meer ,Von den Anfängen unseres Motorad Clups.
Ich bin Vorsitzender im Motorrad Club. Wir muessen immer etwas unter nehmen. Ich schlage vor, wir werden, bei Vollmond ein Lagerfeuer mit Picknick am Meer machen. Ich habe auch einen passenden Ort gefunden. Das ist am Strand beim Hotel Arkadia. Ich bin mit meinem Motorrad einmal herunter gefahren um mir den Platz anzusehen. Ist in Ordnung. Wir machen mit allen die Verabredung. Meine Kinder sind von dem Gedanken begeistert. Wir fahren zur Sicherheit nochmal hin um den Platz zu besichtigen, es geht ein schmaler Weg zur Küste. Aber inzwischen hat man ein Schild aufgestellt, das sagt, dass man den Weg nicht herunter fahren darf. Aber wie kommen wir alle zum Strand? Ich habe eine Ide. Werde den Benzi hinschicken, dass er einen Sack über das Schild hängt. Das machen wir. So vorbereitet fahren wir alle den Weg herunter. Wie wir uns verabredet hatten. Wir hatten ein Paar, die öfters mit uns mit gefahren sind. Der Mann hatte ein Luftgewehr, das Mädchen war bereit auf seinem Motorrad voraus zufahren um einige Tauben zu schießen, die unser Freund Schlomo Meier braten wird. Wie sind wir zu Schlomo Meier gekommen? Er hatte ein Kl. Restaurant in der Frischman Str. eines Tages war eine Anzeige in der Zeitung, - Motorrad Fahrer mit gutem Benehmen sollen sich bei Ihm melden.- Eine komische Anzeige, ich bat meinen Freund Erich Hammerstein mal dort hinzugehen. Als er zurück kam sagte Er, das sind alles nette Leute, du solltest auch mal hingehen. Das Treffen war jeden Mittwoch. Ich ging mit meiner Frau am Mittwoch hin. Gleich hatten wir Anschluss gefunden. Es wurde beschlossen am nächsten Schabat eine gemeinsame Fahrt zu machen. Ich hatte damals ein Motorrad B:S:A: mit Beiwagen. Treffpunkt war an der Eisenbahn Station. Wir packten Proviant ein, und es ging los. Die Solo Maschinen fuhren für mich ein bisschen zu schnell. Bei Rammle hatte ich einen Kolben Klemmer und musste stehen bleiben. Die Andern fuhren weiter und kümmerten sich nicht um uns. Ich wartete bis der Motor sich abgekühlt hatte, und konnte die Maschine wieder starten. Wir beschlossen: Wir fahren zurück nach Hause. Nach 2 Std. kamen die meisten Leute zu uns nach Hause, sie sagten, dass sie sich gesorgt hatten wo wir geblieben waren, wir sollen nicht Böse sein und am Mittwoch wieder in das Restaurant zu Schlomo kommen.
Das war der Anfang des Clubs, der dann voller Mitglieder und auch Autos wurde. Am Mittwoch im Restaurant, bei einer Aussprache sagte ich, wir müssen Ordnung machen. Zuerst müssen die Langsamen fahren u. dann ( hinterher ) die schnellen Solo Maschinen. Ich wurde bald Vorsitzender u. Organisierte viele gemeinsame Touren. So auch das Lager: Feuer am Strand. Es war verabredet das jeder der zum Lagerfeuer kommt ein Bündel Holz mitbringt. Wir packten uns auch etwas zum Essen für uns und die Kinder ein. Ich machte dazu einen Kartoffel Salat, den die Kinder und auch später die Enkel sehr gerne hatten.
Wir kamen zur rechten Zeit an, das Lagerfeuer brannte schon hell und der Schlomo war beim Tauben braten. Wir breiteten Decken auf dem Sand aus, ich hatte vorher unsern Freund Minnikes nach Bne Brak geschickt um einen Akordion Spieler abzuholen. Er hatte einen Stuhl mitgebracht und bald erklang fröhliche Musik. Die ersten gebratenen Tauben waren fertig und wurden verteilt. Mit dem Kartoffel Salat schmeckte es gut. Wir warteten noch auf den Freund Reichmann der mit dem eigenen Motorboot über das Meer ankommen sollte.
Er hatte einen Jeep mit einem Haken und konnte dadurch das Boot von zu Hause zum Hafen in Jaffa schleppen. Dort kannte er einen Araber der ihm half das Boot ins Wasser zu bringen und auch mit fuhr. Wir warteten, nach einiger Zeit sah man ein Licht auf dem Meer das war der Reichmann wir halfen ihm das Boot an Land zu ziehen. Und bald saß er auf der Decke die seine Frau, die mit dem Auto gekommen war ausgebreitet hatte. Die Stimmung war gut, zur Musik wurde auch getanzt. Mit Essen, Singen u. Tanzen verbrachten wir 3 Std. dann wurden wir müde und die ersten entschlossen sich nach Hause zu fahren. Unsere Kinder wurden auch müde. Wir packten unser Sachen zusammen und machten uns auf den Heimweg. Ich fuhr als einer der Letzten. Vor mir fuhr Erich Hammerstein mit seiner Tochter auf seinem Motorrad, das er vor ein paar Wochen gekauft hatte. Plötzlich kam er von Weg ab und stürzte. Er konnte nicht alleine aufstehen denn das Bein war gebrochen. Ich versuchte von unseren Leuten einige anzuhalten, aber keiner sah uns. Es gelang mir ein Auto anzuhalten, der Mann war bereit den Erich mitzunehmen und in die Hadassa Klinik zu bringen. Die Tochter fuhr auch mit. Ich setzte meine Familie zu Hause ab und fuhr zur Hadassa Klinik. Das Bein war inzwischen geschient und der Freund musste 2 Tage in der Klinik bleiben. Am nächsten Morgen fuhr mich ein Freund zur Unfallstelle. Ich nahm das Motorrad und brachte es zum Haus von Erich und stellte es in einem Schuppen ab. Als der Erich nach 2 Tagen nach Hause kam, bekam er viele Besucher, sogar einige Frauen brachten ihm Essen. Als der Gips vom Bein abgenommen wurde konnte er auch bald wieder Motorrad fahren.
Der Club vergrößerte sich im laufe der Zeit. Es kamen auch Autos dazu. Auch Frauen, so kam Tante Minni und Tante Isetta, die mit ihrem Mann, der nicht fahren konnte, die Touren fuhr. Dann waren noch der Ölsner, der Minnikes, Hans u. Irene. Die Lagerfeuer wurden 2 Jahre fortgesetzt, die Leute wurden bequem u. fingen an Liegestühle mitzubringen. Dadurch habe ich die Lust verloren, zum Strand zu fahren das war das Ende der Lagerfeuer.
Aber ich plante etwas anders, wir machen Touren und übernachteten in Jugend Herbergen. Am Purim fest haben wir uns die Jugend Herberge in Poria über dem Kineret See gemietet. Wir hatten uns mit dem Herbergs Vater angefreundet und er hielt uns am Purim die Herberge für uns immer frei. Wir brachten Essen und lustige Verkleidung mit. Ölsner brachte eine komplette Musikanlage mit. Da der Club gewachsen war fuhren wir in 3 Konvois hin. Es war nur eine Schwierigkeit, die Herberge war nichts an das Elektrische Netz angeschlossen. Dafür gab es einen Generator mit Dieselöl betrieben der war 20 Meter vom Haus entfernt damit das Geräusch nicht stört. Der Generator hatte eine Kurbel die 2 Mann durchdrehen mussten damit er ansprang. Die Party fing immer um 7 Uhr abends an, mit Musik, die Kinder machten Aufführungen, danach gab es Abendessen. Um 10 Uhr brachten wir die Kinder in den 2. Stock zum Schlafen. Wir feierten bis in die Nacht weiter. Der Party Raum hatte ein Panorama Fenster zum Kineret, um diese Zeit zu Purim war immer Vollmond und der See voll angestrahlt. Bei einer Fahrt nach Poria ganz in der Nähe ist ein Motorrad Getriebe von einem Mitfahrer kaputt gegangen, Er fuhr gerade im 1.Gang und konnte nicht mehr herauf schalten, Was machen? Ich sagte fahr langsam weiter in Poria werden wir es reparieren, es ist sicher die Feder im Getriebe gerissen, ich habe eine zur Reserve die werden wir bei Tageslicht einsetzen. Wir machten die Reparatur u. das Motorrad, die selbe Sorte wie meine B:S;A: , war wieder in Ordnung. Aus einem unbestimmten Grund, nach einigen Jahren machten wir keine Party mehr in Poria. Aber es gab kein Ende der Feiern wir fanden einen Platz ganz in der Nähe, in Cholon im Beth Bracha. Da machten wir wieder einige Jahre unser Veranstaltungen.
Da keine Musikanlage im Beth Bracha war, schleppte der Manfred Schragenheim seine Sterio Anlage hin. Ich machte inzwischen die Decorationen. Mein Sohn, der mit kam, half mir dabei. Es gab eine Bühne Da machten wir eine Vorstellung. Notmann spielte Laute und ich Mundhermonika am Mikrofon. Willi Neumann hielt einen Vortrag. Dann gab es Tanzmusik.
Wieder wurde es ein schöner Club Abend. Wenn ich das nicht schreibe wird es für immer vergessen sein. Leider ein großer Teil der alten Freunde leben heute nicht mehr.
Max Danziger

Erwin-Danzig, + 17.06.2017
15.12.2009, 03:34
Hallo Gerd Jeske und Interessierte,

dieser Beitrag ruft Erinnerungen hervor.
Ein Bruder meines Vaters war Autosattler in Danzig.
Ich weis nicht bei welcher Firma, ich müßte hier
nun meinen Vetter in Bremen fragen, der aber
erst 1943/44 geboren wurde, ob er noch etwa
Aufzeichnungen seines Vaters aus Danziger Zeit hat.
Auf jeden Fall gab es im Freistaat Danzig, durch
die Zollgesetze die Besonderheit, daß man
Einzelteile für Pkw-Bau einführen durfte und
dann diese zusammenbaute. Da mußten auch die
Sitze mit Leder gepolstert werden. In den 30-Jahren
nahm die Nachfrage ab. Die Weltwirtschaftskrise
hatte auch da ihre Folgen, - Viele junge Männer
verließen die Freie Stadt Danzig und gingen ins Reich,
in diesem Falle die Meisten zur Deutschen Wehrmacht
als Berufssoldaten. - Ein mir Bekannter Nachfahre
einer Danziger Autohandelsfirma, müßte heute bei
Heiligendamm wohnen. Ich lernte ihn in Freiburg
kennen, zusammen mit Peter Poralla. Mal sehen
ob ich noch seine Tel.-Nr ausfindig machen kann.
In meinem Besitz befindet sich ein Foto seiner
Mutter aus den zwanziger Jahren in Danzig -
Sie sitzt auf einem Motorrad, zünftig gekleidet
in Ledermotour, einen RucksacK auf dem Rücken,
in dem der Nachwuchs-Lorbas mitfährt.
Ein friedliches Bild aus jener Zeit, obwohl sie
auch schon voller Spannung war, infolge der
Verhältnisse nach dem Versailler Vertrag.

Noch kurz zur Rettung von jüdischen Danzigern
und jüdischen Flüchtligen, die nach Danzig
kamen: Es gab noch 1937 in Danzig eine private
Höhere Jüdische Schule.-
Sie konnten vor 1939 aus Danzig ausreisen,
auch weil die jüdische Gemeinde Immobilien,
so auch die große Synagoge an der "Reitbahn"
verkaufte und so auch Geld zu Rettungsaktionen
zur Verfügung gestellt werden konnte.
Die beweglichen Kulturgüter wurden sogar mit
Genehmigung der Danziger Polizeibehörde, nach
Amerika verschifft.
Es gab1982 / 1983 Ausstellungen dieser Kulturgüter
in Braunschweig, Bonn und Frankfuhrt a.M.

Im Danziger Heimatkalender 1962 gibt es eine Seite
zur Synagogen-Gemeinde zu Danzig.
Nicht alles wurde nach 1945 "unter der Tisch gekehrt"
wie es hier im Forum schon einmal anklang.
Auch über den Kunstsammler Lesser Gieldzinski,
Menschenfreund und Bürger von Danzig, wird
in der Ausstellungsschrift geschrieben.
Titel: DANZIG 1939 : Schätze einer
zerstörten Gemeinde
ISBN 3-66452-808-4

Es grüßt Euch Erwin Völz.

Aussie
30.12.2009, 04:36
Danke Erwin, gut zu lernen dass Du noch existierst.
Peter Poralla's Geschichten und Dein Name verbreiten sich immer mehr auf der Welt. Jetzt hat das Militaermuseum in Adelaide einige Kopien beider meiner Buecher fuer deren Bibliothek erstanden.
Doch moechte ich nur nebenbei den Herrn Danziger in Israel gruessen und erwaehnen dass mein Schwiegersohn ein 'BSA' Freund ist mit 3 mehr oder weniger 'antiken' Motorraedern und ebenfalls einem Klub, aber in Melbourne, Australien angehoert. Falls Herr Danziger mal auf Reisen geht kann er ja mal hier vorbei schauen.
Viele Gruesse,
Christa.

Erwin-Danzig, + 17.06.2017
30.12.2009, 15:50
Liebe Christa,
danke für Deine Antwort.
In den letzten Jahren bin ich doch ganz gewaltig ins
Abseits geraten. Meine Wohnung auf dem Hof in
Freiburg-Munzingen wurde im Mai 2008 gekündigt.
Mußte mich nach einer neuen Wohnung umsehen
und bin so mit Hilfe des INTERNETS hier in NRW
gelandet. Die Entwicklung zu dieser Lage hatte sich
schon früher abgezeichnet, aber erst durch die
Kündgung suchte ich nach dieser neuen Bleibe.
Meine Kinder und Enkel wohnen im Aachener Raum
Es dauerte alles seine Zeit, bis ich nun im 78. Lebensjahr
hier wieder meine Ordnung einigermaßen aufgebaut habe.
Einen Teil meiner Danziger Unterlagen habe ich hierher
mit genommen. Bin im Juli 2008 mit einem 5 t - Leihwagen
eigenständig, die 550 km bis hierher gefahren.
Mein Freund Peter Rembold und zwei meiner Söhne,
halfen beim Ein- und Ausladen hier in Moers.
Es ist natürlich alles ein bischen beengt, aber
man richtet sich danach.

Dir wünsche ich auch weiterhin Schaffenskraft für die Zukunft,
damit noch ein paar Lebenserinnerungen an Danzig, von
seinen früheren "Kindern" weitergetragen werden können.
Du hast zum Thema der Danziger Juden einiges geschrieben
und ich habe auch noch Unterlagen dazu.
Solltest Du zu irgendwelchen Themen spezielle Kopien nötig
haben, so schicke ich Dir gerne gewünschtes zu.

Alles Gute und Gesundheit wünscht Dir Erwin

Gerhard jeske
30.12.2009, 22:22
Interview Max Danziger aus Danzig-jetzt Tel Aviv (gekuerzt)
gefuehrt von Gerhard Jeske am 4.08.1998 in Bad Wildbad
Als TV-Film gesendet in Hamburg und Berlin.

Von Danzig nach Tel Aviv.
Max Danziger . Ein juedischer Junge in der Feien Stadt Danzig.
Guten Tag, mein Name ist Max Danziger, ich moechte mich vorstellen.
Im Jahre 1921 bin ich geboren und das war eine kritische Zeit, wie sich im Laufe der Jahre weiter entwickelt hat und immer schlimmer wurde. In unserer Besprechung mit Herrn Gerhard Jeske werde ich ihnen weiteres über die Zeit und die Entwicklung und über meinen Werdegang erzaehlen. Vielen Dank.
Heute, nach so vielen Jahren, bin ich der Vorsitzende der Landsmannschaft Vereinigung der Ost- und Westpreußen und Danziger in Israel und ehemals in Danzig war ich Mitglied der juedischen Gemeinde. 50 Jahre ist der Weltkrieg vorbei, aber unsere Stunde, die fruehere Heimat Danzig fluchtartig zu verlassen, war vor 57 Jahren. Wem es nicht gelang, der ist nicht hier mit uns.
Manche Menschen glaubten nicht, dass es bald zu spaet sein wird. Ich ahnte nicht, dass es so schrecklich werden kann. Wir alle waren der irrigen Meinung, dass Danzig unsere sichere Heimat ist. Als wir diese mit Gottes Hilfe verlassen konnten, ist es uns gelungen, eine neue Heimat für uns selbst zu schaffen. Gedenken wir auch der guten Menschen, nicht juedischer Religion, die uns in unserer schweren Zeit geholfen hatten. Gott behuete sie. Wir würden uns freuen, wenn sie uns in Israel besuchen wuerden.

Jeske: Wann bist du geboren?
Ich bin im Jahre 1921 geboren, in einer gut buergerlichen Familie und habe die Volksschule in Danzig besucht. Konnte dann aber nicht weiter zum Gymnasium gehen, das war schon für Juden gesperrt.

Jeske: Das war Anfang der dreißiger Jahre. Welche Erfahrungen gab es dann in der Volksschule?

In der Volksschule? Nachdem unsere Mitschueler wussten, dass ich ein Jude bin, wurde ich verfolgt und geschlagen und nicht in Ruhe gelassen. Und es war sehr schwierig für einen kleinen Jungen, der mit 6 Jahren in die Volksschule kam und mit 14 Jahren diese verlassen wollte, dieses menschlich zu überstehen.

Jeske: Welche Konsequenz hast du daraus gezogen? Hast du dich danach isoliert?

Erstens: Ich hatte mich zurückgezogen. Zweitens: Ich hatte mich dann aber einer jüdischen Jugendorganisation angeschlossen, wo ein ganz anderes Klima war, wo ich mich plötzlich als Mensch gefühlt hatte. Und zwar war das im Alter von ungefähr 8 Jahren. Mit 10 Jahren wurde ich in die Führungsriege aufgenommen und konnte schon mit Kindern im Alter von sechs Jahren Spielnachmittage durchführen, kleine Ausflüge gehen und so weiter. was sich im Laufe der Jahre weiter entwickelte, so dass wir auch zu größeren Reisen kamen und wir übernachteten dann, wenn wir über Tage unterwegs waren, im polnischen Gebiet, bei polnischen Bauern. Und es war sehr gemütlich und war immer sehr nett. Und wenn wir zur Schule zurückkehrten lebten wir in Spannung, was wieder sein wird. Diese Ausfluege halfen uns über die Zeit hinweg zu kommen.

Jeske: Ihr hattet auch eine groeßere Reise mal nach Berlin geplant, aber nicht durchgefuehrt, dann seid ihr dafuer nach Thorn geradelt.

Also wir hatten vorher noch einen anderen Plan. Als ich 13 Jahre alt war, wurde eine Kinderoper eingeuebt. Das war „ eineReise und die Welt“ von Popetka. Die juedische Gemeinde, hatte das Friedrich-Wilhelm-Schuetzenhaus gemietet und ich bekam, sogar die Hauptrolle. Die Oper wurde aufgefuehrt von Kindern in Kostuemen. Es waren daran ungefaehr 300 juedische Kinder beteiligt. Auch das Orchester bestand ungefaehr aus 80 juedischen Kindern und es war ein großer Erfolg. Wir versuchten noch eine andere Auffuehrung zu planen, aber die Zeit ist uns weggelaufen. In späeteren Zeiten, als ich 15 Jahre alt war, sah ich die Schwierigkeit allein auf der Straße zu gehen und nicht Schlaege zu bekommen.
Ich habe mich dem Sportverein Makabi angeschlossen und zwar in der Boxerriege. Dort hab ich prima Boxen gelernt und war mit 17 Jahren der Boxfavorit im Bantamgewicht. Wir haben Ausscheidungskaempfe gemacht mit anderen Sportvereinen und immer sehr erfolgreich. Es war auch sehr interessant, und es war auch eine Moeglichkeit mich irgendwie zu verteidigen, wenn ich ueberfallen wurde, von Mitschuelern, oder von Hitlerjugend-Bengels. Wenn es zu viele waren hatte ich natuerlich in der Flucht den Weg gesucht. In spaeteren Jahren, als ich 17 Jahre alt geworden war, wurde ich Radfahrer. Ich bin viel in Danzig herum gefahren. Mit dem Fahrrad wollten wir eine Reise nach Berlin machen, zu der man uns abgeraten hatte, als juedischer Jugendbund dorthin zu fahren. Wir beschlossen durch die Kaschubei nach Thorn zu fahren. Als wir nachts in Thorn ankamen, sahen wir ein Schild Warschau - Warschowa 230 Kilometer. Da habe ich, als der Anführer dieser Gruppe gesagt: "Wisst ihr was Jungs, wir fahren weiter nach Warschau. Wir schreiben Postkarten nach Hause, dass wir weiterfahren und noch nicht zu erwarten sind."
Wir kamen auf den Marktplatz, wollten ins christliche Hospiz zur Uebernachtung, das aber ueberholt wurde und wir dort nicht schlafen konnten.
Man schlug uns vor zum Hotel Baeren auf den Marktplatz zu gehen. Es wurde inzwischen schon 24 Uhr. Ich ging zur Rezeption, zum Empfangschef, und fragte, was ein Zimmer kostet. Die waren teuer, besonders im 1. Stock, 2. Stock usw. er bot uns eines an im 4. Stock. Da war der Preis erschwinglich, aber nur wenn wir zwei Personen sind. Aber wir waren fuenf. Also hatte ich gesagt, gut wir nehmen das für 2 Personen und wir werden versuchen mit unseren Fahrraedern, einer nach dem anderen, rauf zu klettern und dort zu uebernachten. Das hatten wir auch gemacht. Die Bedingung war, dass wir morgens um halb zehn das Zimmer raeumen sollten damit das Zimmer sauber gemacht werden kann. Aber wir waren zu muede und verschliefen die Zeit. Es war 10 Uhr geworden und es klopfte an der Tuer. Das war die Aufraeumerin. Sie sagte: "Kommt raus, ich will das Zimmer reinigen."
Wir sagten: "Ja gut, einen Moment, warten sie noch, wir müssen uns erst anziehen." Zehn Minuten spaeter klopfte es wieder und die Antwort war: " Ich bin der Direktor von dem Hotel, was ist denn los bei euch? Warum ist es so spaet?"
Also ich oeffnete und sagte wir muessen uns entschuldigen. Er sah hinein und sah fuenf Fahrräder und fuenf Leute im Zwei - Bettenzimmer. Dann sagte er: "Was macht ihr denn da?"
" Ich antwortete, dass wir Studenten sind, auf einer Reise nach Warschau. Wir sahen keine andere Wahl preisgerecht etwas zu finden. Der Direktor antworterte: "Zieht euch in Ruhe an, habt ihr irgendein Fruehstück?"
"Nein, wir haben noch kein Fruehstück bestellt."
"Ich lad euch ein zum Fruehstück, mein Sohn ist auch Student in Warschau, ich geb euch die Adresse mit."
So waren wir eingeladen. Wir zogen uns an, wir gingen runter in den Fruehstueckssaal, schlossen die Fahrraeder an und hatten ein großartiges, fuerstliches Fruehstueck vor uns. Mit allen guten Dingen auf dem Tisch, mit Kakao und Kaffee und Tee und Broetchen, und wir hatten eine nette Unterhaltung mit ihm. Und am Ende gab er uns den Brief für seinen Sohn und sagte: "Wenn ihr zum Ausgang geht, da ist für jeden noch ein Paeckchen".
In diesem Paket waren für jeden von uns zwei Broetchen mit Wurst belegt, die wir auf den Weg mitnehmen konnten.

Eine Episode auf einem Marktplatz in Polen.

Also, es gelang uns wunderbar nach Warschau zu kommen. Wir hatten die Stadt genossen, es war zu schoen, aber es wurde Zeit nach Hause zu fahren.
Und in einem kleinen Staedtchen auf dem Marktplatz passierte folgendes. Wir hatten blaue Samthosen an, die aussahen wie die schwarzen Hitlerjugendhosen und sogar Fahrtenmesser. Da kam die Polizei zu uns und sagte, dass wir zur Polizei-Wache mitkommen muessten.
Auf dem Weg ließen wir die Fahrtenmesser verschwinden, und als wir bei der Polizei waren, fanden wir einen Offizier der deutsch sprach und dem erklärten wir, dass wir eine Reisegesellschaft sind, ein juedischer Jugendbund, und zeigten unsere Danziger Paesse vor. „Wir fühlen uns hier als Gaeste und wir moechten weiterfahren und nicht hier auf der Polizei bleiben“. Er sagte: "Gut, ihr seid entlassen, macht euch auf den Weg."

Wie ging es denn nun weiter? Wovon habt ihr in Danzig gelebt?

Also, es ging so. Alle juedischen Jungens, die nicht mehr weiter zum
Gymnasium gehen durften, wurden zu einer praktischen Lehre, zu einem Meister, geschickt. Es gab immer noch christliche, und juedische Meister, die bereit waren juedische Lehrlinge zunehmen, damit sie ein Handwerk erlernen. Das war auch die Vorbereitung für unseren weiteren Lebenslauf.
Und ich absolvierte eine Meisterlehre, und zwar in der Autopolsterei und es gelang mir sogar die Gesellenprüfung zu machen. Was naturlich sehr schwer war. Im Warteraum saßen Danziger Jungen, die zur Gesellenpruefung kamen, in Hitlerjugenduniformen. Sie gingen rein und sie kamen schon mit dem Dokument heraus. Während ich, auf Anraten meines Lehrmeisters, ein halbes Jahr lang studiert hatte, die Historie von Deutschland und die Wirkstoffe, wie macht man Leder, wie webt man, wie impraegniert man und all diese Sachen, die eventuell gefragt werden wuerden. Als ich vorgeladen wurde, als einer der Letzten, wurden wirklich viele Fragen gestellt, aber ich wusste alle Antworten. Und der Obermeister und die Meister, die die Pruefung beobachteten, nickten sich gegenseitig zu, manche wussten selbst nicht, das was ich gelernt hatte, und ich hoerte-, ja er weiß es- das ist ja interessant.- Dann kam die letzte Frage. Das war die Frage die entschieden hatte, ob ich dann in der Prüfung durchkomme, ob sie gelingt. Und zwar war das eine Frage in der Historie. „Welches Reich haben wir jetzt“, fragte der Obermeister. Ich sagte“. Das ist das dritte Reich.“ Dann fragte der Obermeister,“ Sehr gut. Weißt du wie lange das erste Reich war?“ Ich wusste die Daten die ich gelernt hatte, auch die vom zweitem Reich. Ich wusste die Daten vom Dritten Reich, und weiter, dass es jetzt angefangen hat. „Wie lange wird dann das Dritte Reich sein?“ Ich hatte eine Sekunde überlegt, und hatte dann gesagt: "Das Dritte Reich wird sein fuer ewig." Dann ist der Obermeister aufgestanden und hatte gesagt: "Du hast die Pruefung bestanden, ich rufe sie jetzt mit sie an, sie bekommen spaeter ihre Urkunde."

Wie ging es in der Familie weiter? Was machte der Vater?

Ja, der Vater, der war beruflich taetig, als Rechtsanwalt, der wurde auch eingeschraenkt in seiner Beschaeftigung und durch verschieden Umstände sind dann schreckliche Dinge passiert. Der Vater ging eines Tages, als ich schon 17 1/2Jahre alt geworden war, aus dem Haus und kam nicht mehr zurueck. Wir sahen ihn erst im Leichenschauhaus wieder. Ich weiß nicht ob man ihn ermordet hatte, oder ob er einen Herzanfall auf der Straße bekam, jedenfalls wir sahen klar, das nun das Ende unseres Lebens in Danzig gekommen war und das erkannten wir rechtzeitig.
Nun bereiteten wir uns vor Danzig zu verlassen.
Es gab schon damals wenige Ausreisemoeglichkeiten. Kein Land wollte uns Juden aufnehmen. Es gab nur ein Land, das war Kolumbien. Aber Kolumbien stellte Bedingungen:
1. Man musste ein Gesellenzeugnis von einem Beruf haben, das hatte ich.
Man musste Spanisch lernen, dazu gab es Spanisch Kurse. Ich schrieb mich ein zu den Spanisch Kursen. Unser Pass wurde am Ende, von meiner Mutter und von mir, nach Paris geschickt, um ein Visum zu bekommen fuer Kolumbien. In der Zeit, während der Pass unterwegs war, hörte ich, dass es einen Illegalen Transport geben wird, mit einem Schiff, über das Mittelmeer, nach Palaestina zu fahren. Und ich sagte zu meiner Mutter, was sollen wir in Kolumbien, gehen wir nach Palaestina, da sind auch Juden und wir werden uns dort zu recht finden. Wir baten die kolumbische Botschaft, den Pass uns zuzuschicken, der auch nach einer Woche eintraf. Wir hatten uns dann eingeschrieben auf diese Fahrt mit dem illegalen Schiff nach Palaestina.

Jeske: Ihr seit doch nach Ungarn gekommen?

Diese Fahrt nach Palaestina war nicht so einfach. Es war geplant, dass diese illegale Fahrt 14 Tage dauern sollte. Die Fahrt wurde einmal verschoben und wir sahen auch nicht mehr die Moeglichkeit auf demselben Platz in Danzig zu bleiben, denn es gab schon Leute die verhaftet wurden. Wir gingen sozusagen in den Untergrund zu einer alten Tante, wo wir auf dem Boden geschlafen hatten. Und dann ging doch der illegale Transport heraus und das war ein Datum, das ich mir gemerkt hatte, das war der 3. Maerz 1939.
Und zwar nannte sich dieser Transport Astia Transport, nach dem Namen des griechischen Schiffes, das uns innerhalb von 10 Tagen, über das Mittelmeer nach Palästina bringen sollte.
Wir standen in der Frühe um 4 Uhr auf dem Zollamt Packhof mit 19 Kilo Gepäck in Rucksäcken, mehr war uns nicht erlaubt mitzunehmen. Gestapo oder andere Beamte in Ledermänteln beobachteten unsere Abfahrt. Wir standen sehr lange dort und bestiegen dann die Bahn. Mit dieser Bahn fuhren wir heraus aus Danzig nach Oesterreich. Ich weiß noch, in Oesterreich, als wir durch Wien fuhren, regnete es. Und ich wollte unbedingt den Stephansdom sehen.
Aber es war nichts zu sehen, es war Nebel. Wir waren schon ein Dreivierteltag unterwegs. Die juedische Gemeinde in Wien hatte Kessel aufgestellt und Erbsensuppe und Würstchen verteilt. Der Zug fuhr ab und wir fingen an zu essen. Es zeigte sich, dass die Kochzeit zu kurz gewesen war, die Erbsen waren noch hart, aber die Wuerstchen waren gut.

Jeske: Und dann seid ihr nach Konstanza gekommen?

Nein, wir sind nicht nach Konstanza gekommen. Wir sind an einem Hafen in Rumaenien angekommen, der mir nicht genau bekannt ist, Ich weiß nicht, wie er hieß. Dort war kein Schiff zu sehen. Den Tag hatten wir verbracht in der Bahn, es war kalt, Maerz. Endlich kam ein Schiff an, ein Kohlendampfer, der gechartert war von der juedischen Gemeinde. Der Kohlendampfer war innen ausgestattet mit Holzregalen, dreistöckig. Der hintere Raum war für die Frauen und der Vorderraum war für die Maenner bestimmt. Zum Schlafen gab es natürlich keine
Matratzen, sondern es waren Strohballen hingelegt, die wir aufschneiden mussten. Wenn wir uns hinlegten, hatten wir effektiv Platz zur Verfügung, 2 Meter lang und 50 Zentimeter breit. Das heißt, wenn ich mich umdrehte, musste der Nachbar sich auch mit umdrehen, sonst war das gar nicht möglich. Essen war in Feldkuechen, die an Bord waren und mit Kohlen, und mit Holz, geheizt wurden. Die elektrische Beleuchtung brach schon am ersten Tag zusammen, aber wir bekamen auch so unser Essen. Schließlich dampften wir ab nach Palaestina. Wie wir in der Naehe der Küste waren, bei der Zehn - Meilen Zone, kam ein britisches Kanonenboot, hielt das Schiff an und wir wurden unter dem Kommando eines britischen Offiziers als Prise beschlagnahmt und nach Haifa geschickt. Um diese Zeit war Feiertag, Pessa, so wie Ostern und wir schifften nach Haifa und ankerten dort zwei Naechte. Wir bekamen Orangen an Bord und wir bekamen Mazze zu essen, und dann erhielten wie den Befehl zurückzufahren, irgendwohin nach Griechenland, raus aus der Zehn-Meilen- Zone. Waehrend wir umdrehten und weiter fuhren, kamen englische Flugzeuge, die ueberflogen das Schiff von Zeit zu Zeit und kontrollierten, ob wir nicht wieder umdrehten. So sind wir dann, nach ein und ein viertel Tag Fahrt nach Griechenland gekommen, zur Insel Kea. Bei der Insel Kea, standen schon einige Schiffe, die auch zurueck geschickt worden waren, sieben solcher Schiffe lagen vor Anker. Die Insel Kea hat eine schmale Einfahrt und ein Binnenhafen-Becken. Die Kueste war bewacht, mit griechischen Soldaten, die passten auf, dass niemand über Bord springt und in Griechenland bleibt. Auf diesem Platz hatten wir drei Monate verharrt (3 Monate). Das Trinkwasser ging aus und auch das Essen.
Der Vorsitzende der juedischen Gemeinde von Athen kam geflogen und per Schiff nach Kea. Er sorgte mit Bezahlung dafuer, dass wir Essen bekamen. dass wir uns etwas kochen konnten. Dass wir aufgetankt wurden mit Trink-Wasser. Jetzt war die Frage, wie wir nach Palaestina kommen? Um raus zu kommen, von diesem Ort, hatte die juedische Gemeinde von Athen zwei alte, verkommene, mit einem schlechten Motor bestueckte, Fischerboote gekauft, die uns am Tage der Abfahrt an unserem Dampfer angehaengt wurden. Mit Kohlen neu versehen, mit Wasser aufgetankt, machten wir uns wieder auf den Weg zur palaestinensischen Küste. Die angehaengten Fischerboote konnten wir nicht leer lassen, also gab es eine abwechselnde Wache, eine Besatzung, immer fuenf Mann von den jüngeren Leuten wurden ruebergebracht zu den Fischerbooten und sorgten dafuer, dass die Seile fest sind und dass die Steuerung eingestellt ist.
Eines Nachts war ein schrecklicher Sturm und in der Fruehe, als wir hinaus schauten, sahen wir, (Ich war auch auf einem dieser Schiffe ich wurde gluecklicherweise vorher ausgewechselt,).Also, in der Fruehe sahen wir ein Schiff ist angebunden und das Seil vom naechsten Schiff hing in die Meerestiefe. Wir schnitten es ab. Der Fischerkahn war gesunken. Die Leute konnten zu rechten Zeit über Bord springen und sich auf dem anderen retten. Und mit diesem angehaengtem Boot, das viel zu klein war fuer 750 Menschen, mussten wir geheim, durch die Zehn - Meilen Zone, zur palaestinensischen Kueste fahren. Als wir die Zehn-Meilen Zone erreichten, streikte der Kapitaen, er wollte nicht riskieren, dass sein Schiff beschlagnahmt wird, so sind wir alle an einem Tag, in der Fruehe, ueberfuehrt worden auf das kleinere Fischerboot, das nun sehr ueberladen war. Unsere Rucksaecke, damit das Schiff nicht kenterte, hatten wir in den unteren Fischraum schmeißen muessen. Und wir blieben an Deck. Trink - Wasser hatten wir nicht. Das Schiff legte ab, das große Schiff, die Astia, fuhr davon, und wir blieben allein auf dem Meer. Das Schiff ruehrte sich nicht. Es war kein Wind fuer die Segel. Also wir versuchten den Motor zu starten, der Motor war ein altmodisches Stück, ein Motor, der angeheizt wurde mit einem Brenner, bis der Motor heiß wurde. Dann mussten ihn 2 - 3 Mann so lange kurbeln, bis er ansprang. Er sprang wirklich an, zum Glueck war Diesel Brennstoff vorhanden und wir fuhren in Richtung Kueste. Ploetzlichgab es einen Knall und der Motor ging kaputt. Also wir zogen die Segel auf und versuchten zu segeln, doch die Windstärke war Null. So kamen wir nicht weiter. Erstmal wollten wir sehen wo wir hin treiben. Wir nahmen eine Flasche, korkten sie zu und warfen sie mit einem Strick über Bord und sahen die Flasche schwamm um das Schiff herum. Aber am Nachmittag frischte der Wind auf und mit den Segeln gelang es, uns langsam dem Lande zu naehern.
Von weitem sahen wir Land und dann kam das Geruecht auf, dass, wir gar nicht nach Tel Aviv oder nach Haifa fahren, sondern vielleicht schon unterhalb, im Sueden, bei Gaza sind. Und Gaza war gefaehrlich, denn wir hoerten durch ein Geruecht, dass ein illegales Schiff, ein Segelboot, mit 95 Fluechtlingen, die in Gaza gelandet waren, das alle Juden von den Arabern ermordet worden waren.
Wir wollten gerade ins Wasser springen, um die Kueste auszukundschaften.
In dem Moment kamen Zwei schnelle Motorboote zu unserem Boot. Es waren wieder die Englaender, die unser Schiff schon frueher gestoppt hatten. Wir ließen den Anker runter und standen auf dem Schiff. Die Englaender sagten: "Gut, ihr seid jetzt in Gaza gelandet, gut dass wir euch gepackt haben und man euch nicht ermordet hat. Wir bestellen das Reiterbataillon, dass es den Strand sichert und wir schicken Motorboote rueber und evakuieren euch, weil euer Schiff nicht mehr reisefaehig ist."
Es drang Wasser ein in den Laderaum, Wir standen schon zwei Stunden an den Pumpen, um das Wasser auszupumpen.
Wir wurden nach und nach evakuiert. Am Strand verbrachten wir eine Nacht. Araber brachten einen Wassercontainer, sie brachten uns Wasser zum Trinken, aber da sagte man wieder, das Wasser kann vergiftet sein und so weiter. So sahen wir die einzige Moeglichkeit, ungefaehr , zwei und drei Meter vom Meer entfernt, im Sand Löcher zu graben und zu warten bis das Grundwasser steigt. Dieses Brackwasser haben wir dann mit Tassen raus geholt und hatten es getrunken.
Die Englaender kamen und brachten uns Biskuite und Corned Beef und am nächsten Tag wurden wir dann evakuiert, mit Autos von den Englaendern. Die Gesellschaft wurde aufgeteilt. Ein Teil der Leute wurde nach Tel Aviv geschickt und ein Teil wurde nach Haifa gefahren. Meine Mutter kam in die Richtung von Tel Aviv. Wir wurden einfach auseinander gerissen, und ich wurde nach Haifa gebracht. Dort kamen wir in ein Auffanglager der Englaender und eines Tages, nach ungefäaer zehn Tagen, wurden wir befreit vom Lagerleben
Und danach musste ich erst mal sehen, wo meine Mutter geblieben war.
Jeske: In der Presse der Bundesrepublik Deutschland, besonders die, der Heimatvertriebenen, hattet ihr in diesen Zeitungen über euer Schicksal berichten koennen?

Also, die Sache ist so. Artikel, die ich ihnen zugeschickt hatte, wo ich beschrieb, was uns passiert ist, die sind teilweise in der Presse erschienen, aber eigene Publikationen und eigene Forschungen oder eigene Anfragen, genau wie und was mit uns geschehen ist, die sind niemals erschienen. Es wurde keine komplette Reportage gebracht ueber unser Schicksal und so weiter, was mich natürlich wundert und sagen wir, unsere Mitglieder sind teilweise auch darueber enttäuscht.
Jeske -Ich danke für dieses Gespraech.
Jeske an Frau Helga Danziger geborene Lustik.
Sie sind auch nach Palaestina gegangen. Woher kamen Sie?
Ich kam aus Berlin.
Jeske ,Wann sind sie hinaus gekommen?
Das geschah 1939.
Jeske Da hatten sie aber Glueck gehabt.
Mein Vater war im KZ Buchenwald. Wir bekamen ein Zertifikat, dass ich, wie soll man es sagen, mit ein bisschen Glueck bekommen hatte. Damit konnten wir ausreisen.

Jeske: Und in Palaestina hatten sie dann Herrn Danziger kennengelernt?
Ja ich war ein Maedel von 15 Jahren. Mit 19 hatte ich ihn geheiratet.
Jeske: Und wie lange dauert diese Ehe?
Frau Danziger: Es sind 56 Jahre geworden.
Jeske: Ich hoffe dass sie noch weiter zusammenleben werden,
Und gute Erholung hier in Bad Wildbad
copyr-g.j.

Aussie
31.12.2009, 05:19
Lieber Gerhard. Was fuer eine interessante Geschichte. Recht herzlichen Dank. Muss mal bei unserem lieben Danziger Dan in Israel anfragen ob er Herrn Danziger kennt. Auch Dan hatte schweres durchgemacht. Dan war damals 11 Jahre juenger als Herr Danziger. Seine Mutter war evangelisch, der Vater juedisch. Die Mutter weigerte sich scheiden zu lassen. Sein Vater versuchte auch nach Palaestina zu kommen. Das Schiff wurde ebenfalls von Englaendern vereitelt weiter zu fahren und die Menschen auf Mauritius KZ aehnlich hinter Gittern interniert. Viele starben. Es gab so'ne und solche Englaender. Wer weiss warum diese die armen Juden nicht fahren liessen. Es war doch einfacher Wahnsinn was Menschen anderen Menschen antaten.

danli, + 23.01.2015
31.12.2009, 20:21
Guten Abend und einen Guten Rutsch in ein
glueckliches und gesundes Neues Jahr/

Ich bin Dan (frueher Klaus ) Lindemann .geb. 1932

Mein Vater war Jude und meine Mutter Christin.
Vater konnte 1940 Danzig verlassen.Das war der Transport den unser Freund Tomerk im Forum beschrieb .der Tansport endete nicht in Palaestina sondern auf der Insel Mauritus.Die Danziger wurden als Deutsche von den Englaendern interniert.

Mutter lies sich nicht scheiden,und wurde als Apothekerin in Langfuhr kriegsverpflichtet. Wir 2 Kinder wuchsen (aus Sicherheitsgruenden)
bei meiner Grossmutter in Cranz /Ostpr. auf

Anfangs 1945 wir dann von der Roten Armee "erobert"
den Sommer bei Pr.Holland verbracht Erst gegen Ende des Jahres konnten wir das inzwischen polnische Gebiet verlassen ,und kamen nach Anklam.
1947 gingen wir dann zu Fuss ueber die Zonengrenze in den Westen.

Erst 1949 konnten wir nach Israel zu meinem Vater( zusammen mit meiner Mutter) auswandern.

Seitdem lebe ich in einem Kibuzz im Norden Israels.

Ich bin der Dan , von dem Christa schrieb.


Alles Gute

Danli -Dan Lindemann

Poguttke
04.02.2011, 20:46
Von Danzig nach Tel Aviv mit Max Danziger
Diese Geschichte hätte ich gerne in voller länge wenn das möglich ist.