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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : [Neumünsterberg/Nowa Kościelnica] Das Vorlaubenhaus Wiebe



Wolfgang
08.06.2010, 13:49
Schönen guten Morgen,

die Werderlandschaft wird geprägt durch weite Felder, weidengesäumte Kanäle und kleine Dörfer in denen vor allem die noch vorhandenen Vorlaubenhäuser auffallen. Fast alle dieser Vorlaubenhäuser stehen unter Denkmalschutz. Wenn aber kein Geld oder kein Wille vorhanden ist diese teils einzigartigen Gebäude zu erhalten, dann verfallen sie.

In Neumünsterberg ist der langsame und kaum mehr aufzuhaltende Verfall eines der ehemals stattlichsten Vorlaubenhäuser des gesamten Werders zu beklagen: Das Haus Wiebe. Es steht am Ortsende von Neumünsterberg Richtung Schöneberg (N. Koscielnica 64). Niemand kümmert sich mehr darum, die Hölzer verfaulen, die Vorlaube wird bereits mit einem Metallpfosten abgesprießt, das zum Hof gelegene Dach ist teils abgedeckt. Das Innere des Hauses wird als Mülldeponie benutzt.

So manches Vorlaubenhaus wird aufwändig renoviert, aber viele von ihnen werden in den nächsten Jahren verschwinden. Mit ihnen geht dann auch unwiderbringlich ein Stück Geschichte und Kultur verloren.

Wolfgang
27.08.2010, 11:08
Schönen guten Morgen,

vor ein paar Tagen, am vergangenen Montag, war ich mit Peter Oestmann unterwegs auf "Werder-Tour". Dabei schauten wir uns einige Vorlaubenhäuser an, darunter auch das Haus "Wiebe" in Neumünsterberg. Der Verfall schreitet immer schneller voran. Offene Türen, fehlende Fenster und eine lückenhafte Dacheindeckung lassen die Witterung ihr zerstörerisches Werk ungehindert verrichten.

Damit Ihr Euch ein Bild verschaffen könnt wie das Haus Wiebe früher aussah, füge ein altes Foto bei, das auf der Titelseite von "Unser Danzig" vom 20.10.1989 veröffentlicht wurde. Vergleicht es mit dem 2. Foto meines vorangegangenen Beitrages auf dem der heutige Zustand zu sehen ist.

Kann man Trauer empfinden wenn man hilflos dem langsamen Verfall, dem Sterben eines Kulturdenkmals zusehen muss? Zumindest tiefe Wehmut...

Wolfgang
06.02.2013, 18:25
Schönen guten Nachmittag,

hier ein Auszug aus einem Artikel, erschienen in den Mitteilungen des Westpreußischen Geschichtsvereins, Juli 1933, Seiten 62 ff.

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

Wolfgang
09.07.2013, 00:48
Schönen guten Abend,

ich schrieb früher schon, dass der Verfall dieses einst eines der prächtigsten Vorlaubenhäuser kaum mehr aufzuhalten sei. Vor allem in den letzten Monaten war damit zu rechnen, dass das Haus -wie viele andere zuvor- einfach nur zusammenfällt.

Und trotzdem: Es sind staatliche Gelder genehmigt worden um dieses einmalige Kulturdenkmal zu erhalten. Ich habe keine Ahnung wie das funktionieren soll, denn für einen Neuaufbau nach altem Vorbild werden sicher mehrere Millionen Zloty benötigt - und nur ein kleiner Teil kommt aus dem Denkmalfond.

Heute Abend war ich dort. Das was ich früher sah, wird nun durch die Abtragungsmaßnahmen bestätigt. Im Grunde genommen müsste das Haus komplett platt gemacht werden. Kaum ein einziges hölzernes Element ist erhaltenswert. Im Prinzip sind -aus meiner Sicht- gerade noch die Backsteinmauerwände des nördlichen Erdgeschoßes erhaltenswert - alles andere kostet nur Geld, Geld, Geld...

Das Dach und die große Teile der Obergeschoße sind bereits abgetragen, fortgefahren. Sie waren unrettbar. Warum steht noch der Rest? Ich nehme an, etliches mehr wird der Spitzhacke zum Opfer fallen.

Ich will keine große Kritik äußern außer der, dass es vor ein, zwei Jahrzehnten vielleicht noch die Möglichkeit gegeben hätte mit vergleichsweise geringen Erhaltungsaufwendungen das Haus zu retten. Aber damals war kein Geld da. Und ein hölzernes Vorlaubenzeit hat einen Lebenszyklus. Holz ist kein Baustoff der ewig hält. Und wenn die tragenden Elemente aus Holz sind, heißt das zwangsläufig, dass ein solches Haus -wenn es nicht permanent erneuert wird- eines Tages unrettbar vergeht, verloren ist.

Ich kann mir Vieles vorstellen, ich bin Träumer, Optimist. Aber bei diesem nun größtenteils abgetragenen Kulturdenkmal versagt meine Vorstellungskraft. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es möglich ist, dieses Haus wieder auferstehen zu lassen.

Ich werde in den nächsten Jahren darüber berichten - ich hoffe, mir bleibt genug Zeit.

Hier einige heute aufgenommene Bilder.

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

Insel2008
09.07.2013, 02:11
Hallo Wolfgang, danke für die Photodokumentation. Die kleinen Metallplaketten dienen wohl dem Nachbau- denke ich -. Sonst würde das Holz wohl nicht so sorfältig abgetragen werden, sondern einfach erstmal runtergeschmissen.
Es bleibt spannend.

Wolfgang
10.07.2013, 00:53
Schönen guten Abend,

jedes einzelne Stück des abzutragenden Vorlaubenhauses ist katalogisiert. Jedes einzelne Stück, jeder Balken wird auf Wiederverwendbarkeit geprüft und ggf. bearbeitet bzw. konserviert. Dazu dienen die angebrachten Plaketten. Eine Wahnsinnsarbeit, die bei einem solchen Objekt sicher mehr als eine Million Zloty kostet. Und bei Weitem nicht alles wird mit öffentlichen Mitteln unterstützt.

Es ist leider nachvollziehbar warum immer mehr Vorlaubenhäuser verfallen. Für viele Eigentümer sind solche Gebäude nur mehr eine Last. Je schneller das Haus zusammenbricht desto besser.

Ich werde die Renovierungsarbeiten am Haus mit viel Sympathie undd auch mit großer Neugier begleiten. Es wird sicherlich noch Vieles zu berichten geben.

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

Insel2008
10.07.2013, 01:20
Danke Wolfgang für die Erklärungen. Soll das Haus an gleicher Stelle wieder errichtet werden?

Wolfgang
10.07.2013, 02:54
Ja, an exakt der gleichen Stelle.

ada.gleisner
10.07.2013, 12:44
Es ist natürlich möglich, verfallende Häuser abzubauen und wieder zu rekonstruieren.In meiner Nähe gibt es den "Hessenpark". Ein riesiges AreaL bebaut mit rekonstruierten alten Bauernhäusern aus ganz Hessen, zu Dörfern zusammengefaßt, mit Kirchen und Schulen, alten Friedhofkreuzen. Wenn man gesehen hat, was für armselige Häufchen Holz vorher dort lagen, wo heute die Häuser stehen, konnte man sich kaum vorstellen, daß so etwas mal ansehnlich wird. Daher denke ich wird das alte Vorlaubenhaus auch wieder erstehen . Viel Glück wünsche ich den Bauherren, Grüße von Ren ate

MeinEichwalde
10.07.2013, 21:04
Also, die lieben Wiebes, ja ja welche es wohl sind. Die Wiebes waren ja auch überall. im Werder.Eine der bekanntesten Familien. Und das die Häuser im Werder alle mal jemandem gehört haben. Nun ja. Was mich wundert ist, dass man bei dem Wiebeschen Haus nicht die Familie Wiebe mit einbezieht. Ein schönes Tabu noch immer.DAbei wäre es so einfach. Ladet die FAmilien alle ein, sich um ihre Häuser zu kümmern. Und vor allem bietet den Familien die Rückübertragung an.Das kann doch nicht so schlimm sein.
Bei den Fotobildbänden von Marek Opitz aus Nowy Dw.Gd Tiegenhof ist mir schon früher aufgefallen, dass nie Menschen in seiner WErderlandschaft auftauchen. Wer wohnt denn dort, Wolfgang... das sind doch Deine Nachbarn.Sprichst und besprichts Du Dich eigentlich mit denen ? Ich bin ja so verlanlagt, dass ich bei GEsprächen immer ohne Hemmungen ans Eingemachte komme. DAs würde ich allerdings im WErderaner Fall den Lokalpolitikern überlassen, bzw es dringend von ihnen erwarten. Als normaler Bürger. Ich fühle mich lokalpolitisch mit TEmpelhof und auch mit dem WErder verbunden als Bürgerin Europas. Wenn Häuser verfallen ist das prinzipiell eine Unverschämtheit des Besitzers, denn :Eigentum verpflichtet.... so.. genug gepredigt. Wie geht es Euren Häusern und Katen, in denen Eure Oma aufgewachsen ist ?
LG Eure Delia

Wolfgang
06.10.2013, 23:52
Schönen guten Abend,

es geht vorwärts... :)

Als ich gestern am Haus Wiebe war, stellte ich mehr als einen Lichtblick fest. Die Wiederherstellungsarbeiten gehen voran. Verfaulte Blockbohlen sind im Erdgeschoss ersetzt. Im ersten Stock wurde Fachwerk wiederhergestellt und vermauert. Auch der Dachstuhl wurde bereits teilweise errichtet.

Und trotzdem: Es ist noch ein riesiger Aufwand zu erbringen bis das Haus in altem/neuen Glanz steht.

Hier einige Bilder die den aktuellen Stand zeigen.

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

Insel2008
07.10.2013, 02:46
Hallo Wolfgang,
danke sehr für die aktuellen Photos:-)) Hoffentlich schaffen die Arbeiter das Haus wetterfest vor dem Winter zu machen.
Du hast geschrieben, das staatliche Gelder genehmigt worden sind. Gibt es denn eigentlich moment Privateigentümer oder wird das Haus in öffentlicher Hand sein?
Auf Deinem 2. Bild ist rechts eine Art Bauplakette zu sehen. Hast Du gelesen, was darauf stand? Vielen Dank.

Wolfgang
07.10.2013, 11:08
Schönen guten Morgen,

eine starke Vergrößerung dieses Schildchens gibt Auskunft darüber, dass das Ministerium für Kultur und nationales Erbe die komplexen konservatorischen Arbeiten an diesem Vorlaubenhaus finanziell unterstützt.

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

Insel2008
08.10.2013, 00:27
Danke Wolfgang:-) So hätte ich das nie vergrößern können.
Ist das Haus nun/noch in privater Hand?

Wolfgang
08.10.2013, 20:53
Schönen guten Abend,

das Gebäude befindet sich in privater Hand. Näheres ist zu finden auf einer Informationstafel die bei jedem Bauvorhaben aufgestellt werden muss.

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

Wolfgang
02.12.2013, 23:50
Schönen guten Abend,

noch am 08.07.2013 sagte ich hier "Ich kann mir Vieles vorstellen, ich bin Träumer, Optimist. Aber bei diesem nun größtenteils abgetragenen Kulturdenkmal versagt meine Vorstellungskraft. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es möglich ist, dieses Haus wieder auferstehen zu lassen."

Das was da in den letzten Wochen geschah, das was da wiederersteht, ist schlichtweg schier ein Wunder. Die Rohbaumaßnahmen neigen sich dem Ende zu. Das Dach ist bald vollständig eingedeckt, die Gefache werden ausgemauert.

Hier ein paar Fotos. Es ist bereits zu sehen, dass hier eine große Sehenswürdigkeit am Wiedererstehen ist.

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

sinus
03.12.2013, 00:52
Sehr schön anzusehen.
Was hier geleistet wird, nötigt Respekt ab und nährt die Hoffnung, dass das Projekt zum Erfolg geführt wird. Hoffentlich kann das Haus dann auch angemessen mit Leben gefüllt werden. Ich freue mich, dass die Polen dieses Erbe doch mehr und mehr annehmen.

Schöne Grüße aus Mecklenburg
sinus

Insel2008
03.12.2013, 02:33
Toll wie das Haus Stück für Stück wieder aufersteht. Danke für die Bilder Wolfgang.
Na und wenn das Dach vollständig ist und die Seitenwände vermauert, dann kann sich das Haus über den Winter so richtig einruckeln.

Wolfgang
09.02.2014, 13:04
Schönen guten Morgen,

hier ein Grundriss und eine Frontansicht des Vorlaubenhauses Wiebe. Die Bilder sind entnommen dem Buch "Die Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Marienburg", 1919.

Folgende Erläuterungen zum Haus sind dort zu finden:

"Wohnhäuser:
I. Das älteste ist das des Herrn Wiebe, das mehrfach umgebaut ist; die Grundrisse vor dem letzten Umbau, der erst vor wenigen Jahren erfolgte, zeigt Abb. 270. Die Stube nebst dem großen Herdraum sind späterer Anbau, während der lange Bau von der Breite der Vorlaube, der mit einem Satteldach gedeckt ist, sich als der Kernbau erweist. Wo die älteste Herdstelle war, ist jetzt kaum nachzuweisen, vermutlich lag sie am hinteren Ende des Hauses. Die Räume des Obergeschosses, Speicher und Kammern sind durch einen Umgang, der hier Vorboden genannt wird, zugänglich. Jahreszahlen fehlen; nach der Art des Fachwerksverbandes auf der Hofseite ist der Bau in die Mitte des 18. Jahrhunderts zu setzen."

Das Buch ist auch online einsehbar als Digitalisat der Elbinger Bibliothek: http://dlibra.bibliotekaelblaska.pl/dlibra/docmetadata?id=11139&from=&dirids=1&ver_id=&lp=10&QI=

Viele Grüße aus dem fast frühlingshaft warmen Werder
Wolfgang

Wolfgang
27.02.2014, 13:13
Schönen guten Morgen,

es ist jetzt zwar schon zwei Wochen her als ich die letzten Fotos am Haus Wiebe schoss, aber es hat sich seitdem nichts sonderliches mehr getan. Die Arbeiten gehen voran und es wird mit Sicherheit ein Schmuckstück entstehen.

Als früherer Besitzer eines alten (verputzten) Fachwerkhauses, dann als Bauherr eines in Deutschland und dann eines weiteren hier errichteten Hauses in Holzskelettbauweise habe ich mich früher mit den Materialien etwas näher befasst. Mich verwundert ein bisschen, dass hier offensichtlich Zementmörtel und hartgebrannte Vollziegel ohne Feuchtigkeitssperren für die Ausfachungen verwendet werden. Gut, früher waren es auch Hartbrandziegel, aber wirft diese Bauweise, vor allem mit dem Zementmörtel nicht schon nach relativ kurzer Zeit Probleme auf?

Hier ein paar Bilder...

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

sinus
01.03.2014, 19:14
Hallo, Wolfgang,

die Ziegel mögen noch geeignet sein, das kann man vom Foto nicht so beurteilen. Aber Zementmörtel ist mit Sicherheit das Falsche!
Dafür nimmt man speziellen Kalkmörtel, am besten mit Muschelkalk. Der ist geschmeidiger, gibt Feuchtigkeit schneller wieder ab, hat ein besseres Dehnungsverhalten und sieht einfach schöner aus.
Beispielfoto von meinem rekonstruierten Haus mit Originalbalken (teilweise) und Originalziegeln im sog. Reichsformat, und einem Hexenrelief (von meiner Frau selbst gemacht).

Herzliche Grüße aus Mecklenburg
sinus

Wolfgang
25.08.2014, 13:35
Schönen guten Nachmittag,

es geht voran, langsam geht es voran. Aber bei diesem riesigen Vorhaben für das auch enorme private finanzielle Mittel aufzubringen sind, ist das kein Wunder.

Am vergangenen Samstag war ich auch wieder einmal am Vorlaubenhaus Wiebe. Die Baustelle ist noch mit Blechstellwänden umzäunt, aber von der Seite ist der Baufortschritt gut erkennbar. Der überdachte Rohbau steht, jetzt müssen noch Fenster montiert werden und dann kann mit den Innenausbauarbeiten begonnen werden.

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

Wolfgang
11.09.2014, 20:04
Schönen guten Abend,

hier ein paar neue Fotos des Hauses mit Fensterläden. Es tut sich was :)

Von außen ist das Haus nun weitgehend fertiggestellt - nun warten die Innenarbeiten. Der historische Hauskern blieb erhalten, er muss nun renoviert bzw. restauriert werden. Gestern hatte ich die Möglichkeit, auch eine Aufnahme des Eingangsbereiches mit der Diele zu machen.

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang