Wolfgang
15.10.2010, 08:57
Erinnerungen an die Galgenbrücke
(aus den Tiegenhöfer Nachrichten 1973, Nr. 13, Seite 4)
Sie war eine der schönsten Brücken im Werder und eines der Wahrzeichen unserer Heimatstadt. Siedler aus Friesland und Holland haben diese Brückenform aus ihrer alten Heimat mitgebracht. Sie kamen in das damals nach den Kriegen des 15. und 16.Jahrhunderts fast menschenleer und verwüstete Land, um es neu zu besiedeln. Wie die meisten Brücken im Werder war sie den Brücken in den Niederlanden nachgebildet, wo man sie auch heute noch findet. Es waren Klappbrücken aus Holz, meist weiß gestrichen.
Da auf den Vorfluten und Flüssen - so auch auf der Tiege, sich der größte Teil des Handelsverkehrs abspielte, mussten die Brücken geöffnet werden können, um große Schiffe - die Tiegenhöfer Lommen - passieren lassen zu können. Um die Öffnung schnell und ohne viel Kraftanstrengung mit der Hand vornehmen zu können, bediente man sich einer einfachen Hebelwirkung. Diese wurde erreicht durch den genannten Galgen, der sich cr.20 Meter oberhalb des Straßenteils der Brücke befand. Er lag auf 2 seitlich neben der Brücke stehenden Holzpfeilern auf, auf denen sich auch der Drehpunkt des Hebels befand Vorne war er mit Ketten an dem Brückenende befestigt, das gehoben werden sollte. Das freie andere Ende reichte weit über den Drehpunkt hinaus und war mit großen schwarzen Eisenkugeln, die an Ketten hingen, beschwert, um die Last der Brücke leichter bewegen zu können. Es dauerte meist nur einige Minuten, dann war die Brücke gehoben und das Schiff konnte passieren. Ebenso schnell war die Brücke dann wieder geschlossen. Für uns Kinder war es immer ein besonderes Ereignis, wenn die Brücke geöffnet werden sollte. Oft hörte man den Ruf: "Jungens kommt nach Papenfuß, die Brück' wird aufjedreht!" Papenfuß war der Inhaber des dicht an der Brücke liegenden Hotels. Wir versuchten immer noch schnell auf die Platenhöfer Seite zu kommen, um beim Schließen der Brücke mit den am Boden liegenden Kugeln hoch in die Lüfte zu fahren, was natürlich verboten war. Oft gab es dann verletzte Finger, die in die Kettenglieder eingeklemmt wurden.
Durch den steigenden Verkehr auf dem Wasser, aber auch auf der Straße war die Brücke sehr baufällig geworden und man ersetzte Sie um 1935 durch eine Stahlkonstruktion, die nach demselben Galgen-Hebeprinzip arbeitete. Während der Bauzeit wurde für den Straßenverkehr eine Schwimmbrücke erbaut, die von der Wasserstraße am Bootshaus des Rudervereins vorbei auf das Grundstück Pauls auf der Platenhöfer Seite der Tiege führte. Durch Ausfahren von Pontons war auch der Schiffsverkehr sichergestellt. Man hatte wohl anfänglich mit einer kürzeren Bauzeit für die neue Galgenbrücke gerechnet, denn die Zufahrtswege zur Schwimmbrücke waren zunächst nicht gepflastert , was nach reichlichen Regenfällen im Herbst zu erheblichen Verkehrsschwierigkeiten führte. Wie oft war der Autobus der Firma Zink & Co dort im "Blott“ stecken geblieben, bis man sich schließlich doch zu einer provisorischen Pflasterung des Straßenstücks entschloss. Nach der Einweihung der neuen Galgenbrücke wurde die Behelfsbrücke wieder entfernt.
Viele Flüsse im Werder wurden in früheren Jahren durch solche Galgenbrücken überquert, so die Linau am "Alten Schloß", die Tiege bei Tiegenort. Auch diese Brücken wurden im Laufe der Zeit durch Neubauten oder Dämme ersetzt. Die Galgenbrücke bei Tiegenhof war ein gelungenes Beispiel, den alten Charakter solcher Bauten trotz moderner Konstruktion zu erhalten. Sie passte sich gut in das Landschaftsbild ein, hat den Krieg überdauert und steht auch heute noch.
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Anmerkung: Die "Tiegenhöfer Nachrichten" werden jährlich vom "Gemeinnützigen Verein Tiegenhof - Kreis Großes Werder e.V" herausgegeben. Nähere Infos zum Verein und den Tiegenhöfer Nachrichten sind zu finden unter: www.tiegenhof.de (http://www.tiegenhof.de)
(aus den Tiegenhöfer Nachrichten 1973, Nr. 13, Seite 4)
Sie war eine der schönsten Brücken im Werder und eines der Wahrzeichen unserer Heimatstadt. Siedler aus Friesland und Holland haben diese Brückenform aus ihrer alten Heimat mitgebracht. Sie kamen in das damals nach den Kriegen des 15. und 16.Jahrhunderts fast menschenleer und verwüstete Land, um es neu zu besiedeln. Wie die meisten Brücken im Werder war sie den Brücken in den Niederlanden nachgebildet, wo man sie auch heute noch findet. Es waren Klappbrücken aus Holz, meist weiß gestrichen.
Da auf den Vorfluten und Flüssen - so auch auf der Tiege, sich der größte Teil des Handelsverkehrs abspielte, mussten die Brücken geöffnet werden können, um große Schiffe - die Tiegenhöfer Lommen - passieren lassen zu können. Um die Öffnung schnell und ohne viel Kraftanstrengung mit der Hand vornehmen zu können, bediente man sich einer einfachen Hebelwirkung. Diese wurde erreicht durch den genannten Galgen, der sich cr.20 Meter oberhalb des Straßenteils der Brücke befand. Er lag auf 2 seitlich neben der Brücke stehenden Holzpfeilern auf, auf denen sich auch der Drehpunkt des Hebels befand Vorne war er mit Ketten an dem Brückenende befestigt, das gehoben werden sollte. Das freie andere Ende reichte weit über den Drehpunkt hinaus und war mit großen schwarzen Eisenkugeln, die an Ketten hingen, beschwert, um die Last der Brücke leichter bewegen zu können. Es dauerte meist nur einige Minuten, dann war die Brücke gehoben und das Schiff konnte passieren. Ebenso schnell war die Brücke dann wieder geschlossen. Für uns Kinder war es immer ein besonderes Ereignis, wenn die Brücke geöffnet werden sollte. Oft hörte man den Ruf: "Jungens kommt nach Papenfuß, die Brück' wird aufjedreht!" Papenfuß war der Inhaber des dicht an der Brücke liegenden Hotels. Wir versuchten immer noch schnell auf die Platenhöfer Seite zu kommen, um beim Schließen der Brücke mit den am Boden liegenden Kugeln hoch in die Lüfte zu fahren, was natürlich verboten war. Oft gab es dann verletzte Finger, die in die Kettenglieder eingeklemmt wurden.
Durch den steigenden Verkehr auf dem Wasser, aber auch auf der Straße war die Brücke sehr baufällig geworden und man ersetzte Sie um 1935 durch eine Stahlkonstruktion, die nach demselben Galgen-Hebeprinzip arbeitete. Während der Bauzeit wurde für den Straßenverkehr eine Schwimmbrücke erbaut, die von der Wasserstraße am Bootshaus des Rudervereins vorbei auf das Grundstück Pauls auf der Platenhöfer Seite der Tiege führte. Durch Ausfahren von Pontons war auch der Schiffsverkehr sichergestellt. Man hatte wohl anfänglich mit einer kürzeren Bauzeit für die neue Galgenbrücke gerechnet, denn die Zufahrtswege zur Schwimmbrücke waren zunächst nicht gepflastert , was nach reichlichen Regenfällen im Herbst zu erheblichen Verkehrsschwierigkeiten führte. Wie oft war der Autobus der Firma Zink & Co dort im "Blott“ stecken geblieben, bis man sich schließlich doch zu einer provisorischen Pflasterung des Straßenstücks entschloss. Nach der Einweihung der neuen Galgenbrücke wurde die Behelfsbrücke wieder entfernt.
Viele Flüsse im Werder wurden in früheren Jahren durch solche Galgenbrücken überquert, so die Linau am "Alten Schloß", die Tiege bei Tiegenort. Auch diese Brücken wurden im Laufe der Zeit durch Neubauten oder Dämme ersetzt. Die Galgenbrücke bei Tiegenhof war ein gelungenes Beispiel, den alten Charakter solcher Bauten trotz moderner Konstruktion zu erhalten. Sie passte sich gut in das Landschaftsbild ein, hat den Krieg überdauert und steht auch heute noch.
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Anmerkung: Die "Tiegenhöfer Nachrichten" werden jährlich vom "Gemeinnützigen Verein Tiegenhof - Kreis Großes Werder e.V" herausgegeben. Nähere Infos zum Verein und den Tiegenhöfer Nachrichten sind zu finden unter: www.tiegenhof.de (http://www.tiegenhof.de)